Im Leben von Slash gibt es 3 Musiker, die seine Karriere als Gitarrist maßgeblich beeinflusst haben: Les Paul (Gitarre), Jim Marshall (Amp) und Joe Perry (Sound).
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Angeblich ist ,Rocks‘ von Aerosmith die Grundlage für den typischen Slash-Sound. Stimmt das?
Ganz genau …
Hast du noch Joe Perrys legendäre Les Paul Sunburst?
Slash: Die habe ich ihm zurückgegeben. Und zwar als Geburtstagsgeschenk.
Dabei ist das eine der teuersten Gitarren, die du je gekauft hast …
Slash: Das war sie zumindest mal. Dabei habe ich sie aber wirklich billig ergattert, nämlich für gerade mal 8.000 Dollar. Und zwar 1988. Ich hatte sie lange zu Hause rumstehen, bis ich mich entschied, sie Joe zurückzugeben, und zwar als Aerosmith ihr großes Comeback hatten.
Zuerst wollte er sie zurückkaufen, doch ich lehnte ab. Stattdessen habe ich sie ihm dann zum Geburtstag geschenkt. Was definitiv ein großes Loch in meine Sammlung gerissen hat. Aber dafür war er glücklich.
Was ist mit dem Marshall AFD100 Amp, der als Slash-Signature-Modell gehandelt wird?
Den verwende ich live wie im Studio. Er ist so gebaut, dass er klingt wie der modifizierte Marshall 1959, den ich für ,Appetite For Destruction‘ verwendet habe, und der für einen wirklich einmaligen Sound sorgt. Was mir damals gar nicht so bewusst war. Aber jetzt sind die Leute alle ganz scharf darauf.
Ich meine, du musst nur ins Internet gehen, und schon kannst du alles Mögliche über das Teil nachlesen. Deshalb meinte ich: „Wir sollten etwas für die Fans machen. Nämlich einen Amp, der genauso klingt wie mein alter Marshall.“ Genau das ist dann auch passiert.
Wobei es wirklich schade ist, dass Jim nicht mehr unter uns weilt. Er war ein guter Kerl, hatte ein tolles, erfülltes Leben und war eine verdammte Legende, Mann. Ich meine, schaut euch nur an, was er alles erreicht und geschafft hat. Er hat wirklich unglaublich viel geleistet. Insofern ruhe er in Frieden … (hält inne) Gott, er hat wirklich unglaublich hart gearbeitet …
Genau wie Les Paul, den du scheinbar auch sehr gut kanntest?
Oh ja. Und ich habe kurz vor seinem Tod noch ein paar Mal mit ihm gejammt. Eben in diesem Club in New York, im Iridium. Und das passt zu dem, worüber wir gerade geredet haben. Nämlich diese kleinen Sachen, die es immer noch gibt, und die dir ein Gefühl von Hoffnung und auch Sicherheit geben. Eben, dass es doch noch anders geht. Dass es immer noch Diamanten in diesem ganzen Dreck gibt. Man muss nur ein bisschen danach suchen.
Angeblich hast du lange Zeit gedacht, Les Paul wäre nur eine Marke, aber keine lebende Person. Stimmt das?
Da war ich noch ein Kind, also um die 14. Ich hatte keine Ahnung, dass Les Paul ein echter Mensch ist. Das hat mir dann meine Großmutter erzählt – und ich konnte es kaum fassen. Aber: Eine Menge der technischen Errungenschaften, für die er steht, verwenden wir heute ja immer noch.
Selbst wenn Pro Tools so viel verändert hat. Er ist verantwortlich für den Großteil der modernen Aufnahmetechniken, die wir in den 60ern, 70ern und 80ern verwendet haben, und die einige von uns auch weiterhin zu schätzen wissen. Ich ganz besonders.
Back in the Fifties! Les Paul arbeitete oft mit seiner Frau und musikalischen Partnerin Mary Ford zusammen.
Das Duo gehörte zu den größten Künstlern der frühen fünfziger Jahre und landete mit insgesamt 16 Songs in den Top 10-Hits – unter anderem mit „How High the Moon“ und „Vaya Con Dios.“ Allein 1951 verkauften sie sechs Millionen Platten. Kein Wunder, dass Gibson Les ausgewählt hatte, seinen Namen für die neue Solidbody Gitarre zu verwenden.
Die Performance, die in dem Clip zu sehen ist, stammt aus der NBC TV Show The Colgate Comedy Hour und wurde im März 1954 ausgestrahlt – Gastgeber waren das Comedy-Duo Abbott und Costello.
In dem Video performen Les und Mary, beide mit einer Gibson Les Paul, ein Gitarren-Battle vom feinsten. Sie spielen den Song „There’s No Place Like Home.“
Nein, ich bin nicht der freundliche Anlageberater der Bank Ihres Vertrauens! Obgleich in unserem speziellen Fall der Aspekt „Wertsteigerung“ eigentlich nicht alleiniger Sinn und Zweck des Gitarrensammelns sein sollte, taucht die Frage „Welche Modelle sind lukrativ, wovon soll ich besser die Finger lassen?“ unter Kollektionsnovizen gar nicht mal so selten auf.
Sammelthema: Die Beatles-Cavern-Club-Periode. Instrumente: Uwe Brügmann°
Da es jedoch um Musikinstrumente geht, sollte man vom Sammelnden u. a. gewisse musikalische Interessen und Kenntnisse erwarten dürfen. Auch erweisen sich spielerische Fähigkeiten nicht als hinderlich, wenn man sich über die Klangeigenschaften und -qualitäten einer Gitarre oder eines Basses ein eigenes Urteil bilden möchte.
Thema Farbe: Fender Jaguar, Jazzmaster, Coronado und Telecaster in Lake Placid Blue°
Es gibt heute beinahe nichts, was nicht gesammelt wird. Jedoch lockt Opas Bierdeckel-, Briefmarken-, Münz- und Streichholzschachtelkollektion die Enkel ebenso wenig hinterm Ofen hervor, wie Omas Mokkatassen-, Knopf-, Topflappen- und Stickbildersammlung. Gesammelt wird beinahe nur noch, was Wertsteigerung verspricht. Schon seit Jahren absolut hip sind kleine Plastikteile, umhüllt von Schokolade mit viel Milch und wenig Kakao, welche man mitunter auch noch selbst zusammenbauen muss.
Nicht selten outen sich Menschen aller Altersgruppen an der Supermarktkasse durch rhythmische Schüttelübungen mit bunt verpackten Perkussions-Eiern. Aber auch wir Gitarren-Freaks können mitunter merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag legen. Als angehender (heute Ex-)Vintage-Sammler war ich einmal echt pikiert, als ich 1979 während einer Band-Probe stolz meine damals gerade erstandene originale 1957er Les Paul Standard (mit PAF-Tonabnehmern) auspackte, und ein Roadie dies mit „Haste eigentlich keine Kohle für ’ne neue Gitarre?“ kommentierte. Der Mann war einfach nicht im Bilde…
Wie das Gitarren sammeln anfangen?
Nur selten konzipiert ein angehender Gitarrensammler sein Vorhaben konkret und detailliert. Meist entstehen Sammlungen zunächst eher zufällig und entwickeln über die Jahre hin Bezug zu einem bestimmten Thema, sprich Gitarrentyp oder -modell. Eines unterscheidet jedoch den puren Sammler vom sammelnden aktiven Musiker: Während Ersterer oftmals bestimmte Instrumente eines Herstellers nach Baujahren, Modellreihen oder Lackierungen sucht, zeichnet sich die Kllektion eines Musikers durch Marken- und Typenvielfalt aus.
Auch bevorzugt der Sammler in erster Linie Exemplare in tadellosem, im Fachjargon mit „mint” oder „near mint” bezeichneten Originalzustand, während der Musiker oftmals so genannte „Player“ vorzieht, also Instrumente, die durch Modifikationen wie z. B. neue Mechaniken einfach besser spielbar gestaltet wurden. Dabei handelt es sich meist um intensiv gespielte, oftmals auch modifizierte oder/und überlackierte (oversprayed, refinished) Gitarren in weniger gutem Zustand, die einen Bruchteil der gut erhaltenen kosten. Allerdings klingen selbige erfahrungsgemäß meist besser, da sie unzählige Stunden gespielt wurden.
Fakt ist auch, dass ein absolut „unverbasteltes“ Instrument im Originalzustand ungeachtet seines optischen Eindrucks wertvoller ist, als ein modifiziertes, neu lackiertes oder mit Ersatzteilen rekonstruiertes. Man stelle sich vor, Don Gallagher hätte nach dem Tod seines Bruders Rory dessen geschundene Strat neu lackieren lassen, um sie eventuell besser verkaufen zu können. Höchststrafe! Aber der Mann ist schließlich vom Fach.
Inzwischen dürfte es selbst bis in die hintersten Winkel unserer Republik gedrungen sein, dass sich der Otto-Normal-Sammler etwaige Wünsche nach erschwinglichen Gibson Jazz-Gitarren, Les Paul Standards und ES-335/345/355 sowie Fender Broad-, No-, Tele- und Stratocaster-Modellen der 1950er- und frühen 1960er-Jahre, getrost abschminken kann. Speziell bei diesen gesuchten Gitarren ist der Markt abgegrast, und tauchen dennoch solche Modelle auf, werden sie meist in ein weltweit existierendes Sammler-Informationsnetz eingespeist und sind genauso schnell „gebunkert“ wie aufgetaucht.
Dennoch kann der, der eine Nase für gute Instrumente und Trends besitzt, heute immer noch lohnende Schnäppchen machen. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass die ersten Fender Squier-Modelle der JV- und SQ-Serien, mit denen der US-Hersteller zu Beginn der 1980er versuchte, den erstklassigen japanischen Kopien von Tokai, ESP und anderen Paroli zu bieten, zu begehrten und zurzeit (noch) erschwinglichen Sammlerstücken mit steigendem Wert avancieren würden? Und die vorzüglichen japanischen Fender-Vintage-Reissues der späten 80er und 90er Jahre sind auf dem besten Weg dorthin.
Was sammeln?
Ganz einfach, nämlich zunächst schlichtweg das, was man mag, und was die finanzielle Situation erlaubt. Tunlichst zu vermeiden ist es, für den Kauf einer Vintage-Gitarre einen Bankkredit aufzunehmen, es sei denn, es handelt sich um ein echtes Schnäppchen der Marke „Nummer sicher“. Die Sammelleidenschaft sollte quasi die persönlichen Vorlieben oder Interessen am Gitarrenspiel fortsetzen. Die meisten der bekannten Sammler starteten mit der Suche nach einem ganz bestimmten (Traum-)Instrument, oder wurden durch ein zufällig entdecktes animiert.
Sie begannen, sich für dessen Historie und Konstruktion zu interessieren und erlangten in diesem Zuge umfangreiches Allgemeinwissen über Vintage-Gitarren. Auch in diesem Genre können nämlich Wissenslücken unter Umständen eine Menge Geld kosten. Sammeln ist ein ständiger Entwicklungsprozess. Wer beispielsweise eine ältere Gitarre besitzt, beginnt am besten damit, so viel wie möglich über sie und eventuelle Vorgängermodelle zu erfahren.
Unzählige Veröffentlichungen entsprechender Fachliteratur, Internet-Foren, der Besuch von Fachmessen oder -ausstellungen und Kontakt zu anderen Sammlern erleichtern die Recherche ungemein und erhöhen gleichzeitig den Wissensstand. Grundsätzlich empfiehlt es sich – wenn man nicht gerade auf absonderliche Farben und Formen steht – Gitarren, die bereits in ihrer Erscheinungsperiode Erfolge aufzuweisen hatten, und deren Kopien zu sammeln. Erfahrungsgemäß erfreuen sich solche Instrumente immer einem gewissen Wert-Zuwachs, während Modelle, die schon bei ihrer Vorstellung keinen interessierten, auch später unbeachtet bleiben. Ausnahmen wie Gibsons exzentrische Flying-V- und Explorer-Gitarren bestätigen da nur die Regel. Hier ein paar praktische Sammelvorschläge:
Instrumente eines Herstellers in einer bestimmten Farbe
Instrumente verschiedener Hersteller, aber eines bestimmten Baujahres, z. B. des eigenen Geburtsjahres – was bei dem ein oder anderen von uns allerdings ein recht teures Vergnügen sein kann
Ein bekannter Instrumententyp (z. B. Fender Stratocaster) und dessen Kopien
Ein bestimmter Instrumenten-Typ in seinen verschiedenen Versionen (z. B. Les Paul Standard, Custom, Special, Junior etc.)
Eine komplette Serie (z. B. Fender Standard Strat, Tele, Jazz Bass, Precision)
Die verschiedenen Baujahre eines bestimmten Instrumententyps, z. B. eine Reihe von Telecaster-Modellen von 1970 bis 1979
Alle Signature-Modelle eines Künstlers, einer Band, oder einer Musikrichtung (z. B. alle Ibanez Steve-Vai-Modelle, alle Mark-King-Signature-Bässe etc.)
Wo suchen?
Überall! Na ja, ganz so einfach ist es natürlich nicht, schließlich liegen gute Instrumente nicht auf der Straße oder gar im Sperrmüll herum. Obwohl … auch das hat es alles schon gegeben! Glücklich kann sich schätzen, wer eine Vintage-Gitarre aus zweiter Hand erwerben kann, vorzugsweise mit originalen Etiketten und Kaufbeleg. Die meisten Sammler ziehen den Kauf von Privatleuten vor, da die begehrten Objekte beim Händler in der Regel teurer sind.
Pfandhäuser (engl.: pawn shops) und Flohmärkte dürften für denjenigen eher uninteressant sein, der bestimmte Modelle der renommierten Hersteller sucht. Jedoch auch hier gilt: Nichts ist unmöglich, keine Chance ungenutzt lassen! Dagegen kann dort leicht fündig werden wer auf deutsche oder unbekannte (ost-) europäische Fabrikate schwört. Auch Kleinanzeigen in Tagespresse, Stadtzeitungen, Fachzeitschriften und speziellen Anzeigenblättern sind immer für die eine oder andere Überraschung gut.
Interessant sind auch die meist kostenlosen Inserate im Internet, die sowohl auf den Websites großer Musikläden als auch von Privatleuten zu finden sind. Momentan sehr beliebt sind Web-Auktionshäuser wie ebay. Ganz „ausgeschlafene“ Zeitgenossen verteilen sogar Suchanzeigen in Seniorenheimen. Trotz des derzeit günstigen Dollar-Kurses sind Vintage-Instrumente in den USA zurzeit teurer als hier zu Lande, auch wenn sich die dortigen Dealer erfahrungsgemäß recht verhandlungsbereit zeigen.
Mal eben eine Gitarre zur Aufbesserung der Urlaubskasse aus den Staaten mitzubringen ist nicht mehr so lukrativ wie noch in den 70er und 80er Jahren. Besonders kostspielig wird es, wenn man sich das im www erspähte Objekt der Begierde von einem der zahlreichen amerikanischen Vintage-Händler zuschicken lassen möchte. Zuzüglich zum vereinbarten Preis muss man nämlich noch gut ein Drittel Versandkosten, Transportversicherung und Einfuhrumsatzsteuer einkalkulieren. Sollte das gelieferte Instrument nicht gefallen oder nicht den Beschreibungen des Händlers entsprechen, kann man es in der Regel zwar wieder zurückschicken, jedoch ausschließlich auf eigene (erhebliche) Kosten.
Was lohnt sich?
Wer ganz sicher gehen will, sammelt die nach wie vor begehrtesten Gitarren: Gibson Les Pauls der 50er Jahre bis 1960, ES-Modelle der 335-, 345- und 355-Reihe von 1958 bis 1964 (Stoptail-Periode), Fender pre-CBS Modelle (bis 1965), Vollresonanzgitarren bis Anfang der 60er (Gibson, D’Angelico, Gretsch, Guild) und etliche andere. Bei solchen Modellen werden die Preise mit ziemlicher Sicherheit stabil bleiben und teilweise auch weiterhin steigen. Aber wer kann und will bei diesen Kursen überhaupt mithalten?!
Kümmern wir uns also um die erschwinglichen Dinge. Inzwischen hat der hiesige Vintage-Markt die Qualität deutscher Produkte entdeckt. Abgesehen von den eher kultigen 50er- und 60er-Jahre-Kopierversuchen der Firmen Framus, Höfner, Hoyer, Hopf, Klira u. v. a. sind zurzeit erstklassige Repliken und auch eigene Kreationen von Hoyer aus den 70ern und frühen 80er Jahren gefragt. Sie zeichnen sich vor allem in puncto Konstruktion (oftmals durchgehende Hälse), Hardware, Klang- und Verarbeitungsqualität aus.
Einen gewissen Ausnahmestatus besitzen die aus massiven Hölzern handgefertigten Jazz-Gitarren der Firmen Glassl, Lang und Roger (Rossmeissl), die inzwischen schon für vergleichsweise recht hohe Summen über den Tisch gehen, und je nach Zustand und Modell auch mal bis zu € 2000 kosten können. Wertsteigerung ist auch bei hochwertigen Kopien von Gibson- oder Fender-Klassikern zu beobachten, vorzugsweise Ibanez-Modelle der frühen bis mittleren 70er Jahre, aber auch eigene Kreationen wie die Artist-Serie, das Bob-Weir-Modell und die Denny-Lane-Doubleneck, von der nur zwölf (!) Stück gebaut wurden.
Lukrativ dürften auch die ersten Fender/Squier-Serien der frühen 80er, die Japan Reissues der 80er und 90er Jahre und frühe ESP- und Tokai-Kopien werden. Hauptsache es sind Produkte japanischer und nicht koreanischer Herkunft!
Auch aktuelle Instrumente, exklusiv für Fernost produziert, werden in Zukunft den europäischen und amerikanischen Sammlermarkt erobern, da kaum zu bekommen. Hierzu zählt die Marke Orville (by Gibson), die eine nahezu komplette Palette erstklassiger Kopien der Gibson-Klassiker bietet. Seit dem Tod des Briten Tony Zemaitis sind nicht nur die Preise seiner Originale explodiert, sondern auch die Kopien diverser Hersteller dermaßen gefragt, so dass neben dem Zemaitis User Club inzwischen auch ein Zemaitis Copy User Club entstanden ist.
Da Zemaitis-Kopien mangels erteilter Lizenzen nicht offiziell verkauft werden dürfen, ist die Zahl recht rar. Es ist auch nicht genau bekannt, welcher Hersteller solche Kopien produziert oder in kleinen Stückzahlen fertigt bzw. gefertigt hat. Es existieren eine handvoll prächtiger Modelle von Tune/Blade und Greco, und Cort hat einmal auf einer asiatischen Musikmesse drei wunderschöne Prototypen präsentiert, die jedoch (leider) nie in Serie gingen.
Ich bekam einmal eine koreanische Zemaitis Pearl Front Replica mit verschraubtem Hals in meine Hände, die qualitativ nicht mit den japanischen Kopien konkurrieren konnte. Es empfiehlt sich also, vom nächsten Japan-Trip eine Orville oder eine Zemaitis-Kopie mitzubringen. Auch Gibson-Kopien des japanischen Herstellers Tokai mit neuerem Datum sind für die Zukunft nicht uninteressant, da sie in überschaubaren Stückzahlen, qualitativ auf hohem Niveau gefertigt und deshalb recht begehrt sind.
Soll es jedoch unbedingt ein „echter“ Oldie eines der renommierten US-Hersteller zum halbwegs akzeptablen Kurs sein, bieten sich 60er-Jahre-Low-Budget-Instrumente von Gibson, Epiphone und Fender an. Zu erkennen sind sie meist an ihrem einzelnen Singlecoil-Pickup. Als lukrativ erweisen sich Gibsons und Epiphones mit P-90s (Dog Ear-Pickup). Einige Modelle verfügen auch über zwei einfache Singlecoils. Die Gibsons tragen die Bezeichnung Junior, Special und Melody Maker, von Epiphone empfehlen sich die Modelle Coronet, Olympic und Olympic Special sowie die Japan-Modelle Scroll 450 und 550 aus der Mitte der 70er Jahre. Fenders „Einsteiger-Gitarren“ sind Duo Sonic, Musicmaster, Mustang, Bronco und Musiclander.
Man sieht, der Sammlermarkt bietet immer noch eine Menge Interessantes und mitunter noch durchaus Bezahlbares, wenngleich sich die Wertsteigerung in dieser Sparte sicherlich im überschaubaren Rahmen halten wird. Aber wer weiß, ob nicht der nächste Guitar Hero mit einer alten Hagström, Eko, Klira, Herticaster, Necker Man oder was weiß ich für Furore sorgen wird, und deren Preise urplötzlich in die Höhe schießen werden.
Zurück in den frühen Fünfzigern: Les Paul erschuf die Multitrack-Aufnahme und das anwesende Publikum war verwirrt: Wie war es möglich, dass Les und seine Frau und Performing-Partnerin, Mary Ford, geschichtete Gitarren- und Vocal-Aufnahmen machen konnten?
1953 lud CBS (Hörfunk- und Fernseh-Networks der USA) Les und Mary ein, das Multitracking in der US-Amerikanischen Serie Omnibus zu demonstrieren. Gastgeber war Alistair Cooke.
Zuerst erlaubt sich Les Paul einen kleinen Scherz und beginnt mit einer falschen Demonstration des Multitrackings. Die korrekte Vorgehensweise beginnt im untenstehenden Video erst bei der 3:40 Marke. An diesem Punkt hängt sich Les Paul seine Gibson um und nimmt ein paar Backing-Tracks von seinem und Marys Hit „How High The Moon“ (1951) auf zwei Ampex Tonband-Recordern auf. Danach folgen Marys Lead- und Harmony-Vocals.
Abseits des Custom Shop hat Gibson für das Jahr 2016 seine Modellreihen in Traditional (T) und High Performance (HP) gesplittet und mangels Kundenzuspruch etliche der innovativen 2015er Features quasi wieder in die Traditional-Tonne befördert.
Somit sagt das Anhängsel „T“ eigentlich schon alles: Keine G-Force Auto-Tuner mehr, kein justierbarer Nullbundsattel, keine Titan-Bridges, keine breiteren Hälse und Griffbretter usw. Offenbar sind die meisten Gitarristen doch eher konservativ gepolt und präferieren bewährte Features. Wer jedoch nicht auf die zahlreichen Neuerungen des vergangenen Jahres verzichten möchte, wird mit den gleichen Gitarrenmodellen in der High-Performance-Reihe fündig.
Konstruktion der Gibson Les Paul Studio Faded 2016 T & Traditional 2016 T
Welche Hölzer für eine konventionelle Les Paul verwendet werden, dürfte hinlänglich bekannt sein. Dennoch gibt es bei unseren Testkandidatinnen Unterschiede hinsichtlich Holzqualität, -dichte und Weight Relief (Hohlkammern bzw. Bohrungen). Hier wie dort findet für die Hälse und Bodies Mahagoni Verwendung. Während Erstere einteilig und eingeleimt sind, behält sich Gibson bei der Traditional vor, ob deren Bodies ein- oder zweiteilig sind, bei der Studio sogar ob zwei- oder mehrteilig. In unserem Fall sind beide hälftig zusammengefügt, der der Studio aber auch 5 mm dünner. Zudem verwendet der Hersteller Mahagoni mit den vier Dichtegraden High, Medium, Low und Ultra-Low. Je niedriger umso wertiger und damit teurer. So wird beispielsweise die Dichte des Studio-Korpus mit Medium, die der Traditional mit Ultra-Low angegeben.
Die Ahorndecken klassifiziert Gibson je nach optischer Attraktivität in zehn Stufen von C bis AAAA. Während die neue Studio Worn eine schlichte C-Decke ohne Flammung und Binding besitzt, ziert die 2016er Traditional eine ansprechende dezent geflammte AA, die von cremefarbener Einfassung und warmem Honey Burst in Szene gesetzt wird. Die tadellose Hochglanz-Nitrolackierung der Traditional schlägt sich natürlich im Vergleich zum seidenmatten braunen Studio Worn Finish vor allem im Preis nieder. Letzteres besitzt die Haptik von imprägniertem, glattgespieltem Holz, dessen Poren nicht nur sicht- sondern sogar fühlbar sind. Für stark schwitzende Hände die ideale Oberfläche. Schwarz strukturierte, eingelassene Kunststoffplatten verschließen die rückseitigen Schalter- und E-Fächer.
Die Elektrik der LP Studio ruht auf einer Platine mit ausnahmslos gesteckten Kabelverbindungen, die der Traditional auf einem Blech mit konventioneller handverlöteter Verdrahtung. Die zuverlässig packenden Klinkenbuchsen werden von Zargenplatten aus schwarzem Kunststoff bzw. verchromtem Blech gehalten. Seit 2014 verwendet Gibson größere und damit sicherere Aluminiumgurtknöpfe. Mit kurzen Halsfüßen und Neigungen von 5 Grad hat man die Mahagonihälse in die Bodies geleimt. Anders als die ergonomischen Übergänge der High-Performance-Modelle kommt hier der klassische stufige Neck Joint zum Einsatz. Das etwas dickere Palisandergriffbrett der Les Paul Traditional wird von cremefarbenem, an den Bünden hochgezogenem Binding mit schwarzen Sidedots umsäumt. Bei der Studio Faded sind die Sidedots natürlich weiß. Vorne erleichtern trapezförmige Acryl-Inlays die Orientierung.
Sowohl die schlanken recht hohen Bünde als auch die Kerben der selbstschmierenden TekToid-Sättel wurden per Computer-gesteuertem PLEK-Verfahren optimal abgerichtet, alle Bundkanten verrundet und poliert. Beste Vorraussetzungen also für niedrige Saitenlage. Die um 17 Grad geneigten Kopfplatten tragen tadellos arbeitende Grover „Green Key“ Vintage Tuner. Korpusseitig werden die Saiten von Tuneo-matic-Stegen geführt und von Stoptails gehalten. Die Höhenjustierung der Nashville Bridge erfolgt neuerdings komfortabel mittels Inbusschlüssel. Während bei der Les Paul Studio Burstbucker Pro Pickups die Saitenschwingungen wandeln, übernehmen dies bei der Traditional 57 Classic Humbucker. Verwaltet werden sie mit Hilfe von je zwei Volumeund Tone-Potis mit zylindrischen Speed-Knöpfen und einem Dreiwegschalter.
Die Gibson Les Paul Studio Faded 2016 T & Traditional 2016 T in der Praxis
Während die Studio Faded dank ihrer holzigen Oberflächen die angenehmere Haptik bietet, erfreut die Traditional mehr das Auge. Klar, dass sie insgesamt wertiger rüberkommt, kostet dafür auch fast das Dreifache. Beide Hälse liegen komfortabel in der Hand, die BunddrahtEnden der Studio geben sich trotz sorgfältiger Abrichtung holpriger und könnten noch etwas stärker verrundet werden. Am Gurt wie auch auf dem Bein zeigen beide Gitarren Ausgewogenheit. Soweit alles im grünen Bereich, würde da nicht das enorme Gewicht der Traditional am Gurt zerren. 4,35 kg sind für eine weight reliefed (gewichtsreduzierte) Les Paul meines Erachtens einfach too much.
Bereits unverstärkt unterscheiden sich beide Probandinnen erheblich, klingt das schlichte Modell doch kraftvoller, lauter und erdiger und schwingt auch intensiver. Sicherlich ist das u. a. ihrem Modern Weight Relief zu verdanken, welches nicht nur größere sondern auch drei zusätzliche Tonkammern mitbringt. Derweil tönt die Traditional eleganter, offener, feiner und nuancierter, empfiehlt sich also eher für den Klanggourmet, dessen Sounds primär aus dem Anschlag resultieren. Ist die Studio also ein unzivilisiertes Raubein?! Mitnichten, denn auch sie reagiert nuanciert und dynamisch. In Puncto Sustain und Obertonangebot nehmen sich die Beiden nicht die Butter vom Brot, denn hier wie dort schwingt jeder Ton oder Akkord langsam und gleichförmig aus, und die Obertöne schaffen es locker bis zur dritten Ebene. Der akustische Eindruck bestätigt sich auch am Verstärker.
Die Alnico-5- Magnete bescheren den Burstbucker Pros fettere, druckvollere Sounds mit ausgeprägteren Mitten, straffem Drive und aggressiverer Attack, ohne allzu viel vom typischen PAF-/ Les-Paul-Charakter zu nehmen und Transparenz und Dynamik zu beeinträchtigen. Druckvoll, warm aber differenziert klingt der Hals-, straff und knackig der Steg-Pickup, glockig perlend die Kombi beider. Alles in allem bodenständige, erdige Blues- und Rock-, -Rhythm- und -Leadsounds mit hohem Durchsetzungsvermögen selbst am zerrenden Amp. Bereits 25 Jahre hat Gibson die 57 Classic Humbucker am Start, die sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Sie klingen klarer und luftiger als die Burstbucker Pro, reagieren etwas sensibler auf Anschlag und Volume-Poti und fühlen sich Genre- übergreifend im Spektrum von Jazz über Blues bis Hardrock zu Hause.
Eine gute Wahl also für die 2016 Les Paul Traditional, die mit bluesig schmatzenden HalsPickup-Klängen, drahtigen, bei Bedarf auch bissigen Bridge-Sounds und runden, glockenklaren In-Between-Sachen überzeugt. Trotz ihrer klanglichen Unterschiede liefern beide 2016er Modelle die typischen Clean-, Crunch- und Leadsounds klassischer Les Pauls.
Resümee
Welch clevere Maßnahme von Gibson, die 2016er Modelle als separate Traditional- und High-Performance-Reihen anzubieten! So können weniger konservativ gepolte Gitarristen die Vorzüge der moderneren HP-Modelle nutzen, die anderen dürfen sich derweil an der Traditional-Serie erfreuen. Jedenfalls kann sowohl die preiswerte Les Paul Studio Faded als auch die luxuriösere Les Paul Traditional, deren einziges Manko ihr Übergewicht ist, absolut überzeugen.
Wer sagt denn, dass immer nur Gitarren aus dem unteren Preissegment den Wunsch nach Verbesserungen hervorrufen und gepimpt werden müssen? Die Kollegen Pipper & Jäger machen ja auch nicht Halt vor einer ganz gewiss nicht schlechten Gibson Custom Shop Les Paul.
Eine schwarze 1953er Les Paul vor dem Umbau
Im Allgemeinen können die meisten Instrumente mit ein bisschen Feintuning hier, eventuell anderen Pickups da, zu großartigen Instrumenten verfeinert werden. Trotzdem bleibt die Erfüllung aller Gitarristenträume wohl immer noch eine originale 1958 bis 1960er Les Paul Standard. Also machen wir uns heute auf die Suche nach der ultimativen, alten und originalen Gibson Les Paul – dem heiligen Gral! – verlieren aber nicht ganz das Preisgefüge aus den Augen. Hierfür beschreiten wir aber einen etwas anderen Weg als der Gibson Custom Shop, der Pipper & Jäger-Totalumbau und als die Kollegen, die „richtige“ Paulas ganz neu bauen. Ganz einfach: Wir pimpen eine echte, alte Les Paul!
Na ja – streng genommen ist das Thema Les Paul sowie der dazugehörende ganz große Haben-Wollen-Faktor so alt wie die legendären Instrumente rar sind. Die Produktion wurde 1960 eingestellt und die erste Wiederauflage kam erst wieder im Jahre 1968 heraus. Die produzierte Anzahl der Les Paul Standard mit Humbucker beträgt tatsächlich nicht einmal 1.750 Stück plus 598 Les Paul Gold Top mit Humbuckern. Geschätzt wird, dass etwas weniger als die Hälfte davon noch existieren und die Mehrzahl der kursierenden Instrumente gefälschte Nachbauten sind. Aufgrund des Produktionsstops wurde demnach alle Musik der 60er-Jahre, bei der Les-Paul-Gitarren zum Einsatz kamen, definitiv mit diesen legendären alten (Gebraucht-)Instrumenten eingespielt. Und hier wurde der Grundstein für den Mythos gelegt. Die 60er-Jahre sind auch das Jahrzehnt, in dem das damals junge Instrument E-Gitarre seinen Durchbruch erlebte und weltweit eine ganz große Nachfrage nach diesen „wilden“ Instrumenten erzeugt wurde.
Die Musiker dieser Welt heulten sich bei Gibson die Augen aus, bis eben 1968 die Wiederauflage der Les Paul herausgebracht wurde. Zum Leidwesen aller aber zuerst in der 1956er Version mit P-90-Soapbar-Pickups. Also brummende Singlecoils, die damals so was von megaout waren, wie sie bis heute in Les Pauls nur eine Randerscheinung für Liebhaber sind. Vintage-Kenner behaupten, dass gerade die ersten Modelle der 1968er Wiederauflage eigentlich die Wiederverwertung alter Lagerware gewesen sei, die bereits in den späten 50ern vorproduziert worden war. Macht Sinn, denn die Humbucker-Varianten wurden 1957 unter Zeitdruck eingeführt, schließlich stand Mitbewerber Gretsch mit dem ebenfalls brummfreien FilterTron-Humbucker in den Startlöchern und dem wollte man zuvorkommen. Die P-90- Soapbar-Bodies mit ihren abweichenden Pickup-Ausfräsungen waren damit unverkäuflich.
Jedenfalls kein Wunder, dass die 1968er Instrumente durch diese nicht zu beweisende Legende sehr begehrt sind. Viele dieser P-90er-Paulas wurden im Laufe der Jahre dann konsequenterweise durch ihre Besitzer mit Humbuckern aufgerüstet. Ein Freund von mir nutzt in seinem Studio genau so ein umgebautes Modell mit echten, alten PAF-Pickups und schont damit seine originale 1958er, welcher die Umgebaute durchaus das Wasser reichen kann! Leider aber sind diese 1968er Paulas wirklich selten und mittlerweile mit einem Preisrahmen von US-Dollar 10.000 bis 15.000 auch schon sehr teuer – und ab 1969 hatten sie schon diese unsäglich große, hässliche Kopfplatte.
Im Detail, bereits mit Notizen auf dem Steg für Intonation und Saitenführung
Wenn also der Wunsch nach einer echten, alten Gibson Les Paul mit Humbuckern besonders groß, ein Custom Shop Reissue (mit oder ohne Totalumbau) nicht in Frage kommt und der zur Verfügung stehende finanzielle Rahmen keine US-Dollar 150.000 bis 300.000 bietet, dann kann trotzdem geholfen werden: Originale Paulas abseits der gesuchten und teuren Standards mit Humbucker sind eben jene mit P-90-Pickups! Eine Originale aus der Zeit von 1954 bis 1956 wird deutlich unter US-Dollar 50.000 gehandelt – ein Drittel der Summe, die für eine 1957er Gold Top mit Humbuckern aufgerufen wird! Wem auch das zu teuer ist, dem kann mit einer originalen 1952/1953er Les Paul geholfen werden.
Gut erhaltene Exemplare aus den ersten beiden Baujahren der Les Paul gibt es durchschnittlich schon für ca. US-Dollar 15.000, manchmal je nach Zustand auch für deutlich unter 10.000. Gratis mit dazu: Das wirklich echte, alte Holz, die richtige Ahorndecke (keine Diskussion über Eastern Maple, Western Maple, Michigan Maple), der richtige, weil „kondomlose“ Stahlstab, die richtige Kopfplatte, der richtige Kopfplattenwinkel, die richtige Art und Weise, wie der Stahlstab an der Kopfplatte in den Hals eingelassen ist, das richtige Rio-Palisander-Griffbrett und eine Tonqualität, die mit 56 bis 57 Jahren Einspielzeit nicht zu toppen ist. Außerdem wurden mit 3.961 Stück in den beiden Jahren 1952 und 1953 fast doppelt so viele Les Paul Modelle produziert wie von den späteren Standards mit Humbuckern. Insofern gibt es auch mehr davon auf dem Gebrauchtmarkt.
Lediglich zwei Dinge machen eine 1952er Paula unattraktiv und damit vom Preis für unsere Pimp-Aktion her interessant: Da ist zum einen der Saitenhalter, der von seiner Konstruktion an einen verunglückten und falsch herum montierten Jazzgitarren-Saitenhalter erinnert. Ein Bügel, ein Quersteg zur Saitenaufnahme und das Ganze lediglich locker und ohne weitere Befestigung auf der Korpusdecke aufliegend. Saitendämpfen mit dem Handballen der rechten Hand geht nicht und bei stärkerem Anschlag rutscht das ganze Ding zur Seite. Der Grund, warum 1954 der Wrap-Around-Steg eingeführt wurde. Logischerweise sind deshalb die Paulas ab Baujahr 1954 deutlich teurer.
Das zweite Problem ist der flache Winkel, in dem der Hals der 1952er Paula in den Korpus eingelassen wurde. Mit dem beim originalen Saitenhalter „unten rum“ geführten Saiten ist die Saitenlage korrekt. Will man so was auf Tune-o-matic umrüsten, wäre die Saitenlage zu hoch. Ach ja – und die originalen Bünde einer 1952er sind für heutige Anforderungen auch einfach viel zu klein und zu flach.
Das Pimp-Objekt: Gibson Les Paul „All Gold“ von 1952
So gesehen liefert eine 1952er Les Paul einige Baustellen, um das Instrument korrekt zu pimpen. Und genau das wollen wir in den nächsten Folgen dieser Kolumnenreihe tun.
Wer sich für die genauen Produktionszahlen der Les Paul interessiert:
1952: 1.716 Stück
1953: 2.245 Stück
1954: 1.504 Stück
1955: 862 Stück
1956: 920 Stück
1957: 598 Stück
1958: 434 Stück
1959: 643 Stück
1960: 635 Stück
Zum Vergleich: Die SG als Nachfolger der Les Paul wurde ab 1961 in der ersten Hälfte der 60er-Jahren mit jährlichen Stückzahlen von ca. 1500 produziert. Die Les Paul Junior in Stückzahlen zwischen 2.500 und 4.000 pro Jahr, die Les Paul Special immerhin noch vierstellig und selbst von der einfachen ES-125 wurden 2.000 bis 3.000 Stück pro Jahr hergestellt. D. h., die Les Paul war nicht gerade das, was man einen Renner nennen könnte – im Gegensatz zu heute. Der Factory Report nennt für die Jahre 1952 bis 1960 alles in allem 9.557 Les-Paul-Modelle.
Quelle der Zahlen ist das sehr gut recherchierte Buch von André Duchossoir: Gibson Electrics – The Classic Years, aus dem Hal Leonard Verlag.
Wir erinnern uns: In dieser Artikelreihe wollen wir aus einem halbwegs heiligen Gral, einer Gibson Les Paul Goldtop von 1952, einen richtigen heiligen Gral zimmern: die Goldene soll am Ende meiner Arbeiten so klingen und so zu spielen sein wie eine 1959er Les Paul.
Angezeichnete Linien des Saitenverlaufs sowie Positionslinie von Steg und Saitenhalter
Die vorliegende Gitarre gehört Klaus P., einem Bekannten von mir, der sie ca. 1987 quasi ungespielt – heute sagt man wohl NOS dazu – aus den USA mitgebracht hatte. Eine besonders rare Ausführung in „All-Gold“ – also auch Hals und Korpusrückseite in Metallic Gold lackiert und bis auf einen Kopfplattenbruch in einem bemerkenswert guten Zustand. Außerdem klingt dieses Exemplar einfach sensationell gut, was sicherlich auch mit an dem intensiven Bespielen der letzten 20 Jahre liegt. Also ein vielversprechendes Pimp-Objekt. Der Preis 1987: So um die DM 3500. (Zum Vergleich: 1958er Maple-Neck-Strats wurden 1987 bereits mit DM 5000 bis 6000 gehandelt). Schon damals baute ich für Klaus dieses im Originalzustand wegen des langen Trapez-Tailpiece praktisch unspielbare Instrument auf Tune-o-matic/Stop-Tailpiece um, was den Sound weit nach vorne brachte und die Spielbarkeit sowieso. Da der Halswinkel zum Korpus nicht geändert werden sollte (stand damals kostenmäßig nicht wirklich in Relation zum Kaufpreis), musste für diese Aktion der viel zu hohe Steg an der Unterseite um einige Millimeter abgeschliffen werden. Der heute durch das intensive Bespielen der letzten 20 Jahre völlig abgenutzte 60er-Jahre-Steg soll im Rahmen der jetzigen Pimpaktion durch einen korrekten ABR-1-Steg ersetzt werden. Die Bilder zeigen den recht großen Höhenunterschied.
Höhenunterschied zwischen originalem und modifiziertem Steg
Dass bei dem Umbau eines solch alten Instrumentes die Überlegungen von Klaus, dem Besitzer, und mir, dem Berater und Ausführenden, zum Teil jahrelang hin- und hergehen, ist völlig normal, und so entschieden wir uns nach vielem Für und Wider dazu, den Halswinkel nach wie vor nicht zu verändern. Recht so! Denn erstens ist eine solche Aktion ein radikaler Eingriff. Außerdem waren die von mir 1987 neu gemachten Bünde noch völlig intakt und mussten lediglich abgerichtet werden. Auch der Hals ist mehr als vorbildlich gerade, was für eine Les Paul nicht unbedingt selbstverständlich ist. Also kein zwingender Grund, hier irgendetwas zu verändern.
In der Zwischenzeit hatten die Kollegen vom Munich Repair Shop die bahnbrechende Idee, den unteren Haltering der Befestigungsschrauben des Saitenhalters abzuschleifen. So konnte der Saitenhalter noch ein klein wenig weiter nach unten gestellt und damit der Saitendruck auf den Steg erhöht werden. Prima! Der Saitenhalter liegt jetzt praktisch auf der Korpusdecke auf, was der Schwingungsübertragung nur dienlich sein kann. Um das noch weiter zu verbessern, wurde der Saitenhalter auf seiner Unterseite so weit wie möglich abgeschliffen, sodass gerade noch die Löcher für die Saitendurchführung nicht tangiert werden. Genial – warum bin ich da nicht selbst und vor allem früher drauf gekommen?
Wer schon mal Aluminium-Druckguss mit der Feile bearbeitet hat, weiß, wie sich das Werkzeug schon nach kurzer Zeit mit Metallpartikeln zusetzt und unbrauchbar wird. Also habe ich den größten Teil der Brücke an der großen Kantenschleifmaschine abgeschliffen. Wer das nachmachen will, sollte hier jedoch mit äußerster Vorsicht und auf eigenes Risiko zu Werke gehen, das Metall wird durch die Schleifarbeit sehr heiß. Zu diesem Zweck wurde der Steg mit zwei Schrauben an eine Holzlatte geschraubt und die Schraubenköpfe abgeknipst.
Höhenunterschied aus einer anderen Perspektive
Bei den Aussparungen für die Rändelschrauben bietet die große Schleifmaschine leider keine Lösung. Hier musste ich den Dremel sowie die Tischbohrmaschine mit allerlei Dremel-Tools zur Hilfe nehmen. Für die restliche, präzise Nacharbeit kam dann trotzdem ohne Rücksicht auf Verluste die Feile dran. Denn schließlich muss der Steg nachher auf den Rändelschrauben plan und sauber aufliegen. Auch am Saitenhalter konnte ich noch einen halben Millimeter durch zusätzliches Abschleifen mit dem Bandschleifer rausholen, so dass jetzt wirklich genügend Saitendruck auf den Steg gewährleistet ist.
Steg und Saitenhalter fertig – noch sind die P-90s drin …
Auf einigen Bildern wird ein ähnlicher Umbau gezeigt, den ich an einer schwarzen 1953er Les Paul vor ca. 2 Jahren gemacht hatte.
Dass man für das Bohren der Löcher unbedingt eine Tischbohrmaschine braucht, um die Löcher im rechten Winkel zur Korpusdecke einbohren zu können, dürfte selbstverständlich sein. Wichtigster Teil dieser Arbeit ist jedenfalls das genaue Anzeichnen des Saitenverlaufs und das Ermitteln des Auflagpunktes der hohen E-Saite. Also nicht nur allein auf Halsmittel- und Seitenlinie(n) verlassen. Der Auflagepunkt für die hohe E-Saite hat immer dieselbe Länge, wie der Abstand vom Sattel bis zur Mitte des 12. Bundes plus Saitendurchmesser. Hat man diese Eckpunkte ermittelt, kann man die anderen Maße leicht von einer anderen Les Paul übertragen.
In der nächsten Ausgabe muss auch Holz dran glauben. Denn schließlich brauchen die Humbucker mehr Platz als die P90s.
Jeff Baxter ist einer der meist beschäftigten Gitarristen, die man im Musik-Business buchen kann. In den 60ern spielte er gemeinsam mit Jimmy Hendrix und Randi California in der Band The Blue Flames und in den 70ern mit Steely Dan and the Doobie Brothers…
…und das war erst der Anfang seiner Karriere. In den 80ern arbeitete er vorwiegend als Session-Gitarrist und unterstützte eine ganze Reihe von Weltstars bei der Aufnahme ihrer Songs. Unter anderem arbeitete er mit Eric Clapton, Rod Steward, Joni Mitchell, Bryan Adams, Ringo Star und Sheryl Crow zusammen. Und wenn er mal nicht im Studio war, arbeitete er als Verteidigungs-Berater des U.S. Militärs.
In dem unten stehenden Video redet Jeff Baxter über seine Gitarren: Angefangen bei der Fender Stratocaster, die er für das Solo des Steely-Dan-Klassikers „My Old School“ benutzt hat und darüber, warum Gitarristen Gitarren sammeln. Zu seinen besten Zeiten besaß er mehr als 400 Gitarren. “Thirty or 40 of ’em I actually needed,” erklärt er. “Because when you go to a recording session, you never know what they’re going to ask for. It could be anything from a six-string banjo to a four-string guitar tuned to a natural tuning.”
Mittlerweile besitzt er nur noch grob geschätzt 50 Gitarren. Die anderen hat Baxter, womöglich aus dem Schuldgefühl heraus, sie unbenutzt zu besitzen, verkauft oder verschenkt. Trotztdem fällt es ihm schwer, sich von seinen Lieblingen zu trennen, denn jede einzelne Gitarre habe ihren ganz eigenen Charackter: “You pick up certain instruments and for some reason, immediately a melody or a song or a theme comes to mind, inspired by the instrument.”
Der Videoclip ist ein Ausschnitt aus der neuen Gitarren-Doku Turn It Up!
In dem Film reden B.B. King, Slash, Paul Stanley, Les PauL, Stewe Howe, Nancy Wilson, Dave Mason, Jerry Cantrell, John 5, Robby Krieger und natürlich Jeff Baxter über ihre Beziehung zu dem Instrument.
In dieser Artikelreihe wird der Umbau einer originalen Gibson Les Paul Goldtop von 1952 beschrieben. Die alte Goltop soll am Ende meiner Arbeiten im Klangergebnis einer 1958er Les Paul entsprechen.
Teil 3 dieser Pimp-Aktion ist dem Umbau von den schmaleren P-90-Soapbar-Pickups auf die etwas breiteren Humbucker gewidmet. Da mag sich jetzt manch einem Puristen der Magen verkrampfen, aber ich kann euch beruhigen: Ich habe mich 20 Jahre lang standhaft geweigert, diesen Umbau zu machen und konnte allen Überredungskünsten und Bestechungsversuchen von Klaus, dem Besitzer dieser Gitarre, widerstehen.
Auch gab ich ihm den Rat, sich eine umgebaute 68er oder eine schon verbastelte 52er Les Paul zu suchen und notfalls die goldene dafür an einen P-90-Fan zu verkaufen. Doch nachdem Klaus dem P-90-Sound und dem damit verbundenen Brummpegel nun wirklich überdrüssig geworden war, hat er mich mit dem Hinweis „sonst bring ich sie woanders hin…“ endlich weichgeklopft. So, und jetzt müssen da also Humbucker rein. Leider konnte ich ihn nicht für unsere Staufer/Häussel Humbucker im P-90 Format erwärmen, die ohne Fräsarbeiten gepasst hätten.
Klar, die schauen ja auch nicht politisch korrekt aus, und das spielt bei einem solchen Instrument natürlich auch eine große Rolle. Außerdem waren da ja noch die alten Gibson Humbucker aus den frühen Sechzigern in seiner Schublade, die er einige Jahre in seiner SG gespielt hatte. Dabei handelt es sich also um durchaus standesgemäße Pickups: Nämlich ein echter PAF und ein früher, sogenannter „Patent-Number-Pickup“. Na gut, werfen wir noch einen letzten, wehmütigen Blick auf den „Ist-Zustand“ bevor es gleich mit den Fräsarbeiten losgeht.
Führungsleiste für die Fräsung
Die Humbucker sind um einige Millimeter breiter. Dann haben sie noch rechts und links die tiefer in das Holz hineinreichenden Füße zur Befestigung und Höheneinstellung. Auch die unten herausstehenden Polschrauben brauchen noch etwas Platz. Glücklicherweise haben die Humbucker-Rähmchen in der Länge in etwa dasselbe Format wie die P-90 Soapbars. D. h., sie decken nachher die alte Pickup-Ausfräsung vollständig ab. Zum Festschrauben dieser Rähmchen freilich fehlt Holz, das muss erst mal eingesetzt werden.
Passende Mahagoni-Stückchen sind schnell gemacht und eingeklebt. Die Aussparung für die Befestigungsfüßchen habe ich schnell mit der Tischbohrmaschine gebohrt. Denn da kann sich der Bohrer nicht unabsichtlich verirren. Gebohrt wurde gerade nur maximal so tief, wie der Pickup bei korrekter Höheneinstellung Platz braucht. Die zu langen und überstehenden Höheneinstellschrauben werden später noch entsprechend gekürzt. Denn schließlich möchte ich so wenig Holz wie möglich wegfräsen.
Fertige Fräsung
Zum Verbreitern der Pickup-Ausfräsungen habe ich mir eine Hilfe einfallen lassen. Normalerweise würde ich eine Fräs-Schablone mit doppelseitigem Klebeband auf dem Korpus festkleben und diese gegen unbeabsichtigtes Verrutschen zusätzlich mit einer Klemmzwinge fixieren. Hier aber befürchte ich, dass der leicht bröckelige GoldmetallicLack am Klebeband hängen bleiben wird, also scheidet diese Methode aus. Da ohnehin nur ein Streifen von ca. 4 mm Breite auf ca. 50 mm Länge zu fräsen ist, habe ich einfach eine Führungsleiste über dem Instrument mit Klemmzwingen am Werktisch befestigt.
Dremel im Einsatz.
Gefräst habe ich das Ganze nicht mit der großen ELU, sondern mit dem Dremel und einem neuen, scharfen Fräser. Gleiches auch für die Vertiefung, welche wir für die unten aus den Humbuckern herausstehenden Polschrauben benötigen. Auf diese Art wurde also nur ganz wenig heiliges Holz abgetragen. Nicht, dass mir jemand kommt und meint, eine Klangbeeinträchtigung wegen des Fehlens von 2 x 3 cm Holz zu hören … Damit die Ausfräsungen an den bearbeiteten Stellen nicht so „nackt“ ausschauen, habe ich natürlich etwas Goldlack (Revell Modellbaulack, Farbe Nummer 92) beim benachbarten Conrad-Shop geholt und die Frässtellen schön ausgepinselt. Auch wenn man das nicht sieht – so viel Liebe zum Detail kann man einer so alten Dame schon mal entgegenbringen.
Die neuen Elektronik Parts
Ein weiteres Manko in den Augen von Klaus sind die alten, originalen Potiknöpfe. Die alten, 1952er Barrelknöpfe waren ca. 50 Prozent höher als die später üblich gewordenen Speed-Barrelknöpfe und schauen schon etwas klobig aus. Kleine Hütchen, die sogenannten Bonnetknöpfe, wären toll. Diese wurden zwischen 1955 und 1960 auf den alten Paulas verwendet und passen somit optisch gut zu den Humbuckern. Na ja – ich selbst finde gerade diese alten Dinger so unglaublich charmant. Aber irgendwie gehören zu diesen Knöpfen auch die P-90 dazu … Nun gut, das Auge isst mit – jedenfalls haben wir hier gleich das nächste Problem: Die Poti-Achsen der originalen 1952er Potis sind im Durchmesser viel größer als die der späteren Nachfahren. D. h. die neuen Knöpfe passen absolut nicht drauf.
Klaus hatte sich natürlich schon vorher mit diesem Problem beschäftigt und sich für den Austausch der Potis entschieden. Passende Potiknöpfe und Kondensatoren hat er bereits mitgebracht. Anstelle der ebenfalls mitgebrachten 60er-Jahre-Potis aus einer SG wählten wir dann doch neue und ausgemessene CTS Potis. Dazu die neuen BumbleBees (gute Repliken) und das obligatorische 50th Wiring. Somit bleibt das alte Pickup-Set samt originalen Potis, Kondensatoren und Potiknöpfen für die Nachwelt erhalten.
In der nächsten Folge wird dann der Einbau der Humbucker und der Elektronik beschrieben.
Mit dieser Folge schließen wir die vierteilige Artikelreihe ab, in der der Umbau einer originalen Gibson Les Paul Goldtop von 1952 beschrieben wird. Ziel war das Erreichen des Heiligen Grals, denn die von mir „behandelte“ Goldtop sollte am Ende des Weges so klingen wie eine 1959er Les Paul.
Trotz „Pimping“ eine stimmige Optik
In der letzten Ausgabe hatten wir das Bett für die etwas breiteren Humbucker bereitet. So, dann nur noch die Pickups rein! Normale, hohe Pickup-Rähmchen sind wegen des flacheren Halswinkels der ersten Les-Paul-Baujahre tabu. Für den Steg-Humbucker passt zwar das übliche Halspickup-Rähmchen, für den Hals-Pickup muss ein selbiges unten abgeschliffen werden. Für ein vernünftiges Ergebnis geht das am besten mit der großen Kantenschleifmaschine, was aber trickreich (auf ein Holzbrett geklebt) und nicht ganz ungefährlich ist: Das Ding läuft dafür eigentlich zu schnell. Also bitte auf keinen Fall nachmachen!
Übrigens: Vielleicht könnte die mir bitte auch jemand pimpen?
Eine Geschwindigkeitsregelung für diese Drehstrommaschine wäre etwas Feines … also her mit den Vorschlägen!
Jetzt noch die Humbucker eingebaut und angelötet sowie die Schraubenlöcher für die Befestigungsschrauben der Rähmchen bohren und vorsichtig festschrauben. Fertig! JaNeinHalt! Beim Löten von derart alten Kabeln bitte unbedingt vorher den Gleichstromwiderstand messen. Das isolierende Stoffgewebe wird gerne genau an der Stelle, an welcher das Pickup-Kabel früher angelötet war, brüchig. Da kann sich also unbeabsichtigt ein Kurzschluss – oder schlimmer noch – ein Klang beeinträchtigender Fast-Kurzschluss einschleichen. Von daher bitte auch nicht zu lange mit dem Lötkolben braten.
So jetzt aber: Habe fertig! Die Spannung steigt – neue Saiten drauf – an den Amp – und los.
Erster Eindruck, Steg-Humbucker: Das rockt!!! Der alte Pat-Number-Pickup, den der Kunde mitgeliefert hatte, passt hier wie die sprichwörtliche Faust auf’s Auge. Fettes Pfund, genau die richtigen Mitten für die verzerrten Sounds, nicht zu dünn in den Höhen und genügend Wumms unten rum. Keine Frage:
Das ist ein Referenz-Sound!
Zweiter Eindruck, Pickup-Schalter auf Mittelstellung: Sehr schöne, durchsichtige Rhythmus-Sounds, die sich mit den beiden Volume-Potis gut variieren lassen. Auch hier gibt es nichts hinzuzufügen.
Und fertig – die Spannung steigt
Dritter Eindruck, Hals-Pickup: Überraschung … der legendäre PAF, der hier eingebaut werden sollte, macht einen etwas zu weichen Sound – da fehlt das Timbre „oben rum“, irgendwie zu brav – mir jedenfalls. Möglicherweise ist der Magnet im Laufe der Jahre schon zu schwach geworden. Na ja – ist irgendwie alles Geschmacksache und auch eine Frage, wie das alles mit dem Amp-Setup (und nicht zuletzt den Sound-Vorstellungen) des Besitzers harmonieren wird. Außerdem handelt es sich bei diesem PAF um eine „Short Magnet“-Version. Die „richtigen“ und vermeintlich „ganz guten“ PAFs hatten bis Baujahr 1961 einen etwas längeren Magneten. Leider wurden damals allerhand verschiedene Alnico-Mischungen (2er/3er/5er) verbaut, was die Suche nach dem „richtigen“ Exemplar weiter erschwert. Ab 1961 wurde dann standardmäßig Alnico 5 verwendet, aber in der bis heute aktuellen Version mit kürzeren Magneten verbaut.
Ach ja – vierter Eindruck, der Wichtigste: Diese Gitarre klingt wie ein Gong! Nach dem Anschlag der Saiten steht der Ton im Raum und entwickelt sich – und entwickelt sich – und entwickelt sich – die Gitarre will gar nicht mehr aufhören zu schwingen! Die Obertöne mischen sich Zug um Zug wie ein ganzes Orchester zum Grundton dazu. Ganz großes Kino! Egal ob schwacher oder starker Anschlag, das Instrument zelebriert eine derart feine Tonansprache, dass sich jeder gespielte Ton voll entwickelt. Nur wenige Instrumente haben eine hiermit auch nur im Ansatz vergleichbare Klangqualität.
Noch ein letzter wehmütiger Blick auf die alte P-90er-Bestückung
Jeder noch so kleine Dreh am Tonpoti ändert die Stimme von diesem Instrument. Erst gehen fast gar keine Höhen weg – eher Mitten. Der Sound wird leicht durchsichtiger, insgesamt etwas weniger „knackig“ von unten her. Ein Stückchen weitergedreht, wird er dann im Höhenbereich weicher, dicker im Mittenbereich und das ohne zu Mulmen. Mir sind bislang nur wenige Tonregler/Pickup-Kombinationen untergekommen, die solche Klangerlebisse ermöglicht und bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Kein Wunder, dass die Gibson Les Paul Gitarren aus den Fünfzigerjahren einen derart legendären Ruf haben – das ist schlicht und ergreifend der heilige Gral! Nicht auszudenken, was so ein Instrument in den Händen eines fähigen Gitarristen alles zu leisten vermag. Aus meiner Sicht war es also im Nachhinein eine gute Entscheidung, eine eigene, bekannt gute und ans Herz gewachsene Gitarre zu pimpen und nicht etwa das Risiko einzugehen, sich ein unbekanntes Instrument zu kaufen und dort unter Umständen viel Geld zu versenken.
Kosten
Würde man eine noch jungfräuliche und nicht modifizierte Les Paul von 1952/1953 auf die 59er Spezifikationen umbauen, also inkl. Steg, Saitenhalter, Bünde, CTS Potis, Bumble Bee Repliken und Arbeitszeit, wäre der finanzielle Aufwand dafür sicherlich gerade noch knapp dreistellig. Dazu müssten aber noch zwei alte, originale PAF Humbucker her (Stückpreis ca. € 1000) sowie natürlich noch das Instrument selbst, das ca. € 15.000 kosten kann.
Je nach Zustand findet man derzeit in den USA auch schon mal Exemplare für unter 10.000 Dollar. Beim Umrechnen bitte Transportkkosten (ca. 200 Dollar), Zoll (ca. 4,5 %) und Einfuhrumsatzsteuer (19 %) nicht vergessen. Unter dem Strich bekäme man also für deutlich unter € 20.000 den Heiligen Gral. Was günstig ist, denn dann hätte man bei gleichem klanglichen Ergebnis nicht weniger als ca. € 120.000 am Preis einer 1957er Humbucker-Goldtop und über € 200.000 am Preis einer 1958er – 1960er Standard gespart. Außerdem hat man das unvergleichliche Gefühl und die Gewissheit, ein wirklich altes Instrument zu spielen und zu besitzen. Also keine neue Les Paul, wie gut die auch immer umgebaut und gepimpt sein mag. Ganz zu schweigen von der Exklusivität, die solch ein Instrument quasi eingebaut hat. Schade, dass dieses Instrument schon wieder die Werkstatt verlassen hat.
Ich hoffe, die kleine Serie, die erfolgreich einen Weg auf der Suche zum Heiligen Gral beschrieben hat, fand Gefallen!
Als Musiker sind wir ja alle ein wenig sensibel Klängen und Geräuschen gegenüber. Wenn aus dem Geklapper eines leeren Zigarettenautomats ein Groove wird (Joni Mitchell ,Smokin’), das Zufallen der Tür einer Stuttgarter Nobelkarosse besser klingt als jede Bass-Drum oder der erste Schrei des eigenen Kindes in den Ohren wie Musik ist, ist die Welt in Ordnung.
Abb.1 Kopfplattenwinkel von Les Paul (unten) und Telecaster
Es gibt aber auch Geräusche, die uns Musikern durch Mark – ’tschuldigung: Euro – und Bein gehen. Und ein Geräusch ist da ganz weit vorne: das knirschende Knacken, das entsteht, wenn eine Les Paul aus dem Ständer kippt und sich bei der Landung den Hals bricht. Tja, wenn dieses Ereignis eine Seltenheit wäre, könnte man so was in die Abteilung „Gruselgeschichten am offenen Kamin“ einsortieren. Ist es aber nicht, denn immer erwächst speziell bei Paulas und SGs aus einem kleinen Umfall eine große Katastrophe. Wenn der erste Impuls – die Suche nach einer geladenen .45er oder einer Pumpgun – vorbei ist, sollte man erst einmal mit Ruhe und Besonnenheit vorgehen und den Schaden ohne operative Hektik begutachten. Zumeist ist nämlich gar nicht der Hals als solcher gebrochen, sondern „nur“ die Kopfplatte.
In den meisten Fällen ist der Bruch auch nicht ganz durchgehend und die beiden Teile hängen noch an der auf der Vorderseite der Kopfplatte auflaminierten Ebonol-Platte zusammen. In einem solchen Fall ist es wichtig, so schnell wie möglich den Zug von der Kopfplatte zu entlasten, um weitere Schäden oder gar das gänzliche Durchbrechen zu verhindern: S(a)eitenschneider her und sofort alle Saiten durchknipsen, und dabei aufpassen, dass das herunterfallende StopTailpiece nicht auch noch eine Macke in die Decke schlägt. Als nächstes sollte die Klampfe so sanft wie möglich in den Koffer gelegt und gesichert werden, damit kein schusseliger Trommler davor latscht.
Wenn zu erkennen ist, dass sich größere Stücke unerlaubt von der Truppe entfernt haben, gilt es, so gründlich wie möglich den Boden an der Stelle, an der die Paula aufgeschlagen ist, nach Splittern, Bruchstücken und Lackresten abzusuchen. Hoffentlich ist’s kein Flokati! Die Sucherei lohnt sich, denn je mehr davon gefunden wird, desto unauffälliger lässt sich hinterher der Bruch kaschieren.
Sollbruchstelle
Warum aber tritt dieser Schaden mit Vorliebe bei Gitarren diese Bauart auf? Zum einen haben diese Modelle eben diese konstruktionsbedingte Schwachstelle. Vergleichen wir die Köpfe z. B. der Telecaster in Abb. 1 mit der Les Paul darunter, fällt auf, dass die Kopfplatte der Gibson-Gitarre in einem Winkel von ca. 13° aus der Mittelachse des Halses geneigt ist. Wenn wir uns jetzt vorstellen, dass der Hals natürlich dergestalt aus einem Holzstück gefräst wird, dass die Holzfasern in Längsrichtung des Halses verlaufen, wird deutlich, dass im Bereich des Knicks bei der Paula Schichten mit kurzen Fasern übereinander liegen, die eine deutlich geringere Stabilität haben als die Fender-Konstruktion, bei der die Holzfasern zum größten Teil bis zur Spitze des Kopfes durchgehen.
Einen weiteren Beitrag zur „Sollbruchstelle Kopfplatte“ leistet die Ausfräsung für die Verstellung des Halsstabes. Wie auf den Photos zu erkennen ist, fräst Gibson eine rund 15 × 43 mm große und ca. 15 mm tiefe Höhlung in die Kopfplatte, in der die Mutter für den Stahlstab erreichbar ist. Dadurch wird natürlich der holzhaltige Querschnitt um einen nennenswerten Prozentsatz reduziert. Bei einer Gitarre mit geleimtem Hals ist das fast auch nicht anders zu machen. Fender hat die Aufgabe anders gelöst – bei den meisten Modellen ist die Verstellung des Stabes von der Korpusseite aus zu erledigen, was den Nachteil hat, dass – zumindest bei den alten Modellen – dazu der Hals abgeschraubt werden muss.
Es gibt allerdings auch Versionen von Strats und Teles, bei denen die Verstellung vom Kopf aus gemacht wird. Allerdings wird da ein kleines Loch im Kopf freigelassen, durch das mit einem Inbus-Schlüssel gearbeitet wird – eine Methode, die den Querschnitt nicht sonderlich beeinflusst. Nicht ganz unschuldig an der Empfindlichkeit der Les Paul und ähnlich gebauten Gitarren ist auch das Material. Die Paula-Hälse sind in der Regel aus Mahagoni, die Hälse der Stratocaster und Telecaster aus Ahorn.
Die nachstehende Tabelle stellt die wichtigsten Daten von Mahagoni und Ahorn gegen- über. Mahagoni ist also leichter als Ahorn, ähnlich druckfest, aber nicht so biegefest. Interessant ist übrigens auch das unterschiedliche Schrumpfverhalten der beiden Holzsorten. Mahagoni schrumpft mehr in der Länge als Ahorn, dafür schrumpft Ahorn wesentlich mehr im Durchmesser.
Research
Nun wissen wir also, warum der Hals so leicht bricht, aber das bringt uns nicht wirklich weiter. Jetzt ist erst einmal die Gelegenheit für eine gediegene Tasse Kaffee und ein gerüttelt Maß an Kontemplation. Für mich, der ich oben geschilderte Erfahrung am eigenen Leib bzw. an der eigenen Les Paul erlebt habe, stellte sich nun die primäre Überlegung: „Machen oder machen lassen“ (Abb. 2 und 3). Also verschiedene Musikläden und Gitarrenbauer antelefonieren und Informationen – und natürlich Preise – einholen. Bei Mitteilungen von Preisen sind die Gitarrenbauer natürlich ausgesprochen zurückhaltend. Es gibt viele unterschiedliche Arten von Brüchen, und, ohne den Schaden gesehen zu haben, einen Preis zu nennen – und dann eventuell darauf festgenagelt zu werden – könnte auch nach hinten losgehen.
Abb.2 Ein typischer Kopfplattenbruch
Die Preisangaben reichten von € 100 ohne kosmetische Nacharbeiten bis zu € 350 mit „Make Up“ – und alle Angaben ohne Gewähr. Bei der Frage nach der richtigen Vorgehensweise und dem passenden Klebstoff wurden die Antworten noch vorsichtiger. Im Nachhinein ist mir auch klar, warum, denn die Wahl des Klebers ist das A und O der Reparatur. Zum einen gibt kein Spezialist sein Wissen gerne preis, und zum anderen ist auch hier die genaue Kenntnis des Schadens unabdingbar. Aber da dem Inschinör nix zu schwör ist, fasste ich den Plan, das Thema doch auch auf eigene Faust zu lösen.
Leim oder Leim?
Wie bereits gesagt, ist die Entscheidung für den richtigen Klebstoff äußerst wichtig. Die erste muss zwischen Leim und Zweikomponenten-Kleber getroffen werden. Restaurateure schwören z. B. in solchen Fällen auf Uhu Endfest 3000, ein ZweikomponentenKleber auf Epoxidharz-Basis, dessen Endfestigkeit bis zu 3000 N/cm2 erreicht. Allerdings zieht der Kleber nicht in das Holz ein, sondern bildet auf Dauer eine mit Kleber verfüllte Fuge. Es gibt Anwendungen, bei denen dies sinnvoll sein kann, hier ist es das allerdings nicht. Also Leim! Aber welcher? Es gibt eine riesige Menge verschiedenster Leimsorten.
Diese können in zwei große Kategorien unterteilt werden: Heißleime wie Knochen- oder Hautleim und Kalt- oder Weißleime wie z. B. Ponal Express. Der Heißleim wird, wie der Name schon sagt, heiß verarbeitet (ca. 60 °C) und findet im Instrumentenbau an vielen Stellen Verwendung. Die besondere Eigenschaft von Heißleim ist die, dass er mit Hitze und Feuchtigkeit wieder zu lösen ist. Hälse von Gitarren zum Beispiel werden oft mit Heißleim verleimt, um sie im Falle eines Falles wieder ausbauen zu können. Ich hätte allerdings kein wirkliches Interesse daran, dass sich meine Kopfplatte in ihre Bestandteile auflöst, vorzugsweise im Hochsommer auf einer gut ausgeleuchteten Bühne. Für eine unlösbare Verbindung ist Kalt- oder Weißleim also die richtige und bessere Wahl. Weißleim besteht zur Hälfte aus Wasser. Der Klebstoff selbst ist ein Feststoff (Polyvinylacetat), der von Tensiden in einem Knäuel („Micelle“) im Wasser in der Schwebe gehalten.
Abb.3 Glocke und Furnier halten die Kopfplatte noch zusammen
Wenn der Leim aufgetragen wird, zieht das Wasser ins Holz ein. Dadurch brechen die Tensid-Käfige auf und die fadenförmigen, „aufgeknäulten“ (ziemlich langen) Klebstoffmoleküle „strecken“ sich aus. Durch das verdunstende Wasser schrumpft die Klebstoff-Fuge insgesamt um die Hälfte, die Klebstoffketten legen sich dadurch eng aneinander. Die Adhäsion an Holz klappt besonders gut, weil der Kleber so genannte „polare“ Stellen aufweist. Die lagern sich wiederum bevorzugt an den polaren Gruppen der Cellulose an, aus der Holz zu einem großen Teil besteht. Die daraus resultierende Verbindung ist von der Fugengröße her minimal, und durch die ins Holz eingedrungenen Klebstoff-Moleküle ist das Holz im Bereich der Klebung haltbarer als normal. Für diesen speziellen Fall habe ich mir eine besondere Variante des Weißleims ausgesucht – den Propeller-Leim.
Bei jeder normalen Leimverbindung kann man das Ergebnis optimieren, in dem man die Verbindung unter hohem Druck herstellt. Dadurch wird die Fuge so klein wie möglich. Propellerleim hingegen hat eine weit stärker kontrahierende Wirkung. So brauchen wir keinen oder viel weniger Druck auf die Kopfplatte auszuüben. Apropos Druck: Wer jetzt schon im Keller nach seinen alten Schraubzwingen sucht, möge die bitte gleich dort lassen – für eine filigrane Reparatur wie diese sind die Dinger denkbar ungeeignet, denn die Dosierung ist Glückssache, und die Kraft wird auch viel zu punktuell aufgetragen.
Viel besser sind so genannte Leimzwingen, wie sie auch auf den Fotos zu sehen sind. Sie bestehen aus einer verzinkten Stahlschiene mit Spannarmen aus Weißbuche, wobei die Druckflächen mit Korkauflage versehen sind, um ein Abrutschen zu verhindern und die Druckstelle zu schonen. Diese Klemmen kosten je nach Länge im freundlichen Baumarkt nebenan zwischen € 10 und 15 und sind eine lohnende Anschaffung für jeden Haushalt. Wo wir schon mal im Baumarkt sind, kaufen wir auch gleich den Propellerleim ein, denn der ist trotz seines Namens nicht in Modellbaugeschäften, sondern in gut sortierten Baumärkten zu kriegen. Ich habe meinen von Hellweg.
Kleben
Da wir nun alle Sachen beisammen haben – halt, ein kleiner Pinsel mit langen, aber harten, Borsten fehlt noch –, können wir den Arbeitsplatz vorbereiten. Ich lege am liebsten Papier aus, das kann ich dann nach getaner Arbeit wegwerfen und brauche nicht den Werktisch zu säubern; ein altes Bettlaken tut’s auch. Außerdem sollte man ein paar Stücke Schaumstoff oder Styropor bereitlegen. Dann bereiten wir den Patienten vor: Zunächst werden vorsichtig alle Mechaniken abgeschraubt, die stören nur beim Zwingen.
Das „truss rod cover“ (Glocke) wird abgeschraubt, wenn er nicht schon abgebrochen ist, die Spannmutter des Halsstabes komplett entfernt und der Halsstab mit Klebeoder Isolierband abgedeckt. Sollte sich näm lich Leim zwischen Mutter und Gewindestange setzen oder das Gewinde mit Leim verkleben, ist mit Halsverstellen zukünftig Essig. Nun wird der Arbeitstisch so vorbereitet, dass die Gitarre hingelegt werden kann, indem das Griffbrett nach unten zeigt und flach auf dem Tisch liegt. Die ganze Sache wird dann mit Schaumstoff oder Styropor-Klötzchen unterstützt, so dass Platz für die Zwingen bleibt und die Kopfplatte in ihrem ursprünglichen Winkel steht. Nun wird die Bruchstelle ein wenig auseinander gebogen und vorsichtig ausgepustet, damit bloß keine Krümel in der Fuge bleiben.
Abb.4 Zwingen, Pinsel und Propellerleim
Als nächstes wird der Leim aufgetragen. Dazu benutze ich den Pinsel mit den langen Borsten und versuche den Leim so tief wie möglich in die Bruchstelle zu befördern. Sparsamkeit mit Leim ist hier nicht angesagt, denn was an Leim zu viel ist, wird beim anschließenden Zusammendrücken mit den Leimzwingen aus der Bruchstelle herausgepresst. Wie gesagt braucht Propellerleim nicht viel Druck, aber andererseits hilft der Druck, den Leim wirklich bis in den letzten Winkel zu verteilen. Also werden vorsichtig die Leimzwingen angesetzt und festgeklemmt (Abb. 4).
Dabei nur langsam den Druck mit den Knebeln erhöhen, um dem Leim Zeit zu geben, sich zu verteilen. Es empfiehlt sich, den herausquellenden Leim schnell mit einem Lappen abzuwischen, bevor er antrocknen kann. Nach dem Abwischen kann man nun kontrollieren, ob die Nahtstelle auch gut zusammengedrückt ist. Jetzt ist der beste Moment, eventuell abgesplitterte Holzteilchen wieder an ihre Stelle zu setzen, wenn nötig mit einem Tröpfchen Leim versehen. Sieht alles so aus, wie es sein sollte, kann man sich nur noch in Geduld üben und das Werk 24 Stunden stehen lassen.
Dabei sollte die Raumtemperatur nicht unter 18 °C sein, besser sind 20 oder 22 °C bei niedriger Luftfeuchte, ein schimmeliger Bastelkeller mit 14 °C und 90 % Luftfeuchte ist definitiv nicht der richtige Platz. Nach dieser Geduldsprobe können wir die Klemmen entfernen und einen ersten Blick riskieren. Wenn alles so aussieht wie in Abb. 5 – herzlichen Glückwunsch! Rein funktional ist die Gitarre wieder fit. Leute mit guten Nerven können mal mit der Hand einen ersten Bruchtest machen: einfach versuchen, die Kopfplatte sanft nach vorne zu biegen! Wenn die Leimung ordentlich gemacht wurde, passiert wirklich nichts mehr.
Abb.5 Die Nahtstelle muss nur noch optisch bearbeitet werden.
Was jetzt noch stört, ist natürlich die Optik – der Riss im Lack ist selbstverständlich deutlich zu erkennen und auch zu erfühlen. Doch auch das lässt sich klären, jedoch auf verschiedene Arten und Weisen, die stark von der Art des verwendeten Lacks abhängen. Originale Gibson-Gitarren sind mit – mehr oder weniger reinem – Nitrozellulose-Lack lackiert. Der hat den Vorteil gegenüber DD- oder Mehrkomponenten-Lack, dass er sich mit seinem Lösungsmittel Nitro nachträglich wieder anlösen lässt. Dadurch kann sich eine neue Schicht Nitrolack fest und ohne Übergänge mit dem alten Lack verbinden. Anschließend kann durch Nass-Schleifen und Polieren wieder eine einheitliche und glatte Oberfläche hergestellt werden. DD-Lack, der einmal angetrocknet ist, lässt sich allerdings nicht mehr chemisch lösen; dadurch sind Reparaturen im Lack weit schwieriger.
Appetit kommt beim Essen, und durch diesen ersten Erfolg bin ich auf weitere Ideen für Verbesserungen an meiner Gitarre gekommen. Also habe ich mich für eine viel radikalere Lösung entschieden – der Lack soll komplett runter und die Gitarre neu lackiert werden. Aber das ist eine ganz andere Geschichte …
Mit der Neo Classic LS-20 Limited in Vintage Violin stellt FGN ein Sondermodell dieser Serie mit verändertem Halsprofil vor. Die klassische Single Cut kommt mit sattem C-Profil, das Freunden der Klassiker aus den späten 1950er Jahren richtig gut in den Fingern liegen wird. Die Vintage Violin Lackierung auf intensiv geflammter Ahorndecke rundet das optische Gesamtbild ab. Alle anderen Spezifikationen wie Long Neck Tenon, Circular Fretting System, Seymour Duncan SH-1/SH-4 Pickups und Acryl-Lackierung entsprechen dem LS-20-Serienmodell.
Schöne Decke, fleischiger Hals!
Die LS-20 Vintage Violin Beefy Neck ist in limitierter Auflage ab sofort bei allen FGN Händlern verfügbar. Mehr Informationen unter fgnguitars.de und auf Facebook!
Les Pauls aus ihren drei Jahrgängen, von links: 1958, 1959 und 1960°
In diesem Artikel widmen wir uns voll und ganz der Gibson Les Paul! Hier erfährst du alles über die Geschichte und Entstehung der Les Paul, über die verschiedenen Modellreihen, den Gebrauchtwert von Gibson-Gitarren sowie alles zum Thema Gibson-Seriennummern.
Die Entstehung der Gibson Les Paul: Modell mit Geburtsfehler
„Sie werden überrascht sein, aber ich bin keine Gitarre.“ So pflegte der Gitarrist Les Paul sein Publikum zu begrüßen, wenn er einmal in der Woche ein Konzert in einem New Yorker Club gab. Da war er schon über 90 Jahre alt. Bis kurz vor seinem Tod 2009 trat er im Iridium regelmäßig auf. Im Sommer 2015 wäre Les Paul 100 Jahre alt geworden – eine Legende war er schon zu Lebzeiten, einerseits wegen seiner Musik, andererseits wegen der Gitarren, die seinen Namen tragen: Der Gibson Les Paul.
Les Pauls musikalische Karriere hatte ihren Höhepunkt vor über 60 Jahren. Mit dem rasanten Erfolg des Rock & Roll begann sein Stern als Amerikas bekanntester Gitarrist und Entertainer zu sinken. Beinahe zeitgleich begann der Siegeszug eines Gitarrentyps, den Gibson mit dem Schriftzug „Les Paul Model“ auf der Kopfplatte auf den Markt gebracht hatte. Der Gitarrist Les Paul hatte bereits in den 1940er-Jahren Experimente mit seinen Instrumenten gemacht. Er wollte perfektere Gitarren, also baute er massive Mittelsegmente in Jazz-Gitarren oder Korpusse aus massivem Aluminium – immer mit dem Ziel, den Klang und das Sustain zu verbessern und gleichzeitig die Anfälligkeit für Rückkopplungen zu reduzieren.
Gibson Les Paul? Gibson war skeptisch!
Die Manager bei Gibson, mit denen Les Paul über das Konzept mehrfach geredet hatte, waren alles andere als begeistert. Gitarren mit massivem Korpus passten nicht ins Konzept des Marktführers, der – nach eigener Überzeugung – seit Beginn des Jahrhunderts die besten Instrumente der Welt baute. Mandolinen, Banjos, Western- oder Jazz-Gitarren, gern auch mit Tonabnehmer, das war Gibsons Universum. Allerdings nur bis zum Beginn der 50er-Jahre, als ein Elektriker aus Kalifornien radikale Ideen entwickelt hatte: Leo Fenders neuartige Broadcaster/Telecaster war quasi aus dem Stand ein Renner geworden. Musiker aus Country & Western, damals die dominante Stilrichtung, rissen sich um die Planken aus Fullerton.
Nun konnte Gibson das Thema nicht mehr ignorieren. In mehr oder weniger enger Zusammenarbeit mit Les Paul wurde ein Solid-Body-Modell entwickelt, das Fender Paroli bieten sollte. Das Ganze ging offenbar recht schnell, und welche Rolle Les Paul überhaupt in diesem Prozess gespielt hat, wird seit mindestens 50 Jahren kontrovers diskutiert. Angeblich war der spezielle Steg/Saitenhalter des Gibson Les Paul Les Pauls Idee. Wie gesagt, alles musste sehr schnell gehen und deshalb reiste ein Gibson-Chef, McCarty, Les Paul zu einem Auftrittsort hinterher, um ihm den Prototyp zu zeigen und den Vertrag mit ihm auszuhandeln.
Ob jener Prototyp exakt den späteren Serienmodellen der Gibson Les Paul entsprach, darf leise angezweifelt werden. Jedenfalls war Les Paul einverstanden, seinen Namen für die neue Gitarre zur Verfügung zu stellen, gegen Tantiemen von jedem verkauften Exemplar, versteht sich. Richtig mutig war Gibson anfangs immer noch nicht, denn ursprünglich sollte nur „Les Paul Model“ auf der Kopfplatte stehen, aber nicht „Gibson“.
Der Teufel steckt im Detail
Als die Gitarre schließlich Mitte 1952 auf den Markt kam, stand aber doch Gibson auf der Kopfplatte. Das Instrument war im Design schlicht aber elegant, eigentlich sah die Gibson Les Paul aus wie eine geschrumpfte Jazz-Gitarre ohne F-Löcher. Und sie war auf der Decke golden lackiert, damit sie edler aussah und klar von der billig wirkenden Telecaster in badezimmerblond zu unterscheiden war. Nur eine Seriennummer bekamen die frühen Exemplare kurioserweise nicht.
Der Erfinder: Les Paul
Technisch war bei der Gibson Les Paul nicht viel Neues im Angebot: Die Les Paul bekam zwei Tonabnehmer, Modell P 90, denn etwas anderes gab es damals bei Gibson nicht. Neu war lediglich die cremefarbene Abdeckung ohne die „Befestigungs-Ohren“. Dazu vier Regler, ein Schalter – mehr braucht eine erwachsene Gitarre auch nicht. Tja, aber die trapezförmige Kombination aus Steg und Saitenhalter: Was war da passiert? Die Saiten liefen unter dem Steg durch in Richtung Griffbrett.
Der Spieler hat mit der rechten Hand keinen Kontakt zur Saite. Klar, er kann den Handballen auflegen, aber Abdämpfen geht nicht. Obwohl es angeblich Les Pauls Idee war, Steg und Saitenhalter so zu konstruieren, konnte er mit dieser Ausführung nicht einverstanden gewesen sein. Saitendämpfung mit der rechten Hand war ein essentieller Bestandteil seiner Musik, so aber nicht möglich. Gibson-Boss Ted McCarty und Les Paul haben sich hinterher jahrzehntelang gegenseitig die Schuld an dieser Fehlkonstruktion gegeben. Klären ließ sich das nie. Jedenfalls hatte Gibson wahrscheinlich einen schlichten, aber gravierenden Fehler in der Konstruktion gemacht: Der Halswinkel war zu gering, zu flach. So konnten die Saiten gar nicht über den Steg geführt werden.
Les Paul spielte natürlich fortan das nach ihm benannte Modell, allerdings baute er, der alte Bastler, seine Gitarren immer wieder um. Sie bekamen getrennte Stege und Saitenhalter, die Klinkenbuchse wurde auch schon mal auf die Decke verlegt, auch diverse Vibrato-Hebel kamen zum Einsatz.
Nach etwas mehr als einem Jahr wurde der Fehler korrigiert. Die Instrumente bekamen einen steileren Halswinkel und das etwas klobige Trapez wurde durch einen einteiligen Steg/Saitenhalter ersetzt, der mit Bolzen im Korpus verankert war. Jetzt war das Gibson Les Paul Modell nahezu perfekt, ein paar Details wurden in den folgenden Jahren allerdings noch modifiziert.
Autor: Carlo May
Gibson Les Paul Modelle & Testberichte
Über die Jahre hat Gibson unzählige Varianten seines Les-Paul-Klassikers präsentiert, darunter Special Editions, Limited Runs und etliche Sondermodelle aus dem Custom Shop. Bei so viel Auswahl ist es natürlich fast unmöglich den Überblick zu behalten – kennen sollte man allerdings die vier wichtigsten Les-Paul-Serien, die so ziemlich allen Modellen zugrunde liegen:
1. Gibson Les Paul Standard
Die Gibson Les Paul Standard geht im Wesentlichen auf das ikonische 1958er-Modell zurück. Der Mahagoni-Korpus ist massiv und mit einer dicken Ahorndecke verleimt, auf dem kräftigen Mahagonihals sitzt ein Palisander-Griffbrett (früher Rio-Palisander) und als Tonabnehmer kommen zwei mit Chrome-Kappen versehene Humbucker-Pickups zum Einsatz. Weitere Merkmale sind die einfachen Korpus- und Hals-Bindings sowie die großen Perloid-Griffbretteinlagen im Trapez-Design, die Hardware ist beim Standard-Modell außerdem verchromt.
Mittlerweile ist der Korpus der Standard gechambert, also mit Ausfräsungen im Korpus versehen, die Gewicht einsparen und laut Gibson auch den Ton verbessern sollen. Die handverlötete Elektronik ist in diesem Zuge einer Platine gewichen, auf der Potis und andere Bauteile fest verbaut sind – sicherlich nicht die servicefreundlichste Lösung. Zuletzt hat sich auch das Halsprofil über die Jahre deutlich von dem des 1958er-Modells entfernt.
Testberichte zur Gibson Les Paul Standard findest du hier:
Die Gibson Les Paul Custom ist in Sachen Konstruktion eng mit dem Standard-Modell verwand, wirkt jedoch optisch insgesamt etwas aufwendiger und edler. Das Umlaufende Binding ist mehrlagig ausgeführt und umfasst bei diesem Modell auch die Korpusrückseite. Auf der Kopfplatte sitzt mittig das markante Split-Diamond-Inlay, die Griffbretteinlagen sind hier außerdem aus Perlmutt. Zur Grundausstattung der Gibson Les Paul Custom gehört auch vergoldete Hardware, als Griffbrett-Material wird meist Ebenholz verwendet.
Die Custom war früher das unangefochtene Top-Modell im Les-Paul-Line-Up und daher nicht selten auch mit zusätzlichen Ausstattungsdetails wie einem dritten Humbucker, oder einem Bigsby-Vibrato erhältlich. Anders als bei der Standard gibt es außerdem auch Les-Paul-Custom-Modelle mit Ahornhälsen und Voll-Mahagoni-Bodies (ohne Ahorndecke).
Einen Testbericht zur Gibson Les Paul Custom findest du hier:
Die Gibson Les Paul Studio wurde 1983 eingeführt und ist optisch einfacher und schlichter gehalten als das Standard-Modell. Die Hölzer sind hier weniger spektakulär gemasert, auf Hals- und Korpus-Bindings wird verzichtet. Das Gibson-Logo auf der Kopfplatte ist nur aufgedruckt und nicht als Inlay eingelassen. Anstelle der Trapez-Griffbretteinlagen findet man bei einigen Studio-Modellen dezente Perloid-Punkte.
Der Name Studio spielt auf Tonstudio-Situationen an, wo außer dem Produzenten/Toningenieur kein Publikum anwesend ist, das man mit einer eindrucksvollen Optik beeindrucken müsste. Wie bei vielen anderen Gibson-Linien hat die Studio über die Jahre immer wieder Veränderungen erfahren, darunter wechselnde Inlays (Trapez/Punkte), Body-Konstruktionen (gekammert/massiv, mehrteilig/einteilig) und Griffbrett-Materialien (Palisander/Ebenholz/Ahorn).
Einen Testbericht zur Gibson Les Paul Studio findest du hier:
Die Gibson Les Paul Traditional gleicht in den meisten Konstruktions- und Ausstattungs-Details der Standard verfügt jedoch über einen weniger stark gekammerten und 5 mm stärkeren (im Vergleich zur aktuellen Standard/Studio) Korpus. Auch ist die Dichte des verwendeten Korpus-Holzes geringer, was die Gitarre resonanter und leichter macht. In der Gibson Les Paul Traditional kommen außerdem die etwas klassischeren und im Vergleich zum Burstbucker Pro weniger aggressiven 57-Classic-Pickups zum Einsatz.
Einen Testbericht zur Gibson Les Paul Traditional findest du hier:
Trotz dieser groben Serien-Übersicht gilt bei allen Les-Paul-Modellen: Ausnahmen bestätigen die Regel! Über die Jahre wurden immer wieder Konstruktionsdetails geändert und spätestens mit der Robo-Mechanik-Ausstattung und den wilden 2015er-Modellen dürfte auch dem Letzten klar geworden sein, dass Gibson eine sehr experimentierfreudige Firma ist, bei der die einzelnen Modelle nicht lange im Katalog bleiben.
Autor: Stefan Braunschmidt
Gibson Les Paul gebraucht kaufen: Gibson Gitarren & ihr Wert
Sind Gibson Gitarren und speziell der Gibson-Klassiker Les Paul eigentlich ein „great investment“? So betiteln in den USA zumindest Händler gern die Instrumente in ihren Anzeigen. Und die USA sind immer noch der größte Markt, wenn es um alte, gebrauchte, so genannte Vintage-Instruments geht.
Die Händler wollen ihren Kunden suggerieren, dass man mit dem Kauf älterer Gitarren Geld anlegen und ähnlich wie mit Wertpapieren gute Renditen machen kann. Was der Kunde genau wie bei Aktien bedenken sollte: Es ist vollkommener Unsinn zu kaufen, wenn die Kurse/Preise auf dem Höchststand sind. Und die Preise sind, anders als bei vielen Aktien, bei einigen Gibson Modellen im Moment auf dem Höchststand.
Für einige ausgesuchte Gibson-Instrumente, wohlgemerkt aus der Serienfertigung, muss man seit Jahren auf dem Vintage-Markt enorme Summen anlegen, und ein Ende der Preisspirale ist kaum in Sicht. Aber so eindimensional ist das Geschäft (leider) nicht. Schwankungen (und da zeigt sich wieder die Analogie zur Börse) sind normal.
Mitte der 90er Jahre bot ein bekannter Händler in Nashville eine Gibson Flying V zum Kauf an. Das besondere an diesem Exemplar: Es war 1957 gebaut worden und somit ein Vorserienmodell, bzw. Prototyp. Entsprechend hoch war der Kaufpreis angesetzt worden. $ 150.000 sollte der interessierte Käufer zahlen. Monatelang hielt sich das Interesse in sehr engen Grenzen und plötzlich stand auf dem Preisschild nur noch $ 100.000.
Aus heutiger Sicht immer noch viel zu viel. Mittlerweile kann man in Michigan einen weiteren Flying-V-Prototyp erwerben und hier ist der Preis im Laufe der Zeit auf $ 50.000 gesunken. Exemplare aus 1958/59 gibt es inzwischen schon für $ 40.000 und weniger. Natürlich ist das ein extremes Beispiel, aber es zeigt, dass sich die Preisspirale nicht endlos drehen lässt. Bei anderen Gibson-Gitarren ist die Tendenz umgekehrt.
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Kult: Gibson Les Paul Standards
Seit einigen Jahren sind Les Paul Standards aus den Jahren 1958 bis 1960 der Renner – mit entsprechenden Kursen. Eine originale Standard in Sunburst, möglichst eine 59er, gut erhalten und vielleicht sogar noch mit auffälliger Deckenmaserung kostet heute schon mal $ 100.000 oder mehr. Mit immer noch steigender Tendenz.
Ähnliches berichtet auch der Anruf eines befreundeten Gitarren-Händlers, der mir erzählte, dass er (Dank zweimaliger Retour-Inzahlungnahmen) zum dritten Mal die gleiche Gitarre, eine Les Paul Standard von 1958, verkauft habe – jeweils mit einem Preisaufschlag um das Doppelte: DM 15.000, DM 30.000 und jetzt knapp € 30.000! Und das innerhalb eines Zeitraums von etwa fünf bis sechs Jahren!
Die gute Nachricht: Dank der hohen Preise entschließen sich viele Besitzer nun zum Verkauf und der Markt ist gut bestückt. Die schlechte Nachricht: Die Zahl der Fälschungen nimmt drastisch zu und der beliebte Händler-Slogan „aged by Tom Murphy“ führt manch dubiosen Zeitgenossen in Versuchung, Etikettenschwindel zu probieren. Wer nicht in der Lage ist – und wer ist das schon? –, diese hohen Summen für eine echte 58er, 59er oder 60er Les Paul zu zahlen, kann immer noch mit den ohne Widerspruch sehr guten Reissue-Gitarren vorlieb nehmen, die um ein Vielfaches günstiger sind und einige der wenigen Modelle sind, die im Laufe der Zeit nicht drastisch an Wert verlieren, guter Originalzustand voraus gesetzt. Bei diesen speziellen Les-Paul-Modellen, aber auch bei ES-335-Gitarren aus dem gleichen Zeitraum und einigen richtig alten Jazz-Gitarren übersteigen die Preise für alte Originale die der neuen Replikas aus dem Custom Shop bei weitem.
Doch alte SGs, Firebirds und auch Les Pauls aus den „nichtheiligen“ Jahrgängen sind nicht zwangsläufig teurer als neue Custom-Shop-Reissues. Ein Beispiel: Eine originale 52er oder 53er Les Paul Goldtop kostet in gutem Zustand in den USA derzeit ca. € 5000. Eine neue ist für nahezu den gleichen Preis erhältlich (€ 4.990), und wenn es eine neue in der „Aged“-Version sein soll, müssen € 7990 den Besitzer wechseln. Noch vor zehn Jahren waren akustische FlatTops von Gibson aus den 30er, 40er oder 50er Jahren günstig zu bekommen. Dann erschien ein Buch, das erläuterte, welch überragende Qualität diese Gitarren hatten. Die Autoren hatten Recht, Gibson-Flat-Tops aus jenen Dekaden gehören zum Besten, was je gebaut wurde. Die Nachfrage stieg, plötzlich waren die Instrumente des Mitbewerbers Martin aus Nazareth/Pennsylvania nicht mehr das Maß aller Dinge, und der Markt reagierte wie erwartet – die Preise stiegen stetig und steigen gegenwärtig weiter.
Bei Arch-Tops von Gibson hingegen stagniert die Tendenz. Nach gesunden Steigerungsraten zu Beginn der 90er Jahre haben sich die Preise auf einem hohen Level eingependelt – selbst für Spitzenexemplare.
Was soll man also kaufen, wenn man als Sammler sein Geld gut anlegen will?
Es hilft nichts, es ist abermals wie an der Börse: Eindeutige Tipps gibt es eigentlich nicht. Bei akustischen Gibsons findet man die begehrtesten Modelle aus den Baujahren zwischen 1922 und etwa 1960. Bei elektrischen kategorisieren die Experten die goldene Ära zwischen 1952 und 1965, mit eindeutigem Schwerpunkt auf dem Zeitpunkt zwischen 1958 und 1960. Für Instrumente aus diesen Zeiträumen werden die höchsten Preise verlangt und eigentlich sollte man jetzt vom Kauf abraten, es sei denn, man hat wirklich zu viel Geld.
Elektrische wie auch akustische Gitarren aus den 80er Jahren haben gegenwärtig einen relativ geringen Wert. Natürlich kann man sie kaufen, um ein gutes Instrument zum Spielen zu erwerben. Mit wahrnehmbarer Wertsteigerung sollte man aber lieber nicht rechnen. Und was ist mit den limitierten Editionen und Sondermodellen, die der Gibson Custom-Shop seit einigen Jahren in steigender Anzahl herstellt? Man erwirbt damit ein Instrument, das ohne jeden Zweifel allererste Spitzenqualität bietet. Allerdings sind die Neupreise in der Regel schon sehr hoch.
Ob sich der Anschaffungspreis beim Wieder-Verkauf erzielen lässt, oder ob Custom-Shop-Editionen im Laufe der Zeit sogar im Wert noch steigen, ist gegenwärtig noch nicht wirklich bewiesen. Wobei zu erwarten ist, dass sich bei den Custom-Shop-Modellen genau das wiederholt, was sich in der normalen Serienfertigung dieses Herstellers abgespielt hat: Die Gibson Les Paul Reissues der 59er Standard werden am ehesten ihren Wert halten, bzw. ihn eventuell noch steigern können als die Replikas z. B. einer SG Standard, oder einer Firebird IV.
Die Faustregel
Es gibt eine Faustregel, die besagt, dass „normale“ Gitarren, also keine Vintage- oder Sammler-Objekte, in gebrauchtem, gutem Originalzustand etwa die Hälfte des aktuellen Neupreises wert sind. Und wenn man sich die heutigen Verhältnisse auf dem Neu- und dem Gebrauchtmarkt ansieht, mag diese Tendenz stimmen.
Eine gebrauchte „normale“ Gibson Les Paul Standard wird mit ca. € 1.300 gehandelt – und das entspricht in der Tat etwa der Hälfte des derzeitigen Neupreises. Dies liegt natürlich auch daran, dass der Neupreis aufgrund von Währungsdifferenzen und Gibsons Preispolitik recht hoch ist. Hat also Gitarrist sich vor 20 Jahren eine neue Gibson Les Paul geleistet, und damals ging dies für etwa DM 2.500, hat er nominell tatsächlich keinen Verlust gemacht, wenn er sie heute auf dem Gebrauchtmarkt verkauft.
Allerdings darf bei dieser Rechnung nicht vergessen werden, dass die Kaufkraft von damals der heutigen längst nicht mehr entspricht und oben aufgemachte Rechnung eher die eines Milchmädchens ist. Dennoch: Wer sich heute eine neue Gibson-Gitarre kauft und wem wichtig ist, dass sie ihren Wert über die Jahre erhalten soll, muss sich auf bekannte Modelle wie Les Paul und ES-335 spezialisieren – und gleichzeitig hoffen, dass die Gibson-Neupreise weiter steigen.
Eine gute Nachricht gibt es dennoch: Wer Lust auf und Geld für alte Gibson-Instrumente hat, sollte sich in Deutschland oder den Nachbarländern umsehen. Hier liegen die Preise seit Jahren unter dem amerikanischen Niveau, wenn auch die Auswahl in den USA immer noch wesentlich größer ist.
Was früher kein Problem war, vom USA-Trip eine alte Gibson mitzubringen, funktioniert heute kaum noch. Der Dollarkurs, aber auch die Preise in den Staaten sind zu hoch. Also, wer eine Gibson mit Vintage-Aura sucht, sollte die bekannten deutschen Händler frequentieren, Kleinanzeigen studieren oder auch mal die bekannten Internet-Auktionen in Erwägung ziehen.
Autoren: Carlo May & Heinz Rebellius
Gibson Seriennummern: Wie alt ist meine Gibson Les Paul
Bei der Altersbestimmung einer Gibson Les Paul und anderen Gibson E-Gitarren geben verschiedene Merkmale und Besonderheiten fast sichere Hinweise auf das Produktionsjahr des Instruments. Doch sollten alle (!) angeführten Besonderheiten, Details der Konstruktion und Hinweise bei einer Altersbestimmung berücksichtigt werden, da, wie hinlänglich bekannt, Bauteile und Komponenten von Gibson-Instrumenten nicht immer in einer konsequenten zeitlichen Reihenfolge verbaut worden sind.
Seriennummer
Der erste Blick gilt natürlich der Seriennummer. Diese sollte allerdings nicht mehr als nur Annäherungswert für eine exakte Altersbestimmung verstanden werden, besonders bei diesem Hersteller. Wie auch andere Großserien-Produzenten hat Gibson immer versucht, die Seriennummern in einer chronologischen Reihenfolge zu ordnen – leider scheint dies jedoch aus was für Gründen auch immer nicht so richtig funktioniert zu haben. Um bei der Feststellung des Baujahres ganz sicher zu gehen, müssen also weitere spezifische Indizien überprüft werden.
Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt auf den E-Gitarren und -Bässen, die ab 1952 hergestellt worden sind. Dennoch sollte auch hier nicht vergessen werden, dass Gibsons Tradition viel weiter in die Vergangenheit zurückreicht. Bereits ab dem Jahr 1902 wurden Seriennummern vergeben. Man startete damals mit der Zahl 100 und einem Nummerierungssystem, das 1947 mit 99999 endete. Allerdings bekam nicht jedes gefertigte Instrument eine eigene Nummer, sondern meistens nur die Top-Instrumente der jeweiligen Serien.
100 bis 8750
1902 bis 1910
8751 bis 62200
1911 bis 1920
62201 bis 90200
1921 bis 1930
90201 bis 96600
1931 bis 1940
96601 bis 99999
1941 bis 1947
Zur Kennzeichnung wurden von 1902 bis 1954 ovale, weiße Aufkleber im Inneren der Gitarre verwendet. Ab 1954 werden diese orange. Bei Instrumenten mit rundem Schallloch (Mandoline, Akustikgitarre) sitzt der Aufkleber genau unter diesem Loch auf dem Boden, bei „F-hole“-Instrumenten unter dem obersten der beiden F-Löcher
Das zweite Nummernsystem wurde von 1947 bis 1961 für akustische und elektrifizierte Arch-Top-Gitarren angewendet. Es war allerdings ein komplett anderes als das, was ab 1952 für die Solidbody-Instrumente (Les Paul etc.) verwendet wurde. Beide Systeme liefen also neun Jahre lang parallel nebeneinander.
A100 bis A6595
1947 bis 1950
A6596 bis A36150
1951 bis 1961
Gibson nutzte über die Jahre also verschiedene Nummernsysteme und BuchstabenCodes. Bekanntermaßen existieren neben den normalen Serien auch spezielle Modellreihen wie die Vintage Reissues, Signature-Modelle und zahlreiche Limited Editions, die aus dem üblichen Schema herausfallen und bei denen eine genaue Datierung zur Wertbestimmung eine eher untergeordnete Rolle spielt.
Wer eine Gibson-Gitarre besitzt, deren Seriennummern in keins der hier vorgestellten Schemas passt, kann sich vertrauensvoll nicht nur an Gitarre & Bass, sondern auch an Gibson USA wenden. Auf der Website www.gibson.com gibt es nicht nur erstklassige Informationen zu diesem Thema, sondern auch die Möglichkeit, konkrete Fragen zu stellen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass hier meist sehr schnell und kompetent geantwortet wird.
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In dieser Periode wurden fünf- oder sechsstellige Nummern vergeben, bei denen die erste Stelle auf das Produktionsjahr hinweist. Beispiele: 3 = 1953, 4 = 1954 etc., bis zur 0 = 1960, 1 = 1961 Wer sich fragt, wo die Seriennummern der Les Pauls von 1952 geblieben sind, dem sei gesagt: Diese Gitarren hatten bis auf einige wenige Ausnahmen noch keine Seriennummern!
Nun wurden drei- bis sechsstellige Nummern vergeben:
100 bis 42,000
1961
42.000 bis 44,000
1962
61,000 bis 64,000
1963
64,000 bis 71,000
1964
71,000 bis 96,000
1962-64
96,000 bis 99,000
1963
000,000
1967
100,000 bis 106,000
1963, 1967
109,000 bis 120,000
1963, 1967
121,000 bis 139,000
1963
140,000 bis 144,000
1963, 1967
144,000 bis 149,000
1963-64
149,000 bis 152,000
1963
152,000 bis 174,000
1964
174,000 bis 176,000
1964-65
176,000 bis 250,000
1964
250,000 bis 305,000
1965
306,000 bis 320,000
1965, 1967
320,000 bis 329,000
1965
329,000 bis 330,000
1965, 1967
330,000 bis 332,000
1965, ’67-68
332,000 bis 348,000
1965
348,000 bis 349,000
1966
349,000 bis 368,000
1965
368,000 bis 369,000
1966
370,000
1967
380,000 bis 385,000
1966
390,000
1967
400,000 bis 406,000
1966
406,000 bis 409,000
1966-68
409,000 bis 410,000
1966
420,000 bis 429,000
1966
500,000
1965-66
500,000
1968-69
501,000 bis 520,000
1965, 1968
520,000 bis 530,000
1968
530,000
1966, ‘68-69
530,000 bis 539,000
1969
540,000
1966, 1969
540,000 bis 545,000
1969
555,000 bis 556,000
1966
558,000 bis 567,000
1969
570,000
1966-67
580,000
1966-67, ‘69
600,000
1966-68
600,000 bis 606,000
1969
700,000
1966-67, ‘69
750,000
1968-69
800,000
1966-69
810,000 bis 812,000
1966, 1969
812,000 bis 819,000
1969
820,000
1966, 1969
820,000 bis 823,000
1966
824,000
1969
828,000 bis 858,000
1966, 1969
859,000 bis 895,000
1967
895,000 bis 896,000
1968
897,000 bis 898,000
1967, 1969
899,000
1968
900,000 bis 901,000
1970
910,000 bis 999,000
1968
Dieses System ist nicht nur sehr schwer zu verstehen, sondern die Tatsache, dass manche Nummernfolgen bis zu viermal (!) vergeben wurden, macht ein exaktes Datieren zu einem schwierigen Unterfangen. Bei Gibson Gitarren aus diesen Jahrgängen müssen unbedingt weitere Details zur Jahrgangs-Bestimmung heran gezogen werden.
Die sechsstelligen Nummern (plus gelegentlich einem Buchstaben vor oder nach der Seriennummer) waren zusätzlich mit dem Hinweis „Made In USA“ auf der Rückseite der Kopfplatte ergänzt. Doch die Nummern wurden beinahe wahllos vergeben, so dass ein durchdachtes System nicht zu erkennen ist. Das ovale, orangefarbene Label in den „hohlen“ Gitarren wurde 1970 durch einen weiß- orangen und rechteckigen Aufkleber in den akustischen und einen schwarz-purpurrotweißen in den elektrischen Hollow-Bodies ersetzt.
000001
1973
100,000
1970-75
200,000
1973-75
300,000
1974-75
400,000
1974-75
500,000
1974-75
600,000
1970-72
600,000
1974-75
700,000
1970-72
800,000
1973-75
900,000
1970-72
6-stellige Nummer + A
1970
A + 6-stellige Nummer
1973-75
B + 6-stellige Nummer
1974-75
C + 6-stellige Nummer
1974-75
D + 6-stellige Nummer
1974-75
E + 6-stellige Nummer
1974-75
F + 6-stellige Nummer
1974-75
In der Übergangszeit zum neuen System (ab 1977) vergab Gibson ab 1975 8-stellige Nummern. „Made in USA“ stand ebenfalls auf der Kopfplatten-Rückseite, bei einigen Modellen auch „limited edition“.
99 + 6-stellige Nummer
1975
00 + 6-stellige Nummer
1976
06 + 6-stellige Nummer
1977
Seit 2002 ist das Datierungssystem endlich eindeutig und klar. Es besteht aus einer achtstelligen Nummer, die nach dem YDDDYPPP-Prinzip aufgebaut ist. YY bezeichnet dabei das Produktionsjahr, DDD den Tag des Jahres und PPP die Fabrik, in der das Instrument gebaut wurde. Die PPP-Nummern 001 bis 499 stehen für Kalamazoo, 500 bis 999 für Nashville. Die Nummern für Kalamazoo wurden ab 1984 nach dem Auszug aus der dortigen Fabrik natürlich nicht mehr vergeben.
Als die Produktion der akustischen Gitarren 1989 in Bozeman began, wurde das Nummernsystem überarbeitet. So bekam Bozeman die PPP-Nummern 001 bis 299, und ab 1990 Nashville 300 bis 999. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass in der Nashville-Produktion die PPP-Zahl 900 für Prototypen reserviert wird.
Hier einige Beispiele:
71239321
1979, am 123. Tag des Jahres, in Kalamazoo
81135619
1985, am 113. Tag des Jahres, in Nashville
83548522
1988, am 354. Tag des Jahres, in Nashville
02341132
2001, am 234. Tag des Jahres, in Bozeman
1994
Achtung, Ausnahme! 1994 vergab man allen Instrumenten eine achtstellige Nummer, die immer mit einer 94 begann. Hier beschreiben also die ersten beiden Stellen das Herstellungsjahr 1994. Dies tat man, um dem Hundertjährigen Jubiläum der Firma Gibson seine Referenz zu erweisen.
Noch ein Beispiel:
94123250
1994, das 123. Instrument, aus Bozeman
Einige Instrumente, vor allem aus den 1970er und 1980er Jahren, haben eine zusätzliche 2 meist unter der normalen Seriennummer eingeprägt. Dies zeigt an, dass das Instrument zweite Wahl ist und Mängel besitzt, die aber so geringfügig sind, dass es trotzdem in den Handel gelangen konnte.
Die Seriennummern des Custom Shops haben sich noch nie am System der anderen Gibson-Produktionsstätten orientiert. Anfangs wurden die Instrumente einfach durchlaufend nummeriert und geben deshalb keinerlei konkreten Hinweis auf Baujahr oder Modell. Doch das wurde ab 1992 für die Vintage Reissue-Modelle geändert.
Die Nummern dieser Instrumente folgen dem „m ynnn“- Prinzip (die Leerstelle nach dem „m” ist beabsichtigt). Die Buchstaben bedeuten Folgendes: „m“ steht für das Modell, „y“ für das Jahr und „n“ für die Produktionszahl Für die einzelnen Modelle wurden folgende „m“-Nummern (Modell) vergeben:
2
1952 Les Paul
4
1954 Les Paul
6
1956 Les Paul
7
1957 Les Paul, Futura
8
1958 Les Paul, Explorer
9
1959 Les Paul, Flying V
0
1960 Les Paul
Und auch hierzu zwei Beispiele:
2 2017
1952 Les Paul Reissue
0 017
1960 Les Paul Reissue
Die Reissue-Modelle der 1961er bis 1969er Solidbody-Modelle haben Seriennummern, die dem „yynnnm“-Prinzip folgen. Hierbei sind folgende Modellnummern festgelegt:
1
SG/Les Paul
3
1963 Firebird I
4
1964 Firebird III
5
1965 Firebird V und VII
8
1968 Les Paul Custom
Zwei Beispiele:
012005
1965 Firebird V (od. VII), 2001 gebaut
993551
1961 SG/Les Paul, 1999 gebaut
Ab 1995 wurden alle ES-Modelle der Historic Series mit System nummeriert. Hier bedient man sich einer „A-mynnn“-Konfiguration. Das „A“ (oder auch mal ein „B“) inkl. Bindestrich ist obligatorisch für die Historic Series, „m“ kennzeichnet wiederum das Modell, „nnn“ die Produktionszahl. Ein Herstellungsjahr lässt sich aus dieser Nummer nicht erlesen. Folgende Modellnummern wurden festgelegt:
2
1952 ES-295
3
1963 ES-335 mit Block-Einlagen
4
1964 ES-330
5
1965 ES-345
9 (+ A-)
1959 ES-335 Dot
9 (+ B-)
1959 ES-355
Auch hierzu wieder zwei Beispiele:
A-2564
ES-295 Reissue
B-9222
1959 ES-355 Reissue
Die anderen Custom-Shop-Instrumente tragen ab 1993 Seriennummern, die auf die Rückseite der Kopfplatte aufgestempelt sind und sich aus einem „y-9nnn“-Muster zusammensetzen. „y“ (mit Bindestrich!) steht für die letzte Stelle des Herstellungsjahres, die „9“ besagt, dass es sich um ein Custom-Shop-Instrument handelt, während „nnn“ die Produktionszahl ist, welche manchmal auch vierstellig („nnnn“) sein kann.
Beispiel:
1-9166
das 166. Custom-Shop-Instrument, Bj. 2001
Dass manche dieser neuen Nummerierungssysteme eine rechte kurze Halbwertzeit besitzen, beweist letztes Beispiel. Spätestens ab 2003 darf dann gegrübelt werden, an was man eine 1993 gebaute Gitarre von einer 2003er unterscheiden soll. Custom-Shop-Instrumente werden gerne gekauft. Die schlechte Nachricht: Solche Tatsachen rufen Kopierer und Fälscher auf den Plan, die ihre eigenen Gitarren mit falschen Federn schmücken und zu Custom-Shop-Kursen anbieten.
Die gute Nachricht: Seit dem Jahr 2000 tragen die echten Custom-Shop-Instrumente einen implantierten Chip an einer von außen unzugänglichen Stelle im Halsfuß, in den alle Informationen zur Gitarre gespeichert sind. Fehlt einer vermeintlichen Custom-Shop-Gitarre dieser Chip, kann man davon ausgehen, eine Fälschung in der Hand zu halten.
Die schlechte Nachricht (für uns): Dies kann nur der Custom Shop in den USA überprüfen, weil sich hier zurzeit das einzige Lesegerät befindet, dass den Chip identifizieren kann. Es ist aber geplant, dass über kurz oder lang sämtliche Gibson-Vertriebe weltweit mit solch einem Gerät ausgestattet werden. Andere sichere Hinweise für Produktionszeiten geben einige Konstruktions- & DesignMerkmale, die die Altersfestlegung einer Gibson erleichtern, da sie immer in einem bestimmten zeitlichen Rahmen das Outfit der Gibson-Instrumente prägten.
Zeitgenössische Les-Paul-Kopfplatte
Gibson Logo
Seit 1905 schreibt Gibson seinen Namen auch auf die Kopfplatten seiner Instrumente. Damals wurde eine Mandoline die Ehre zuteil, den Namen ihres Herstellers nun weithin sichtbar zu tragen. Natürlich hatten die alten Logos einen völlig anderen Stil als die, die heute verwendet werden (s. u.). Gibson Les Pauls von 1952 haben den i-Punkt ganz eng am G platziert. Von 1953 bis 1968 ist der i-Punkt nicht mehr mit dem G verbunden, die Buchstaben b und o sind oben offen.
Von 1968 bis 1972 ist kein i-Punkt vorhanden, die Verbindung zwischen b und o ist gleichmäßig Von 1972 bis heute ist der i-Punkt wieder da, doch bis 1981 erscheint und verschwindet dieses Merkmal in einem nicht nachvollziehbaren Rhythmus. Von 1981 bis heute liegt die Verbindungslinie zwischen o und n höher als gewöhnlich. Dieser schon mal da gewesene Schriftzug wurde wieder eingeführt und beide Varianten werden bis heute verwendet Bei einigen wenigen Made-In-USA-Instrumenten der 1950er Dekade, zwischen 1970 und 1975 und von 1977 bis heute wurde/wird „made In USA“ auf die Kopfplatten-Rückseite gestempelt oder eingraviert.
Zwischen 1975 und 1977 wurden Made-In-USA-Aufkleber verwendet. Ein Gibson-Logo zierte die auch die Pickup-Kappen der Humbucker-Metallgehäuse oder die P-90 Pickup-Schalen von 1970 bis 1972.
Kommen wir zu weiteren Konstruktions- und Designmerkmalen, die eine Altersbestimmung einer Gibson Gitarre erleichtern.
Verstärkung der Sollbruchstelle°
Der sogenannte Kragen, eine verstärkte Stelle am rückwärtigen Übergang zwischen Hals und Kopfplatte wurde von 1970 bis 1981 angewendet (s. o.). Noch einige Anmerkungen zu den Potiknöpfen. Der Speed-Knob, ein an der Seite glatter, zylinderförmiger Knopf, wurde zwischen 1951 und 1955 verwendet. Die Zahlen befinden sich seitlich, er ist transparent bernsteinfarben, gelblich oder schwarz gefärbt und besteht vollständig aus Kunststoff.
Der glockenförmige Knopf (s. o.) ist an der Seite glatt und seine Beschriftung steht seitlich. Auch er ist transparent gefärbt und besteht vollständig aus Kunststoff. Gibson verwendete ihn von 1955 bis 1960.
Neu für die die 1960er Les Paul: Reflektor-Potiknöpfe°
Der etwas größere, glockenförmige Reflektor-Knopf (s. o.) ist an der Seite glatt, die Zahlen stehen seitlich, er transparent gefärbt und aus Kunststoff mit Metallplättchen gefertigt, die die Schriftzüge “Volume” und “Tone” tragen. Von 1960 bis 1967 wurde er benutzt.
Der griffigste aller Gibson-Poti-Knöpfe, der Hexenhut-Knopf, wurde 1967 eingeführt und hielt sich bis 1975. Er hat eine konische Form mit geriffelten Seiten. Die Zahlen stehen gut lesbar an der unteren Flanke (dem „Hutrand“). Er besteht aus schwarzem Kunststoff und hat oben kleine Metalleinlagen mit den Schriftzügen Volume und Tone.
Potis
Die Gehäuse der in Amerika gefertigten Potentiometer sind mit einem Zahlencode versehen, welcher auf deren Herstellungsdatum schließen lässt. Dies kann eine weitere Hilfe zur Altersbestimmung sein.
CTS-Poti von 1986°
Doch Vorsicht: Potis werden des Öfteren mal an Gitarren ausgetauscht, so dass diese letztlich nur einen wagen Hinweis auf das exakte Geburtsdatum einer Gitarre geben können. Die ersten drei Stellen der Poti-Seriennummer weisen auf den Hersteller hin:
134
CentraLab, eingesetzt von Gibson zwischen 1953-67
137
CTS, verwendet von Gibson zwischen 1968-94
Die vierte Ziffer der sechsstelligen Codes weist auf das Produktionsjahr hin, die letzten beiden geben die Produktionswoche an. Bei siebenstelligen Seriennummern bezeichnen die vierten und fünften Ziffern das Produktionsjahr. Seit 1995 verwendet Gibson „Custom-made“-Potis von CGE. Die zweite und die letzte Stelle des Codes verraten hier das Produktionsjahr.
Für viele ist die Gibson Les Paul DIE E-Gitarre schlechthin. Ihr fetter, warmer Ton ist auf unzähligen Album-Klassikern zu hören und hat die Sounds von Gitarren-Helden wie Slash, Gary Moore, Jimmy Page, Duane Allman, Randy Rhoads oder Zakk Wylde geprägt.
Eine Les Paul daheim im Ständer stehen zu haben ist eine Sache, aber wer kann schon eine fast drei Meter lange Riesen-Les-Paul sein Eigen nennen? Wir haben das Glück, ein solches Dekostück bei uns im Shop anbieten zu können!
Unser Exemplar ist in einem knalligen Rot gehalten und mit goldener Metall-Hardware ausgestattet. Die Hauptzutat des 40-kg-Boliden ist solider Kunststoff, montiert ist die Gitarre auf einem rollbaren Stativ, an dem sich auch die Neigung des Instruments einstellen lässt.
Es handelt sich um ein gebrauchtes Einzelstück, da die Gitarre lediglich im Indoor- und überdachten Bereich zur Dekoration eingesetzt wurde, ist sie jedoch sehr gut erhalten.
Im Jahr 1992, als Gary Moore mit seinem neuen Album After Hours unterwegs war, stand häufig auch Blues-Legende B. B. mit auf der Bühne.
In dem folgenden Video spielen die beiden den Rick-Darnell- und Roy-Hawkins-Klassiker (1951) „The Thrill Is Gone“ in einer 10 minütige Jam-Version. Gefilmt wurde die Performance in dem legendären Town and Country Club in London.
In dem Verlauf ihrer Karrieren kreuzten sich nur selten ihre Wege; und so teilten sich Moore und King nur einige wenige Male eine Bühne. Also eine Rarität und ein absolutes Must-See:
Les Paul, Taufpate und Geburtshelfer der Gitarre mit seiner Frau und musikalischen Partnerin Mary Ford.
Les Paul hat sehr früh angefangen, Gitarre zu spielen. Schon mit neun Jahren trat er auf. Er nahm seine billige Gitarre für $ 4,95 aus dem Versandhaus, baute sich eine Umhängevorrichtung für seine Mundharmonika aus einem Kleiderbügel, übte ein paar Songs und turnte als Straßenmusiker durch seine Heimatstadt Waukesha in Wisconsin …
Später, als seine pubertierenden Kumpels in erster Linie Probleme mit sich selbst und den Verabredungen zum Tanzen hatten, hatte der 13jährige Red Hot Red – so nannte er sich in den frühen Tagen seiner Karriere – in erster Linie Probleme mit seiner Gitarre. Sie war einfach nicht laut genug. Mit Hilfe einer Plattenspielernadel und eines Radios baute er sich damals den ersten Tonabnehmer samt Verstärker. Les Paul wurde einer der berühmtesten und erfolgreichsten amerikanischen Musiker des 20. Jahrhunderts.
Seine Aufnahmen aus den 40ern und 50ern wurden allesamt Hits und verkauften sich millionenfach. Trotzdem war er ständig beschäftigt, sein Handwerkszeug zu perfektionieren, und das bedeutete für ihn, eine brauchbare elektrische Gitarre zu konstruieren. Ein vernünftiger Tonabnehmer war bereits erfunden. Spätestens seit Mitte der 30er Jahre gab es gute, brauchbare elektromagnetische Systeme samt Verstärker. Aber Les Paul störte das leidige Problem der Rückkopplung. Kein Wunder, ein Star wie er trat vor großen Auditorien auf und musste mit, zumindest für damalige Verhältnisse, großer Lautstärke spielen. Seine Gitarren mit hohlem Korpus und Tonabnehmer dürften dabei mehr Feedback als Musik produziert haben.
The Log
1941 hatte er die Nase endgültig voll – er griff zu radikalen Maßnahmen und baute „The Log“. Er nahm sich eine Ahornplanke mit quadratischem Querschnitt, ca. 50 cm lang, schraubte Saitenhalter, Steg und Tonabnehmer daran fest und verleimte diesen Klotz (engl. „log“) mit einem ganz normalen Gitarrenhals von Gibson. Dann sägte er eine seiner Epiphone-Gitarren der Länge nach durch und befestigte an den Seiten seines Klotzes je eine Korpushälfte. Von weitem sah das gute Stück wie eine handelsübliche Gitarre jener Tage aus, in Wirklichkeit handelte es sich aber um eine – zugegeben recht simple – Solidbody, die der Optik wegen (noch) mit zwei hohlen Korpushälften „getarnt“ war.
Dieses Instrument spielte Les Paul fortan regelmäßig, denn nun war er nicht nur das leidige Feedback los, sein neues Instrument hatte auch einen brillanteren Klang. Er hatte eine ganz einfache Überlegung angestellt: „Wenn man eine schwingende Decke und eine schwingende Saite hat, gibt’s Probleme. Eins von den beiden muss aufhören zu schwingen, aber die Saite kann’s nicht sein, sie produziert den Klang.“ Ted McCarty, der Chef in Kalamazoo, trieb die Gibson-Entwicklungsabteilung zur Eile an. Der Zug mit den neuen Solidbody-Gitarren sollte nicht so schnell ins Rollen kommen, dass man nicht mehr aufspringen konnte. Und man begann der Zeit nachzutrauern, die verstrichen war, seit Les Paul ihnen sein Solidbody-Konzept vorgestellt und sie es hochmütig abgelehnt hatten. Zwei Dinge waren von vornherein klar.
Das Konkurrenzmodell zu Fenders Broadcaster musste sich deutlich unterscheiden, und es brauchte einen prominenten Taufpaten. Wer wäre besser geeignet gewesen als Les Paul, der erfolgreichste Gitarrist, den die Welt bis dahin erlebt hatte. McCarty reiste dem Star extra nach Pennsylvania hinterher, wo Les Paul Aufnahmen machte, um den Vertrag so schnell wie möglich unter Dach und Fach bringen zu können. Les-Paul bekam bei den Verhandlungen einen Prototyp gezeigt und verpflichtete sich, in Zukunft nur noch mit der neuen Gibson-Gitarre aufzutreten. Dafür gab es Tantiemen von jedem verkauften Exemplar, und alle fünf Jahre sollte der Vertrag verlängert werden. „Les Paul Model“ – unter diesem Etikett sollte das Instrument auf den Markt gebracht werden. Aber, man höre und staune, ohne den Firmennamen Gibson. Die Chefs trauten der Sache immer noch nicht und hatten immer noch Angst um ihren guten Namen.
Goldrush
Les Paul sah die Dinge etwas pragmatischer. Er schlug vor, die Gitarre mit einer speziellen einteiligen Steg/Saitenhalter-Kombination auszustatten, die er entwickelt hatte. Außerdem präferierte er eine goldene Lackierung, um dem Instrument ein edles, wertvolles Erscheinungsbild zu geben. McCarty akzeptierte beides, wohl auch, um die Verhandlungen nicht zu verzögern. Das mit der Farbe leuchtete ihm sicher ein, das mit dem Steg sollte allerdings sehr bald für Ärger sorgen.
Die Steg-Saitenhalterkombination. Ein Vorschlag von Les Pauls, allerdings auf Dauer nicht praktikabel
Na ja, und dann war da noch der Konkurrent in Kalifornien. Um ihm die Lust am Kopieren von vornherein zu verderben, sollte die Gitarre eine geschnitzte, gewölbte Decke bekommen. Zu solchen Handwerksleistungen wäre Fender kaum in der Lage gewesen. Außerdem bekam die Les Paul dadurch ein konventionelles Aussehen. Wer weiß, vielleicht war das Design ja doch zu gewagt … Gibsons Manager waren in jenen Tagen nicht sehr mutig. Bei der Konstruktion wurden allerdings keine halben Sachen gemacht. Die Form der Gitarre war klar. Es war ein Styling, das sich an einer „normalen“ Arch-Top-Gitarre orientierte, allerdings mit einem wesentlich kleineren Korpus und einem Cutaway, das den Musikern bereits auf der ES-175 viel Freude machte.
Bei der Holzauswahl hätten die Entwicklungsingenieure sich am liebsten auf Ahorn für den Korpus beschränkt. Ahorn war für seinen hellen, brillanten Klang und sein gutes Sustain bekannt. Allerdings wäre der Korpus wahrscheinlich zu schwer geworden. Mahagoni oder Esche, letzteres verwendete Fender, hatte nicht genug Sustain, und Sustain war für den Musiker Les Paul der entscheidende Vorteil einer Solidbody. Monatelang wurde in Kalamazoo mit unterschiedlichen Hölzern und Kombinationen experimentiert. Der beste Kompromiss schien eine Kombination aus Ahorn und Mahagoni zu sein. Also baute man den Korpus aus einem einteiligen Mahagoni-Fundament und leimte die geschnitzte Ahorndecke auf. Für den Hals wurde ebenfalls ein einteiliges Stück Mahagoni gewählt.
Das Palisandergriffbrett bekam 22 Bünde, dank des Cutaways gut zu erreichen. Bei der Auswahl der Tonabnehmer gab es kaum Probleme, Gibson hatte damals nur ein Modell. Allerdings bekam der P-90 eine neue Montage. Seine „Befestigungs-Ohren“ wurden abgeschnitten, stattdessen wurde er mit zwei Schrauben zwischen den Polen der Spulen im Korpus fest verankert. Bei frühen Exemplaren wurde der Steg-Pickup mit zusätzlichen Schrauben an zwei gegenüberliegenden Kappen-Ecken gesichert.
Ein Klassiker mit Problemen
Im Frühjahr 1952 kamen die ersten Les-Paul Modelle in den Handel, zusammen mit einem 12-Watt-Verstärker, der die Initialen L und P auf der Lautsprecher-Bespannung hatte. Im letzten Moment vor der Veröffentlichung mussten die Gibson-Manager ihre Vorbehalte wohl noch überwunden haben, denn auf den Kopfplatten der Gitarren fand sich nun doch das Gibson-Logo in Perlmutt eingelegt. Das Goldstück kostete damals $ 210, während zur selben Zeit die Broadcaster (sie hieß allerdings inzwischen Telecaster) schon $ 189 kostete. Bedenkt man den handwerklichen Mehraufwand, den die Gibson verursachte, kann man davon ausgehen, dass die Firmenleitung eher vorsichtig an den Markt herangehen wollte und den Preis bewusst niedrig kalkulierte.
Das Konzept ging offenbar auf, denn 1952 wurden 1716 Exemplare gebaut, 1953 sogar 2243. Bis 1961, dem vorläufigen Ende der Les-Paul-Reihe wurden nie wieder derartige Stückzahlen produziert. Trotz des unzweifelhaften Erfolgs der ersten Monate gingen McCarty und seine Mitarbeiter sofort an die Verbesserung des Modells, denn der Saitenhalter war alles andere als optimal. Die Saiten wurden nach der Befestigung um den zylinderförmigen Steg geführt, allerdings unter dem Steg hindurch. Es gab für den Musiker keine Möglichkeit, die Saiten durch Auflegen der rechten Hand zu dämpfen. Außerdem war der Abstand zwischen der rechten Hand und den Saiten recht groß.
Hätte man die Saiten über den Steg geführt, wäre die Saitenlage unspielbar geworden. Wie konnte solch eine gravierende Panne bei der Konstruktion überhaupt passieren? Heute, ein halbes Jahrhundert später, kann man nur vermuten und versuchen, der Wahrheit durch die Aussagen der Beteiligten auf die Spur zu kommen. Natürlich, das TrapezeTailpiece war Les Pauls Idee. Die Patenturkunde ist auf seinen Taufnamen, Lester W. Polfus ausgestellt. Auf der Patentzeichnung ist deutlich zu sehen, dass die Saiten über den Steg geführt werden sollen. Selbstverständlich. Les Paul wusste genau, was er tat, als er dieses so sinnvoll und praktisch erscheinende Teil entwickelte.
Ted McCartys Patentanmeldung vom 21. Januar 1953 mit zwei verschiedenen Stegen für die Les Paul.
Aber warum funktionierte es auf den ersten Exemplaren der Les Paul nicht? Vermutlich liegt die Ursache in der Schwierigkeit, die Vorstellungen des Musikers, der Geschäftsleitung und der Instrumentenbauer bei Gibson zu koordinieren, vor allen Dingen auch unter dem Zeitdruck, den die Gibson-Verantwortlichen auf einmal diesem Thema auferlegten. Les Paul hatte Gibson seine Vorstellungen von der Konstruktion klar gemacht. Seine wichtigsten Forderungen, neben der Wahl der Lackierung, waren Sustain, sein patentierter Saitenhalter und eine flache(!) Ahorndecke.
Auf Fotos aus den 50er Jahren sieht man Les Paul häufig mit Gitarren, die er sich von Gibson speziell für den Eigenbedarf auf der Bühne und im Studio hat bauen lassen und diese Les Pauls haben eine flache Decke. Aber Ted McCarty, der Mann, der in Kalamazoo das Sagen hatte, wollte eine gewölbte Ahorndecke, um der Konkurrenz das Kopieren zu erschweren. Und bei der Wölbung der Decke liegt die eigentliche Ursache des Problems. Der Steg, der auf zwei Metallkegeln ruht, steht aufgrund dieser Wölbung zu hoch über der Decke. Das Dilemma war perfekt.
Eine frühe Les Paul von 1952
Les Paul war ständig irgendwo in den USA unterwegs und nicht in der Lage, jeden Entwicklungsschritt bei Gibson zu begleiten und gegebenenfalls zu korrigieren. Ted McCarty hatte seine Vorstellungen von einem erfolgreichen Marketing der Gitarre, und die Arbeiter im Werk mussten sehen, wie aus den differierenden Vorstellungen ein brauchbares Instrument wurde. Und dann kam der Faktor Zeit ins Spiel. Gibson arbeitete bereits zu lange an der Les Paul, sie musste auf den Markt, damit Fender nicht noch mehr Vorsprung bekam.
Eine gründliche Neukonstruktion kam nicht in Frage, eine Veränderung des Halswinkels, der das Problem hätte lösen können, auch nicht. Also wurde eine simpel erscheinende Variante gewählt, die weder Zeit noch Aufwand kostete: die Saiten wurden falsch herum um den Steg geführt, die Les Paul war damit spielbar und konnte endlich erscheinen. Zweifellos wussten alle, dass hier ein im wahrsten Sinne fauler Kompromiss gewählt worden war. Aber man hatte Zeit gewonnen, man konnte beobachten, ob der Markt das neue Instrument akzeptierte, um dann über Modifikationen nachzudenken.
Gibson Les Paul Model, Baujahr 1953
Les Paul hat sofort gemerkt, was hier nicht stimmte. Auf Promotion-Fotos sieht man ihn mit der nach ihm benannten Gitarre und bei genauem Hinsehen stellt man fest, dass die Saiten über den Steg geführt sind. Ob er die Instrumente auf den Fotos auch selbst gespielt hat, ist eine andere Frage. Jedenfalls war auch McCarty klar, dass der Steg verändert werden musste, um eine vernünftige Saitenlage bei korrekter Saitenführung zu bekommen. Zuerst schien die Lösung denkbar einfach. Man müsste nur die beiden Kegel, auf denen der Steg ruht, entfernen. Ging in der Realität aber nicht, denn dann wurden die Schenkel des Trapezes in die Decke gedrückt – die Wölbung war schon wieder im Weg. Also half nur eine radikale Lösung: Das Trapeze musste weichen. Der Zylinder, gleichzeitig Saitenhalter und Steg, brauchte nur noch anders befestigt zu werden. Das besorgten fortan zwei massive Bolzen, die in die Decke geschraubt wurden.
Im Januar 1953, also nur rund ein halbes Jahr nach dem Debüt der Les Paul, meldete McCarty diesen Steg/Saitenhalter auf seinen Namen zum Patent an. Die Verantwortlichen hatten zügig gehandelt. Es dauerte allerdings noch bis weit ins Jahr 1953 hinein, bis Musiker die neue, zweite Generation der Les Paul kaufen konnten. Heute kennen wir diesen Steg unter dem Namen Stud-Tailpiece. Es wird häufig erzählt, Gibson habe mit dem neuen McCartySteg auch den Halswinkel erhöht. Das ist ein Mythos, denn es stimmt nicht. Eine Les Paul mit Stud hat den gleichen Halswinkel, wie eine frühe mit Trapeze. Deutlich größer wurde der Halswinkel erst 1955, mit der Einführung des neuen Tune-o-matic-Stegs. Diese Neukonstruktion, 1954 schon auf der Les Paul Custom verwendet, bot die präzisesten Einstellmöglichkeiten von Saitenlage und Intonation, die sich ein Gitarrist damals wünschen konnte. Allerdings war nun endgültig ein größerer Halswinkel nötig.
Ob gewünschter Nebeneffekt oder Zufall, durch den neuen Halswinkel erhöhte sich der Druck der Saiten auf den Steg und ein noch besseres Sustain war die Folge Trotz aller Probleme schien das Les-Paul-Modell in der ersten Hälfte der 50er Jahre ein Erfolg zu werden. Gibsons Manager wurden mutiger und erweiterten kontinuierlich die Modell-Palette zum Quartett: Les Paul Junior, Les Paul Special, Les Paul Custom. Ab 1955 gab es zwei Klassen Les Pauls: die Custom und das Les Paul Model (Standard hieß es noch nicht) mit Tune-o-matic und gewölbter Decke sowie Junior und Special ohne Ahorndecke und mit Stud-Tailpiece.
Neue(r) Standard
1957 schließlich bekam die Les Paul anstelle der beiden P-90 zwei Humbucker, und damit hatte sie einen Entwicklungsstandard erreicht, der nicht mehr zu verbessern war. Ab 1958 hieß sie dann auch Les Paul Standard und die Goldfarbe war einem attraktiven Sunburst gewichen. Ironie des Schicksals, die Musiker der damaligen Zeit schienen von der Qualität der ständig verbesserten Les Paul nicht überzeugt zu sein, denn die Verkaufszahlen gingen kontinuierlich zurück. 1961 wurde die klassische Les Paul aus dem Programm gestrichen und durch ein neues Design ersetzt – wir kennen dieses Modell heute unter dem schlichten Namen SG.
Kurze Zeit lang hieß diese Reihe ebenfalls noch Les Paul, denn Gibson hatte ja einen Vertrag mit dem Gitarristen. Dieser Vertrag wurde letztendlich Ende 1961 gelöst, nachdem zum zweiten Mal fünf Jahre verstrichen waren. Les Paul sagt heute, er sei damals froh gewesen, aus dem Vertrag heraus zu kommen, das neue Design hätte zu wenig mit seinen Vorstellungen von einer E-Gitarre zu tun gehabt. Außerdem lief die Scheidung von seiner Frau und Duo-Partnerin Mary Ford. Er wollte ihren Anwälten die Möglichkeit nehmen, Anteile an Gibsons regelmäßigen Tantiemen Zahlungen einzuklagen.
In der zweiten Hälfte der 60er Jahre hatten die Musiker gemerkt, wie gut Gibsons erste Solidbody-Konstruktion gewesen war. Die Nachfrage nach gebrauchten Les Pauls stieg stetig. Mike Bloomfield in den USA und Eric Clapton in England hatten maßgeblichen Anteil an der Neuentdeckung der alten Les Paul, und Gibson entschloss sich 1968, die Reihe wieder ins Programm zu nehmen. Und seitdem wird dieser Klassiker ohne Unterbrechung wieder gebaut und ist zusammen mit der Fender Stratocaster die erfolgreichste E-Gitarre der Geschichte.
Mehr zur Thema Gibson Les Paul und anderen Gibson Gitarren findest du in unserer Gibson Sonderausgabe: http://musik-media-shop.de/gitarre-bass/sonderhefte/gitarre-bass-1797
Walter Carter von Carter Vintage Guitars hat die vermutlich erste Gibson Les Paul Sunburst erworben! Am Mai 1958 hatte Gibson zwei Les Paul „Spec. Finish“ ausgeliefert. Die dreiteiligen Decken besagten, dass diese Gitarren eigentlich Goldtops werden sollten, aber nun für gelb-rote Farbexperimente heran gezogen worden waren. Eine hat die Seriennummer 8 3096, und sie ist heute im Besitz von Slash. Die zweite, die nun bei Walter Carter erworben werden kann, trägt die Seriennummer 8 3087 und ist die erste Les Paul mit dem bekannten Gelb-zu-Rot-Farbverlauf, der später als das klassische Burst-Finish in die Gitarrengeschichte eingehen sollte.
Die erste Burst!
Damals kostete das Schätzchen ganze 350 Dollar. Heute müssen Interessierte schon etwas mehr Knete locker machen: Carter, lange Zeit Historiker bei Gibson, schätzt den Wert der Gitarre auf ca. 625.000 Dollar…
Mad Max: Fury Road war wohl der explosivste Action-Film des Jahres 2015. Und er scheint einige Fans auf kuriose Art und Weise inspiriert zu haben.
°
Neben zahllosen brennenden Autos hat der Regisseur noch ein weiteres feuriges Element in seinen Film eingebaut: den sogenannten “Doof-Warrior”; ein blinder Gitarrist, der an der Spitze der mordlustigen Meute auf einem mit gigantischem Sound-System ausgestattetem Wagen mitfährt und wilde Metal-Riffs auf seiner Double-Neck E-Gitarre spielt, die, ganz nebenbei, mit einem integrierten Flammenwerfer ausgestattet ist. Na, wenn das nicht motivierend wirkt!
Achso: Die feuerspuckende Gitarre ist übrigens kein Fake! Die Flammen sind echt und NICHT computergeneriert. Rammstein-Fans mag das vielleicht vergleichsweise kalt lassen; für alle anderen dürfte es sehr imposant sein, sich diese Szene anzuschauen, mit dem Hintergrundwissen, dass alle Effekte echt sind.
Der Erfinder Colin Furze hat es sich nicht nehmen lassen, eine eigene „Doof-Warrior-Gitarre“ zu bauen. Wie so etwas aussehen kann und funktioniert, seht ihr in den beiden Videos – als Basis musste übrigens eine Epiphone Les Paul herhalten.
„Früher ging unsere Musik gegen die Alten, jetzt gegen die Jungen“, sagte Peter Hein, Sänger der legendären NDW-Formation Fehlfarben, jüngst in einem Interview. Tja, die Zeiten ändern sich eben und auch wenn die Musik der Band heute nicht mehr ganz so ranzig und laut klingt wie noch vor 35 Jahren, so haben die Songs doch nichts an Wucht und Prägnanz eingebüßt, wie das aktuelle Album ,Über … Menschen‘ zeigt. Seit dieser Veröffentlichung mit dabei: der neue Gitarrist Thomas Schneider.
°
Die Musik der Fehlfarben ließ sich mit dem Genre-Begriff Punk, wie man ihn heute versteht, noch nie adäquat umschreiben. Wirkliche Punks waren sie nie. Natürlich waren sie laut und ungezügelt, und selbstredend wendeten sie sich in ihren Texten gegen die punktypischen Feindbilder, aber hinter ihrer Musik und ihren Lyrics steckte immer mehr als tumbes Rebellentum und die bloße Lust zur Auflehnung. Und schon als die Band 1980 mit ,Monarchie und Alltag‘ ihr Debüt bei der „ausbeuterischen, schrecklich monopolistischen Riesenfirma“ EMI veröffentlichte, fühlte sich die Szene vor den Kopf gestoßen.
Diese Fehlfarben erfanden den deutschen Punk und lieferten ihn postwendend ans Messer. Trotzdem werden sie auch heute noch als Wegbereiter und Veteranen dieser Richtung gefeiert. Nach diversen Umbesetzungen über die Jahre hat nun der Düsseldorfer Thomas Schneider den Job als Gitarrist der Fehlfarben übernommen und beweist, dass man auch als versierter Musiker im Punk seine Heimat finden kann.
INTERVIEW
Über dich ist im Netz wenig zu finden, dabei bist du doch ein ziemlich aktiver Musiker, oder?
Thomas Schneider: Ja, das stimmt. Aber ich bin ja relativ spät erst zum Musiker geworden, weil ich immer ein zurückhaltender Mensch war. Ich war der Meinung, dass ich erst wenn ich Tonmeister oderÄhnliches zu Ende studiert hätte und quasi Beethoven höchstpersönlich wäre, mich in den Proberaum begeben und andere Leute mit meinem Lärm belästigen dürfte. Das war natürlich ein dramatischer Irrtum und vielleicht habe ich dadurch zu spät angefangen. Aber es gab und gibt so einige Bands um Vom Ritchie, den Trommler der Toten Hosen, in denen ich auch mitwirke. Die Bands, in denen ich zur Zeit aktiv bin, sind Fehlfarben, Cryssis, Skuyela, The Spoof und die Beatlesøns. Und manchmal kommt es vor, dass ich bei TV Smith mitspiele, den ich auch über Vom Ritchie kenne.
Wo kommst du denn ursprünglich musikalisch her?
Thomas Schneider: Ich komme eher aus einer Richtung, die das genaue Gegenteil von Punk ist. Durch meine Eltern und Geschwister bin ich mit alten Pink-Floyd-Sachen und Ähnlichem aufgewachsen. Musik also, die eher mit Sounds und aufwendigen Akkorden und Arrangements arbeitet. Mit Punk hatte ich überhaupt nichts zu tun, weil ich immer eher diese in Anführungszeichen schöne Musik gehört habe. Irgendwann bin ich mal als Gitarrist bei einer Punk-Band eingesprungen und an dem Abend habe ich meine Freundin, mit der ich das Duo Skuyela mache, Janie (Peter Hein, Sänger der Fehlfarben; d. Verf.) und den Trommler von den Toten Hosen kennengelernt. Das war also definitiv ein wichtiger Abend für mich.
Dadurch bin ich zum ersten Mal mit Punk in Berührung gekommen. Ich kam damals in den Proberaum und dachte nur: „Das ist doch genau das, wonach ich die ganze Zeit suche!“ Die anderen haben mir dann Sachen vorgespielt, die jeder andere in meinem damaligen Alter wahrscheinlich schon längst kannte, nur ich eben nicht. Für mich hat sich dadurch viel ver- ändert, weil ich mit einem Mal offener für andere Dinge geworden bin. Viele PunkSachen, die für jeden selbstverständlich sind, kenne ich bestimmt immer noch nicht, da habe ich immer noch dramatische Lücken.
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Spielt man Punk anders, wenn man wie du nicht damit aufgewachsen ist, und so von dieser Musik nicht schon als Jugendlicher geprägt wurde?
Thomas Schneider: Ich denke schon. Die meisten Leute, die gitarristisch spielen, haben ihre Wurzeln ja eher im Blues – und ich komme mehr aus der europäischen Tonleiter. Wobei ich mich gar nicht als Solo-Spieler sehe. Natürlich finde ich es toll, wenn jemand außergewöhnlich Gitarre spielt, aber es muss eben zur Musik passen. Die Musik mit der ich auf der Gitarre sozialisiert wurde, wie Pink Floyd, die alten Genesis oder auch Mike Oldfield, ist sehr europäisch. Dadurch bin ich wohl ein kleiner Exot, während die meisten Leute, die sich im Genre Punk-Rock aufhalten und E-Gitarre spielen, eher bluesig spielen.
War es von Anfang an dein Plan, dass du Musiker werden willst?
Thomas Schneider: Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht und rückblickend ist der Grund, warum ich mir nie Gedanken darüber gemacht habe, der, dass ich immer schon Musiker werden wollte. Ich bin wegen der Gitarre von der Schule geflogen, weil ich ab der achten Klasse konsequent keine Hausaufgaben mehr gemacht habe. Und wenn es dann hieß „heute gehen wir zum Berufsinformationszentrum“ dann bin ich da gar nicht erst mitgegangen, das hat mich gar nicht interessiert.
So gesehen warst du dann doch schon früh ein Punk …
Thomas Schneider: Ja. Allerdings einer mit langen Haaren und Norweger-Pullover. Im Nachhinein betrachtet war ich ein Öko, aber mit einer punkigen Attitüde. Allerdings wusste ich damals nicht, was Punk ist und hätte mich niemals als Punk bezeichnet. Ich habe mich auch nie bewusst gegen irgendjemanden aufgelehnt und ich war auch kein Rebell. Ich war nie laut im Unterricht oder habe gestört, sondern schlief eher oder habe mir Songs ausgedacht. Dass ich mich so gewissenhaft mit der Gitarre beschäftigt habe, hat auch damit zu tun, dass ich ansonsten ein ziemlich talentfreier Mensch bin. Wenn du mal siehst, wie ich versuche, eine Wohnung zu renovieren, dann steht dir wirklich das Wasser in den Augen. Traurig ist das! Und selbst bei anderen Kunstrichtungen geht mir das so. Ich habe es mal versucht, weil ich nicht so einseitig sein wollte, und bin ins Museum gegangen. Da stehe ich dann mit zehn anderen Leuten vor einem Bild und alle finden irgendetwas, nur ich nicht.
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FEHLFARBEN
Weißt du noch, wann du zum ersten Mal Fehlfarben gehört hast?
Thomas Schneider: Irre spät, denn das ist ja auch punkige Musik. Es ist eine Gemeinheit, denn ich bin mir sicher, dass viele Gitarristen die Fehlfarben viel besser kennen als ich und ausgerechnet ein langhaariger Typ wie ich spielt jetzt da mit. Natürlich kannte ich ,Ein Jahr [Es geht voran]’, denn da kam man damals nicht dran vorbei. Aber richtig gehört habe ich die Musik der Fehlfarben erst, als ich sie persönlich kennengelernt habe.
Wie bist du zu den Fehlfarben gekommen?
Thomas Schneider: Ich kannte sie auf privater Ebene, als sie noch komplett waren und Thomas Schwebel und Uwe Jahnke (die ehem. Gitarristen) noch zur Band gehörten. Kurt Dahlke (Keyboarder der Fehlfarben, auch bekannt als „Pyrolator“) kannte ich durch einen Zufall. Als ich mir meinen Computer eingerichtet habe, hörte ich von jemandem, der eigentlich unlösbare Computerphänomene lösen kann, und so habe ich ihn damals kontaktiert. Und siehe da, 15 Jahre später spielen wir zusammen in einer Band.
Was ist das gitarristisch Spezielle bei Fehlfarben?
Thomas Schneider: Bei den Fehlfarben ist es deine Aufgabe, wirklich nur die notwendigen Töne zu spielen. Alles, was auch nur ein bisschen zu viel ist, würde in dieser Musik stören. Und jeder, der sich über solche Sachen keine Gedanken macht, würde auch in einer ganz normalen Akkordfolge ohne es selber zu wollen oder es auch nur zu merken, viel zu viele Anschläge machen. Hier wirst du dazu erzogen, nur exakt die Anschläge zu machen, die nötig sind. Gottseidank war ich vorher schon auf dem Trichter, sonst wäre mir das bestimmt sehr schwer gefallen. Aber letztendlich passt man sich immer der Band an.
Ich bin eh nicht der Typ der bluesig herumdudelt, das habe ich noch nie gemocht. Klar, wenn man zu Hause vor sich hinspielt, fängt man als Gitarrist immer an zu dudeln, einfach um die Finger geschmeidig zu halten. Aber das würde ich niemals irgendwem im Proberaum, auf der Bühne oder im Studio antun. Das würde auch mir selber auf den Keks gehen. Natürlich spiele ich in Band A anders als in Band B. Aber wenn die mir jetzt sagen würden: „Da ist eine freie Stelle, lass dir mal etwas einfallen“, und ich würde da ein Blues-Lick reinspielen, dann müsste ich wahrscheinlich das Land verlassen.
Fehlfarben-Gitarrist Thomas Schneider°
Ich finde, dass deine Spielweise sich sehr von dem unterscheidet, wie es vorher war: Trockener Sound, kurze Töne, teilweise wirkt das fast funky.
Thomas Schneider: Na ja, auch die ganz frühen FehlfarbenSachen waren schon funky. Damals machte die Gitarre den Großteil des Klangs der Band aus. Später hat dann das Keyboard sehr viel Fläche eingenommen und die Gitarre war eher für Ausschmückungen zuständig. So kommt es mir zumindest vor. Und jetzt haben wir auch zwei Keyboarder und klar, wenn du den Raum nicht füllen musst, spielst du funkiger. Wenn ich da jetzt auch noch langgezogene Töne über eine Marshall-Wand spielen würde, wer sollte das aushalten? Natürlich gibt es Stellen, wo ich meine Freiräume auch mal auskoste, aber das hat dann auch einen entsprechenden Effekt. Da will ich nicht vorher schon mein Pulver verschossen haben.
Du musst herausfinden, was zu viel und was zu wenig ist und was dann übrig bleibt, sind die richtigen Anschläge. Da achten meines Erachtens viel zu wenige Gitarristen drauf. Ich höre oft Gitarristen, bei denen ich denke: „Die können toll spielen, haben einen tollen Sound, eine tolle Performance, aber sie braten alles zu.“ Weniger Töne wären da einfach mehr – und das gilt nicht nur für Funk, sondern für jede Musik. Hör dir David Gilmour an! Der spielt ungefähr zwei Töne pro Monat und die reichen! Das ist wundervoll. Auf Flitzefinger stehe ich gar nicht. Das hört sich für mich immer so an, als wäre eine Wespe in einem Glas eingesperrt.
Das Problem ist, dass die meisten Gitarristen, die richtig toll spielen, irgendwann einmal gemerkt haben, dass sie üben müssen, um toll spielen zu können. Dann fangen sie an zu üben und bemerken voller Freude, dass sie dadurch besser werden und üben immer mehr. Und unterwegs vergessen sie, weswegen sie überhaupt angefangen hatten zu üben. Das war nämlich, um sich a) nicht zu verspielen und b) die Ideen, die sie im Kopf haben auch umsetzen zu können. Diesen Punkt vergessen viele und rennen einfach an ihm vorbei. Ich habe mir vorgenommen, dass mir das nie passieren soll: Eben weil ich Musik machen will.
EQUIPMENT
Welche Gitarre spielst du bei Fehlfarben?
Thomas Schneider: Im Moment habe ich eine Stratocaster-Kopie dabei. Ich bin von der Anlage her jemand, der viel lieber Les Paul spielt. Wenn ich eine richtig gute Les Paul hätte, würde ich auch diese Humbucker-Gitarre spielen, aber bei Les Pauls ist es leider Gottes so, dass du ein wirklich exzellentes Instrument haben musst, um meine Grundbedürfnisse zu befriedigen: Denn auch wenn ich auf fetten Ton stehe, liebe ich es, wenn man hört, wie das Plektrum beim Anschlag die Saiten berührt. Und die meisten billigen Les Pauls sind wie eine Autohupe: Ton an, Ton aus. Das finde ich scheiße. Die Les Pauls, die etwas können, sind meistens leider doch recht teuer. Ich habe eine ganz gute Les Paul, allerdings mit einem P-90, weil mir die mit Humbuckern schon zu fett klingen würde. Bei den Fehlfarben brauchst du den Anschlags-Sound und den Twang, deswegen komme ich da momentan an einem Stratocaster-Modell nicht vorbei.
Thorsten Schmitz Stratocaster & ein geliehender Fender Hot Rod Deluxe°
Man kann den Schriftzug auf der Kopfplatte nicht mehr richtig lesen. Was ist das denn für ein Modell?
Thomas Schneider: Die ist von Thorsten Schmitz. Ich habe mich früher gern bei Uli’s Musik herumgetrieben, als der noch in Leverkusen war. Da wurde die Akustik-Gitarrenabteilung von Ulli Stöveken, die E-Gitarren-Abteilung von Thorsten Schmitz und die Verstärker-Abteilung von Dirk Baldringer betreut. Meine Les Paul habe ich von Ulli Stöveken bekommen, meine Strat von Thorsten Schmitz und der Bodentreter, den ich heute dabei habe ist von Dirk Baldringer. Das ist ein Prototyp des Dual Drive, den es heute noch zu kaufen gibt. So hat die Wilhelmstraße in Leverkusen bis heute einen großen Einfluss auf meinen Gitarren-Sound.
Neben dem Dual Drive liegt auf der Bühne noch ein Tube Factor von Hughes & Kettner…
Thomas Schneider: Ja. Wenn ich das Geld hätte, mir für jede Clubgröße den richtigen Verstärker zuzulegen, bräuchte ich den eigentlich gar nicht. Ich liebe es, wenn Verstärker ächzen und stöhnen. Oft haben die Amps, wie auch der Hot Rod Deluxe, den ich mir jetzt geliehen habe, zu viel Watt. Wenn ich will, dass der Amp in die Kompression geht, dann ist der Tube Factor eine Waffe. Das ist einer der ganz wenigen Verzerrer, die den Bereich zwischen Nicht-Verzerren über die Kompression bis zum Verzerren schön und sinnmachend abdecken. Und dafür benutze ich den. Der ist immer an und gibt mir quasi meinen Grund-Sound.
Warum benutzt du sonst keine Effekte?
Thomas Schneider: Ich spiele mit einem so spartanischen Setup, weil ich es nicht einsehe, mir meinen Sound zu zerstören, nur weil ich für 30 Sekunden ein WahWah-Pedal brauche. Das wäre ja ein schlechtes Geschäft – da verzichte ich lieber. Das heißt aber nicht, dass ich Effekte doof finde. Wenn du das Geld hast, dir True-Bypass-Effekte zuzulegen oder dir welche umbauen zu lassen und dir dann auch noch den, wie ich finde, notwendigen Looper zulegst, dann ist es auch toll mit Effekten zu spielen. Aber ich kann mir das nicht leisten.
Beim Schreiben dieses Tests zeigt sich der Winter vermutlich zum letzten Mal in diesem Jahr von seiner besten Seite: Blauer Himmel, Sonne, frisch gefallener Schnee … Das erscheint selbst in Norddeutschland wie ein Gedicht. Heute ist der perfekte Tag, um über die Jäger HardCandy zu schreiben.
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Die Jäger HardCandy kommt nämlich aus einer der schneereichsten Regionen Deutschlands, aus dem Allgäu. Denn Florian Jäger, 1972 geborener Gitarrenbaumeister, hat seine Werkstatt in den Bergen um Oberstdorf. Aber es bedarf auch eines besonderen Tages, um über eine besondere Gitarre zu schreiben.
Der Weg ist das Ziel
Florian Jäger befand sich jahrelang auf einer Reise, auf der Suche nach dem idealen Ton einer Gitarre. Zwei bis drei Initialzündungen dienten ihm dabei als Wegweiser auf einem Weg, der bis dato mit sogenannten Bavarian Makeovers vieler Gibson-Custom-Shop-Les-Pauls gepflastert war. Bei diesen Makeovers geht es darum, die neuzeitlichen Custom-Shop-Gitarren mit den historisch korrekten Details zu versehen, die die alten Les Pauls auszeichnen. Dabei hätte es eine Menge zu lernen gegeben, meint Jäger. Z. B. wie man etwas machen kann, aber auch, wie man etwas besser nicht machen sollte. Wichtiger für seinen Weg erscheinen im Rückblick jedoch die vielen Restaurierungen alter Instrumente aus den 1950er-Jahren.
Eine besondere 1953er Gibson Les Paul Goldtop stellte eine der oben angesprochenen Initialzündungen dar, denn deren Ton haute Jäger im besten Sinne des Wortes einfach um! Diese Gitarre hätte ihm die Tür zu den Zwischenwelten geöffnet, erzählt er. Ihr Ton wirkte dermaßen körperlich, dass er in seiner Intensität und Vollkommenheit durch Mark und Bein ging. Dieses Erlebnis wieder neu zu erschaffen mit einer Gitarre, die er selbst gebaut hat – das war nun das erklärte Ziel. Und an diesem Ziel steht nun diese HardCandy! In ihr sammeln sich alle Erfahrungen, die Jäger auf seiner Suche nach DEM Ton machen durfte.
Von Honduras nach Versailles
Hals und Korpus der HardCandy sind aus echtem Honduras-Mahagoni, das bereits in den 1940er-Jahren gewonnen wurde. Also dem Mahagoni, das durch die beständigen Winde, die in diesem mittelamerikanischen Land permanent wehen, gleichermaßen leicht und stabil ist. Dieses Holz ist natürlich getrocknet – ohne Stress, sondern mit aller Zeit der Welt, und draußen an der frischen Luft. Die nach klassischen Gibson-Vorgaben korrekt gewölbte Decke ist aus Ahorn der Güteklasse AAAAA geformt und wurde von Jäger selbst in Michigan ausgesucht. Also dort an der Grenze zu Kanada, wo das Ahorn unter klimatisch harten Bedingungen aufwächst und dementsprechend feinjährig gemasert ist.
Das bestklingende Griffbrettmaterial für klassische E-Gitarren-Sounds ist nach wie vor brasilianisches Palisander, dessen Gewinnung und Handel längst verboten ist. Wie gut, dass dem Gitarrenbaumeister Florian Jäger (nicht nur) in diesem Fall der Flötenbaumeister Christian Jäger zur Seite stand. Florian Jägers Vater hatte etwas Rio-Palisander von seinem Lehrmeister geerbt, der es wiederum von seinem Vater bekommen hatte. Demnach stammt das verwendete Rio-Palisander also etwa aus dem Jahr 1910. Natürlich liegt der Gitarre eine amtliche CITES-Bescheinigung dabei, die besagt, dass das Holz für das Griffbrett aus einem Bestand stammt, der vor 1992 bereits in der EU gewesen ist. Ab dem Zeitpunkt gilt bekanntermaßen das Schutzabkommen und damit das Importverbot für Rio-Palisander in Europa.
Jäger/Amber-P50-Pickup mit Kappen aus französischem Buchsbaum.°
Während der Entwicklung der HardCandy kam Florian Jägers Vater ein weiteres Mal ins Spiel, als Vater und Sohn über die zu verwendete Hardware diskutierten. „Wenn es silbrig klingen soll, dann nimm doch Silber für die Brücke“, soll Vater Jägers einsilbriges Statement gewesen sein, als Florian Jäger über Materialien wie Stahl, Glockenmessing, Aluminium und andere dozierte. Und stiftete gleich einen Barren uraltes 999er Feinsilber, aus dem die Firma ABM in Berlin nun nach Jägers Angaben die Brücke für die HardCandy fräsen konnte – wie bei ABM gewohnt aus dem vollen Stück.
Die Einschlaghülsen und Schrauben zur Befestigung der Brücke stammen von einem Schmied aus Norddeutschland, der die Teile aus sehr altem Stahl herausfräste. Nicht nur alt, sondern sogar prähistorisch wird es, wenn es um das Material für den Sattel und Toggle-Knopf geht. Hier kam Elfenbein zum Zuge, das von einem im sibirischen Permafrostboden gefundenen Mammut stammt. Der nähere Osten lieferte das Material für den einzigen Potiknopf der Gitarre: Bernstein aus der Ostsee, aus dem ein Oberstdorfer Künstler den Knopf von Hand drechselte und die Skalierung per Lupe und Hand auftrug. € 380 habe er für diesen Poti-Knopf bezahlt, und was den Schalterknopf aus Elfenbein anginge, wären bei der Herstellung vier kaputt gegangen, bis der fünfte dann hielt, erzählt Jäger.
Die Ostsee kommt erneut ins Spiel, wenn wir uns um die Pickups der HardCandy kümmern. Denn die wurden von AmberPickups, bekanntlich auf dem Darß beheimatet, speziell für Jäger gebaut. Dabei dienten die P90s der sagenhaften 1953er Les Paul als klangliches Vorbild und wurden in allem vermessen, was es zu vermessen gab, um ebenso gut klingende Aggregate bauen zu können. Doch Jäger hatte auch spezielle Vorstellungen von der Größe der Pickups. Frei nach dem Motto Andreas Kloppmanns ‚Was gut aussieht, klingt auch gut!‘, ließ er seine sogenannten P50-Pickups von Wolfgang Damm/AmberPickups kürzer als übliche P90s, aber länger als übliche Humbucker bauen. Was in der Tat gut aussieht.
Bei den Überlegungen zum Material für die Tonabnehmerkappen riet Christian Jäger seinem Sohn wieder zu einem Material aus dem Flötenbau: Französischer Buchsbaum. Aus diesem Holz werden bei Querflöten die Mundstücke hergestellt. Gesagt, getan, könnte man meinen. Doch es stellte sich als eine überraschend schwere Aufgabe dar, diesen Buchsbaum in der nötigen Stärke zu finden, um daraus Pickup-Kappen herstellen zu können. Erst nach vielen Wochen Suche stieß Jäger auf die InternetSeite eines Holzhändlers, der sich auf Buchsbaum spezialisiert hatte und ihm passendes Material liefern konnte – direkt aus den Gärten von Versailles! Denn nur dort wächst der französische Buchsbaum in der erforderlichen Stärke.
Man kann sich vorstellen, dass dieses Holz exorbitant teuer war. Erschwerend kam noch hinzu, dass man eine gewisse Mindestmenge abnehmen musste. So besitzt Florian Jäger nun ein Kontingent, aus dem sich sechs Sets à zwei Kappen herstellen ließen und das ihn um ca. € 1000 erleichtert hat. Alle Leimstellen der HardCandy sind mit Knochenleim ausgeführt, und die gesamte Gitarre mit dem in der „Makeover“-Szene legendären Jäger-Nitrocellulose-Lack versiegelt. Dieser Lack, der von einem kleinen Familienbetrieb in Bayreuth hergestellt wird, beinhaltet keinen Weichmacher, härtet kristallin aus und bekommt in sehr kurzer Zeit die amtlichen, authentischen Side-toside-Risse, die auch einer neuen Gitarre das beliebte „Brokenin“-Erscheinungsbild einer alten Gitarre geben.
Auch die Mechaniken, offene, gute Waverlys, sind leicht ge-aged.
Die Verarbeitung der HardCandy ist vorbildlich. Und muss es bei einem Preis von € 12.000 auch sein. Lediglich die Kerben im Sattel könnten für meinen Geschmack noch eine Idee tiefer sein, aber das ist mit dem Kunden wohl so abgesprochen worden. Die Gitarre wirkt als Ganzes in der Tat „broken in“, ohne dabei künstlich gealtert rüberzukommen. Obwohl man weiß, dass es sich um eine neue Gitarre handelt, entsteht sofort das Gefühl, eine bereits gespielte Gitarre in den Händen zu halten. Und auch diese Vertrautheit, der man normalerweise nur bei älteren, persönlich bekannten Gitarren begegnet, ist hier bereits nach wenigen, gegenseitigen Streicheleinheiten vorhanden. Sehr schön!
Ambigramm
Doch nicht genug der Besonderheiten der HardCandy! Sieht man sich das Logo der Firma Jäger an, wird man auf den zweiten Blick feststellen, dass es sich dabei um ein so genanntes Ambigramm handelt. Also ein Schriftzug, der sich auf dem Kopf stehend genauso liest wie aus normaler Sicht. Das Jäger-Logo hatte seinerzeit John Langdon entwickelt, der wohl bekannteste und beste Ambigramm-Künstler der Welt (www.johnlangdon.net). Langdon, der u. a. durch die Illustration von Dan Browns ‚Illuminati‘ bekannt wurde, zeichnet nun auch für das Ambigramm-Logo der HardCandy verantwortlich.
So und so gleich: Das Ambigramm-Logo von Logo und Modellbezeichnung°
Das macht durchaus Sinn, denn auch der Sinn des Wortes HardCandy ist auf seine Weise wie ein Ambigramm. HardCandy steht für Süß und Sauer, hart und weich, für Yin und Yang, im Prinzip für das Leben an sich. Aber auch für das angestrebte Klangideal dieser Gitarre, die gleichermaßen süß wie hart klingen soll. Die Inspiration für diesen Namen bekam Jäger übrigens durch den gleichnamigen Song von Chris Knight, in dem es genau um solche Ambivalenzen geht.
Mehrwert und Frequenzen
Und wo wir schon bei Candy sind: Die sogenannten Case Candies sind auch von einer besonderen Art. Da gibt es zum einen den wunderbaren Rindsledergurt der Krefelder Firma Art and Sole – mit Kalbsleder gefüttert und geschmackvoll verziert. Und dann natürlich ein Zertifikat, gerne auch CoA genannt (Certificate of Authenticity). Und das nicht etwa auf Papier gedruckt, sondern in ein smartphonegroßes Stück Aluminium eingeätzt, das in einer rindsledernen Hülle steckt, deren Größe individuell, weil passend zum Smartphone des Kunden, ausgeführt wird.
Und eine allerletzte Besonderheit entdeckt man auf der Abdeckung des Stahlstab-Zugangs, der sogenannten „Glocke“ auf der Kopfplatte. Hier finden sich die beiden Zahlen 446.3 und 392.2. Was ist das? Nichts anderes als die beiden Eigenresonanzen, in denen die HardCandy schwingt. Jäger hat mit einer sensiblen Messapparatur auf seinem Weg zur HardCandy heraus gefunden, dass alle außergewöhnlich gut klingenden, alten Les Pauls zwei Eigenresonanzen aufweisen. Dass seine HardCandy dieses Verhalten nun auch an den Tag legt, ist für Jäger ein Hinweis, dass er beim Bau dieser Gitarre alles richtig gemacht hat. Und eine Bestätigung für all die Tries & Errors auf diesem Weg.
Edles Zubehör: Ein prächtiger Ledergurt und ein Zertifikat, das in eine Alu-Platte geätzt ist.°
Praxis
Ich habe noch nie einen Les-Paul-Typ in der Hand gehabt, der derart leicht gewesen ist! Was mit gutem, altem Holz alles möglich ist, zeigt aber nicht nur das geringe Gewicht. Da ist eine verblüffend hohe akustische Lautstärke, ein Hinweis darauf, dass die gesamte Konzeption extrem schwingungsfreudig ist. Das Sustain ist lang, die Ton springt trotzdem schnell an, die Transparenz ist sehr hoch ausgebildet und die gesamte Spielbarkeit exzellent. Jeder Ton auf jeder Saite erklingt in jeder Lage in absoluter Gesundheit, auch im Bereich des Übergangs zum Korpus. Allerdings ohne Kraftmeierei, sondern eher in sich ausgewogen und ebenmäßig, was den Tonverlauf angeht. Dem zugrunde liegt ein insgesamt freudig federndes Spielgefühl, denn man bekommt von dem, was man in die Gitarre hinein gibt, sehr viel wieder zurück. Es herrscht einfach ein großartiges Geben und Nehmen, was natürlich die Spielfreude ungemein anstachelt.
Die P50-Pickups nehmen dies alles auf und transportieren ihn an die Verstärkung – und da wird schnell klar, was solch eine Gitarre anrichtet, wenn sie in einem normal orientierten Gitarrenhaushalt einschlägt. Alle Einstellungen meines Amps müssen erst mal dem angepasst werden, was die HardCandy liefert. Denn da kommen reichlich Höhen, und knackige, wohl geformte Bässe ohne jede Tendenz zur Undurchsichtigkeit. Der Charakter formende Mittenbereich liegt höher als bei meinen mit Humbuckern bestückten Gibson-Gitarren (Les Paul, SG), liefert aber reichlich Druck, um auch mit verzerrten Sounds rocken zu können. Es fällt auf, dass die HardCandy keinen Genre-spezifischen Sound bevorzugt.
Von Clean bis Vollverzerrt wird ein wendiges, jederzeit dynamisch leicht beeinflussbares Klang- und Spielbild erzeugt, das vorbildlich ist und in allen Musikrichtungen funktioniert. Normalerweise bin ich ein absoluter Fan von P90-Sounds. Doch mich würde es außerordentlich reizen, diese Gitarre auch einmal mit guten Humbuckern zu hören, die der Direktheit und Lebendigkeit der P50s einen Schuss Gelassenheit und Gesetztheit entgegen bringen könnten. Übrigens: Die Folgemodelle dieser HardCandy sind natürlich nach Kundenwunsch ohne Aufpreis bestückbar, sowohl was die Tonabnehmer als auch die Anzahl der Potis angeht.
Die Resonanzfrequenzen der Jäger HardCandy sind in die Trussrod-Abdeckung eingraviert.°
Resümee
An dieser HardCandy hat Florian Jäger etwa anderthalb Jahre gebaut, bis alle seine Sinne mit dem Instrument zufrieden waren. Ein Meisterstück wie die HardCandy stellt immer den Endpunkt einer bestimmten LernPhase dar. Lehrstücke, Gesellenstücke, Meisterstücke – sie alle schließen eine Entwicklung ab, öffnen aber gleichzeitig die Türen zum nächsten Schritt, zur nächsten Phase. So wird es sehr spannend sein zu beobachten, was sich in Florian Jägers Gitarrenbauwerkstatt im Allgäu noch tun wird – abseits von allen Trends und Streams, auf dem Weg zu seinem nächsten Ziel.
Von den verwendeten Materialien hat Jäger noch einiges auf Lager, sodass einige HardCandys mehr gebaut werden können. Für die, die sich solch eine Gitarre leisten können, kann die HardCandy ebenfalls das Ende einer langen Suche bedeuten. Aber auch dem Connaisseur, Sammler oder Investor wird mit der HardCandy ein außerordentliches Objekt geboten, das eine Einzigartigkeit in Qualität und Ton besitzt. Eben ein Meisterstück.