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Gibson Les Paul: Modelle, Gebrauchtkauf & Seriennummern

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LEsPaul_Das Burst Phänomen_012
Les Pauls aus ihren drei Jahrgängen, von links: 1958, 1959 und 1960°

In diesem Artikel widmen wir uns voll und ganz der Gibson Les Paul! Hier erfährst du alles über die Geschichte und Entstehung der Les Paul, über die verschiedenen Modellreihen, den Gebrauchtwert von Gibson-Gitarren sowie alles zum Thema Gibson-Seriennummern.

 


Die Entstehung der Gibson Les Paul: Modell mit Geburtsfehler
Gibson Les Paul Modelle & Testberichte
Gibson Les Paul gebraucht kaufen: Gibson Gitarren & ihr Wert
Gibson Seriennummern: Wie alt ist meine Gibson Les Paul


Die Entstehung der Gibson Les Paul: Modell mit Geburtsfehler

„Sie werden überrascht sein, aber ich bin keine Gitarre.“ So pflegte der Gitarrist Les Paul sein Publikum zu begrüßen, wenn er einmal in der Woche ein Konzert in einem New Yorker Club gab. Da war er schon über 90 Jahre alt. Bis kurz vor seinem Tod 2009 trat er im Iridium regelmäßig auf. Im Sommer 2015 wäre Les Paul 100 Jahre alt geworden – eine Legende war er schon zu Lebzeiten, einerseits wegen seiner Musik, andererseits wegen der Gitarren, die seinen Namen tragen: Der Gibson Les Paul.

Die Les Paul von Gibson

Les Pauls musikalische Karriere hatte ihren Höhepunkt vor über 60 Jahren. Mit dem rasanten Erfolg des Rock & Roll begann sein Stern als Amerikas bekanntester Gitarrist und Entertainer zu sinken. Beinahe zeitgleich begann der Siegeszug eines Gitarrentyps, den Gibson mit dem Schriftzug „Les Paul Model“ auf der Kopfplatte auf den Markt gebracht hatte. Der Gitarrist Les Paul hatte bereits in den 1940er-Jahren Experimente mit seinen Instrumenten gemacht. Er wollte perfektere Gitarren, also baute er massive Mittelsegmente in Jazz-Gitarren oder Korpusse aus massivem Aluminium – immer mit dem Ziel, den Klang und das Sustain zu verbessern und gleichzeitig die Anfälligkeit für Rückkopplungen zu reduzieren.

Gibson Les Paul? Gibson war skeptisch!

Die Manager bei Gibson, mit denen Les Paul über das Konzept mehrfach geredet hatte, waren alles andere als begeistert. Gitarren mit massivem Korpus passten nicht ins Konzept des Marktführers, der – nach eigener Überzeugung – seit Beginn des Jahrhunderts die besten Instrumente der Welt baute. Mandolinen, Banjos, Western- oder Jazz-Gitarren, gern auch mit Tonabnehmer, das war Gibsons Universum. Allerdings nur bis zum Beginn der 50er-Jahre, als ein Elektriker aus Kalifornien radikale Ideen entwickelt hatte: Leo Fenders neuartige Broadcaster/Telecaster war quasi aus dem Stand ein Renner geworden. Musiker aus Country & Western, damals die dominante Stilrichtung, rissen sich um die Planken aus Fullerton.

Nun konnte Gibson das Thema nicht mehr ignorieren. In mehr oder weniger enger Zusammenarbeit mit Les Paul wurde ein Solid-Body-Modell entwickelt, das Fender Paroli bieten sollte. Das Ganze ging offenbar recht schnell, und welche Rolle Les Paul überhaupt in diesem Prozess gespielt hat, wird seit mindestens 50 Jahren kontrovers diskutiert. Angeblich war der spezielle Steg/Saitenhalter des Gibson Les Paul Les Pauls Idee. Wie gesagt, alles musste sehr schnell gehen und deshalb reiste ein Gibson-Chef, McCarty, Les Paul zu einem Auftrittsort hinterher, um ihm den Prototyp zu zeigen und den Vertrag mit ihm auszuhandeln.

Ob jener Prototyp exakt den späteren Serienmodellen der Gibson Les Paul entsprach, darf leise angezweifelt werden. Jedenfalls war Les Paul einverstanden, seinen Namen für die neue Gitarre zur Verfügung zu stellen, gegen Tantiemen von jedem verkauften Exemplar, versteht sich. Richtig mutig war Gibson anfangs immer noch nicht, denn ursprünglich sollte nur „Les Paul Model“ auf der Kopfplatte stehen, aber nicht „Gibson“.

Der Teufel steckt im Detail

Als die Gitarre schließlich Mitte 1952 auf den Markt kam, stand aber doch Gibson auf der Kopfplatte. Das Instrument war im Design schlicht aber elegant, eigentlich sah die Gibson Les Paul aus wie eine geschrumpfte Jazz-Gitarre ohne F-Löcher. Und sie war auf der Decke golden lackiert, damit sie edler aussah und klar von der billig wirkenden Telecaster in badezimmerblond zu unterscheiden war. Nur eine Seriennummer bekamen die frühen Exemplare kurioserweise nicht.

Technisch war bei der Gibson Les Paul nicht viel Neues im Angebot: Die Les Paul bekam zwei Tonabnehmer, Modell P 90, denn etwas anderes gab es damals bei Gibson nicht. Neu war lediglich die cremefarbene Abdeckung ohne die „Befestigungs-Ohren“. Dazu vier Regler, ein Schalter – mehr braucht eine erwachsene Gitarre auch nicht. Tja, aber die trapezförmige Kombination aus Steg und Saitenhalter: Was war da passiert? Die Saiten liefen unter dem Steg durch in Richtung Griffbrett.

Der Erfinder: Les Paul

Der Spieler hat mit der rechten Hand keinen Kontakt zur Saite. Klar, er kann den Handballen auflegen, aber Abdämpfen geht nicht. Obwohl es angeblich Les Pauls Idee war, Steg und Saitenhalter so zu konstruieren, konnte er mit dieser Ausführung nicht einverstanden gewesen sein. Saitendämpfung mit der rechten Hand war ein essentieller Bestandteil seiner Musik, so aber nicht möglich. Gibson-Boss Ted McCarty und Les Paul haben sich hinterher jahrzehntelang gegenseitig die Schuld an dieser Fehlkonstruktion gegeben. Klären ließ sich das nie. Jedenfalls hatte Gibson wahrscheinlich einen schlichten, aber gravierenden Fehler in der Konstruktion gemacht: Der Halswinkel war zu gering, zu flach. So konnten die Saiten gar nicht über den Steg geführt werden.

Les Paul spielte natürlich fortan das nach ihm benannte Modell, allerdings baute er, der alte Bastler, seine Gitarren immer wieder um. Sie bekamen getrennte Stege und Saitenhalter, die Klinkenbuchse wurde auch schon mal auf die Decke verlegt, auch diverse Vibrato-Hebel kamen zum Einsatz.

Nach etwas mehr als einem Jahr wurde der Fehler korrigiert. Die Instrumente bekamen einen steileren Halswinkel und das etwas klobige Trapez wurde durch einen einteiligen Steg/Saitenhalter ersetzt, der mit Bolzen im Korpus verankert war. Jetzt war das Gibson Les Paul Modell nahezu perfekt, ein paar Details wurden in den folgenden Jahren allerdings noch modifiziert.

Autor: Carlo May



Gibson Les Paul Modelle & Testberichte

Über die Jahre hat Gibson unzählige Varianten seines Les-Paul-Klassikers präsentiert, darunter Special Editions, Limited Runs und etliche Sondermodelle aus dem Custom Shop. Bei so viel Auswahl ist es natürlich fast unmöglich den Überblick zu behalten – kennen sollte man allerdings die vier wichtigsten Les-Paul-Serien, die so ziemlich allen Modellen zugrunde liegen:

 

 1. Gibson Les Paul Standard

Gibson Les Paul Standard

Die Gibson Les Paul Standard geht im Wesentlichen auf das ikonische 1958er-Modell zurück. Der Mahagoni-Korpus ist massiv und mit einer dicken Ahorndecke verleimt, auf dem kräftigen Mahagonihals sitzt ein Palisander-Griffbrett (früher Rio-Palisander) und als Tonabnehmer kommen zwei mit Chrome-Kappen versehene Humbucker-Pickups zum Einsatz. Weitere Merkmale sind die einfachen Korpus- und Hals-Bindings sowie die großen Perloid-Griffbretteinlagen im Trapez-Design, die Hardware ist beim Standard-Modell außerdem verchromt.

Mittlerweile ist der Korpus der Standard gechambert, also mit Ausfräsungen im Korpus versehen, die Gewicht einsparen und laut Gibson auch den Ton verbessern sollen. Die handverlötete Elektronik ist in diesem Zuge einer Platine gewichen, auf der Potis und andere Bauteile fest verbaut sind – sicherlich nicht die servicefreundlichste Lösung. Zuletzt hat sich auch das Halsprofil über die Jahre deutlich von dem des 1958er-Modells entfernt.

Testberichte zur Gibson Les Paul Standard findest du hier:

>>> Gibson Les Paul Standard im Test <<<

>>> Gibson Les Paul Standard Custom Shop Gitarren im Test<<<

 

2. Gibson Les Paul Custom

Les-Paul-Classic-Custom.01

Die Gibson Les Paul Custom ist in Sachen Konstruktion eng mit dem Standard-Modell verwand, wirkt jedoch optisch insgesamt etwas aufwendiger und edler. Das Umlaufende Binding ist mehrlagig ausgeführt und umfasst bei diesem Modell auch die Korpusrückseite. Auf der Kopfplatte sitzt mittig das markante Split-Diamond-Inlay, die Griffbretteinlagen sind hier außerdem aus Perlmutt. Zur Grundausstattung der Gibson Les Paul Custom gehört auch vergoldete Hardware, als Griffbrett-Material wird meist Ebenholz verwendet.

Die Custom war früher das unangefochtene Top-Modell im Les-Paul-Line-Up und daher nicht selten auch mit zusätzlichen Ausstattungsdetails wie einem dritten Humbucker, oder einem Bigsby-Vibrato erhältlich. Anders als bei der Standard gibt es außerdem auch Les-Paul-Custom-Modelle mit Ahornhälsen und Voll-Mahagoni-Bodies (ohne Ahorndecke).

Einen Testbericht zur Gibson Les Paul Custom findest du hier:

>> Gibson Les Paul Custom im Test <<<

 

 

3. Gibson Les Paul Studio

Les Paul Studio Pro von Gibson
Gibson Les Paul Studio Pro

Die Gibson Les Paul Studio wurde 1983 eingeführt und ist optisch einfacher und schlichter gehalten als das Standard-Modell. Die Hölzer sind hier weniger spektakulär gemasert, auf Hals- und Korpus-Bindings wird verzichtet. Das Gibson-Logo auf der Kopfplatte ist nur aufgedruckt und nicht als Inlay eingelassen. Anstelle der Trapez-Griffbretteinlagen findet man bei einigen Studio-Modellen dezente Perloid-Punkte.

Der Name Studio spielt auf Tonstudio-Situationen an, wo außer dem Produzenten/Toningenieur kein Publikum anwesend ist, das man mit einer eindrucksvollen Optik beeindrucken müsste. Wie bei vielen anderen Gibson-Linien hat die Studio über die Jahre immer wieder Veränderungen erfahren, darunter wechselnde Inlays (Trapez/Punkte), Body-Konstruktionen (gekammert/massiv, mehrteilig/einteilig) und Griffbrett-Materialien (Palisander/Ebenholz/Ahorn).

Einen Testbericht zur Gibson Les Paul Studio findest du hier:

>>> Gibson Les Paul Studio im Test <<<

 

4. Gibson Les Paul Traditional

Gibson Les Paul Traditional

Die Gibson Les Paul Traditional gleicht in den meisten Konstruktions- und Ausstattungs-Details der Standard verfügt jedoch über einen weniger stark gekammerten und 5 mm stärkeren (im Vergleich zur aktuellen Standard/Studio) Korpus. Auch ist die Dichte des verwendeten Korpus-Holzes geringer, was die Gitarre resonanter und leichter macht. In der Gibson Les Paul Traditional kommen außerdem die etwas klassischeren und im Vergleich zum Burstbucker Pro weniger aggressiven 57-Classic-Pickups zum Einsatz.

Einen Testbericht zur Gibson Les Paul Traditional findest du hier:

>>> Gibson Les Paul Traditional im Test <<<

 

5. Gibson Les Paul Studio Tribute

(Bild: Gibson)

Die Gibson Les Paul Studio Tribute ist mit Open-Coil 490 Humbuckern mit Alnico II Magneten ausgestattet und liefert klassisch kraftvollen 50er-Jahre Tone und Sustain. Die Serie soll das Feeling und den tonalen Vibe einer traditionellen Les Paul bieten, weist aber moderne Merkmale wie einen Ahorn-Hals mit schlankem Profil und Gewichtsreduktion auf.

Nichtsdestotrotz kann man sich an Vintage-Features wie Nitrozelluloselack und kryogenisch behandelten Bünden erfreuen.

 

Trotz dieser groben Serien-Übersicht gilt bei allen Les-Paul-Modellen: Ausnahmen bestätigen die Regel! Über die Jahre wurden immer wieder Konstruktionsdetails geändert und spätestens mit der Robo-Mechanik-Ausstattung und den wilden 2015er-Modellen dürfte auch dem Letzten klar geworden sein, dass Gibson eine sehr experimentierfreudige Firma ist, bei der die einzelnen Modelle nicht lange im Katalog bleiben.

Autor: Stefan Braunschmidt

 

Du hast Lust die besten Modelle von Gibson selbst in Augenschein zu nehmen? Beim Guitar Summit ist der Gibson Custom Shop (presented by Guitar Place) vor Ort und präsentiert die Modelle. Mehr Informationen über das große Gitarren- und Bass-Event mit über 400 ausgestellten Marken findest du hier.



Gibson Les Paul gebraucht kaufen: Gibson Gitarren & ihr Wert

Sind Gibson Gitarren und speziell der Gibson-Klassiker Les Paul eigentlich ein „great investment“? So betiteln in den USA zumindest Händler gern die Instrumente in ihren Anzeigen. Und die USA sind immer noch der größte Markt, wenn es um alte, gebrauchte, so genannte Vintage-Instruments geht.

gibson-les-paul-fertig

Die Händler wollen ihren Kunden suggerieren, dass man mit dem Kauf älterer Gitarren Geld anlegen und ähnlich wie mit Wertpapieren gute Renditen machen kann. Was der Kunde genau wie bei Aktien bedenken sollte: Es ist vollkommener Unsinn zu kaufen, wenn die Kurse/Preise auf dem Höchststand sind. Und die Preise sind, anders als bei vielen Aktien, bei einigen Gibson Modellen im Moment auf dem Höchststand.

Für einige ausgesuchte Gibson-Instrumente, wohlgemerkt aus der Serienfertigung, muss man seit Jahren auf dem Vintage-Markt enorme Summen anlegen, und ein Ende der Preisspirale ist kaum in Sicht. Aber so eindimensional ist das Geschäft (leider) nicht. Schwankungen (und da zeigt sich wieder die Analogie zur Börse) sind normal.

Mitte der 90er Jahre bot ein bekannter Händler in Nashville eine Gibson Flying V zum Kauf an. Das besondere an diesem Exemplar: Es war 1957 gebaut worden und somit ein Vorserienmodell, bzw. Prototyp. Entsprechend hoch war der Kaufpreis angesetzt worden. $ 150.000 sollte der interessierte Käufer zahlen. Monatelang hielt sich das Interesse in sehr engen Grenzen und plötzlich stand auf dem Preisschild nur noch $ 100.000.

Aus heutiger Sicht immer noch viel zu viel. Mittlerweile kann man in Michigan einen weiteren Flying-V-Prototyp erwerben und hier ist der Preis im Laufe der Zeit auf $ 50.000 gesunken. Exemplare aus 1958/59 gibt es inzwischen schon für $ 40.000 und weniger. Natürlich ist das ein extremes Beispiel, aber es zeigt, dass sich die Preisspirale nicht endlos drehen lässt. Bei anderen Gibson-Gitarren ist die Tendenz umgekehrt.

Gibson Les Paul Kopfplatte
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Kult: Gibson Les Paul Standards

Seit einigen Jahren sind Les Paul Standards aus den Jahren 1958 bis 1960 der Renner – mit entsprechenden Kursen. Eine originale Standard in Sunburst, möglichst eine 59er, gut erhalten und vielleicht sogar noch mit auffälliger Deckenmaserung kostet heute schon mal je nach Zustand, “Flame”-Charakter, Historie und einigen anderen Faktoren ab $ 150.000 aufwärts – und teilweise deutlich aufwärts.

Ähnliches berichtete auch der Anruf eines befreundeten Gitarren-Händlers, der mir einmal vor Jahren erzählte, dass er (Dank zweimaliger Retour-Inzahlungnahmen) zum dritten Mal die gleiche Gitarre, eine Les Paul Standard von 1958, verkauft habe – jeweils mit einem Preisaufschlag um das Doppelte: DM 15.000, DM 30.000 und dann knapp € 30.000. Und das innerhalb eines Zeitraums von etwa fünf bis sechs Jahren! Und heute – ca. 10 Jahre später – dürfte diese Gitarre gut das Doppelte ihres letzten DM-Wertes in Euro kosten.

Die gute Nachricht: Dank der hohen Preise entschließen sich viele Besitzer nun zum Verkauf und der Markt ist gut bestückt. Die schlechte Nachricht: Die Zahl der Fälschungen nimmt drastisch zu und der beliebte Händler-Slogan „aged by Tom Murphy“ führt manch dubiosen Zeitgenossen in Versuchung, Etikettenschwindel zu probieren. Wer nicht in der Lage ist – und wer ist das schon? –, diese hohen Summen für eine echte 58er, 59er oder 60er Les Paul zu zahlen, kann immer noch mit den ohne Widerspruch sehr guten Reissue-Gitarren vorlieb nehmen, die um ein Vielfaches günstiger sind und einige der wenigen Modelle sind, die im Laufe der Zeit nicht drastisch an Wert verlieren, guter Originalzustand voraus gesetzt. Bei diesen speziellen Les-Paul-Modellen, aber auch bei ES-335-Gitarren aus dem gleichen Zeitraum und einigen richtig alten Jazz-Gitarren übersteigen die Preise für alte Originale die der neuen Replikas aus dem Custom Shop bei weitem.

Doch alte SGs, Firebirds und auch Les Pauls aus den „nichtheiligen“ Jahrgängen sind nicht zwangsläufig teurer als neue Custom-Shop-Reissues. Ein Beispiel: Eine originale 52er oder 53er Les Paul Goldtop kostet in gutem Zustand in den USA derzeit ca. € 5000. Eine neue ist für nahezu den gleichen Preis erhältlich (€ 4.990), und wenn es eine neue in der „Aged“-Version sein soll, müssen € 7990 den Besitzer wechseln. Noch vor zehn Jahren waren akustische FlatTops von Gibson aus den 30er, 40er oder 50er Jahren günstig zu bekommen. Dann erschien ein Buch, das erläuterte, welch überragende Qualität diese Gitarren hatten. Die Autoren hatten Recht, Gibson-Flat-Tops aus jenen Dekaden gehören zum Besten, was je gebaut wurde. Die Nachfrage stieg, plötzlich waren die Instrumente des Mitbewerbers Martin aus Nazareth/Pennsylvania nicht mehr das Maß aller Dinge, und der Markt reagierte wie erwartet – die Preise stiegen stetig und steigen gegenwärtig weiter.

Bei Arch-Tops von Gibson hingegen stagniert die Tendenz. Nach gesunden Steigerungsraten zu Beginn der 90er Jahre haben sich die Preise auf einem hohen Level eingependelt – selbst für Spitzenexemplare.

Was soll man also kaufen, wenn man als Sammler sein Geld gut anlegen will?

Es hilft nichts, es ist abermals wie an der Börse: Eindeutige Tipps gibt es eigentlich nicht. Bei akustischen Gibsons findet man die begehrtesten Modelle aus den Baujahren zwischen 1922 und etwa 1960. Bei elektrischen kategorisieren die Experten die goldene Ära zwischen 1952 und 1965, mit eindeutigem Schwerpunkt auf dem Zeitpunkt zwischen 1958 und 1960. Für Instrumente aus diesen Zeiträumen werden die höchsten Preise verlangt und eigentlich sollte man jetzt vom Kauf abraten, es sei denn, man hat wirklich zu viel Geld.

Elektrische wie auch akustische Gitarren aus den 80er Jahren haben gegenwärtig einen relativ geringen Wert. Natürlich kann man sie kaufen, um ein gutes Instrument zum Spielen zu erwerben. Mit wahrnehmbarer Wertsteigerung sollte man aber lieber nicht rechnen. Und was ist mit den limitierten Editionen und Sondermodellen, die der Gibson Custom-Shop seit einigen Jahren in steigender Anzahl herstellt? Man erwirbt damit ein Instrument, das ohne jeden Zweifel allererste Spitzenqualität bietet. Allerdings sind die Neupreise in der Regel schon sehr hoch.

Ob sich der Anschaffungspreis beim Wieder-Verkauf erzielen lässt, oder ob Custom-Shop-Editionen im Laufe der Zeit sogar im Wert noch steigen, ist gegenwärtig noch nicht wirklich bewiesen. Wobei zu erwarten ist, dass sich bei den Custom-Shop-Modellen genau das wiederholt, was sich in der normalen Serienfertigung dieses Herstellers abgespielt hat: Die Gibson Les Paul Reissues der 59er Standard werden am ehesten ihren Wert halten, bzw. ihn eventuell noch steigern können als die Repliken z. B. einer SG Standard, oder einer Firebird IV.

Die Faustregel

Es gibt eine Faustregel, die besagt, dass „normale“ Gitarren, also keine Vintage- oder Sammler-Objekte, in gebrauchtem, gutem Originalzustand etwa die Hälfte des aktuellen Neupreises wert sind. Und wenn man sich die heutigen Verhältnisse auf dem Neu- und dem Gebrauchtmarkt ansieht, mag diese Tendenz stimmen.

Eine gebrauchte „normale“ Gibson Les Paul Standard wird mit ca. € 2.000 gehandelt – und das entspricht in der Tat etwa der Hälfte des derzeitigen Neupreises. Dies liegt natürlich auch daran, dass der Neupreis aufgrund von Währungsdifferenzen und Gibsons Preispolitik recht hoch ist. Hat also Gitarrist sich vor 20 Jahren eine neue Gibson Les Paul geleistet, und damals ging dies für etwa DM 2.500, hat er nominell tatsächlich keinen Verlust gemacht, wenn er sie heute auf dem Gebrauchtmarkt verkauft.

Allerdings darf bei dieser Rechnung nicht vergessen werden, dass die Kaufkraft von damals der heutigen längst nicht mehr entspricht und oben aufgemachte Rechnung eher die eines Milchmädchens ist. Dennoch: Wer sich heute eine neue Gibson-Gitarre kauft und wem wichtig ist, dass sie ihren Wert über die Jahre erhalten soll, muss sich auf bekannte Modelle wie Les Paul und ES-335 spezialisieren – und gleichzeitig hoffen, dass die Gibson-Neupreise weiter steigen.

Eine gute Nachricht gibt es dennoch: Wer Lust auf und Geld für alte Gibson-Instrumente hat, sollte sich in Deutschland oder den Nachbarländern umsehen. Hier liegen die Preise seit Jahren unter dem amerikanischen Niveau, wenn auch die Auswahl in den USA immer noch wesentlich größer ist.

Was früher kein Problem war, vom USA-Trip eine alte Gibson mitzubringen, funktioniert heute kaum noch. Der Dollarkurs, aber auch die Preise in den Staaten sind zu hoch. Also, wer eine Gibson mit Vintage-Aura sucht, sollte die bekannten deutschen Händler frequentieren, Kleinanzeigen studieren oder auch mal die bekannten Internet-Auktionen in Erwägung ziehen.

 

Autoren: Carlo May & Heinz Rebellius

 



Gibson Seriennummern: Wie alt ist meine Gibson Les Paul

Bei der Altersbestimmung einer Gibson Les Paul und anderen Gibson E-Gitarren geben verschiedene Merkmale und Besonderheiten fast sichere Hinweise auf das Produktionsjahr des Instruments. Doch sollten alle (!) angeführten Besonderheiten, Details der Konstruktion und Hinweise bei einer Altersbestimmung berücksichtigt werden, da, wie hinlänglich bekannt, Bauteile und Komponenten von Gibson-Instrumenten nicht immer in einer konsequenten zeitlichen Reihenfolge verbaut worden sind.

Seriennummer
Der erste Blick gilt natürlich der Seriennummer. Diese sollte allerdings nicht mehr als nur Annäherungswert für eine exakte Altersbestimmung verstanden werden, besonders bei diesem Hersteller. Wie auch andere Großserien-Produzenten hat Gibson immer versucht, die Seriennummern in einer chronologischen Reihenfolge zu ordnen – leider scheint dies jedoch aus was für Gründen auch immer nicht so richtig funktioniert zu haben. Um bei der Feststellung des Baujahres ganz sicher zu gehen, müssen also weitere spezifische Indizien überprüft werden.

Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt auf den E-Gitarren und -Bässen, die ab 1952 hergestellt worden sind. Dennoch sollte auch hier nicht vergessen werden, dass Gibsons Tradition viel weiter in die Vergangenheit zurückreicht. Bereits ab dem Jahr 1902 wurden Seriennummern vergeben. Man startete damals mit der Zahl 100 und einem Nummerierungssystem, das 1947 mit 99999 endete. Allerdings bekam nicht jedes gefertigte Instrument eine eigene Nummer, sondern meistens nur die Top-Instrumente der jeweiligen Serien.

100 bis 8750 1902 bis 1910
8751 bis 62200 1911 bis 1920
62201 bis 90200 1921 bis 1930
90201 bis 96600 1931 bis 1940
96601 bis 99999 1941 bis 1947

Zur Kennzeichnung wurden von 1902 bis 1954 ovale, weiße Aufkleber im Inneren der Gitarre verwendet. Ab 1954 werden diese orange. Bei Instrumenten mit rundem Schallloch (Mandoline, Akustikgitarre) sitzt der Aufkleber genau unter diesem Loch auf dem Boden, bei „F-hole“-Instrumenten unter dem obersten der beiden F-Löcher

Das zweite Nummernsystem wurde von 1947 bis 1961 für akustische und elektrifizierte Arch-Top-Gitarren angewendet. Es war allerdings ein komplett anderes als das, was ab 1952 für die Solidbody-Instrumente (Les Paul etc.) verwendet wurde. Beide Systeme liefen also neun Jahre lang parallel nebeneinander.

A100 bis A6595 1947 bis 1950
A6596 bis A36150 1951 bis 1961

Gibson nutzte über die Jahre also verschiedene Nummernsysteme und BuchstabenCodes. Bekanntermaßen existieren neben den normalen Serien auch spezielle Modellreihen wie die Vintage Reissues, Signature-Modelle und zahlreiche Limited Editions, die aus dem üblichen Schema herausfallen und bei denen eine genaue Datierung zur Wertbestimmung eine eher untergeordnete Rolle spielt.

Wer eine Gibson-Gitarre besitzt, deren Seriennummern in keins der hier vorgestellten Schemas passt, kann sich vertrauensvoll nicht nur an Gitarre & Bass, sondern auch an Gibson USA wenden. Auf der Website www.gibson.com gibt es nicht nur erstklassige Informationen zu diesem Thema, sondern auch die Möglichkeit, konkrete Fragen zu stellen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass hier meist sehr schnell und kompetent geantwortet wird.

Gibson Seriennummern
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In dieser Periode wurden fünf- oder sechsstellige Nummern vergeben, bei denen die erste Stelle auf das Produktionsjahr hinweist. Beispiele: 3 = 1953, 4 = 1954 etc., bis zur 0 = 1960, 1 = 1961 Wer sich fragt, wo die Seriennummern der Les Pauls von 1952 geblieben sind, dem sei gesagt: Diese Gitarren hatten bis auf einige wenige Ausnahmen noch keine Seriennummern!

Nun wurden drei- bis sechsstellige Nummern vergeben:

100 bis 42,000 1961
42.000 bis 44,000 1962
61,000 bis 64,000 1963
64,000 bis 71,000 1964
71,000 bis 96,000 1962-64
96,000 bis 99,000 1963
000,000 1967
100,000 bis 106,000 1963, 1967
109,000 bis 120,000 1963, 1967
121,000 bis 139,000 1963
140,000 bis 144,000 1963, 1967
144,000 bis 149,000 1963-64
149,000 bis 152,000 1963
152,000 bis 174,000 1964
174,000 bis 176,000 1964-65
176,000 bis 250,000 1964
250,000 bis 305,000 1965
306,000 bis 320,000 1965, 1967
320,000 bis 329,000 1965
329,000 bis 330,000 1965, 1967
330,000 bis 332,000 1965, ’67-68
332,000 bis 348,000 1965
348,000 bis 349,000 1966
349,000 bis 368,000 1965
368,000 bis 369,000 1966
370,000 1967
380,000 bis 385,000 1966
390,000 1967
400,000 bis 406,000 1966
406,000 bis 409,000 1966-68
409,000 bis 410,000 1966
420,000 bis 429,000 1966
500,000 1965-66
500,000 1968-69
501,000 bis 520,000 1965, 1968
520,000 bis 530,000 1968
530,000 1966, ‘68-69
530,000 bis 539,000 1969
540,000 1966, 1969
540,000 bis 545,000 1969
555,000 bis 556,000 1966
558,000 bis 567,000 1969
570,000 1966-67
580,000 1966-67, ‘69
600,000 1966-68
600,000 bis 606,000 1969
700,000 1966-67, ‘69
750,000 1968-69
800,000 1966-69
810,000 bis 812,000 1966, 1969
812,000 bis 819,000 1969
820,000 1966, 1969
820,000 bis 823,000 1966
824,000 1969
828,000 bis 858,000 1966, 1969
859,000 bis 895,000 1967
895,000 bis 896,000 1968
897,000 bis 898,000 1967, 1969
899,000 1968
900,000 bis 901,000 1970
910,000 bis 999,000 1968

Dieses System ist nicht nur sehr schwer zu verstehen, sondern die Tatsache, dass manche Nummernfolgen bis zu viermal (!) vergeben wurden, macht ein exaktes Datieren zu einem schwierigen Unterfangen. Bei Gibson Gitarren aus diesen Jahrgängen müssen unbedingt weitere Details zur Jahrgangs-Bestimmung heran gezogen werden.

Die sechsstelligen Nummern (plus gelegentlich einem Buchstaben vor oder nach der Seriennummer) waren zusätzlich mit dem Hinweis „Made In USA“ auf der Rückseite der Kopfplatte ergänzt. Doch die Nummern wurden beinahe wahllos vergeben, so dass ein durchdachtes System nicht zu erkennen ist. Das ovale, orangefarbene Label in den „hohlen“ Gitarren wurde 1970 durch einen weiß- orangen und rechteckigen Aufkleber in den akustischen und einen schwarz-purpurrotweißen in den elektrischen Hollow-Bodies ersetzt.

000001 1973
100,000 1970-75
200,000 1973-75
300,000 1974-75
400,000 1974-75
500,000 1974-75
600,000 1970-72
600,000 1974-75
700,000 1970-72
800,000 1973-75
900,000 1970-72
6-stellige Nummer + A 1970
A + 6-stellige Nummer 1973-75
B + 6-stellige Nummer 1974-75
C + 6-stellige Nummer 1974-75
D + 6-stellige Nummer 1974-75
E + 6-stellige Nummer 1974-75
F + 6-stellige Nummer 1974-75

In der Übergangszeit zum neuen System (ab 1977) vergab Gibson ab 1975 8-stellige Nummern. „Made in USA“ stand ebenfalls auf der Kopfplatten-Rückseite, bei einigen Modellen auch „limited edition“.

99 + 6-stellige Nummer 1975
00 + 6-stellige Nummer 1976
06 + 6-stellige Nummer 1977

Seit 2002 ist das Datierungssystem endlich eindeutig und klar. Es besteht aus einer achtstelligen Nummer, die nach dem YDDDYPPP-Prinzip aufgebaut ist. YY bezeichnet dabei das Produktionsjahr, DDD den Tag des Jahres und PPP die Fabrik, in der das Instrument gebaut wurde. Die PPP-Nummern 001 bis 499 stehen für Kalamazoo, 500 bis 999 für Nashville. Die Nummern für Kalamazoo wurden ab 1984 nach dem Auszug aus der dortigen Fabrik natürlich nicht mehr vergeben.

Als die Produktion der akustischen Gitarren 1989 in Bozeman began, wurde das Nummernsystem überarbeitet. So bekam Bozeman die PPP-Nummern 001 bis 299, und ab 1990 Nashville 300 bis 999. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass in der Nashville-Produktion die PPP-Zahl 900 für Prototypen reserviert wird.

Hier einige Beispiele:

71239321 1979, am 123. Tag des Jahres, in Kalamazoo
81135619 1985, am 113. Tag des Jahres, in Nashville
83548522 1988, am 354. Tag des Jahres, in Nashville
02341132 2001, am 234. Tag des Jahres, in Bozeman

1994

Achtung, Ausnahme! 1994 vergab man allen Instrumenten eine achtstellige Nummer, die immer mit einer 94 begann. Hier beschreiben also die ersten beiden Stellen das Herstellungsjahr 1994. Dies tat man, um dem Hundertjährigen Jubiläum der Firma Gibson seine Referenz zu erweisen.

Noch ein Beispiel:

94123250 1994, das 123. Instrument, aus Bozeman

Einige Instrumente, vor allem aus den 1970er und 1980er Jahren, haben eine zusätzliche 2 meist unter der normalen Seriennummer eingeprägt. Dies zeigt an, dass das Instrument zweite Wahl ist und Mängel besitzt, die aber so geringfügig sind, dass es trotzdem in den Handel gelangen konnte.

Die Seriennummern des Custom Shops haben sich noch nie am System der anderen Gibson-Produktionsstätten orientiert. Anfangs wurden die Instrumente einfach durchlaufend nummeriert und geben deshalb keinerlei konkreten Hinweis auf Baujahr oder Modell. Doch das wurde ab 1992 für die Vintage Reissue-Modelle geändert.

Die Nummern dieser Instrumente folgen dem „m ynnn“- Prinzip (die Leerstelle nach dem „m” ist beabsichtigt). Die Buchstaben bedeuten Folgendes: „m“ steht für das Modell, „y“ für das Jahr und „n“ für die Produktionszahl Für die einzelnen Modelle wurden folgende „m“-Nummern (Modell) vergeben:

2 1952 Les Paul
4 1954 Les Paul
6 1956 Les Paul
7 1957 Les Paul, Futura
8 1958 Les Paul, Explorer
9 1959 Les Paul, Flying V
0 1960 Les Paul

Und auch hierzu zwei Beispiele:

2 2017 1952 Les Paul Reissue
0 017 1960 Les Paul Reissue

Die Reissue-Modelle der 1961er bis 1969er Solidbody-Modelle haben Seriennummern, die dem „yynnnm“-Prinzip folgen. Hierbei sind folgende Modellnummern festgelegt:

1 SG/Les Paul
3 1963 Firebird I
4 1964 Firebird III
5 1965 Firebird V und VII
8 1968 Les Paul Custom

Zwei Beispiele:

012005 1965 Firebird V (od. VII), 2001 gebaut
993551 1961 SG/Les Paul, 1999 gebaut

Ab 1995 wurden alle ES-Modelle der Historic Series mit System nummeriert. Hier bedient man sich einer „A-mynnn“-Konfiguration. Das „A“ (oder auch mal ein „B“) inkl. Bindestrich ist obligatorisch für die Historic Series, „m“ kennzeichnet wiederum das Modell, „nnn“ die Produktionszahl. Ein Herstellungsjahr lässt sich aus dieser Nummer nicht erlesen. Folgende Modellnummern wurden festgelegt:

2 1952 ES-295
3 1963 ES-335 mit Block-Einlagen
4 1964 ES-330
5 1965 ES-345
9 (+ A-) 1959 ES-335 Dot
9 (+ B-) 1959 ES-355

Auch hierzu wieder zwei Beispiele:

A-2564 ES-295 Reissue
B-9222 1959 ES-355 Reissue

Die anderen Custom-Shop-Instrumente tragen ab 1993 Seriennummern, die auf die Rückseite der Kopfplatte aufgestempelt sind und sich aus einem „y-9nnn“-Muster zusammensetzen. „y“ (mit Bindestrich!) steht für die letzte Stelle des Herstellungsjahres, die „9“ besagt, dass es sich um ein Custom-Shop-Instrument handelt, während „nnn“ die Produktionszahl ist, welche manchmal auch vierstellig („nnnn“) sein kann.

Beispiel:

1-9166 das 166. Custom-Shop-Instrument, Bj. 2001

Dass manche dieser neuen Nummerierungssysteme eine rechte kurze Halbwertzeit besitzen, beweist letztes Beispiel. Spätestens ab 2003 darf dann gegrübelt werden, an was man eine 1993 gebaute Gitarre von einer 2003er unterscheiden soll. Custom-Shop-Instrumente werden gerne gekauft. Die schlechte Nachricht: Solche Tatsachen rufen Kopierer und Fälscher auf den Plan, die ihre eigenen Gitarren mit falschen Federn schmücken und zu Custom-Shop-Kursen anbieten.

Die gute Nachricht: Seit dem Jahr 2000 tragen die echten Custom-Shop-Instrumente einen implantierten Chip an einer von außen unzugänglichen Stelle im Halsfuß, in den alle Informationen zur Gitarre gespeichert sind. Fehlt einer vermeintlichen Custom-Shop-Gitarre dieser Chip, kann man davon ausgehen, eine Fälschung in der Hand zu halten.

Die schlechte Nachricht (für uns): Dies kann nur der Custom Shop in den USA überprüfen, weil sich hier zurzeit das einzige Lesegerät befindet, dass den Chip identifizieren kann. Es ist aber geplant, dass über kurz oder lang sämtliche Gibson-Vertriebe weltweit mit solch einem Gerät ausgestattet werden. Andere sichere Hinweise für Produktionszeiten geben einige Konstruktions- & DesignMerkmale, die die Altersfestlegung einer Gibson erleichtern, da sie immer in einem bestimmten zeitlichen Rahmen das Outfit der Gibson-Instrumente prägten.

Gibson_Seriennummern_Datierung_07
Zeitgenössische Les-Paul-Kopfplatte

Gibson Logo

Seit 1905 schreibt Gibson seinen Namen auch auf die Kopfplatten seiner Instrumente. Damals wurde eine Mandoline die Ehre zuteil, den Namen ihres Herstellers nun weithin sichtbar zu tragen. Natürlich hatten die alten Logos einen völlig anderen Stil als die, die heute verwendet werden (s. u.). Gibson Les Pauls von 1952 haben den i-Punkt ganz eng am G platziert. Von 1953 bis 1968 ist der i-Punkt nicht mehr mit dem G verbunden, die Buchstaben b und o sind oben offen.

Von 1968 bis 1972 ist kein i-Punkt vorhanden, die Verbindung zwischen b und o ist gleichmäßig Von 1972 bis heute ist der i-Punkt wieder da, doch bis 1981 erscheint und verschwindet dieses Merkmal in einem nicht nachvollziehbaren Rhythmus. Von 1981 bis heute liegt die Verbindungslinie zwischen o und n höher als gewöhnlich. Dieser schon mal da gewesene Schriftzug wurde wieder eingeführt und beide Varianten werden bis heute verwendet Bei einigen wenigen Made-In-USA-Instrumenten der 1950er Dekade, zwischen 1970 und 1975 und von 1977 bis heute wurde/wird „made In USA“ auf die Kopfplatten-Rückseite gestempelt oder eingraviert.

Zwischen 1975 und 1977 wurden Made-In-USA-Aufkleber verwendet. Ein Gibson-Logo zierte die auch die Pickup-Kappen der Humbucker-Metallgehäuse oder die P-90 Pickup-Schalen von 1970 bis 1972.

Kommen wir zu weiteren Konstruktions- und Designmerkmalen, die eine Altersbestimmung einer Gibson Gitarre erleichtern.

Gibson_Seriennummern_Datierung_08
Verstärkung der Sollbruchstelle°

Der sogenannte Kragen, eine verstärkte Stelle am rückwärtigen Übergang zwischen Hals und Kopfplatte wurde von 1970 bis 1981 angewendet (s. o.). Noch einige Anmerkungen zu den Potiknöpfen. Der Speed-Knob, ein an der Seite glatter, zylinderförmiger Knopf, wurde zwischen 1951 und 1955 verwendet. Die Zahlen befinden sich seitlich, er ist transparent bernsteinfarben, gelblich oder schwarz gefärbt und besteht vollständig aus Kunststoff.

Der glockenförmige Knopf (s. o.) ist an der Seite glatt und seine Beschriftung steht seitlich. Auch er ist transparent gefärbt und besteht vollständig aus Kunststoff. Gibson verwendete ihn von 1955 bis 1960.

LEsPaul_Das Burst Phänomen_014
Neu für die die 1960er Les Paul: Reflektor-Potiknöpfe°

Der etwas größere, glockenförmige Reflektor-Knopf (s. o.) ist an der Seite glatt, die Zahlen stehen seitlich, er transparent gefärbt und aus Kunststoff mit Metallplättchen gefertigt, die die Schriftzüge “Volume” und “Tone” tragen. Von 1960 bis 1967 wurde er benutzt.

Gibson_Seriennummern_Datierung_012

Der griffigste aller Gibson-Poti-Knöpfe, der Hexenhut-Knopf, wurde 1967 eingeführt und hielt sich bis 1975. Er hat eine konische Form mit geriffelten Seiten. Die Zahlen stehen gut lesbar an der unteren Flanke (dem „Hutrand“). Er besteht aus schwarzem Kunststoff und hat oben kleine Metalleinlagen mit den Schriftzügen Volume und Tone.

Potis

Die Gehäuse der in Amerika gefertigten Potentiometer sind mit einem Zahlencode versehen, welcher auf deren Herstellungsdatum schließen lässt. Dies kann eine weitere Hilfe zur Altersbestimmung sein.

Gibson_Seriennummern_Datierung_013
CTS-Poti von 1986°

Doch Vorsicht: Potis werden des Öfteren mal an Gitarren ausgetauscht, so dass diese letztlich nur einen wagen Hinweis auf das exakte Geburtsdatum einer Gitarre geben können. Die ersten drei Stellen der Poti-Seriennummer weisen auf den Hersteller hin:

134 CentraLab, eingesetzt von Gibson zwischen 1953-67
137 CTS, verwendet von Gibson zwischen 1968-94

Die vierte Ziffer der sechsstelligen Codes weist auf das Produktionsjahr hin, die letzten beiden geben die Produktionswoche an. Bei siebenstelligen Seriennummern bezeichnen die vierten und fünften Ziffern das Produktionsjahr. Seit 1995 verwendet Gibson „Custom-made“-Potis von CGE. Die zweite und die letzte Stelle des Codes verraten hier das Produktionsjahr. [1995]

Autoren: Paul Day und Heinz Rebellius

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Repair Talk: Frische Hardware für die Paula

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Abb.1: Wartet auf das Hardwarepaket: Jungfräuliches Singlecut-Projekt

Nachdem beim letzten Projekt ein Vibrato als Stegeinheit verbaut wurde, dürfen natürlich auch Gitarren mit anderen Stegtypen nicht vernachlässigt werden. Nicht jeder Tuner plant ein Vibrato-Projekt und viele Gitarrentypen nehmen auch gar kein Vibrato auf. So zum Beispiel Gitarren mit einer Kombination aus Steg und Saitenhalter (Tailpiece) wie man sie zum Beispiel auf vielen LP-style-Gitarren findet.

Die folgenden Ausgaben des Repair Talks werden diese Art der Hardware-Kombi mal etwas genauer durchleuchten und Hintergrundinfos zur Montage liefern. Als Anschauungsobjekt dient ein in dieser Beziehung noch jungfräuliches Singlecut-Projekt (Abb.1). Da ist noch nichts gebohrt, Steg und Saitenhalter müssen noch ihren korrekten Platz finden. Die ausgewählte Hardware für dieses Projekt besteht aus einem typischen Tune-o-matic-Steg und einem leichten Alu-Tailpiece (Abb.2).

Abb.2: Das Paket: Tune-o-matic-Steg plus Saitenhalter

Da die Position des Saitenhalters in hohem Maße von der Position des Stegs abhängig ist, beginnt der Repair Talk mit der Montage des Stegs. Der Saitenhalter wird erst einmal beiseitegelegt.

Neues gilt auch für Altes

Nicht jedes Projekt fängt mit Neuware und frischen Vorgaben an. Es kann zum Beispiel auch das Ziel sein, eine verbaute Einheit zu ersetzen. Die Gründe dafür können Verschleiß aber auch das Streben nach besserer Hardware sein. Der Markt bietet unterschiedlichste Konstruktionen und Befestigungsmöglichkeiten an. Abb.3 zeigt unterschiedliche Bolzentypen, auf denen der Steg sitzt.

Abb.3: Unterschiedliche Bolzentypen für die Stegmontage

Diese unterschiedlichen Typen (Bolzen/Steg) sind unter Umständen nicht so einfach auszutauschen bzw. zu kombinieren, sodass ggf. ein alter Bolzentyp entfernt und ersetzt werden muss. Die Kombinationen und Möglichkeiten sind unzählig aber ein paar Zehntel Millimeter können entscheidend für den korrekten Sitz sein. Bevor dann versucht wird, mit unangebrachter Überredungsenergie Nichtpassendes passend zu machen, ist es ggf. ratsam, alte vorgegebene Maße aufzugeben und die dann nicht mehr relevanten Bohrungen zu verdübeln. So hat man dann die frischen Vorgaben wie beim Projekt (Abb.1) und kann die neue Hardware vorgabengemäß montieren. Unter Umständen ist dies der aufwendigere aber bessere Weg.

Am Anfang: Das Aufmass

Damit die Saiten später korrekt im Bezug zur Griffbrettkante laufen und sich die Intonation sauber einstellen lässt, ist die Position des Steges maßgeblich. Um diese zu ermitteln, verlängere ich zunächst mit Bleistift und Lineal die Außenkante des Griffbrettes auf die Korpusdecke (Abb.4). Durch Vermitteln ergibt sich so die Mittellinie des Griffbrettverlaufes, die ich auf der Decke mit Bleistift anzeichne.

Abb.4: Das Griffbrett liefert die Mittelachse

(Hinweis: Die Linie muss nicht eingeritzt werden, da sie nicht permanent sichtbar bleiben soll – also sachte mit dem Stift).

Anschließend messe ich die Entfernung von der Griffbrettkante des Sattels bis zur Mitte des 12. Bunds (314 mm beim Beispiel). Die Entfernung multipliziere ich mit 2 (628 mm). Der errechnete Wert ist die theoretische Schwingungslänge der Saite (Mensur). Den Wert übertrage ich auf die Mittellinie und zeichne ihn an. Anschließend zeichne ich noch eine Linie im rechten Winkel zur Mittellinie durch den ermittelten Punkt und lege so schon mal ganz grob die Stegposition fest (Abb.5).

Abb.5: Mittellinie mit markierter Mensur

Wo ist vorne, wo ist hinten?

Im nächsten Schritt begutachte ich zunächst den Steg etwas genauer. Von der Konstruktion her meistens symmetrisch aufgebaut, ergibt sich die Frage: Schrauben nach vorne oder nach hinten? Gemeint sind die kleinen Schrauben zum Einstellen der Intonation. Das Einstellen der Intonation ist ein wichtiger Tuning-Vorgang und sollte möglichst komfortabel und ohne großes Gefummel möglich sein (Abb.6).

Abb.6: Sollte bequem möglich sein: Einstellen der Intonation

Da keine störenden Tonabnehmer den Weg des Schraubendrehers versperren, tendiere ich dazu, die Intonationsschrauben nach hinten (Richtung Saitenhalter) zu setzen. Bei einer Vielzahl von Stegen ist dies jedoch nicht möglich.

Die hoch sitzenden Intonationsschrauben etwa bei einigen Vintage-style ABR-Stegen (Abb.7) müssen beim Saitenverlauf berücksichtigt werden.

Abb.7: Der Vintage-style ABR Steg mit seinen „Tücken“

Setzt man die Schrauben Richtung Saitenhalter, drücken meistens die nach unten gelenkten Saiten auf die Schrauben (Abb.8).

Abb.8: Problemzone Saitenverlauf: Dort kann es klemmen

Das führt unter anderem zu einem verspannten Sitz des Reiters und liefert somit ein suboptimales Resultat. Mit der Schraube nach vorne ist alles OK, sieht historisch korrekt aus – auch wenn es bei einigen Einbausituationen etwas fummelig sein kann, an die Schrauben zu kommen. Bei modernen Stegen (etwa Schaller GTM) sind die Schrauben so positioniert, dass die Richtung frei gewählt werden kann. Ein Überprüfen und Hinterfragen der „Schraubensituation“ empfiehlt sich daher vor weiteren Montageschritten.

Schräge mit Wirkung?

Gegebenenfalls eine Verunsicherung für den Gelegenheits-Tuner stellt die Form der Einzelreiter dar. Genauer betrachtet haben diese eine gerade Kante und eine abfallende Ebene (Abb.8). Was soll nach vorne, was nach hinten? Ich komme ursprünglich aus dem klassischen Gitarrenbau und bevorzuge die gerade Kante nach vorne (Richtung Sattel), da so die schwingende Saite nirgends aufschlagen kann. Auch wenn sich das richtig und wichtig anhört und anfühlt, zeigt die Erfahrung bei E-Gitarren, dass die Stahlsaiten (bei korrekt gekerbtem Steg) beide Richtungen akzeptieren. Dadurch ist die Richtung im Prinzip frei wählbar. Dennoch versuche ich bei meinen Projekten die gerade Kante Richtung Sattel zu setzen, da ich auf diese Art gerade bei den dünneren Saiten einen sauberen, sitarfreien Ton treffsicherer, also leichter, erziele.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Option, durch die Richtung des Reiters den Einstellbereich etwas zu verlängern/zu verkürzen. Die Abb.7 oben zeigt dies. Während die G-Saite in Richtung Saitenhalter komplett ausgereizt ist (Schräge nach vorne), bietet der gedrehte Reiter der E-Saite die ggf. entscheidenden paar Zehntelmillimeter mehr Einstellweg in Richtung Saitenhalter. Das sind keine Riesenwege aber diese „Reserve“ kann bei schmalen Stegen mit wenig Einstellbereich die Intonation des Instrumentes retten.

Mittellinie ist nicht gleich Montagelinie

Zunächst messe ich den Bolzenabstand (hier 73,8 mm/Abb.9).

Abb.9: Vermessen des Steges

Somit ergeben sich 36,9 mm von der Mittellinie (Abb.5). Würde man nun die Bolzen auf die Mittellinie bei 628 mm setzen, verschenkt man wichtigen Einstellbereich. Die Saite einer Gitarre braucht für die korrekte Intonation immer ein Spannungsplus (Zugabe) addiert zur theoretischen Schwingungslänge (Mensur). Ein negatives Spannungsplus ist physikalisch auszuschließen. Der minimale Einstellbereich beträgt somit in diesem Beispiel 628 mm. Ich positioniere den Reiter für die e-Saite nun möglichst weit nach vorne. Er liegt dann ungefähr bei der Mittellinie Steg (!) minus 4 mm (Abb.9). Dadurch verschiebt sich die gedachte Mittellinie um 4 mm von 628 auf 632 mm in Richtung Saitenhalter. Ein rechtwinklig montierter Steg würde also bei einer Mittellinie von 632 mm sitzen. Da die E-Saite etwas mehr Spannungsplus benötigen wird (ca. +1,5 mm), werde ich den Bolzen auf der Basssaite dementsprechend etwas weiter nach hinten setzen. Nachgerechnet komme ich beim Beispiel auf 632 mm bei der e-Saite und 633,5 mm bei der E-Saite.

Wohin mit den Zahlen?

Nach dem ganzen Messen und Rechnen stehen nun Zahlen im Raum, die auf das Projekt gebracht werden müssen. Mathematisch nicht ganz auf Leistungskursniveau, aber dem Handwerker genügend, markiere ich die 632 mm auf die Griffbrettverlängerung (Abb.5) bei der e-Saite und respektive die 633,5 mm auf der E-Saite. Beide Markierungen verbinde ich mit einer Linie, die die Mittellinie des Instrumentes kreuzt (Abb.10).

Abb.10: Angezeichnete Position der Bolzen

Vom Schnittpunkt Mittellinie/Verbindungslinie jeweils 36,9 mm in beide Richtungen (das ist die Hälfte des Bolzenabstandes): Bingo! Die Position der Bolzen ist gefunden (Abb.10).

Um Gedankenfehler und eine zu große Diskrepanz zwischen Mathematik und Handwerk auszuschließen, überprüfe ich die Theorie mit praktischem Nachmessen (Abb.11).

Abb.11: Nochmal nachmessen und kontrollieren: Alles okay

Sieht gut aus – 628 mm mit gut 5 mm Einstellbereich. Ist alles nachgemessen und sind die Resultate projektkonform, steche ich die markierten Positionen mit einer Aale vor, bevor ich sie mit einem Handbohrer leicht vorbohre/aufkrause. Dadurch findet der Bohrer im Anschluss leichter einen Ansatz ohne zu wandern (Abb.12).

Abb.12: Anstechen und Vorbohren der Montagelöcher

Vorher jedoch eine kurze Pause mit kühlen Refreshments, bevor es im nächsten Repair Talk dann weitergeht.

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2019)

Gibson Les Paul oder Fender Stratocaster?

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Die Gibson Les Paul und die Fender Stratocaster sind die erfolgreichsten E-Gitarren, die je gebaut wurden. Doch für welche Gitarre soll man sich entscheiden, wenn man vor der Wahl steht: Leg ich mir eine Les Paul oder eine Strat zu? Gute Frage! 

8 Les Paul Modelle
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Es gibt in dieser Welt Gegensätze, die scheinen unvereinbar. Entweder man entscheidet sich für das Eine oder aber das Andere. Das sind Ideologien, Religionen, Feindschaften oder, positiv gesehen, schlichte Vorlieben.

Entweder ist man für Beatles oder Rolling Stones, Köln oder Düsseldorf, 1860 oder Bayern, Sekt oder Selters, Rouge oder Noire. Dazwischen klafft ein Graben, Grenzübertretungen sind so gut wie unmöglich. Bei Gitarristen manifestiert sich die Weltanschauung nur zu oft in der Frage: Spiele ich Les Paul oder Stratocaster. Eigentlich keine schlechten Alternativen.

Beide Gitarren, Gibsons Les Paul und Fenders Stratocaster sind die erfolgreichsten E-Gitarren, die je gebaut wurden. Niemand kann genau sagen, von welchem Modell mehr gebaut worden sind. Das ist auch unerheblich, beide haben sie die Musik der letzten 60 Jahre geprägt, wie kein anderes Instrument. Die Geburtstage der beiden Klassiker liegen etwa zwei Jahre auseinander.

Die Entstehung der Gibson Les Paul & Fender Stratocaster

Die Les Paul kam 1952 auf den Markt, die Stratocaster 1954. Gibson hatte sich damals beeilen müssen, denn die Fender Broad/Telecaster von 1950 schien ein Erfolg zu werden. Anfangs hatten die Verkaufsstrategen bei Gibson nichts von einer E-Gitarre mit massivem Korpus wissen wollen. Als dann aber der Konkurrent aus dem fernen Kalifornien eine Marktlücke gefunden zu haben schien, entwickelten die Gitarrenbauer aus Michigan in aller Eile ihr eigenes Konzept. Immerhin konnten sie den prominentesten Taufpaten verpflichten, den es damals gab.

Der Gitarrist Les Paul war der größte amerikanische Popstar der späten 40er und frühen 50er Jahre. Seine Platten wurden dutzendweise zu Hits und sein Ruf als innovativer Gitarrist war einzigartig. Les Paul war an der Entwicklung beratend beteiligt gewesen, stellte seinen guten Namen zur Verfügung und bekam Tantiemen von jeder verkauften Gibson, die sein Signet trug. Da Gibson einen traditionsreichen Namen hatte und man dem Elektriker aus dem Westen nicht ganz so viel zutraute, wurde das „Les Paul Model“ etwas aufwändiger produziert als die einfache Planke namens Telecaster. Eine geschnitzte, gewölbte Decke und eine goldene Lackierung sollten den Musikern suggerieren, wer die richtigen Gitarren zu bauen imstande war.

Fender Stratocaster
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Leo Fender, jener Elektriker aus dem Westen, verfolgte das sehr genau. Ihm war klar, dass er reagieren musste. Sein Gegenentwurf zur Les Paul bekam den Namen „Stratocaster“: Es war eine äußerst elegante Gitarre, attraktiv in Sunburst lackiert, mit einem Korpus, der sich perfekt am Körper des Gitarristen anschmiegte, denn es gab, anders als bei Telecaster oder Les Paul, keine Ecken mehr, nur noch abgerundete Kanten. Und die Stratocaster hatte drei Tonabnehmer! Leo Fender hatte zum zweiten Mal demonstriert, dass er in der Lage war, ein perfektes Instrument zu entwickeln, wenn man ihm nur die nötige Ruhe und Zeit ließ.

Die kompletten 50er Jahre hindurch, bis ins Jahr 1959, hielt er es nicht für nötig, maßgebliche Details zu verändern. Dann erst führte er bei allen seinen Instrumenten Palisander-Griffbretter ein. Gibson verfolgte eine andere Strategie. Die Les Paul wurde beinahe jedes Jahr modifiziert. Steg, Saitenhalterung und Tonabnehmer wurden immer wieder geändert.

Gleichzeitig vergrößerte Gibson kontinuierlich die Les-Paul-Familie. Ab 1955 gab es vier Varianten: Junior, Special, Standard und Custom, im Laufe des Jahrzehnts in unterschiedlicher Farbe und wechselnder Ausstattung. Während Gibson es mit Vielfalt probierte, setzte Fender auf Kontinuität. Sehr viel genutzt hat beides nicht. Die Verkaufszahlen der Les Paul waren gegen Ende der 50er rückläufig. Man probierte es noch einmal mit einem radikalen Designwechsel.

Die Gitarren bekamen einen wesentlich dünneren, konturierten Korpus mit zwei Cutaways, aber auch das half nicht. 1962, als der Vertrag mit dem Namensgeber Les Paul hätte erneuert werden müssen, trennte man sich voneinander. Fortan hießen Gibsons E-Gitarren schlicht „SG“, was soviel bedeuten sollte wie „Solid Guitar“. Die Ära der Les Paul war erst einmal beendet, und es dauerte bis 1968, bis wieder Gitarren mit diesem Namen gebaut wurden.

Warum wurde dieses Konzept damals nur ein magerer Erfolg?

Kaum ein bekannter Musiker griff in den 50er Jahren zu dieser Gibson (außer natürlich Les Paul selbst, aber dessen Stern begann in den Zeiten von Rock ’n’ Roll zu sinken, und er bevorzugte zudem meist Les-Paul-Sonderanfertigungen mit flachen Decken, die es in der Form nicht serienmäßig gab).

Ein paar Blueskünstler wie Feddie King oder John Lee Hooker wurden mit einer Les Paul gesehen. Bill Haleys Gitarrist Franny Beecher spielte eine Les Paul Custom, aber eigentlich war die Zeit der „Brettgitarre“ noch nicht gekommen, fast alle – die großen Stars sowieso – spielten elektrische Gitarren mit F-Löchern. Mit der Stratocaster war es ähnlich. Außer Buddy Holly wurde kein Star mit Fenders Flaggschiff in Verbindung gebracht. Immerhin wurde die Stratocaster nicht aus dem Programm genommen. Leo Fender war allerdings überzeugt, dass neue Modelle nötig waren.

Die Jazzmaster und die Jaguar sollten die nötigen Umsätze bringen. Und so fand die Musik der 1960er Jahre weitgehend ohne Stratocaster- und komplett ohne Les-Paul-Modelle statt. Aber, was für Amerika gilt, kann im Rest der Welt ganz anders aussehen.

 



 

Du möchtest die beiden bekannten Gitarrenmodelle selbst vergleichen? Auf dem Guitar Summit kannst du Les Paul und Stratocaster bei den Gibson und Fender Custom Shops (presented by Guitar Place) persönlich in Augenschein nehmen. Alle Aussteller-Marken des großen Gitarren-Event und das Programm findest du hier!

 

In England begann in den 1960er Jahren eine Entwicklung, die maßgeblichen Anteil an den Instrumentenvorlieben späterer Gitarristengenerationen haben sollte. Die populäre Musik des 20. Jahrhunderts bekam ihre wichtigen Impulse stets aus den USA. Vor dem Zweiten Weltkrieg war es der Jazz, danach, in den 1950er Jahren, vor allem der Rock ’n’ Roll, aus dem z. B. Elvis Presley hervorging. In den 1960er Jahren wurde alles anders, die Briten gaben in jener Dekade im wahrsten Wortsinn den Ton an.

Die großen Gitarristen der Rockmusik kommen meistens aus England, und wenn nicht, haben sie zumindest amerikanische Kollegen inspiriert und beeinflusst. Allerdings war die Situation für englische Gitarristen damals trostlos. Natürlich gab es amerikanische Vorbilder aus Blues, Rockabilly oder Country. Aber die kannte man nur aus dem Radio oder von Platten. Um etwas Eigenes zu kreieren brauchte man vor allem eins: Gitarren.

In Europa gab es Fabriken, die neben vielem anderen auch E-Gitarren in Mengen herstellten, die Qualität war hingegen eher mäßig. Englische Musiker träumten damals von deutschen Instrumenten, und Firmen wie Framus oder Höfner (auf dem englischen Markt als „Hofner“ vertrieben) lieferten auch über den Kanal, denn amerikanische Gitarren waren noch unerreichbar.

Jimi Hendrix live

Als Spätfolge des Krieges gab es in Großbritannien bis zum Ende der 50er Jahre ein Importverbot für amerikanische Waren. Die enormen Kriegsschulden verschlangen die Devisen für den Überseehandel, Konsumgüter für den privaten Gebrauch durften deshalb nicht eingeführt werden. Englische Gitarristen kannten zwar Gibson, Fender, Gretsch, Harmony und all die anderen, bekommen konnten sie diese Instrumente nicht. Es sei denn, man ließ sich etwas einfallen. Eine der ersten Megabands der 60er Jahre in Europa waren die Shadows – eigentlich ein Quartett, eine Gitarren-Band.

Allerdings arbeiteten sie dauerhaft mit einem Sänger, dem Teenager-Idol Cliff Richard. Er hatte mit und ohne Shadows Riesenerfolge und mehr Geld, als er ausgeben konnte. Seine Kumpels aus der Band überredeten ihn, aus den USA eine Gitarre zu beschaffen. Als Privatperson konnte er Waren einführen und deshalb auch eine so heißbegehrte Gitarre besorgen. Das große Vorbild der Shadows-Gitarristen war James Burton, der in der Band von Elvis Presley eine Fender Telecaster spielte. Sie besorgten also Cliff einen Fender-Katalog und der sollte sich um die Bestellung kümmern.

 

Cliff Richard war klar, James Burton ist ein Superstar, ein Mann aus der Band von Elvis, und der spielt natürlich das teuerste Modell, das Fender im Programm hat. Also bestellte er das teuerste, was Fender damals zu bieten hatte, mit allen Extras. Als die Gitarre geliefert wurde, machte Shadows-Chef Hank Marvin vorsichtig den Koffer auf – und was sah er: eine leuchtend rote Stratocaster mit vergoldeten Metallteilen – Fenders Spitzenmodell. Das war nicht das, was er wollte – James Burton spielte bekanntlich Telecaster -, aber er hatte nun immerhin eine Fender, und zwar die erste Stratocaster, die nach England importiert wurde. Die Gitarre wurde sein Markenzeichen und auf Jahre hinaus wollte von da an so ziemlich jeder Gitarrist in Europa zu allererst eine rote Stratocaster.

Nachdem Anfang der 60er Jahre das Embargo auf amerikanische Waren aufgehoben worden war, stapelten sich bei Fender in Kalifornien die Bestellungen aus England. Da man irgendwann nicht mehr genug rote Exemplare liefern konnte, schickte Fender Gitarren nach Europa, die lediglich grundiert waren. Selmer, der britische Importeur, sorgte dann für die endgültige Lackierung – natürlich in Rot.

Eric Clapton 1968
1968 Eric Clapton mit seiner ES-335 zu Cream-Zeiten

Was Cliff Richard da in seiner jugendlichen Naivität angerichtet hatte, zog weite Kreise. Ein (heute nicht mehr bekannter) Gitarrist im irischen Cork hatte bei seinem Instrumentenhändler eine Stratocaster geordert, in Rot natürlich. Der Händler bekam die Gitarre geliefert, allerdings in der Standardfarbe Sunburst, mit roten Gitarren gab es wie erwähnt Lieferengpässe. Tja, und diese Gitarre hat der Kunde nicht genommen, die Farbe stimmte schließlich nicht. So stand das Instrument bald danach im Schaufenster des Instrumentenhändlers in Cork.

Ein junger Gitarrist sah die Stratocaster und kaufte sie, denn ihm waren Hank Marvin und die Shadows ziemlich egal, er spielte den Blues. Und diese Stratocaster spielte er dann während seiner ganzen, großen Karriere, gut und gerne 30 Jahre lang. Sie wurde mit der Zeit immer unansehnlicher, denn er spielte viel. Dieser junge Mann war Rory Gallagher. Viel hätte nicht gefehlt und ein anderer berühmter Gitarrist hätte ebenfalls zu Beginn seiner unvergleichlichen Karriere eine rote Stratocaster gekauft. Am 18. Oktober 1960 schrieb George Harrison aus Hamburg seinem alten Schulfreund Arthur Kelly einen Brief nach Liverpool.

„I am playing in Germany and have much Geld“ … „I might manage a red Stratocaster with gold plated parts, but the one I want is the Gretch“(!) (kein Tippfehler, er schrieb wirklich Gretch) George Harrison entschied sich dann für die gebrauchte schwarze Gretsch Duo Jet und bestritt damit die ersten Jahre bei den Beatles. Fender hätte wohl ein Zweigwerk in England eröffnen müssen, um die Nachfrage nach roten Stratocaster bedienen zu können, wäre die Wahl damals anders ausgefallen. Es sind oft Zufälle, die einem Gitarristen sein Trauminstrument bescheren, eine bewusste Wahl war das in der Regel nicht.

Warum aber so häufig dann eine Stratocaster oder aber eine Les Paul?

Erinnern wir uns, beide Modelle waren in den 1960er Jahren völlig aus der Mode gekommen. Dennoch waren E-Gitarren von Fender oder Gibson erste Wahl, denn damals gab es eigentlich keinen anderen Produzenten von Solidbody-Gitarren in vergleichbarer Qualität. Eine Gibson oder Fender sollte es also sein. Warum dann nicht eine günstige gebrauchte? In den folgenden Jahren bekamen logischerweise viele der Instrumente einen neuen Besitzer. Als Mark Knopfler mit den Dire Straits anfing, spielte er eine gebrauchte, alte, rote Stratocaster.

Am besten war die Versorgungslage natürlich in den USA. Dort waren Les Pauls und Stratocaster erschwinglich und im An- und Verkauf oder Musikladen leicht zu bekommen. Als die englische Band The Hollies im April 1965 zum ersten Mal auf Tournee durch die USA war, gingen die Musiker in jeder freien Minute in die Läden, um sich mit Instrumenten einzudecken. Wenn man schon mal im Schlaraffenland ist, nimmt man auch ein paar Süßigkeiten für zu Hause mit. Einmal entdeckte Gitarrist Tony Hicks bei einem Pfandleiher eine Gibson Les Paul Standard. Die geforderten $ 80 waren ihm allerdings zu viel.

Die Hollies wurden von einem Kamera-Team begleitet, das jeden Schritt der Band filmte. Der Regisseur meinte, es passe prima ins Bild, wenn Hicks die Gitarre kaufen würde. Die $ 80 hat daraufhin die Filmgesellschaft bezahlt. Und die hieß zufälligerweise CBS, die kurz vorher – für etwas mehr Geld – die Firma Fender aufgekauft hatte. Und je mehr britische Bands in die USA reisten, desto mehr Instrumente kamen nach Europa. Die Rolling Stones deckten sich ein, die Kinks taten ähnliches. Dann begann Eric Clapton Les Paul zu spielen und von da an war klar: Wer als Gitarrist etwas werden will, braucht entweder eine Fender oder eine Gibson – im Idealfall eine Stratocaster oder eine Les Paul. Manch ein junger Musiker hatte sogar das Glück, dass die Eltern das Talent des Juniors fördern wollten.

Der junge Paul Kossoff, der mit Free später ein Stück britische Rockgeschichte geschrieben hat, konnte schon in jungen Jahren eine Les Paul Standard und eine Les Paul Custom sein Eigen nennen. Sein Vater war ein berühmter englischer Schauspieler, der für den Sohn offenbar nur das Beste kaufte. Aus heutiger Sicht kann man zwei Fraktionen sehen: die Jungs mit der Les Paul und jene mit der Stratocaster. Zur ersten Gruppe zählen Jimmy Page, Peter Green, Robert Fripp, Keith Richards, Mick Taylor, Jeff Beck, Eric Clapton, Slash, Gary Moore, Paul Kossoff, Neil Young, Pete Townshend, Billy Gibbons, Duane Allman, Dickey Betts und viele mehr.

 

Selbstverständlich haben viele Musiker später das andere Instrument für sich entdeckt, deshalb werden Jeff Beck, Pete Townshend oder Eric Clapton genau so mit einer Stratocaster in Verbindung gebracht. Aber es gibt auch Zeitgenossen, die beinahe ausschließlich mit Fender assoziiert werden: Ritchie Blackmore, Ron Wood, Rory Gallagher, Hank Marvin (versteht sich), David Gilmour, Mark Knopfler, Bonnie Raitt, Robert Cray, Lowell George, Stevie Ray und sein Bruder Jimmy Vaughan und natürlich Jimi Hendrix. Allerdings, bei Letzterem war das auch wieder eher Zufall.

Als er 1966 zum ersten Mal nach England kam, weil sein (englischer) Manager ihn dort zum Star machen wollte, hatte er keine eigene Gitarre dabei. Ihm war das egal, Hendrix konnte auf allem spielen, was Saiten hatte, egal ob Links- oder Rechtshänderversion. Also besorgte ihm Manager Chas Chandler für das erste Konzert in London eine Gitarre. Er fragte Eric Clapton, und der lieh Hendrix eine Stratocaster. Und der Rest ist Geschichte … [1984]

Gibson Les Paul 1959 & Co

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Ehrlich gesagt konnte ich den euphorischen Berichten über die Erfolge der Historic Makeovers, der Bavarian Tunings, der Aging-Jobs – also all dem, was mit der Glorifizierung des Guten im Alten einer Gibson Les Paul zu tun hatte – nichts abgewinnen. Als ob man mit einer normalen Gibson Les Paul nicht auch gut klingende Musik machen kann …

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Doch da kaufen sich weltweit Menschen, von denen vermutlich die wenigsten einmal eine alte Les Paul in der Hand gehabt haben, eine neue Gibson R8, R9 oder R0 aus der Historic Collection und investieren mitunter den gleichen Betrag noch einmal, um bei einem Gitarrenbauer alle erdenklichen Features dem alten Original anpassen zu lassen. Und warum das Ganze? Nur um dem Traum von einer mittlerweile für einen Normalsterblichen nicht mehr zu bezahlenden richtigen Les Paul aus den goldenen Jahrgängen (1958 bis 1960) einen Schritt näherzukommen. Alles Quatsch, Hype, Selbstdarstellung, so dachte ich.

Was soll denn schon an den alten Les Pauls so besonders sein, außer, dass es sicherlich gut klingende Gitarren sind? Zaubern konnten die bei Gibson auch damals nicht. Doch dann hatte ich selbst die Gelegenheit, gleich drei dieser alten Originale näher kennenzulernen. Es war eine Begegnung der besonderen Art, die meine Meinung zu all dem beschriebenen Tun von Grund auf ändern sollte … Detlef Alder vom Guitar Point in Maintal hatte mich eingeladen, seine drei Bursts, wie diese legendären Les Pauls genannt werden, anzuschauen und anzuspielen. Abgesehen von der Tatsache, dass die Gelegenheit, gleich drei dieser Gitarren nebeneinander spielen zu können, wahrscheinlich so schnell nicht wiederkommen wird, hat mich die Tatsache gereizt, die drei Burst-Jahrgänge direkt miteinander vergleichen zu können.

Und so sah ich mich schon bald vor der wie ein altes Schaufenster aufgemachten Vitrine im Guitar Point stehen und auf je eine 58er, 59er und 60er Gibson Les Paul in Cherry Sunburst schauen. Und ertappte mich bei dem Gefühl, dass die drei mich anschauten. Doch was ist eigentlich das Besondere an den Les-Paul-Gitarren dieser Jahrgänge, und was rechtfertigt die exorbitanten Preise, die mittlerweile dafür gezahlt werden? Ist das alles Hype, oder steckt da wirklich ein Mythos dahinter? Und wenn ja, ist der nachvollziehbar oder von Geschäftemachern gar gelenkt? Um diesem Phänomen auf die Spur zu kommen, müssen wir in die Historie dieser Gitarre eintauchen.

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Detlef Alder, in feines Tweed gehüllt, mit seinen Bursts°

The Fifties

Gibson hatte seit 1952 die Les Paul Goldtop und ab 1954 die schwarze Les Paul Custom gegen die Tele- und Stratocaster des irgendwie lästigen Konkurrenten Fender ins Rennen geschickt. Seit 1957 hatte man zudem die neuen Humbucker, die Seth Lover für Gibson entwickelt hatte, auch den Les Pauls verordnet; die Goldtop bekam statt der beiden P-90s zwei, die Custom gleich drei der nun endlich nicht mehr brummenden Aggregate. Die Verkaufszahlen für Les Pauls hatten 1956 ihren Höhepunkt erreicht, mit 3129 verkauften Einheiten war allerdings das „Student“- Modell Les Paul Junior der Renner gewesen und nicht etwa die Top-of-the-line-Gitarren Goldtop und Custom.

Mitte 1957 bestand die Les-Paul-Flotte aus Les Paul Junior ($ 120), Les Paul Junior 3/4 ($ 120), Les Paul TV ($ 132), Les Paul Special ($ 179,50), Les Paul Model (Goldtop, zwei PAF-Humbucker, $ 247,50) und der Les Paul Custom (schwarz, drei PAFs, $ 375). Als 1958 die Verkäufe von Goldtop und Custom drastisch zurückgingen, entschieden die Verantwortlichen, das gesamte Les-PaulProgramm einem deutlichen Wandel zu unterziehen. So bekamen die Les Paul Junior sowie die Les Paul TV eine neue Korpusform mit zwei Cutaways.

Doch viel bedeutender waren die Änderungen, mit denen sich die Les Paul Goldtop (sie hieß offiziell Les Paul Model) konfrontiert sah: Sie wurde ab sofort in einem auffälligen Cherry Sunburst lackiert und das, wie Gibson in seiner Werbung verkündete, sogar ohne Aufpreis! Alle anderen Features, wie die beiden PAF-Pickups oder die Tune-o-matic-/Stop-Tailpiece-Konstruktion, blieben der neuen Les Paul erhalten, die übrigens erst ab Mitte 1960 den Zusatz Standard erhielt. Doch egal ob Les Paul Model oder Les Paul Standard – in die Gitarrengeschichte wird dieses Modell Jahre später als „Burst“ eingehen, die legere Abkürzung von Sunburst.

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Ca. 15% aller alten Cherry-Sunburst-Les-Pauls wurden mit Bigsby ausgeliefert.°

Der Wechsel von der goldenen zur SunburstLackierung war eine reine Marketing-Entscheidung, geschuldet dem Rückgang der Goldtop-Verkäufe. Man dachte, der Gold-Look wäre schuld daran, und so änderte man die Farbe der Lackierung. Aber auch, weil sich Kunden, die solche Instrumente seit nun fast 6 Jahren besaßen, beschwerten, weil das Gold abblätterte und sich Grünspan (sog. Greening) bildete. Zudem hatte man sicherlich mitbekommen, dass Fenders neues Modell, die Jazzmaster, 1958 mit einer Dreiton-Sunburst-Lackierung auf den Markt gekommen war.

Wie auch immer – auf der Summer-NAMM-Show 1958 zeigte Gibson seine ersten Bursts; doch da ahnte noch niemand, dass die neue Herrlichkeit bereits nach drei Jahren Geschichte sein würde. Dabei waren die Verkäufe, die von ihrem 1953er Peak mit 2245 verkauften Goldtops auf einige wenige hundert in 1958 abgestürzt waren (laut Gibson Shipping-Buch wurden exakt 434 Les Pauls verkauft, ab August die Cherry-Sunburst-Versionen), nach der kosmetischen Änderung tatsächlich erst einmal angestiegen. So verkaufte man z. B. 1959 immerhin 643 Stück, und 1960 derer 635 – zu wenig zum leben, zu viel zum Sterben.

Doch Ende 1960 erklärte Gibson das Cherry-Sunburst-Experiment dann doch für gescheitert und entschied, die komplette Gitarre einer Revision zu unterziehen. Das Ergebnis in Gestalt der SG/Les Paul, der späteren SG, ist bekannt, die Les Paul in ihrer ursprünglichen Form hatte schlichtweg aufgehört zu existierten. Gerade mal ca. 1500 Bursts sind zwischen 1958 und 1960 gebaut worden – und diese Gitarren lassen heute Musiker und Sammler in aller Welt nicht mehr in Ruhe schlafen.

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Dieses Cover inspirierte Eric Clapton zum Kauf seiner ersten Les Paul – wobei es keine Goldtop wurde.

England

Der Dornröschenschlaf der Les Paul war jedoch nicht von allzu langer Dauer; interessant nur, dass die Prinzen, die die Les Paul stürmisch wachküssten, in der alten Welt auf einer fernen Insel im Atlantik namens England lebten. Sie hatten lange Jahre des Darbens hinter sich, denn die britische Regierung hatte 1951 ein Importverbot von Musikinstrumenten, Schallplatten und einigen Luxusgütern aus der „Dollar-Zone“ verordnet, was zur Folge hatte, dass Markennamen wie Hofner, Egmond oder Framus in England bekannter als Gibson oder Fender waren.

Erst Anfang der 60er-Jahre tauchten die ersten amerikanischen Instrumente in den Läden auf – zu Preisen, die die der europäischen Instrumente um das Vielfache übertrafen. Doch die Gitarristen der englischen Metropole wollten die Instrumente spielen, mit denen in den 50er-Jahren Musikgeschichte geschrieben wurde, koste es, was es wolle. Der Blues, der Rock ’n’ Roll und auch die moderne Country-Musik wurde mit amerikanischen Gitarren gespielt, und die hatten die Standards gesetzt. Das war ein Image-Pfund, dem keine der europäischen Marken etwas Gleichwertiges entgegensetzen konnte.

Albert Lee und Jimmy Page waren die ersten bekannteren Gitarristen, die ihre Jobs mit Les Pauls verrichteten; beide hatten sich die Les Paul Custom besorgt, die mit ihren drei Pickups die nötige Vielseitigkeit für ihre Studiojobs bot. Die Auswahl an Les Pauls war in England sehr gering, denn durch die Tatsache, dass Gibson die Gitarre nicht mehr baute, war diese nur auf dem Second-HandMarkt erhältlich. Und ehe eine SecondHand-Les-Paul von den USA nach England kam, mussten schon einige Zufälle mitspielen.

Der erste wirklich bekannte Gitarrist auf der Les-Paul-Landkarte war jedoch Keith Richards! Seine Band The Rolling Stones war seit 1964 groß im Geschäft, sodass es ihm ein Leichtes war, seine Harmony Meteor und die Epiphone Casino auf der ersten US-Tour der Rolling Stones durch eine Gibson Les Paul in Cherry-Sunburst (mit Bigsby) zu ersetzen. Als Richards im gleichen Jahr in der populären Ed-Sullivan-Show eben die Les Paul spielte, schlug dies wie eine Bombe im amerikanischen Gitarristenlager ein, das sich natürlich geschlossen vor den Fernsehern versammelt hatte, um die neue, englische Supergroup zu erleben. Was war das denn für eine Gitarre? Sie war in keinem aktuellen Katalog, in keinem Shop in den USA zu sehen?

Was ein knappes Jahr später in England passierte, gilt für viele als der eigentliche Wendepunkt der Les-Paul-Geschichte. Eric Clapton war seit April 1965 Mitglied von John Mayall’s Blues Breakers. Die ersten Mayall-Gigs spielte er noch mit der Telecaster aus seinen Yardbirds-Zeiten, doch er hatte einen anderen Sound im Kopf. Vielleicht hatte Keith Richards ihm da schon seine neue Gitarre gezeigt? Es kursiert aber auch diese Geschichte: Freddie Kings Platten-cover zu ‚Let’s Hide Away and Dance Away‘ zeigte den Gitarristen mit einer Les Paul Goldtop, der Gitarre, die in amerikanischen Blues-Kreisen gerne gespielt wurde – und vermutlich hatte Clapton dieses Bild im Kopf, als er im Londoner West End shoppen ging und für 130 britische Pfund zwar keine Goldtop, aber immerhin eine Les Paul in Cherry Sunburst, Jahrgang 1960, erstand.

Und nun zusammen mit seinem neuen Verstärker, einem Marshall-JTM-45-Combo, bereit war, Geschichte zu schreiben. Wenig später wurde er sogar Gott gleichgestellt. Was war denn hier passiert? Nicht mehr und nicht weniger, als dass Clapton den Sound und die Rolle der E-Gitarre neu definierte – eine ähnliche Pioniertat wie sie etwa 30 Jahre vorher Charlie Christian gelang. Das Ergebnis der Kombination Clapton + Marshall + Les Paul + Blues war so signifikant, dass es bis heute die Messlatte darstellt, was die Essenz des Les-Paul-Sounds an sich angeht! Dieser neue Sound war dank der Les Paul und dem voll aufgedrehten Marshall-Combo so fett und Sustain-reich, das kannte man bis dato noch nicht. Dazu kam die musikalische Freiheit, die John Mayall seinem talentierten Gitarristen ließ, um seine langen Improvisationen zu spielen, was bisher nur im Jazz üblich war.

Claptons erste Les Paul ist die am meisten verehrte und verherrlichte überhaupt. Und dies nicht nur, weil Clapton mit ihr sein vielleicht wichtigstes Album aufnahm, sondern auch, weil er sie nicht allzu lange besaß. Denn sie wurde ihm 1966 gestohlen, als er mit seiner neuen Band Cream für die ersten Auftritte probte. Clapton, der nur diese eine Gitarre besaß, spielte auf den ersten Gigs mit Cream eine Les Paul mit Bigsby, vermutlich eine Leihgabe von Keith Richards. Kuriose Fußnote: Diese Bigsby-Burst verkaufte Richards 1967 an den damaligen Gitarristen der John-Mayall-Band, Mick Taylor, der die Les Paul wiederum zu den Stones mitbrachte, als er dort 1969 Brian Jones ersetzte.

Clapton wiederum konnte im September 1966 Andy Summers, den späteren Police-Gitarristen, überreden, ihm seine Les Paul Sunburst zu verkaufen. ‚Fresh Cream‘ wurde mit dieser Les Paul aufgenommen, und dieses Album samt der ausgekoppelten Single ‚I Feel Free‘ sind weitere Meilensteine, die den Mythos Les Paul Sunburst mit begründeten.

In den USA tauschte Mike Bloomfield, der Gitarrist der Paul Butterfield Blues Band und seiner eigenen Band Electric Flag, mit dem Gitarrenbauer Dan Erlewine seine Les Paul Goldtop mit P-90s gegen eine Burst plus 100 US-Dollar. Eine Session mit Clapton zwischen zwei Cream-Auftritten in USA hatte hier den Ausschlag gegeben. Bloomfield etablierte nicht nur den Les-Paul-&-Fender-Twin-Sound, sondern war der Auslöser, dass nun auch die Amerikaner in eine Les-PaulHysterie verfielen, die letzten Endes auch Gibson erreichte. Hier bemühte man sich ab 1968, die lauten Forderungen nach neuen Les Pauls zu erfüllen, packte die Sache jedoch total falsch an. Doch das ist eine andere Geschichte. Bloomfields Les Paul erlitt übrigens das gleiche Schicksal wie die Beano-Burst und auch Claptons zweite, die Summers-Burst – sie alle wurden gestohlen und sind nie wieder aufgetaucht.

Im Gefolge von – oder aufgrund ihrer Bewunderung für – Clapton haben viele Gitarristen die Les Paul endgültig für immer in der Geschichte festschrieben: Jeff Beck, Billy Gibbons, Jimmy Page, Peter Green, Paul Kossoff, Duane Allman, Joe Perry, Gary Moore, Don Felder, Joe Walsh, und auch Slash, der mit dem Erfolg von Guns N’ Roses der Les Paul an sich in den Achtzigern noch einmal einen gewaltigen Afterburner verpasste, obwohl er anfangs „nur“ die Kopie einer Burst spielte. Paul McCartney hat eins der wenigen – man sagt, es gäbe überhaupt nur eine Hand voll – Linkshänder-Exemplare, die er heute immer noch spielt. Die Gitarre hatte seine Frau Linda ihm bei Gruhn gekauft. Heute ragt Joe Bonamassa aus der Masse der BluesRock-Gitarristen heraus – und auch er hat längst sein Herz an die Burst verloren. Gerüchten zufolge besitzt er bereits vier dieser Gitarren, und die Tendenz geht wohl zur fünften.

Das „Beano“-Album war nicht nur ein musikalischer Meilenstein, sondern legte gleichzeitig den Grundstein für das nun in England ausbrechende LesPaul-Sunburst-Fieber

Aber warum?

Doch warum aber soll z. B. eine 1958er Les Paul Sunburst besser klingen als eine 1957er Les Paul Goldtop, die bis auf die Farbe des Lacks exakt die gleichen Features wie die Burst aufweist? Und warum sollen die Gitarrenbauer von heute, allen voran Gibson selbst, nicht mehr in der Lage sein, eine so gut klingende Les Paul zu bauen? Fragen, die polarisieren, Fragen, auf die es bisher kaum konkrete Antworten gab. Neulich habe ich gelesen, dass jemand die Gitarrengeschichte mit einem großen X verglichen hat – ganz oben an der Schere befände sich der Gitarrenbau von heute, ganz unten lägen seine Anfänge. Und in der Mitte, also an der Stelle, an der sich die beiden Linien kreuzten, stünde die 1959 Les Paul, die Stradivari aller E-Gitarren, die Kulmination all dessen, was eine E-Gitarre ausmacht, der Holy Grail. War es vielleicht doch so, dass 1958 bis 1960 einige Faktoren zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammengekommen sind?

Konstruktion

Das System Les Paul setzt sich wie fast alle anderen E-Gitarren auch aus drei Komponenten-Gruppen zusammen: Holz, Hardware und Elektronik. Der Korpus einer Burst wurde aus relativ leichtem, einteiligem Mahagoni gefertigt, auf dem zwei mittig zusammengefügte Ahorn-Teile eine gewölbte Decke formen. (Bei den deckend lackierten Goldtops und Customs bestanden die Decken übrigens auch mal aus drei Stücken oder sie waren nicht zwangsläufig mittig verleimt) Auch der Hals hat Mahagoni als Basis-Material, auf ihn ist ein Griffbrett aus brasilianischem Palisander geleimt. Das Mahagoni (Swietenia Humilis) stammte damals aus British Honduras, dem heutigen Belize, einem kleinen, mittelamerikanischen Staat, wo es in einem relativ trockenen Boden aufwuchs und ständig dem Wind ausgesetzt war.

Aus Michigan, einem US-Staat an der kanadischen Grenze, kam in der Regel das Ahorn, das für die Decke verwendet wurde – auf trockenem Boden in einem relativ kalten und trockenen Klima aufgewachsen. Die Verbindung zum Korpus erfolgt über das Einleimen eines längeren Zapfens, der weit bis etwa in die Mitte der Ausfräsung des Hals-Pickups reicht. Der Leim, den Gibson damals benutze, war Haut- oder Knochenleim, also organischen Ursprungs; er soll im Gegensatz zu modernen, synthetischen Leimen tiefer ins Holz einsinken und glashart aushärten. Ein relativ kleiner Prozentsatz (ca. 30%) der ca. 1500 Les Paul Sunbursts weist eine auffällige Flammung der Decke auf.

Man darf davon ausgehen, dass Gibson einfach das Ahorn verwendete, was gerade lieferbar und günstig war; und geflammtes Ahorn war günstiger, weil der Möbelbau es aufgrund seiner größeren Instabilität nicht gebrauchen konnte. Doch die Gitarristen entdeckten irgendwann die besondere optische Wirkung, insbesondere, wenn das Ahorn mit stehenden Jahresringen aufgesägt wurde; hier erzeugte die quer oder schräg zur Maserung verlaufende Flammung dramatische optische Effekte, mit einer Dreidimensionalität, die sich, je nach Blick- und Lichteinfallwinkel, wie ein Hologramm ändert.

Heute bestimmt die Flammung der Decke entscheidend den Preis der Gitarre mit; da wird für eine „Figured Top“ mitunter über $ 100.000 mehr gezahlt, als für eine ansonsten gleiche „plain top“! Zu der reizvollen Optik der Ahorndecke trug die Cherry-Sunburst-Lackierung, die Gibson in dieser Art erstmals für die Les Pauls anwendete, entscheidend bei. Die spezielle Art der Lackierung (ohne Porenfüller, ohne Beize, mit gelb eingefärbtem, transparentem und lichtdurchlässigem roten Nitro-Lack) „feuerte“ die Flammung noch zusätzlich an.

Der rote Lack hatte allerdings einen Fehler: Er war nicht farbecht und blich mit der Zeit bei Tageslicht und Sonne aus – so sehr, dass Gibson kurz nach Vorstellung der ersten Sunburst Les Pauls eine Mitteilung an seine Händler verschickte, die neue Gitarre doch bitte nicht in Schaufenstern auszustellen. Dennoch sind ein Großteil der Bursts heute ausgeblichen, was wiederum dazu führt, dass eben keine der ca. 1500 Exemplare so aussieht wie die andere. Erst Mitte 1960 verwendete Gibson einen stabileren roten Lack, der nicht so leicht ausblich und oft einen Hauch von Orange in sich trug, was diesen Gitarren den Namen Tangerine Burst einbrachte. Die einzelnen

Ausbleichphasen des roten Lacks haben von Sammlern treffende Namen bekommen:

  • Cherry Sunburst – kräftiges, noch nicht verblichenes Rot.
  • Faded Cherry Sunburst – deutliche Ausbleichung des Rot.
  • Teaburst – kaum noch sichtbares Rot, das bereits ins Bräunliche tendiert.
  • Greenburst – eher seltene Färbung, die dann eintreten kann, wenn das Rot sehr schnell und deutlich ausgeblichen ist.
  • Honeyburst – nur noch geringe Rot-Anteile sind sichtbar.
  • Lemon Drop – kein Rot mehr sichtbar.
  • Darkburst – wenn statt des Cherry sehr dunkles Rot verwendet wurde, um optische Fehler des Ahorns zu kaschieren.
  • Tobacco Burst – ausgeblichenes Darkburst.

Zentraler Teil der Hardware war der ABR-1 Tune-o-matic-Steg, von Gibson im Jahr 1954 erstmalig vorgestellt. Dieser Steg bestand aus vernickeltem Zinkguss mit sechs Messing-Saitenreitern, die Saiten wurden in einem vernickelten Stop-Tailpiece aus leichtem Aluminium verankert.

Und dann sind da ja noch die Pickups – ein weiteres, heiß diskutiertes Thema der Vergangenheit und Gegenwart. Die sogenannten PAF-Tonabnehmer (= patent applied for, zum Patent angemeldet) bestanden aus zwei Spulen, die unterschiedlich gewickelt und gepolt waren und so für Brummfreiheit sorgten. Die Spulen selbst waren aus Enamel-Draht in 42er Stärke gewickelt, unter ihnen lagen Alnico-II- oder V-Magnete, je nachdem, was der Lieferant zur Verfügung hatte. Ein Stück Holz diente als Abstandhalter, und dann es gibt noch eine Grundplatte und eine Kappe aus Nickel-Silber, eine Legierung aus Kupfer und Nickel, die laut Seth Lover die Höhen nicht bedämpfte.

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Mit der ersten LP von Cream, ‚Fresh Cream’ und dem Single-Hit ‚I Feel Free’ etablierte Eric Clapton endgültig den neuen Les-Paul-Sound

1959 wurden neben schwarzen, die eine zeitlang nicht lieferbar waren, auch cremefarbene Spulenkörper verwendet, manchmal in Kombination (Zebra), manchmal waren beide creme-farben (sehr gesucht) oder eben auch weiterhin schwarz. Die Spulen wurden mit einfachen Maschinen gewickelt, der Draht von Hand geführt, jeweils ca. 5000 Umdrehungen kamen auf eine Spule. Untersuchungen haben bewiesen, dass kaum ein PAF exakt dem anderen gleicht.

Es ist erwiesen und es ist beruhigend, dass nicht jede der der ca. 1500 Bursts mit diesem himmlischen Sound gesegnet ist, von dem Musiker und Sammler gerne sprechen. Man spricht von der Faustregel, dass nur eine von 15 alten Les Pauls eben diesen Sound hat, der mir auch bei meiner Begegnung mit den drei Gitarren im Guitar Point begegnen sollte.

Heute

Um es kurz zu machen: Nicht alles, was an einer alten Les Paul dran ist, ist heute state of the art. Die ABR-1-Brücke aus Zinkguss ist so ein Beispiel, der Nylon-Sattel ein zweites. Heute ist ein Knochen- oder synthetischer Sattel das Maß aller Dinge, und auch in Sachen Brücke gibt es Hersteller, die stabilere, technisch ausgereiftere und schönere Aggregate anbieten. Dennoch ist der Sound einer alten Les Paul wie immer die Summe aller Einzelkomponenten, und da gehören eben auch diese aus heutiger Sicht vielleicht unvollkommenen Teile unweigerlich dazu. Die Serienfertigung wird zudem immer mehr mit dem Holzmangel konfrontiert.

Swietenia macrophylla, dieses Mahagoni aus Belize, ist teuer geworden, ebenso das südamerikanische Swietenia macrophylla, denn es gehört mittlerweile zu den geschützten Holzarten und darf nur noch mit Cites-Papieren, die seine Herkunft nachweisen, gehandelt werden. Ersatzhölzer sind oftmals Cedro oder andere, schwerere Mahagoni-Arten. Auch die heute gerne verwendeten Nitro-Lacke, in denen Plastizide und Acryl-Beimischungen für Stabiltät sorgen sollen, haben mit den alten Lacken nicht mehr viel gemeinsam.

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Les Pauls aus ihren drei Jahrgängen, von links: 1958, 1959 und 1960°

Die Pickups sind vielleicht noch am ehesten zu reproduzieren, wenn man auf die richtige Wickelmethode, die Art der Verkabelung, die Kondensatoren (Bumble Bees) etc. achtet und wenn man ein gewiefter GitarrenElektroniker ist. Und die soll es ja geben. Ein guter Gitarrenbauer ist jedoch in der Lage, die Einzelkomponenten des Systems Les Paul so zu kombinieren, dass dabei eine Gitarre herauskommt, die an die klanglichen Qualitäten einer guten, alten Les Paul heranreicht. Das beweist z. B. der Gibson Custom Shop mit seinen neuen Collectors-ChoiceModellen. Wobei aufgrund der Tatsache, dass einige der alten Materialien nicht mehr verfügbar sind (z. B. Rio-Palisander für das Griffbrett), die Gitarrenbauer geschickt abwägen müssen, welche Parts sie zu einem System zusammenfügen müssen.

Klingt z. B. ein Knochensattel in Kombination mit einem Griffbrett aus indischem Palisander ähnlich wie der Nylonsattel und das Griffbrett aus dem heute nicht mehr verfügbaren Rio-Palisander? Oder belässt man es (wie der Gibson Custom Shop) beim Nylonsattel und holt die Klarheit und Dynamik, die das brasilianische dem indischen Palisander voraus hat, vielleicht irgendwo anders auf? Für eine moderne, serielle Fertigung in großem Stil sind diese Ansprüche jedoch zu ambitioniert, schon allein aus wirtschaftlichen Gründen; das beweisen nicht zuletzt die Unterschiede in der Klangqualität des normalen Gibson-Custom-Shop-Programms.

Aus diesem Grunde ist es also durchaus nachvollziehbar, dass jemand, den das Thema Les Paul Cherry Sunburst gepackt hat, sich seine neue Gibson Les Paul eben auf alt tunen lässt. Immerhin hat er dann immer noch eine echte Gibson, auch wenn der beauftragte Gitarrenbauer massive Eingriffe in das Serienprodukt vornimmt. Von dem bleibt oft nur noch das reine Holz übrig und wird mit neuem Lack, alter Hardware und Elektronik inklusive originaler PAF-Pickups bestückt. Kollege Udo Pipper hat in mehreren Workshop-Artikeln bewiesen, dass man sich so schrittweise dem Klang einer echten Burst durchaus erfolgreich annähern kann.

 

Doch selbst der beste Gitarrenbauer ist nicht in der Lage, seinem Produkt den Mythos einzupflanzen, den eine echte, alte Les Paul mitbringt. Mythos ist wie Kunst – man kann ihn nicht erschöpfend erklären, man kann ihn nicht begreifen, man kann ihn nur erspüren. Für viele ist Mythos nicht wichtig, für Sammler und Liebhaber jedoch umso mehr. Und genau diesen Mythos haben die alten Les Pauls für immer allen zeitgenössischen Derivaten voraus.

Der Mythos der Les Paul Cherry Sunburst setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen:

  • Die wechselhafte Geschichte, daraus resultierend ihre geringe Verfügbarkeit
  • Die musikalischen Meilensteine, die mit ihr eingespielt wurden
  • Die Optik und die daraus resultierende Individualität (keine Burst ist wie die andere)
  • Der Sound

All diese Faktoren treffen in ihrer Gesamtheit auf keine andere Gitarre zu. Vielleicht sind eine 58er Gibson Explorer oder Flying V noch teurer, weil noch seltener, sicher gibt es 57er Les Paul Goldtops, die genauso gut klingen wie eine 58er Burst, aber selbst diese ohne Zweifel außerordentlichen Instrumente reichen nur in diesen Teilbereichen an den Mythos der alten Les Pauls heran. Als Besitzer einer Les Paul Cherry Sunburst ist man direkt verbunden mit der Musikgeschichte, hat die gleiche Gitarre wie ein gutes Dutzend der bekanntesten Rock-Stars. Außerdem gehört man zu einem geschlossenen Zirkel, dessen Eintrittskarte so viel kostet wie ein Ein- bis Zweifamilienhaus.

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Nachdem 1964 Keith Richards die Les-Paul-Saat in die USA gebracht hatte, brachte wenige Jahre später Mike Bloomfield diese Saat zum Blühen – und Gibson begann wieder, Les Pauls zu bauen.

Solch ein hoher Preis alleine bewirkt schon Mythos. Typische Burst-Sammler können nicht zur Ruhe kommen. Sie werden verfolgt von dem Gedanken, dass es irgendwo da draußen eine Burst geben könnte, die noch besser klingt, deren Flammung noch dreidimensionaler erscheint, die noch besser in der Hand liegt, die einfach noch perfekter ist als die, die man schon hat. Es liegt in der Natur des Sammlers, mit dem Erwerb eines Stückes sein Augenmerk sofort auf mögliche neue Beute auszurichten. Und die Tatsache, dass sich die Eigenschaften der Cherry-Sunburst-Les-Pauls so vielschichtig darstellen, macht sie noch begehrenswerter. So begehrenswert, dass es weitaus mehr von ihnen geben soll, als Gibson damals gebaut hat.

Namen

Mindestens die Hälfte der alten Les Pauls haben inzwischen Namen bekommen, was die enge Beziehung der Besitzer zu ihnen dokumentiert. Die bekannteste ist sicherlich Billy Gibbons’ Pearly Gates, die vielleicht schönste hört auf den Namen Sandy und gehört dem bekannten Les-Paul-Sammler Tom Wittrock, der u. a. auch Gloria, Donna, Curly, Burly und The Other Woman besitzt, während seine Ex namens Goldie neulich an Joe Bonamassa ging. Eine wahre Schönheit soll auch Gladys sein, die dem amerikanischen Burst-Spezi Joe Ganzler gehört, eine der berühmtesten ist die Brockburst des amerikanischen Sammlers Vic Da Pra. Der japanische Sammler und Musiker Kunio Kushida hat unter anderem Bursts mit den wohlklingenden Namen Amanda, Nancy und Jessica, während Jimmy Page seine Bursts schlicht nummeriert hat: No. 1 und No. 2. In einem US-Laden wird zurzeit eine wunderschöne 59er mit dem Namen Rosalie angeboten, während eine Burst, die lange in Deutschland unterwegs war, mittlerweile in Amerika auf den Namen Bearded Lady hört – wegen des Bigsby-Schattens auf der Decke.

 

 

Preise

Ach ja, von Preisen haben wir ja noch gar nicht geredet. Burst-Preise erfährt man in der Regel auch nicht, zumindest nicht als Außenstehender. Es gibt einen kleinen Kreis von Leuten, man spricht von einem guten Dutzend weltweit, die als erste informiert werden, wenn eine Burst angeboten wird. Eher selten taucht mal eine auf der Internetseite eines Ladens oder bei großen Auktionshäusern wie Sotheby’s oder Christie’s auf. Die Faktoren, die den Preis einer Burst bestimmen, sind der (Original-)Zustand, die Intensität des roten Farbanteils, die Intensität der Flammung und der VIP-Faktor, z. B. wenn die Gitarre einem bekannten Musiker gehört hat. Im Vintage Price Guide sind folgende Preise gelistet, die durchaus realistisch sein sollen:

1958 Les Paul Cherry Sunburst

  • mit geflammter Decke: $ 260.000 bis $ 325.000
  • mit wenig geflammter Decke: $ 180.000 bis $ 230.000
  • ohne Flammung: $ 140.000 bis $ 170.000

1959 Les Paul Cherry Sunburst

  • mit geflammter Decke: $ 270.000 bis $ 340.000
  • mit wenig geflammter Decke: $ 200.000 bis $ 250.000
  • ohne Flammung: $ 150.000 bis $ 180.000

1960 Les Paul Cherry Sunburst

  • mit geflammter Decke: $ 210.000 bis $ 260.000
  • mit wenig geflammter Decke: $ 160.000 bis $ 200.000
  • ohne Flammung: $ 125.000 bis $ 160.000

 

Diese Preise gelten für komplett originale Gitarren inkl. Original-Koffer, die Preisspanne markiert auf der einen Seite einen nahezu Neu-, auf der anderen einen guten Gebrauchtzustand. Ist die rote Farbe teilweise oder ganz verblichen, muss mit etwa 10% Abzug gerechnet werden. 10 bis 15% weniger sind Gitarren wert, die ein Bigsby montiert haben. Immerhin 15% aller damals gebauten Les Paul Sunburst hatten ab Werk ein Bigsby

 

Realität

Zurück zur Realität – und hin zu den drei Bursts, die in Detlef Alders Guitar Point stehen. Zumindest zwei dieser drei Gitarren haben viel zu erzählen, Geschichten, die zum Teil so wundersam anmuten wie die Flammung ihrer Ahorndecken.

 

Ser.-Nr.: 8 6787

Die 1958er Les Paul hat die Wandlung einer Cherry Sunburst zu einer eleganten Teaburst hinter sich. Das Rot ist nicht mehr zu sehen, ein dunkler Rand umrahmt dezent den im typischen Amber gealterten Klarlack. Bis auf zwei Neubundierungen ist die Gitarre im Originalzustand. Bevor die Gitarre nach Deutschland gekommen ist, gehörte sie dem in diesem Jahr verstorbenen amerikanischen Gitarristen Ronnie Montrose, der für Van Morrison, Boz Scaggs und Herbie Hancock in die Saiten griff, bevor er in die Edgar Winter Group einstieg und danach seine eigenen Bands Montrose (mit einem gewissen Sammy Hagar als Sänger) und Gamma gründete.

1979 fand die Les Paul den Weg nach Deutschland und wurde in den Händen eines bekannten Studiogitarristen zur am meisten aufgenommenen Gitarre hierzulande. Der Klang dieser alten Dame, deren Hals recht satt in der Hand liegt, ist sehr, sehr beeindruckend. Ein unglaublich frischer und klarer Ton, der den Atem des alten Holzes förmlich transportiert, und die ehrliche Trockenheit des Klangs löst Bewunderung und nahezu Ehrfurcht aus. Bin ich das, der hier spielt, oder spielt diese Gitarre mich? Ihr Klang hat alles, und noch mehr: eine wunderbar auflösende Transparenz in allen Frequenzbereichen und in allen Lagen, und eine ausgesprochen feinfühlige Dynamik.

Auch in den hohen Lagen ist das Sustain ungebrochen stark und souverän, und verzerrt der Verstärker, entwickelt die 58er deutlich nachvollziehbar einen ausdrucksstarken, sehr vokal ausgeprägten Grund-Sound, der sich mit allem, was der Gitarrist zur Verfü- gung hat, formen lässt. Interaktion Deluxe. Beide Pickups liefern qualitativ gleichwertige Sounds, deren Bandbreite unwahrscheinlich groß ist, und das alles lässt sich sehr effektiv mit den vier Reglern in weitere Sound-Welten aufsplitten. Diese 1958 Les Paul ist eine Klasse für sich, und diese Klasse ist überhaupt nicht an Genres und Spielstilistiken gebunden. Mannomann.

 

Ser.-Nr.: 9 0890

Mit einem Bigsby bewehrt und in einem Faded Cherry Sunburst wie aus dem Bilderbuch kommt das 59er Les Paul Model (noch hieß sie nicht Standard). Die unterschiedlichen Positionen, in denen wir die Gitarre fotografierten, ließen jedes Mal eine andere Art der Flammung erkennen – sehr beeindruckend, und längst nicht so aufdringlich wie so manche „highly figured“ Gitarrendecke von heute. Die Gitarre ist bis auf die Bünde im Originalzustand und hat ebenfalls eine interessante Geschichte zu erzählen. Zu Schüler- und Highschool-Zeiten hat der erste Besitzer die Les Paul in einer Bigband gespielt, aber nach dieser Zeit das Interesse an Musik verloren, und die Gitarre wanderte unters Bett. Als seine kleine Nichte Interesse am Gitarrenspiel zeigte und Unterricht bekommen sollte, stellte ihr Onkel ihr seine alte Gitarre zur Verfügung. Und fortan fuhr die kleine Nichte monatelang mit öffentlichen Verkehrsmitteln und einer 1959 Burst im Koffer zum Gitarrenunterricht!

Erst als sie die Les Paul in einen Musikladen brachte, weil ihr eine Saite gerissen war, wurde allen Beteiligten klar, um was für ein Instrument es sich hier handelte. Nach eingehender Familienberatung entschloss man sich, die Les Paul zu veräußern – und so fand sie über eine weitere Zwischenstation den Weg nach Maintal zu Guitar Point. Der 59er Hals fühlt sich überraschend moderat an – völlig anders, als ich das Profil von einer 59er Reissue interpretiert sah. Gar nicht so klobig, sondern eher „genau richtig“, sogar eine kleine Idee griffiger als das Profil der 58er Les Paul. Klanglich war vor allem der Sound des Steg-Pickups der reine Wahnsinn – offen, satt, brillant, mit starkem vokalem Charakter und etwas mehr Lautstärke als die 58er. Die cleanen Sounds belegen, das hier weniger Holzklang übertragen wurde als bei der 58er, und dass der HalsPickup irgendwie nur normal erschien. Auch gut, aber gegen die Sonderklasse des StegPickups halt eben nur normal.

 

Ser.-Nr. 0 7453

Das Wunderbare an der Begegnung mit diesen drei Bursts ist neben den verschiedenen klanglichen Eindrücken auch die Tatsache, dass man sehr genau verfolgen kann, wie sich diese drei Produktionsjahre unterscheiden: z. B. die unterschiedlichen Halsprofile, oder die verschiedenen Rottöne sowie die unterschiedlich lauten Pickups. Das 60s Halsprofil ist denn auch deutlich dünner als das der beiden anderen. Dafür geht es klanglich hier ganz anders zu, denn die 60er Les Paul ist deutlich die aggressivste dieses Trios; sie geht mit einer schnellen Dynamik fast schon bissig zur Sache, sie klingt für meine Ohren ganz stark nach Classic Rock im Allgemeinen und Led Zeppelin im Besonderen. Die leichten Holzanteile im Klang machen sich bei weniger verzerrten Sounds gut bemerkbar und sorgen dort für Transparenz und Glanz. Auch diese Les Paul ist in allen Lagen vollwertig, die Töne stehen auch in den oberen Registern wie eine Eins, und das auch bei wenig Verzerrung.

[3987]

Interview: Chris Buck

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(Bild: Lars Horstmann)

Die Masse an jungen neuen Talenten, die aus den USA und Großbritannien kommend die internationale Rockszene bereichern, scheint derzeit ähnlich groß wie damals in den glorreichen Bluesrock-Zeiten Ende der 1960er/Anfang der 1970er. Einer von ihnen ist der Waliser Chris Buck, ein 28-jähriger Gitarrist mit feiner Fingertechnik, tollem musikalischen Gespür und der notwendigen Leidenschaft.

Mit seiner Band Buck & Evans sorgt er seit Monaten in England für zunehmend größeres Interesse, aber auch als Repräsentant/Endorser für Firmen wie Fender oder Victory Amps steht der sympathische Künstler immer häufiger im Fokus der Öffentlichkeit. Und um schon mal vorab die gar nicht mal so verwegene Prognose zu wagen: Von diesem Musiker werden wir in Zukunft noch viel Positives hören!

Interview

Chris, du warst eine der größten Überraschungen beim 2019er Guitar Summit in Mannheim. Bitte stell dich unseren Lesern kurz vor!

Gerne. Ich stamme aus Wales und fing mit 12 oder 13 mit dem Gitarrenspielen an. Im Rückblick betrachtet war mein Interesse für Musik wohl zunächst eine Entschuldigung dafür, den Mathematikunterricht zu schwänzen. Denn zur gleichen Zeit wurde an unserer Schule Gitarrenunterricht angeboten, und der kollidierte zeitlich mit der Mathestunde. Außerdem passte die Gitarre weitaus besser zu meinem Lebensgefühl als diese seelenlose Zahlenakrobatik. Seither sind Gitarren meine ständigen Begleiter, sie fühlen sich ganz natürlich und einfach perfekt für mich an.

Ein wichtiger musikalischer Einfluss war auch die Plattensammlung meines Vaters, mit Scheiben von den Beatles, den Rolling Stones, Bob Dylan oder Eric Clapton & The Bluesbreakers. Mein Vater spielt zwar selbst keine Gitarre, ist aber ein riesiger Rockmusikfan. Mich hat immer schon der Sound speziell von John Mayall, Eric Clapton und den Bluesbreakers begeistert. Meine Anfänge liegen also 15, 16 Jahre zurück. Aber seither steht für mich fest, dass ich Berufsmusiker werden möchte. Und bislang konnte ich mich damit auch einigermaßen über Wasser halten.

Mit welchen Gitarren ging es bei dir los?

Mein erstes Instrument war eine recht gute Squier Telecaster, die meine Eltern mir kauften. Ich bekam die Tele mit einem kleinen Übungsverstärker, einem Gurt und einem Buch. Vom ersten Moment an liebte ich sie und nahm sie überall mit hin. Wenn wir in Urlaub fuhren, war die Gitarre das erste, was ich ins Auto packte. Ich habe die Tele rund um die Uhr gespielt, weshalb sie sich für mich auch heute noch so unglaublich natürlich anfühlt.

Du besitzt die Squier also noch?

Oh ja, sie wäre das erste, wonach ich greifen würde, wenn unser Haus brennt. Immerhin ist diese Gitarre ein sentimentaler und elementarer Bestandteil meines Lebens. Ohne sie wäre bei mir sicherlich vieles ganz anders verlaufen. Ich habe seither zwar eine Menge deutlich teurere Gitarren gespielt, aber diese 50-Pfund-Squier hat alles in Gang gesetzt.

Derzeit schwörst du aber eher auf Les Paul, nicht wahr?

Nun, für mich waren Gitarren immer schon Werkzeuge, so wie man zum Hausbau beispielsweise eine Maurerkelle braucht. Ich benötige Gitarren für meinen Job, und deshalb wähle ich immer das Modell, das am besten dazu passt, was ich gerade mache. Stratocaster habe ich massenhaft gespielt – zum Glück besteht ein enger Kontakt zu Fender –, denn auf Strats fühle ich mich generell am wohlsten. Aber ich habe auch häufig die Yamaha Revstar gespielt, ein fantastisches Instrument, klanglich irgendwo in der Mitte zwischen einer Tele und einer Les Paul angesiedelt. Ich muss zugeben, dass ich mit zunehmendem Alter immer mehr auf Les Paul stehe.

Chris Buck bei seinem Workshop auf dem Guitar Summit 2019

Ich habe einen guten Freund, der eine ganze Reihe originaler 59er-Modelle besitzt und mich damit hat spielen lassen. Es war das erste Mal, dass ich diese außergewöhnlichen und sehr raren Instrumente ausprobieren durfte. Für mich war dies eine Art Lehrstunde, wie eine Les Paul klingen muss. Mit den originalen PAF-Pickups klingen sie wie „ballsy“ Teles, also warm, fett und druckvoll. Und genauso sollen Humbucker ja auch klingen. Dieser wunderbare Charakter ist meiner Meinung nach über die Jahre ein wenig verlorengegangen, zwischenzeitlich klangen PAFs ziemlich basslastig und dadurch etwas matschig. Allerdings muss ich zugeben, dass sich ganz generell die Wahl meiner Lieblingsgitarre von Woche zu Woche ändert.

Stimmt es, dass du seit einiger Zeit bevorzugt Victory Amps spielst?

Ja, das ist richtig, ganz konkret: den Victory V40. Die Firma stammt wie ich aus Großbritannien, und seit etwa eineinhalb Jahren kooperieren wir. Victory bauen fantastische Amps, mit einem grandiosen Federhall, worauf ich besonders abfahre.

Victory V40 Combo

Für mich gilt: Je mehr Reverb umso besser, denn dann lassen sich meine Spielfehler besser kaschieren. (lacht) Der V40 ist nicht übermäßig laut, wodurch sich die natürliche Verzerrung leichter erzeugen lässt. Ich liebe das!

Du giltst als riesiger Fan von Effektpedalen.

Oh, das hat sich bereits herumgesprochen? Ich liebe Pedale! Ich schwöre auf den Analogman King Of Tone, auch wenn er sehr teuer und nur schwer zu ergattern ist. Zudem habe ich einen wirklich großartigen Klon eines Marshall Bluesbreakers, die Firma heißt Snouse. Eine Einmann-Company aus Denver, Colorado, das Pedal nennt sich Black Box. Ich stehe auch auf unterschiedliche Delays, vor allem auf das Catalinbread Echorec und das Dawner Prince Boonar. Zurzeit suche ich noch ein altes Talent-Pedal, das einen Sound wie den von Stevie Ray Vaughan erzeugt. (lacht)

Wenn man deine Soli hört, scheint man immer ein Konzept dahinter zu entdecken.

Freut mich, dass du das erkannt hast, denn ich hasse Soli, die aus Selbstzweck gespielt werden, nur weil der Gitarrist unbedingt zeigen will, was er drauf hat, oder um eine Schwachstelle in seinem Song zu kaschieren. Bei meinen Lieblingsgitarristen wie etwa David Gilmour, Eric Clapton, Buddy Guy, Stevie Ray Vaughan oder Derek Trucks kommt so etwas nie vor.

Bei ihnen erzählen die Soli eine eigene Geschichte und nehmen die Zuhörer mit auf eine Reise. Ein gutes Solo ist wie ein eigener Song in einem Song. Für ein Solo sollte man stets gute Gründe haben. Eine ganze Reihe meiner Lieblingsmusiker sind Sänger. Ella Fitzgerald, Otis Redding oder Sam Cooke, allesamt großartige Soulstimmen, die ich in meinen Soli nachzuahmen versuche, vor allem diese Freiheit und den natürlichen Fluss ihres Gesangs. Ob mir dies immer gelingt, ist zwar Ansichtssache, aber ich versuche es zumindest. Ich bemühe mich, die Noten möglichst homogen zu verbinden, mit Bendings, Slides, und so weiter.

Wie stehst du bei Studioaufnahmen zu Plug-Ins?

Nun, in einer perfekten Welt würde man natürlich möglichst alles über diese großartigen alten Röhrenverstärker einspielen. Aber die Wahrheit ist: Die meisten Gitarren nehme ich bei mir zu Hause auf, und dort gibt es nun einmal Nachbarn, die sicherlich nicht allzu erfreut wären, wenn ich nachts um zwei die Röhren meiner Amps zum Glühen bringen würde. Also muss ich mir mit moderner Technik helfen. Ich schwöre auf den Line6 Helix, dazu kommt das Guitar-Rig-Plug-In von Native Instruments. Ich bin diesbezüglich nicht sonderlich idealistisch eingestellt: Solange der Sound nach mir klingt, er mich inspiriert und der Job damit gemacht werden kann, bin ich zufrieden. Live nehme ich den Victory V40, den Line6 Helix und eine 1x12er-Line6-Power-Cab. Mit Speaker-Simulationen tue ich mich dagegen schwer, weil sie meiner Meinung nach eben nicht wie Lautsprecher klingen. Aber wie gesagt: Wir haben 2019 und leider nicht mehr 1974, also sind 100-Watt-Amps und 4x12er-Boxen nicht gerade das praktischste Werkzeug der Welt. Heute geht es darum, dass man seinen Job erfüllt.

 

(Bild: Matthias Mineur)

Kannst du bitte kurz deine derzeitige Hauptband Buck & Evans vorstellen?

Buck & Evans sind ein Quartett, mit Sängerin Sally Ann Evans, Schlagzeuger Bob Richards und Bassist Dominic Hill. Wir haben gerade ein neues Album veröffentlicht, waren damit in Großbritannien auf Tour und kommen hoffentlich demnächst auch nach Deutschland. Zurzeit haben wir noch keine Plattenfirma, sondern die Scheibe mit Unterstützung von Pledge Music eingespielt. Leider waren Pledge Music genau zum Zeitpunkt der Fertigstellung Pleite. Fantastisch! (rollt mit den Augen)

Wie würdest du die Musik der Band beschreiben?

Es sind rockig-bluesige Songs mit einem Spritzer Soul. Einige Leute vergleichen uns mit Fleetwood Mac in der Ära von ‚Rumors‘. Der Vergleich könnte schlimmer sein, oder? (lacht) Auch bei uns dreht sich alles um Songs, starke Songs!

Welche Projekte hast du darüber hinaus?

Die Realität im Jahr 2019 ist, dass nur die wenigsten Musiker von ihrer Band leben können. Deshalb arbeite ich so oft es geht für Yamaha und Fender, ich veröffentliche Videos auf meinem eigenen YouTube-Kanal, der sich erfreulicherweise sehr gut entwickelt. Ich versuche, so viel wie möglich zu machen.

Auch Top-40-Bands?

Nein, das ist nicht mein Ding. Ich bin zu gerne selbst kreativ, als dass ich ständig covern möchte. Ich komponiere viel und versuche meine eigenen Songs unterzubringen. Aber wer weiß? Bekanntlich soll man niemals nie sagen. Solange ich von meiner Gitarre leben kann, bin ich glücklich, denn alles ist besser als ein regulärer 9-to-5-Job.

Abschließend noch die Frage: Was hat deine neue Patrick-James-Eggle-Macon-Les-Paul an Features, die dir besonders gut gefallen?

Zunächst einmal müssen gute Gitarren nicht zwangsläufig teuer sein. Meine Haupt-Stratocaster ist eine Fender Highway 1, die so um das Jahr 2004 gebaut wurde. Ich konnte mein Exemplar gebraucht für 400 Pfund über eBay kaufen.

Sie klingt großartig, der Hals fühlt sich perfekt an und auch die Balance ist tadellos. Meine Lieblings-Yamaha-Revstar ist die 502, die man aus dem Regal heraus bereits für 600 Euro ergattern kann. Demgegenüber ist meine Patrick James Eggle Macon Les Paul vergleichsweise teuer, fühlt sich aber wirklich wundervoll an und hat ähnliche Features wie eine originale 59er-Gibson, unter anderem PAFs. Das Finish nennt sich „Aged Nitro“. Ich durfte zu Patrick in die Firma fahren und mir mein eigenes Modell aussuchen. Ich nahm das Exemplar, das am wenigstens geflammt ist, denn – wie ich schon sagte – auch die alten 59er Les Pauls sind vergleichsweise einfach gehalten, und genau nach einer solchen Gitarre hatte ich gesucht.

Vielen Dank, Chris, für das nette Gespräch, ich wünsche dir alles Gute für deine Zukunft!

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2020)

Guitar Guru: Gibson 25/50 Les Paul & Höfner-Bass

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Hast du Fragen zum Thema „alte und/oder merkwürdige Gitarren“? Wir beantworten sie auf dieser Seite. Monat für Monat. Diesmal geht es um eine Gibson 25/50 Les Paul und einen Höfner-Bass.

Frage: Hallo liebe Leute, Ich habe hier eine Les Paul und würde gerne wissen, wann sie gebaut wurde und was sie ungefähr wert ist. Werner

Antwort: Deine Gitarre wurde laut Seriennummer im November 1978 gebaut. Es handelt sich hierbei um ein Exemplar der sogenannten 25/50 Anniversary Serie. Diese legte Gibson anlässlich des 25. Jahrestags der Zusammenarbeit mit Les Paul (bürgerlich Lester Polfuss) und des 50. Jahrestags von Les Pauls Aktivität als Musiker auf. So ganz genau trafen sie den 25. Jahrestag (1977) nicht, aber die Entwicklung dieser Gitarrenserie dauerte auch etwas.

Das besondere an diesen Gitarren ist, dass sie neben dem barocken Headstock-Inlay auch Halseinlagen im Stil der Gibson Super 400 und einige andere Features haben. Die Pickups haben einen Coil-Tap-Schalter, damals einzigartig auf einer Les Paul. Typisch sind auch die Schaller-Mechaniken, die Gibson aus Deutschland bezog, und das TP-6 Tailpiece, das allerdings in den USA gebaut und nur auf den “High-End”-Les-Pauls dieser Zeit verbaut wurde. Es gab die Modelle in vier Farben: Tobacco Sunburst, Natural, Wine Red und Schwarz. Kritisiert wird unter Spielern das hohe Gewicht von meist mehr als 5 kg. Die meisten Exemplare zeigen eventuell auch deshalb nur wenige Spielspuren und wurden wohl bereits damals mehr gesammelt als tatsächlich viel Live gespielt.

Die roten und schwarzen sind seltener, weil sie nicht so nachgefragt waren. Die werden heute auch für mehr Geld angeboten als die wesentlich häufigeren Tobacco Burst Modelle. Für ein relativ gut erhaltenes Modell in Tobacco Burst muss man heute mit ca. 3.800 € rechnen, allerdings ist das der Preis, den man in den USA hinlegt; hierzulande wohl etwas mehr, so im Bereich um die € 4.000. Schwarze oder weinrote Exemplare habe ich für mehr als € 5.000 im Angebot gesehen. Natürlich beeinflussen Erhaltungsgrad sowie die “Vollständigkeit” der Gitarre den Preis – und ob der originale Koffer mit “Case Candy” (in diesem Fall: eine Messinggürtelschnalle mit Gibson 25/50-Logo) dabei ist. Guitar Guru


Frage: Ich habe hier von einem Kunden einen Höfner Bass ohne Serien-Nr. (ich habe keine entdeckt). Der Kunde wollte wissen, was so ein Bass wert ist. Er hat jahrelang auf dem Speicher von seiner Oma gelegen und wurde nun gefunden. Kannst du mir da weiterhelfen? Tino

Antwort: Dein Kunde hat ein Schätzchen gefunden: Es handelt sich um den berühmten “Beatle-Bass”, also das Modell, das Paul McCartney seit den frühen 1960er-Jahren spielt und das seitdem weltberühmt wurde. Aber wir wollen es noch genauer wissen!

Der 500/1 “Violin” Bass hat seine Anfänge im Jahre 1955, als Walter Höfner eine frühe Version konstruierte, die sich im Design an klassischen Kontrabässen orientierte. McCartney begegnete dem Instrument ca. 1961. Der Beatle spielte allerdings nicht exakt das gleiche Modell wie dein Kunde, denn der 500/1 wurde im Laufe der Jahre einigen Änderungen unterzogen.

McCartney benutzte zunächst ein 1961er Modell, welches zwar bereits zwei Pickups hatte, jedoch keinen direkt an der Bridge. Auf das entsprechende Modell von 1963 wechselte er später und benutzt dieses bis heute. Das Exemplar deines Kunden entstammt aber nicht mehr dieser Baureihe, sondern wurde zwischen 1965 und 1967 gebaut – erkennbar ist das u.a. an dem erhabenen Plastik-Logo auf der Kopfplatte und an dem extrem kurzen Saitenhalter. 1967 wechselten dann die Pickups zum sogenannten “Klingen”-Design, weshalb das vorliegende Exemplar davor gebaut worden sein muss.

Ich habe mal die Preisentwicklung recherchiert – das Spektrum der gezahlten Preise liegt derzeit zwischen etwa € 1.800 für weniger gut erhaltene und € 3.000 für sehr gut erhaltene Exemplare. Der Bass Deines Kunden scheint nur einige wenige kosmetische Mängel zu haben und ansonsten recht gut erhalten zu sein. Guitar Guru

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2020)

Interview: Peter Frampton

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Die Zeit macht vor niemandem halt, auch Gitarrenlegenden müssen dem Alter irgendwann Tribut zollen. Peter Frampton ist gerade 70 geworden und leidet an einer chronischen Muskelerkrankung, die ihm in Zukunft das Spielen schwer machen wird. Doch vorher will er sich auch auf deutschen Bühnen von seinen Fans verabschieden.

Leider macht das Coronavirus den ursprünglichen Plänen Framptons einen Strich durch die Rechnung, denn die für Anfang Juni geplanten Konzerte seiner Abschiedstournee mussten, wie so viele andere auch, verschoben werden. Nichtsdestotrotz ist sein runder Geburtstag ein guter Grund, mit ihm auf sein Leben zurückzublicken – und auf das Album, dass eine Karriere für immer überstrahlen wird.

Peter, ich möchte mit dir auf wesentliche Stationen deiner Laufbahn schauen, von den Anfängen bis zur kommenden letzten Tour. Du spielst seit 1957 Gitarre, damals warst du gerade sieben Jahre alt, und bist schon früh Profi gewesen. Hast du je einen normalen Job gehabt?

Nein, nie. (lacht) Als ich in der Schule war, habe ich mal Zeitungen ausgetragen. Aber ich war nicht sehr gut darin. Ich schaffte es nicht, früh aufzustehen und war meist unpünktlich. Der einzige andere Job, den ich je hatte, war in einem Musikladen. Ich war damals zu jung für eine richtige Stelle und arbeitete dort an Samstagen als Assistent.

Wie für die meisten englischen Gitarristen deines Alters war Hank Marvin der erste große Einfluss. Warum bist du kein Fender-Mann mit einer Strat in Fiesta Red und Ahornhals geworden?

Das ist alles die Schuld meines Vaters. (lacht) Auch er hat die Shadows geliebt. Ich sagte: „Papa, ich möchte eine solche rote Stratocaster haben.“ Er antwortete: „Nein. Das ist keine Gitarre. Das ist nur ein Stück Holz. Du brauchst etwas mit Löchern drin.“ Er war nicht sehr begeistert von Solidbodies und hat das Prinzip damals noch nicht verstanden. Das führte dazu, dass ich den größ­ten Teil meines Lebens Humbucker statt Singlecoils spielte. Erst bei The Herd, wo ich von 1966 bis 1968 aktiv war, hatte ich erst­mals eine Stratocaster. In den späten 1960ern oder frühen 1970ern kaufte ich dann schließlich eine 55er-Strat, die genauso aussah wie die von Hank. Am Ende hatte ich dann also doch eine.

Schon früh in deiner Laufbahn, Mitte der 1960er-Jahre, hast du in Bands wie den Trubeats, den Preachers oder den erwähnten The Herd gespielt und warst dort von Leuten wie dem Stones-Bassist Bill Wyman oder dem späteren Status-Quo-Mitglied Andy Brown umgeben. Welchen Eindruck hat das auf dich gemacht? Warst du damals nah dran an Größen wie Clapton, Hendrix, Jeff Beck oder Peter Green?

Ich war ein Stück jünger als sie, so rund fünf Jahre. Aber ich habe es geschafft, in die Clubs zu kom­men, in denen sie gespielt haben. Ich habe Hendrix früh gesehen, auch Clapton, Peter Green und Mick Taylor – fast alle außer Jimmy Page. Als ich 14 Jahre alt war, hat mich Bill Wyman mit nach London genommen und mich kurz darauf in die dortige Clubszene ein­geführt. Ich hätte da noch nicht rein­gedurft, aber er hat mich reinge­bracht. Ich traf den Rest der Stones, dazu einige andere sehr bekannte Bands. Eines Tages sah ich Jimi Hendrix in einem Club.


ON TOUR

PETER FRAMPTON – FINALE: THE FAREWELL TOUR

Aufgrund der Corona-Pandemie wurden alle Konzerte auf das erste Quartal des kommenden Jahres verschoben. Bereits gekaufte Karten behalten ihre Gültigkeit.

Die Termine, sobald sie feststehen, findet man unter: rbk-fusion.de/on-tour/


Das war, bevor er berühmt wurde. Er saß dort mit der Band. Dann nahm er die Gitarre eines Rechtshänders, drehte sie einfach um, ohne sie anders zu besaiten, und spielte darauf genau so gut wie auf seiner.

Warst du damals auch ein Bluesfan, wie viele der englischen Gitarristen dieser Zeit?

Ich war ein großer Bluesfan. Aber mir wurde damals klar, dass alle auf Erics Pfaden unterwegs waren und ihn kopierten. Sein Stil, und auch der von Peter Green, hatte etwas sehr Verführerisches. Ich dachte mir: Es gibt genug Leute, die das machen. Ich möchte anders sein. Ich hatte neben meiner eigenen auch die Musik mei­ner Eltern gehört, speziell das Quintette du Hot Club de France mit Django Reinhardt und Stéphane Grappelli. Beim ersten Hören habe ich es gehasst. Aber du kannst Django Reinhardt nicht für längere Zeit hassen. (lacht) Es war einfach anders – und man braucht wohl einen gewissen Horizont, um zu verstehen, dass dieser Typ der vielleicht beste Gitarrist aller Zeiten war, allein schon wegen seiner erfinderischen Kreativität. Ich folgte also mehr der Jazz-Route und habe den Blues eine Zeit lang ausgesperrt.

Abgesehen von den Effekten ist Framptons Live-Rig relativ simpel: Les Paul & Marshall.

Damals bekamst du auch deine erste Les Paul Black Beauty mit P90-Pickups.

Das muss 1966 gewesen sein. Ich glaube, sie ist dann bei Tony Hicks von den Hollies gelandet. Jedenfalls habe ich sie damals mit zu ihm genommen und dann wahrscheinlich dort gelassen. Aber egal. Jedenfalls war das meine erste.

Es war zu jener Zeit nicht deine Art von Gitarre.

Sie hat mir damals nicht sonderlich gefallen. Deswegen bin ich in dieser Phase mit The Herd zur Strat gewechselt. Ich fing dort mit einer Guild Starfire an. Die mochte ich sehr. Danach spielte ich die erwähnte Les Paul. Sie war dunkler im Klang, was mir nicht übermäßig zusagte, also wechselte ich zur Strat.

Nach einem Konzert im Jahr 1970 bekam Peter Frampton…
… die berühmte „Phenix“ mit drei Humbuckern geschenkt.

Die nächste Les Paul, die ich dann spielte, war die vom Cover von ,Frampton Comes Alive!‘.

Die berühmte „Phenix“. Über sie und das Album werden wir gleich noch ausführlich sprechen…

Gewichtsreduktion bei Gibson Les Pauls

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Gibson wendet die Gewichtsreduzierung von Les Pauls schon seit vielen Jahren an, genauer gesagt: Seit den 1980er Jahren. Denn leichtes Mahagoni war schon damals teuer und seltener geworden. Auch von den Gitarristen, die sich in den 1970er Jahren notgedrungen 4,5 kg und mehr um den Hals hängen wollen, hatten nur wenige überlebt. Also machte man die Les Paul durch neun große, runde Löcher im Mahagoni-Korpus, die dann von der Ahorndecke verdeckt wurden, erträglicher.

Diese eher aus der Not geborene Maßnahme wird heute plakativ mit Traditional Weight Relief bezeichnet. Laut Gibson soll sich diese Methode nicht auf den typischen Sound einer Les-Paul-Gitarre auswirken.

Die zweite Maßnahme ist das so genannte Chambering, das der Les Paul aufgrund seiner wirklich großzügigen Ausfräsungen einen schönen Hauch von Semiakustik verleiht – sowohl vom Gewicht her als auch vom Sound.

Das neue Modern Weight Relief wurde für die 2014er Serie erstmals eingeführt – kleinere, ellyptisch geformte Löcher, im Gibson-Duktus „sound chambers“ genannt, sind rundum im Mahagoni-Korpus verteilt. Laut Gibson soll dies Feedback bei hohen Lautstärken verhindern, die mitunter bei den „Chambered“-Modellen auftreten können.


Repair Talk: Frische Hardware für die Paula – Teil 2

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Aktuell beschäftigt sich der Repair Talk mit der Montage ei­ner typischen Steg/Saitenhalter-Kombination. Bis hierher wurde vermessen, angezeichnet und vorbereitet. Nun geht es ans Werkzeug und gemessene Theorie wird in brauchbare Pra­xis umgesetzt.

KLASSIK MIT GEWINDE

Der Steg des Beispielprojektes wird ganz nach klassischem Vor-bild auf einer Gewindestange sitzen, die direkt in den Korpus ge­schraubt wird (Abb. 1). Diese Art der Stegmontage ist nach meiner Ansicht die verlustfreiste Variante, um die Energie der Saite auf den Korpus zu übertragen. Kombinationen aus Hülsen und Schraubbolzen (Abb. 5) funktionieren natürlich auch, jedoch ist von der Logik her die traditionelle Gewindestange die direktere Lösung. Eventuelle Übertragungsverluste in den Gewindegängen der Hülsen werden bei diesem Montagetyp ausgeschlossen. Um jedoch die Vorteile nutzen zu können, muss die Installation ent­sprechend präzise ausgeführt werden.

Abb. 1: Direkte Verbindung: Gewindestange zur Stegmontage am Korpus

Zunächst überlege ich, wie tief die Gewindestange im Korpus sit­zen soll. Ein Aufmaß (siehe Strato-Projekt/Vibratohöhe) kann be­reits im Vorfeld rechnerische Klarheit schaffen. Bei einer Länge von 30 mm (Beispiel), plane ich, die Stange ca. 15 mm ins Holz zu set­zen. Das ergibt dann knapp 10 mm Einstellbereich für die Höhe des Steges an den Rändelschrauben. Mein Ziel ist es, die Bohrung nur so tief zu bohren, dass die Gewindestange auf dem Grund der Bohrung sitzt (Abb. 1 – links). Die Alternative (Loch ist tiefer als die Gewindestange/Abb. 1 – rechts) funktioniert natürlich auch, jedoch vermittelt die auf dem Grund sitzende Gewindestange in meinen Augen die bessere Statik.

Um die Gewindestange in folgenden Ar­beitsschritten besser im Griff zu haben und sie kontrolliert ins Holz drehen zu können, spanne ich die Stange in ein „Spezialwerkzeug“ (Abb. 2/rechts).

Abb. 2: Spezielles Werkzeug zum Fixieren und Eindrehen
der Gewindestange

Dieses besteht im Grunde nur aus einem massiven Messingrohr mit einem innenliegenden Gewinde, welches die Gewindestange aufnimmt. Eine Rändelmutter kontert die Gewin­destange und Stange und Werkzeug bilden somit eine feste Ein­heit. Ich kontere die Stange, so dass 15 mm überstehen (Abb. 2/ links). So erkenne ich, wann beim späteren Eindrehen in den Korpus die gewünschte Tiefe erreicht ist.

ERST BOHREN DANN SCHRAUBEN

Vor dem Eindrehen steht jedoch das Bohren. Der Durchmesser des Lochs ist hardwareabhängig und muss von Fall zu Fall nachgemes­sen und hergeleitet werden. Im und als Beispiel hat die Gewindestange ein Maß von 6-32 UNC oder allgemeinverständlich ca. 3,35 mm Außendurchmesser. Je nach Deckenmaterial bohre ich 2,5 bis 3 mm vor.

Natürlich soll die Stange „stramm“ im Holz sitzen jedoch verlangt ein zu eng gebohrtes Loch bei sehr harten Hölzern einen unangebracht hohen Kraftaufwand beim Eindrehen. Sollte sich die Gewindestange hartnäckig sträuben, im Loch zu ver­schwinden, ggf. den einen oder anderen Zehntel Millimeter nach­bohren. Vielleicht reicht es auch, nur den oberen Teil der Bohrung etwas zu „öffnen“. Da es beim Bohren der Löcher um Präzision geht, empfehle ich die Arbeiten an einer stabilen Standbohrma­schine auszuführen. Dadurch ergibt sich ein winkeliges Bohrloch im Bezug zur Mittelachse (gegeben durch den Boden) des Instru­mentes.

Ich unterfüttere außerdem gerne das Instrument im hinte­ren Bereich unten, so dass die Mittelachse in Längsrichtung nicht mehr parallel zum Werkzeugtisch verläuft. Dadurch bohrt das Werkzeug in einem leichten Winkel nach hinten. Beim genauen Hinschauen läuft der Bohrer auf Abb. 3 leicht aus dem Winkel.

Abb. 3: Bohren des Montageloches

Das ist gewollt, da nach meinem Verständnis so der Sitz des Steges besser dem Saitenverlauf Richtung Saitenhalter angepasst ist. Es geht da nicht um „schief“ sondern um ganz leicht geneigt. Vorbilder sind da zum Beispiel einige Westerngitarren, bei denen die Stegeinlage auch nicht winkelig steht. Bei mir funktioniert das.

Skeptiker bohren winkelig, unterfüttern also nicht. Nach vorne geneigt schließen alle gemeinsam aus, da der Saitendruck diese Situation konsequent dazu nutzen würde, Steg und Gewindestan­ge in Richtung Sattel wegzudrücken. Unabhängig vom gewählten Winkel bohre ich im Beispiel die Löcher ca. 13 mm tief vor. An­schließend drehe ich die im Spezialwerkzeug sitzende Gewin­destange bis zur Rändelmutter in den Korpus. Die fehlende Bohr­lochtiefe presst sich die Gewindestange frei und sitzt dann fest ver­ankert auf dem Grund der Bohrung (Abb. 1/links). Stange gesetzt.

ALTERNATIVEN BRAUCHEN LUFT

Verwendet man abweichende Bolzentypen (Abb. 5/GTM) muss anders vorgegangen werden.

Abb. 5: Brauchen unten häufig Luft: Gewindehülsen zur Stegmontage

Bei diesen Typen muss das Befesti­gungsloch tiefer als die Steckhülse sein, da sonst nicht genug Luft für die Rändelschrauben vorhanden wäre. Dann könnte der Fall eintreten, dass bei einer ungenügenden Lochtiefe die Rändel­schraube, da sie auf dem Grund der Bohrung aufsitzt, beim Eindre­hen die Hülse nach oben aus der Bohrung schiebt. Zudem ist der Einstellbereich dann häufig nicht mehr ausreichend. Ein voraus­schauendes Planen und Nachmessen hilft, solch ein ungewolltes Szenario zu vermeiden.

Abb. 6: Montage abgeschlossen: Der Steg sitzt

Beim Repair-Talk-Aspiranten sitzt der Steg nach dem Eindrehen der zweiten Gewindestange ohne weitere Stolperfallen sauber auf den Rändelmuttern (Abb. 6) sodass es mit der Montage des Saitenhalters weitergehen kann.

TonePros LPS02 Bridge and Tailpiece Set

STÖRENDER KRAGEN

Die ausgesuchte Hardware überzeugt zwar durch Optik und gerin­ges Gewicht jedoch stört mich der Kragen (Abb. 7/Pfeil) oben an der Gewindehülse.

Abb. 7: Störender Kragen an einer Gewindehülse

Bei einer gewölbten Instrumentendecke schließt dieser „Teller“ nicht bündig mit dem oberen Rand der Bohrung ab. Es bleibt der hintere Teil in der Luft, was einer wertigen Optik nicht dienlich ist. Eine glatte Hülse (ohne Kragen/Abb. 7/ oben) versinkt in der Bohrung und sorgt für eine vertraute Optik. Gut, dass mein Teilelager entsprechende Bolzen vorrätig hatte. Für das nächste Projekt plane ich dann gleich „kragenlos“.

Jeder Tuner der bis hierher begleitend dabei war, wird erkennen, dass die Montage des Saitenhalters analog zu der des Steges ist. Die Position und damit die Mittellinie des Saitenhalters leite ich von der Position des Steges ab. Angelehnt an funktionierende Vorbilder sitzt der Saitenhalter ca. 41 bis 45 mm (Mittellinie) hinter dem Steg.

Da ist Luft zum Experimentieren, aber um negative Überraschungen zu vermeiden, bietet es sich an, eigene Projekte an funktionierende Vorbilder anzupassen. Alle relevanten Maße ergeben sich aus den Vorgaben der Hardware. Es reicht in der Regel, wenn man die Löcher (hier winkelig/vgl. Stegmontage) nur 1 bis 2 Zehntel kleiner bohrt als der Bolzendurchmesser. Es kommen recht schnell negative „Vibes“ ins Spiel, wenn der Hammer im zu engen Loch nichts mehr bewegt und das Material leidet. Obwohl an diesen Bolzen der komplette Saitenzug hängt, reicht es, ihn zu klemmen. Die Relation Bohrung zu Bolzendurchmesser ist zudem materialabhängig und sollte ggf. an Probestücken ausgetestet werden – den Rest macht das Tunergefühl.

MASSE NICHT VERGESSEN

Bevor die Bolzen eingetrieben werden, muss die Masseverbindung (Saitenhalter/Elektronik) überprüft bzw. bei Neuprojekten gelegt werden. Nach dem Eintreiben der Bolzen wird es sonst recht fummelig. Falls neu gelegt werden muss, verwende ich als Leitung eine alte Saite. Diese ist recht zäh und reißfest, so dass bei der Bolzenmontage keine weitere Baustelle zu erwarten ist. Mit einem 2 mm Bohrer setzte ich ein Loch schräg vom unteren Bolzen hin zum E-Fach (Abb. 8).

Abb. 8: Bohren des Kanals für die Masseverbindung

Zum Schutz der Decke dient eine dünne Metallplatte, hier eine alte Ziehklinge. Beherzt arbeitet man sich vor, bis es zum Durchbruch kommt (Abb. 9).

Abb. 9: Durchstoß geglückt: Oben rein – unten raus

Die angesprochene Gitarrensaite biege ich so vor, dass nach der Montage ein kleiner Winkel auf dem Grund der Bohrung steht, den Rest fädele ich durch die Bohrung Richtung E-Fach (Abb. 10).

Abb. 10: Eine Saite dient als Masseverbindung

Anschließend wird der Bolzen entspannt, also ohne zu viel Kraft eingetrieben, und klemmt die Saite ein. Bolzenmontage mit Erdung abgeschlossen und unsichtbar (Abb. 10).

Wurden alle Maße eingehalten und die Bohrungen sauber ausgeführt, sitzt der Saitenhalter korrekt im Bolzen und liefert dank des fehlenden Kragens die gewünschte Optik (Abb. 11).

Abb. 11: Auch der Saitenhalter sitzt

Auch im Ensemble mit dem Steg macht dieser Montageabschnitt nun einen brauchbaren Eindruck (Abb. 12) und die probehafte Erstbesaitung des Instruments könnte erfolgen.

Abb. 12: Das fertig montierte Ensemble

Hat sich vielleicht doch ein Fehler eingeschlichen? Wo sollen die Saiten liegen? Es fehlen klare Nuten an den Einzelreitern. Da gibt es wohl doch noch einiges zu tun…

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2020)

Wenn das Binding einer Gibson Les Paul rote Farbe annimmt…

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Les Paul
Gibson Les Paul Player´s Choice (Foto: session.de)

Q: Ich habe mir neulich eine Gibson Les Paul Player´s Choice gekauft und musste nun feststellen, dass sich das Hals-Binding rot verfärbt hat. Gibt es eine Möglichkeit, die Verfärbung zu entfernen?

Stefan R.

 

A: Die Gibson-Custom-Shop-Les Pauls werden im traditionellen Verfahren hergestellt. Hier werden Farbe und Porenfüller direkt auf das Holz gegeben, eingearbeitet und dann das Sunburst der Decke lackiert. Anschließend wird die Farbe vom Binding abgekratzt und das Instrument mit mehreren Schichten Klarlack lackiert. Da die Custom-Shop-Instrumente einen sehr dünnen Lackaufbau haben, wird auf eine Sperrschicht nach dem Farbauftrag und vor dem Abkratzen der Farbe verzichtet. Dadurch besteht  die Gefahr, dass beim Auftrag des Klarlack sich wenige rote Farbpigmente in diesen einmischen und über das Binding wandern. Auch ist diese Farbe lösungsmittellöslich und wird beim Nitrolack, der einen im Vergleich zum Polyesterlack sehr hohen Lösungsmittelanteil hat, leichter ausgewaschen und in Regionen wie dem Binding verteilt, wo man das Rot eigentlich nicht haben will. Bei Gibson ist man sich dieser Problematik sicherlich bewusst und nimmt diese zu Gunsten des dünnen Lackaufbaus in Kauf.

Ob es eine Möglichkeit gibt, diese Rotfärbung zu entfernen? Nun ja, wo ein Wille, da ein Weg. Das Binding vom Lack komplett befreien, anschließend mit Klarlack neu lackieren. Da die Lackierung am Hals bei den Custom-Shop-Instrumenten wirklich dünn ist, wird man nicht umhin kommen, den Hals komplett zu lackieren. Denn beim Beischleifen wird man sonst unweigerlich auf das Holz durchschleifen. D. h.: Bei dieser Prozedur ist die Gefahr, hier etwas optisch zu Verschlimmbessern, recht hoch!

Von klassisch bis Multiscale: Harley-Benton-Gitarren in neuen Varianten

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Der Sommer wird bunt! Bei den DC- und SC-Junior-Modellen addiert Harley Benton neben zwei limitierten Finishes drei permanente Farboptionen. Auch in der ST-Serie findet man drei neue traditionelle Lackierungen. Für Tiefton-süchtige Gitarreros schickt man zudem neue 7- und 8-Saiter-Multiscale-Modelle in den Ring.

DC Junior & SC Junior

SC Junior LTD Silver Sparkle
DC Junior LTD Pelham Blue
DC Junior Faded Brown
DC Junior Faded Cherry
DC Junior Faded Blue

Kurzentschlossene sollten bei den limitierten Auflagen der SC Junior in aufregendem Silver-Sparkle oder der DC Junior in glänzendem Pelham-Blue zuschlagen. Dauerhaft eingeführt werden die gediegenen Farben Faded-Brown, Faded-Cherry & Faded-Blue.

Preise: Harley Benton SC Junior / DC Junior € 199 – 249


ST-62CC

ST-62CC MN Shell Pink
ST-62CC MN Charcoal Frost
ST-62CC RW Lake Placid Blue

Die Versionen der ST-62CC mit einteiligem Ahornhals sind nun in Shell-Pink und Charcoal-Frost zu haben. Noch einen dezenten Farbton präsentiert Harley Benton in Kombination mit Palisander-Griffbrett: Lake-Placid-Blue.

Preise: Harley Benton ST-62CC € 139 – 159


Harley Benton MultiScale-7

MultiScale-7 Black Satin Burst
MultiScale-7 Black Satin Burst
MultiScale-7 Trans Red
MultiScale-7 Trans Red

Das Konzept der preiswerten MultiScale-7 fußt auf Fanned-Frets, 7 Saiten und einem ergonomischen Design. Ihr fünfteiliger Schraubhals ist an einem Lindekorpus montiert, der zwei tonal flexible High-Gain-Humbucker beherbergt. Fürs Auge gibt’s eine Decke aus Ahorn-Wurzelholz, wahlweise veredelt mit Black-Satin-Burst– oder Trans-Red-Finish.

Preis: Harley Benton MultiScale-7 € 289


Harley Benton MultiScale-8

MultiScale-8 Emerald Burst
MultiScale-8 Emerald Burst
MultiScale-8 Emerald Burst

Das gleiche Konzept findet sich feiner ausgearbeitet bei der MultiScale-8 wieder. Hier dürfen sich Saitenhexer der extremen Fraktion über acht Saiten und bis zu 686mm Mensur freuen. Der durchgehende fünfteilige Hals aus Ahorn und Nato trägt ein Jatoba-Griffbrett und 24 Fächerbünde. Die Korpusflügel aus Linde werden mit einer Wölkchenahorn-Decke getoppt. Bei der Lackierung hat man in 2020 die Wahl zwischen Emerald-Burst und Black-Satin-Burst.

Preise: Harley Benton MultiScale-8 € 389 – 399

www.harleybenton.com

Test: Waterslide Junior Mojo

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(Bild: Dieter Stork)

Singlecut, ein Pickup am Steg, das Wort Junior im Namen – da klingelt doch wohl was. Und doch geht diese Gitarre deutlich eigene Wege, sowohl optisch als auch klanglich.

Die kleine Gitarren-Schmiede Waterslide Guitars aus Hollywood, Kalifornien haben wahrscheinlich nicht allzu viele auf dem Radar. Gründer Patrick Matera ist vor allem als Gitarrist von Katy Perry und Moby bekannt und macht sich ansonsten (im Internet) ziemlich rar. Da ist wenig rauszufinden.

Ich kenne seine Gitarren auch nur deshalb, weil ich als bekennender Ry-Cooder-Fan von den großartigen Waterslide Coodercasters (Strat-basierte Instrumente mit Lapsteel-Tonabnehmer am Steg und Gold-Foil-PU am Hals) gehört habe, allerdings noch nie eine in die Finger bekommen habe. Das ist zwar bitter, aber dafür ermöglicht „The Fellowship Of Acoustics“ aus Holland – einer der ganz wenigen Händler weltweit für Waterslide Guitars – diesen Test der Junior Mojo. Vielen Dank schonmal dafür!

SPANNENDE ZUTATEN

Die Basis dieser Solidbody-Gitarre – und das ist jetzt erst mal nicht sooo spannend – ist eine Mahagoniplanke von gut 45 mm Stärke. Entsprechend der Minimalismus-Direktive kommt sie natürlich ohne Binding, Decke, Contour-Shape oder Schlagbrett – dafür aber in perfekt geagetem TV-Yellow-Finish mit minimalem See-thru-Effekt und sehr authentischen Lackrissen und Abnutzungen. Rückseitig gibt es lediglich ein kleines E-Fach um an die 500K-CTS-Potis zu gelangen.

Der einzige Tonabnehmer – und da wird es schon spezieller – wurde in England von Mojo Pickups hergestellt. Betreiber und einziger Mitarbeiter dieser 2010 gegründeten Firma ist Marc Ransley, der tatsächlich jeden Pickup selbst konstruiert, wickelt, verschickt. Irgendwie sympathisch: Auf seiner Website verkündet er, sein Auftragsbuch für Januar sei voll und er würde sich melden, wenn er wieder Aufträge annehmen kann.

Deutsches Tailpiece, englischer Tonabnehmer

Zurück zum Pickup: Der steht klar in der Tradition alter Teisco oder DeArmond Gold-Foil-PUs, wie wir sie von Harmony-, Silvertone- oder Airline-Gitarren kennen, die man in den 60ern günstig im Versandkatalog von Sears Roebuck & Co. finden konnte. Viel stärker als die genannten Gitarren selbst, sind die Gold Foils (nicht nur durch Ry Cooder) im Fokus der Gitarristen-Gemeinde geblieben und finden wieder zunehmend den Weg auf allerlei Gitarrendecken.

Der hier ist dann nochmal etwas Besonderes, denn der Mojo ist ein Dual Foil, und somit ein Humbucker, der allerdings am Push/Pull-Tone-Poti auf Singlecoil gesplittet werden kann. Er liefert also sowohl den klassischen Sound mit etwa 5 kOhm Output als auch die extra-fette HB-Variante mit 10 kOhm. Montiert ist er von oben in Stegposition – er sitz auf einer schicken Tortoise-Platte.

Natürlich haben wir es auch nicht mit stinknormalen Volume/Tone-Reglern zu tun, die hier sehen aus, als hätte man sie von einem alten Röhren-Radio abgeschraubt – sehr stylisch. Ansonsten ist hier nur noch das Wraparound-Tailpiece, ein kompensiertes Alu-Modell von Faber, zu vermelden, das sich an Studs von TonePros festhält.

Der Hals ist ein kräftiger Geselle im Late-50s-Format mit einem Palisandergriffbrett. Es weist einen 12″-Radius auf und ist mit 22 erstklassig polierten Bünden bestückt. Über den Knochensattel laufen die Saiten – nach 628 mm freier Schwingung – zur recht flach abgewinkelten Kopfplatte. Auf dem schwarzen Layer macht sich das Metallplättchen mit dem Firmenlogo sehr gut. Die Kluson-Style-Tuner (3-in-Reihe) mit den kleinen weißen Stimmwirbeln arbeiten sehr gut und verströmen dabei noch perfektes 50s-Flair. Der Halsstellstab ist auch hier am Headstock zugänglich – auf ein Trussrod-Cover wurde verzichtet.

Waterslide Junior Mojo
Gelungenes Lack-Aging

ROCK’N’ROLL

Nimmt man sich die Junior Mojo, fällt als erstes das moderate Gewicht von 3,2 kg positiv auf. Sowohl auf dem Schoß liegend, als auch am Gurt, gibt sich die Waterslide ausgewogen und bequem – da sind keine Überraschungen zu befürchten. Der Hals ist keinesfalls übertrieben kräftig ausgeformt, füllt aber satt die linke Spielhand und ist sicher nichts für Shredder-Kollegen, die sonst Ibanez-Hälschen hoch und runter flitzen. Meine Befürchtung, dass man die Risse im Lack auf der Halsrückseite spürt, bestätigt sich nicht – alles geschmeidig.

Der Klangcharakter der Junior offenbart sich im Grunde schon unverstärkt. Für eine Solidbody ganz schön laut, liefert sie so einen gewissen Twang auf den tiefen Saiten, die Mitten kommen offensiv nach vorne und warten auf Rock-Riffs, die Höhen präsentieren sich klar, deutlich, knochentrocken und ohne klirrige Anteile. Am Amp wird das Ganze eigentlich genau so – mit oder ohne Zerre – laut gemacht.

Der Clean-Sound am Fender-Amp kommt satt, blumig, vollmundig mit sehr angenehmen Höhen aus dem Speaker. Der Volume-Regler arbeitet gleichmäßig und ohne nennenswerte Höhenverluste. Der erste Eindruck vom Tone-Regler ist nicht ganz so positiv. Regelt man von 100 zurück (ja, die Regler-Skalen gehen in 10er-Schritten bis 100) passiert lange gar nichts, bei etwa 30 kippt der Sound dann schlagartig weg. Hat mehr von einem Schalter als von einem Regler und dient allenfalls für Wah-Wah-artige Effekte. Gerade bei so einer Gitarre mit nur einem Pickup würde man sich einen effizienten Klangregler wünschen, und von guten Les Paul Jr. kennt man das ja auch – da macht jede Poti-Einstellung eine neue Tür auf.

Aber wir haben ja noch den Coil-Split. Also mal den Tone-Regler hochziehen – das ist ein super Feature. Man purzelt nicht in eine völlig andere Klang-Abteilung, der Sound-Charakter bleibt, er hellt nur auf und verschlankt sich. Mehr Twang in den Bässen, mehr Biss in den Höhen.

Für meinen Geschmack kommt die Waterslide im Bereich Crunch, Medium-Gain am besten zur Geltung. Rock-Riffs zwischen Keef und Malcolm kommen mit knorpeliger, muskulöser Roughness, schön crisp, rau an den Kanten und das Gegenteil von poliert oder kultiviert. Herrlich. Mit dem Volume lassen sich wunderbar nicht nur Lautstärke, sondern auch Zerrgrad regeln – für den Tone-Regler bleibt das vorher gesagte gültig. Und wieder ist der Coilsplit ein super Werkzeug, um dem Sound mehr Licht und Twang zu verschaffen und etwas Overdrive herauszunehmen.

Unterm Strich lassen sich der Mojo Junior doch etliche erstklassige Sounds entlocken, wenn man die wenigen Mittel zu nutzen weiß. Die kraftvollen Rhythmus-Sounds sind absolut überzeugend und die Waterslide behält bei Sololäufen – auch mit richtig viel Distortion – immer ihren kernigen „rough-around-the-edges“- Charakter. Sehr sympathisch!

Waterslide Junior Mojo
Unique: Die Potis im Dampfradio-Look

RESÜMEE

Diese Gitarre ist ein Statement für unpolierten Rock’n’Roll und raubeinigen Blues … und bestimmt noch vieles anderes. Die Stimmigkeit von Optik, Haptik und Sound ist absolut überzeugend und weist Patrick Matera als einen geschmackssicheren Meister seines Fachs aus. Sollte sich die Möglichkeit bieten, diese oder eine andere Waterslide-Gitarre anzutesten: ergreife sie!

PLUS

  • eigenständiges Design
  • Finish, Aging, Parts
  • toller „etwas anderer“ Pickup, handgewickelt
  • Haptik, Spielkomfort
  • astreine Clean- und Zerr-Sounds mit rauem Charakter
  • moderates Gewicht

Waterslide Junior Mojo

Interview: Last In Line – Vivian Campbell

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(Bild: Matthias Mineur)

Ursprünglich als Tribute-Band für den im Mai 2010 ver­storbenen Frontmann Ronnie James Dio von den ehemaligen Dio-Mitgliedern Jimmy Bain (b), Vinny Appice (dr) und Vivian Campbell (g) plus Lynch-Mob-Sänger Andrew Freeman gegründet, haben sich Last In Line mittlerweile zu einer eigenständigen Formation mit eigenem Songmaterial entwickelt.

Noch vor Veröffentlichung ihres Debütalbums ‚Heavy Crown‘ verstarb Bassist Jimmy Bain im Januar 2016 während der Def-Leppard ‚Hysteria On The High Seas‘-Cruise. Für ihn kam Phil Soussan (u.a. Ozzy Osbourne, Steve Lukather, Ritchie Kotzen), der mit seinem variantenreichen Stil die Songs des Nach­folgers ‚Last In Line II‘ (2019) maßgeblich beeinflusst hat.

Im vergangenen Dezember war das Allstar-Quartett auf Deutsch­landtournee. Wir haben die Chance genutzt, um bei einem Konzert in der Isernhagener Blues Garage mit Def-Leppard/Last-In-Line-Saitenvirtuose Vivian Campbell über seine neue Epiphone Holy Diver Signature Les Paul zu sprechen, aber auch um seine legendäre Dio-Les-Paul etwas genauer in Augenschein zu nehmen.

Vivian, vor einigen Jahren hast du mir im Rahmen eines Def-Leppard-Interviews von deiner betagten Dio-Les-Paul erzählt, heute hast du sie sogar dabei. Es ist deine allererste wichtige Gitarre, nicht wahr?

Richtig. Mit 15 gründete ich in Belfast die Band Sweet Savage, mit der ich unter anderem vor Thin Lizzy und Motörhead gespielt habe, aber nie den Durchbruch schaffte. Damals träumte ich von einer Gibson Les Paul Standard Gold Top und jobbte jede freie Minute, um mir eine solche Gitarre leisten zu können. Als ich das Geld zusammen hatte, bestellte ich sie in einem kleinen Musikshop. Die Gitarre musste aus Amerika importiert werden, ich fuhr also jede Woche zum Shop, um zu schauen, ob sie schon angekommen war.

Eines Tages meinte der Verkäufer: „Wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute: Deine Les Paul ist da. Die Schlechte: Es ist keine Gold Top Standard, sondern eine weinrote Deluxe.“ Damals spielte auch Scott Gorham bei Thin Lizzy eine Deluxe, also nahm ich sie. Mein größtes Vorbild war damals Rory Gallagher, der aber glänzende Finishes hasste. Des­halb nahm ich Schmirgelpapier und raute die Oberfläche auf. Spä­ter habe ich sie schwarz lackiert, die Pickups und die komplette Hardware ausgetauscht und neue Bünde eingesetzt.

Campbells weiße Gibson Les Paul steht sonst in einem Belfaster Schaukasten.
Das Dunlop-Wah ist Campbells einziges Effektpedal.
Engl Ritchie Blackmore Signature plus 4x12er-Box

Ist sie deine am besten klingende Gitarre?

Nein. Ich muss gestehen, dass meine 58er-Reissues deutlich wär­mer klingen und mehr Ton haben. Aber die 77er-Deluxe ist nach wie vor die Gitarre, nach der ich als erstes greifen würde, wenn bei mir Zuhause ein Feuer ausbräche.

Seit wenigen Monaten gibt es sogar eine Epiphone Holy Diver Signature, die dieser Gitarre nachempfunden ist. War dein Verhältnis zu Gibson und Epiphone nicht viele Jahre ziemlich angespannt?

Ja, das stimmt. Es gab zwar Mitte der 90er einen vagen Kontakt, doch dann wurde die Firma immer unkooperativer und Künstler wurden kaum noch unterstützt. Nach dem Verkauf und mit neuem Management herrscht bei Gibson jetzt allerdings wieder eine völlig andere Firmenkultur. Phillip Wharton vom US-Custom-Shop rief mich vor drei Jahren an und sagte, dass sie mit mir ein Signature-Modell entwickeln möchten, und zwar auf Grundlage der Gitarre, die ich seinerzeit bei Def Leppard spielte. Die Sache nahm schnell konkrete Formen an, im Januar 2018 kam das Modell als Limited Edition auf den Markt. Ein tolles Instrument, auf das ich sehr stolz bin.

Natürlich fühlte ich mich geschmeichelt, außerdem kam auf diese Weise auch der Kontakt zu Epiphone zustande. Dort war man ebenfalls sehr interessiert an einem preiswerten Signature-Modell, allerdings auf Grundlage mei­ner Dio-Les-Paul-Deluxe. Ich schick­te ihnen die gewünschte Gitarre, sie machten sich Notizen zu allen Details und entwickelten anschlie­ßend eine vergleichsweise günstige Replika. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden, es basiert auf…

Repair Talk: Neue Hardware für die Paula – Teil 3

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Nachdem im Vorfeld so einiges gebohrt und gesetzt wurde, geht es nun im Anschluss darum, die verbaute neue Hard­ware ggf. noch ein bisschen zu justieren und den Vorgaben des Instruments anzupassen.

Was getunt werden kann oder was getunt werden muss, hängt von der Materialauswahl des Tuners ab. Im Visier steht dabei im heutigen Repair Talk der Steg, der ja – da gerade erst montiert – noch jungfräulich auf seinen Einsatz wartet. Oftmals unterschätzt wird die große Wirkung der kleinen Kerbe an der Oberkante eines Saitenreiters, welche die Saite posi­tioniert und darüber hinaus auch noch für ein sauberes Abstoppen der Saite verantwortlich ist.

UNGEKERBT IST VARIABEL

TonePros AVR2 – Tune-o-matic Bridge – Gold

Viele Stegtypen kommen mit vorgekerbten Reitern (Abb. 1/rechts). Das spart zwar Arbeit, da die Saitenpositionen vorgegeben sind – also nicht ermittelt werden müssen – hat aber auch den Nachteil, dass man den Vorgaben des Bauteils folgen muss. Individueller auf die jeweilige Einbausituation einstellbar sind ungekerbte Reiter (Abb. 1/links).

Abb. 1: Blank oder vorgekerbt: Verschiedene Reitertypen.

Ein Steg mit vorgekerbten Reitern ist in Punkto Sai­tenverlauf festgelegt und man verlässt sich darauf, dass die Mittel­achse und die Flucht des Instruments/Griffbretts mit der Stegposi­tion harmonieren. Führen Fertigungstoleranzen dazu, dass die Stegposition nicht ganz in der Flucht steht, laufen die beiden äu­ßeren Saiten nicht gleichmäßig zur Griffbrettkante, da die meist mittig vorgekerbten Reiter dies so erzwingen. Das muss nicht, kann aber störend sein (abrutschen an der Griffbrettkante), sodass ungekerbte Reiter ein Problemlöser sein können, um das noch feh­lende Quäntchen Mehr an guter Bespielbarkeit aus dem Instru­ment herauszukitzeln.

Abb. 2: So reguliert die Reiterkerbe den Saitenverlauf.

Die Abb. 2 zeigt wie die Kerbe im Reiter den Saitenverlauf bestimmt. Um aus den ungekerbten Einzelreitern das Optimum herauszuarbeiten, besaite ich den frischen Steg zu­nächst mit den beiden äußeren Saiten (Abb. 3).

Abb. 3: Die aufgelegten äußeren Saiten ermitteln die Position der äußeren Kerben.

Diese kann ich nun in aller Ruhe ausrichten, sodass der gewünschte Saitenverlauf an den Griffbrettkanten und/oder Pickups erreicht ist. Ähnlich wie bei Arbeiten am Sattel markiere ich die Position mit dem Bleistift oder einem Skalpell, sodass ich die Position der äußeren Saiten präzise aber nur leicht (also ohne tiefe Nut/Kerbe) angerissen habe (Abb. 4).

Abb. 4: Die äußeren Positionen sind angerissen.

Nach diesen äußeren Markierungen richtet sich nun der gleichmäßige Abstand zu den und zwischen den übrigen Saiten.

ALLES KEIN HEXENWERK

Auch wenn das Anreißen der übrigen Saitenpositionen kein Hexen­werk ist, so ist jedoch Präzision gefordert, da eine „verrissene“ Markierung selten um das fehlende Zehntel versetzt werden kann. Häufig enden Korrekturversuche in einer Kompromisslösung, in der man fünf Zehntel schon mal gerade sein lässt. Da hat jeder Handwerker seinen eigenen Weg ans Ziel. Bei mir funktioniert ein vorheriges Anzeichnen auf Kreppband ganz gut. Dazu fahre ich zu­nächst alle Reiter in eine Reihe und klebe die Oberkanten mit ei­nem durchgängigen Streifen Tape ab. Mit dem Fingernagel über­trage ich die Position der im vorangegangenen Arbeitsschritt er­mittelten Positionen der äußeren Saiten auf das Tape und mache die geritzte Markierung mit einem spitzen Bleistift besser sichtbar (Abb. 5).

Abb. 5: Ein Klebestreifen ermöglicht das Anzeichnen der Positionen.

Nun kann ich die gewünschten Saitenabstände (in der Regel gleichmäßig) auf dem Tape markieren. Geht mal ein Strich daneben, ist das kein Problem: Tape erneuern – neuer Versuch. Sitzen alle Markierungen wunschgemäß, übertrage ich anschlie­ßend mit einem Skalpell die Positionen durch das Tape auf die Rei­ter (Abb. 6).

Abb. 6: Ermitteln und Anreißen der noch fehlenden Positionen.

Die Klinge des Skalpells ist zwar nach diesem Arbeitsschritt ein Wegwerfartikel, dafür sind die Einzelreiter aber präzise angeritzt (Abb. 7 − schwer zu erkennen).

Abb. 7: Alle Positionen sind angerissen.

Nun gilt es, die angeritz­ten Markierungen in saitentaugliche Nuten zu verwandeln. Dazu verwende ich eine Dreikant- und eine Rundfeile (Abb. 8/links).

Abb. 8: Nachfeilen der Markierungen.

Ich beginne mit der Dreikantfeile. Die geritzte Markierung nimmt die Kante der Feile auf und führt sie, sodass ich sehr präzise eine V-för­mige Nut platzieren kann. Hierbei ist der Winkel, in dem die Feile geführt wird, kritisch. Genau wie die Sattelnut hat die Nut im Reiter die Aufgabe, die Saite zu führen aber auch gut definiert ab­zustoppen. Dazu muss die Saite in der Nut mit genügend Druck fixiert werden. Eine Nut, deren Grund parallel zur ankommenden Saite verläuft, verhindert ein sauberes Abstoppen – die Saite neigt zum Vibrieren in der Nut (klingt dann wie eine Sitar). Analog zum Nutverlauf im Sattel feile ich die Nut leicht schräg abfallend in Richtung Saitenhalter. Die Abb. 8/rechts verdeutlicht dies. Die Saite würde von rechts kommen und nach links zum Saitenhalter laufen. Bitte die Orientierung des Stegs (vorne/hinten) beachten, sonst läuft der Winkel falsch!

AUSREISSER VERMEIDEN

Vom Prinzip her genau so, wie die Saite ihren Weg zum tiefer lie­genden Saitenhaltern finden würde, vertiefe ich mit einigen Fei­lenstrichen die Nut mit schräg angesetzter Feile. Es reichen wenige Striche aus, um eine geeignete Nut auszuarbeiten. Anders als beim Sattel soll die Saite nicht im Reiter verschwinden. Bei den blanken Saiten belasse ich es bei der Dreikantfeile, bei den umsponnenen Saiten arbeite ich entsprechend der Saitenstärke mit einer geeig­neten Rundfeile nach. Da die Anordnung der Einzelreiter in der Höhe auf einen gleichmäßigen Griffbrettradius abgestimmt ist, ist es ratsam, die Kerben/Nuten möglichst gleichmäßig tief zu feilen, da sonst die resultierende Saitenlage ungleichmäßig sein wird und ggf. nicht zum Griffbrettradius passt.

Es ist leichter in späteren Arbeitsschritten bei Bedarf einzelne Sai­ten tiefer zu legen als umgekehrt alle Nuten gleichmäßiger tiefer auszuarbeiten nur um einen „Ausreißer“ einzufangen. Der Pfeil auf Abb. 8 weist noch auf eine kleine Stolperfalle hin. Beim Feilen kann ein Grat entstehen, der entfernt werden muss. Bleibt er stehen, kann er – ähnlich wie eine nicht korrekte Sattelnut – zu unsaube­ren Tönen führen, da er die Saite beim Schwingen berührt.

Tipp: Stört mal ein nervender Sitar-Effekt den Spielspaß, kann auch eine verdreckte oder korrodierte Nut im Saitenreiter die Ursache sein. Ein Säubern und/oder feines Nachschleifen der Nut lässt häu­fig die ungewünschte Sitar verschwinden.

Zurück beim Projekt sind wir gerade auf die Zielgerade eingebo­gen. Steg aufsetzen, Instrument komplett besaiten und dann im Anschluss die Gitarre einstellen. Intonation, Saitenlage, etc. Das sind Arbeitsschritte die schon im Rahmen der in der Vergangenheit behandelten kompletten Neubundierung ausführlich erklärt wur­den und in den Heften 12/18 bis 2/19 bei Bedarf nachgelesen wer­den können.

PRÄZISE REITER-FÜHRUNG

Die bis hierher beschriebene Montage von Steg und Saitenhalter bezog sich auf neue, unverbrauchte Hardware. Nicht jeder Tuner möchte aber den Weg des kompletten Austausches gehen, son­dern denkt eher über eine Instandsetzung nach. Sind bei einem Tune-o-matic Steg nur die Einzelreiter zu tief gekerbt und dement­sprechend verbraucht, könnte man ja auch nur die Reiter erneu­ern. Vom Gedanken her völlig geradlinig und zielführend, jedoch in der Umsetzung ggf. nicht ganz so simpel.

Abb. 9: Typischer Tune-o-matic Einzelreiter.

Die Abb. 9 zeigt einen ty­pischen Einzelreiter eines Tune-o-matic Stegs. Grob gesehen ein T. Das Loch im unteren Bereich nimmt die Schraube zum Einstellen der Intonation auf. Mit den Schultern des Ts soll der Reiter auf ei­ner Führung im Steg sitzen und laufen (Abb. 10).

Abb. 10: Die Führung für den Reiter in einem Tune-o-matic Steg.

Die Maße der Ein­zelreiter sind nicht genormt (dabei geht es um Zehntel) und so kann es vorkommen, dass der Abstand Schraube zu der Schulter des Saitenreiters nicht zum Maß Schraube/Führung am Steg passt. Im Resultat wird die Schraube schief geführt oder klemmt. Ebenso kontraproduktiv ist es, wenn der Reiter nicht richtig auf der Flanke aufsitzt, weil da ihn die Schraube zu hoch führt. Der Reiter sitzt dann nicht kraftschlüssig in der Führung, hat Spiel und neigt even­tuell dazu bei einer schwingenden Saite mitzuschwingen, was sich durch ein leichtes aber störendes „Sizzeln“ bemerkbar macht. Ein Tropfen Sekundenkleber kann in dem Fall den Reiter fixieren und das Sizzeln/Mitschwingen unterbinden. Da die kleine Menge Se­kundenkleber den Reiter aber nicht ewig fixiert, handelt es sich um einen „Erste Hilfe“-Ansatz und nicht um eine empfohlene Lö­sung. Spätestens bei einem ggf. notwendigen Nachstellen der Into­nation und dem Bewegen des Reiters ist es mit der Ersten Hilfe vorbei – der Kleber gibt auf. In der Konsequenz ist es dann sinnvol­ler, nicht auf die Kleberoption zu setzen, sondern den kompletten Austausch des Stegs zu erwägen.

DURCHHÄNGER MIT FOLGEN

Hinzu kommt, dass nach meiner Erfahrung ein verbrauchter Steg nicht nur an den Reitern kränkelt. Saitendruck, Handschweiß und Rock’n’Roll gehen häufig nicht spurlos an dem ansonsten massiv wirkenden Bauteil vorbei. Versteckt für das ungeübte Auge, hat ein gebrauchter Steg häufig noch eine statische Tücke.

Abb. 11: Sollsituation: Die Reiter folgen dem Griffbrettradius.

Die Abb. 11 zeigt, wie ein frischer Steg mit seinen Reitern in etwa dem Griff­brettradius folgt.

Abb. 12: Hat einen Durchhänger: verbrauchter Steg.

Die Abb. 12 zeigt einen Steg, der durch die oben genannten Anforderungen aufgegeben und sich nach unten durch­gebogen hat. Das Bild ist nicht übertrieben, viele Paulas aus den 80er- und 90er-Jahren leiden unter dem gezeigten Durchhänger. Selbst mit neuen, frischen Reitern (die ggf. dann auch gut sitzen) ist der Tuner mit solch einem verbogenen Steg nicht in der Lage, eine brauchbare Saitenlage einzustellen. Für ein erfolgsverspre­chendes und vorhersehbares Tuning rate ich dazu, weitestgehend neue, frische Bauteile zu verwenden.

An dieser Stelle wollte ich so langsam mit dem Outro in Richtung Pause steuern, da erreicht mich (nachweisbar nicht künstlich kon­struiert) die hilfesuchende Mail eines Stammkunden. Dieser hat sich eine gebrauchte Paula gegönnt, bei der nun nach dem ersten Saitenwechsel plötzlich die tiefe E-Saite scheppert. „Sinnbefreit“ nachbearbeitete Nuten im Steg werden als Ursache vermutet − Frischer Stoff für den nächsten Repair Talk!

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2020)

Harley Benton Silver Burst

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Harley Benton stellt eine neue Finish-Option für das SC-500-Modell vor: Silver Burst. Außerdem wurde die erste Gitarre der neuen SC-Custom-II-Serie angekündigt, die ebenfalls in Silver Burst angeboten wird. 

Bei der SC-500 hat man sich für eine Gloss-Lackierung entschieden, bei der SC-Custom II für ein mattes Satin-Finish.

Harley Benton SC-550 Silver Burst

Ausstattung:

  • Mahagonikorpus
  • Mahagonihals mit Jatobagriffbrett (’60s Halsprofil)
  • 2x Roswell LAF AlNiCo-5 Humbucker
  • WSC Tune-o-matic Bridge
  • WSC Kluson-style Tuners

Preis: Harley Benton SC-550 Silver Burst € 249


Harley Benton SC-Custom II Silver Burst

Das neue Modell ist eine Weiterentwicklung der SC-Custom und bietet ein paar Updates. Neben einem gerösteten Griffbrett aus Jatoba-Holz wurde die Halsverbindung überarbeitet. Dadurch soll es vereinfacht werden in hohen Lagen zu spielen.

Ausstattung:

  • Mahagonikorpus
  • Mahagonihals mit Jatobagriffbrett (’60s Halsprofil)
  • 2x Roswell LAF AlNiCo-5 Humbucker
  • WSC Tune-o-matic Bridge
  • Grover-Tuner

Preis: Harley Benton SC-Custom II Silver Burst € 249

www.harleybenton.com


Interview: Jason Isbell

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(Bild: ©ALYSSE GAFKJEN 2020)

Spätestens seit ihrem 2017er-Album ‚The Nashville Sound‘ spielen Jason Isbell und seine Begleitband The 400 Unit in der obersten Liga des Americana. Trotz der aktuellen Coronakrise hat der 41-Jährige nun den Nachfolger ‚Reunions‘ veröffent­licht. Uns erzählte er im Interview, was ihn musikalisch geprägt hat, welche Gitarren und Amps ihn aktuell inspirieren – und dass er die Quarantäne am liebsten in seinem eigenen Rockclub verbringt.

Doch wichtig zu erwähnen ist auch, dass sich Isbell selbst mit dem genannten Label „Americana“ nicht so recht anfreun­den kann. Seine Musik ist Melancholie bei voll aufgedrehten Amps oder schlicht – wie er selbst sagt – „Sad Rock“. Und auch die aktuelle Veröffentlichung zeigt, dass der Südstaatler seine Lektio­nen als Rockgitarrist gelernt hat. Vielseitig, versiert und virtuos.

Jason, momentan sind keine Shows möglich. Wie vertreibst du dir die Zeit?

Ich spiele definitiv mehr Gitarre als sonst. Man kann es vielleicht Üben nennen, aber ich mache das vor allem, weil es mir Spaß bereitet. 100 Meter hinter unserem Haus steht eine Scheune, die wir umgebaut haben, als wir eingezogen sind. Sie sieht jetzt aus wie ein Rockclub, mit einer Bühne und Discokugeln an der Decke. Sie ist schalldicht, sodass wir dort sehr laut spielen können. Neben all den Amps und Gitarren steht dort auch ein Fractal Audio Axe-Fx für meine Frau (Amanda Shires, spielt Geige bei The 400 Unit, Anm. d. Verf.) sowie ein Kemper, über den ich mit Kopfhörern spiele, wenn unsere vierjährige Tochter schläft.

Ich möchte mit dir über deine musikalische Sozialisation sprechen. Du bist 1979 geboren – und demnach aufgewachsen mit der Musik der frühen 90er-Jahre, oder?

Nicht ganz. Ich fing schon sehr früh an, Radio zu hören – das muss irgendwann Mitte der 80er gewesen sein. Gitarre spiele ich, seit ich sieben oder acht Jahre alt bin.

Was waren deine frühen Einflüsse?

Mein Großvater war Prediger in einer Kirche in Alaba­ma, er brachte mir alte Gospel- und Countrysongs auf der Gitarre bei. Aus dem Radio lernte ich dazu Lieder von Crowded House, Prince oder den Dire Straits. In meiner Teenagerzeit kam dann Grunge mit Nirvana, Pearl Jam und Soundgarden. Aber die ganze Zeit über hörte ich auch Blues. Mein Großvater ließ mich ein paar Stunden Gospelmusik spielen, dann belohnte er mich, indem er Slidegitarre mit seinem Taschenmes­ser spielte.

Wenn ich ihn lange genug an der Rhyth­musgitarre begleitete, während er Geige, Banjo und Mandoline spielte, zeigte er mir, wie man Slide mit offenen Tunings spielt. Er kaufte mir Robert-Johnson-Aufnahmen, als ich zehn oder elf Jahre alt war. Zu dieser Zeit habe ich mich in den Blues verliebt. Außerdem wuchs ich in der Nähe von Muscle Shoals auf, wo viele populäre Rhythm-&-Blues-Sachen der 1960er- und 70er-Jahre aufgenommen wurden. Schon als Kind kannte ich Musiker, die auf Platten von Otis Redding, Percy Sledge, Wilson Pickett oder Aretha Franklin gespielt hatten und sah ihnen bei Auftritten zu.

Auf der anderen Seite des Spektrums hast du mal Eddie Van Halen als Antrieb erwähnt.

Das war er. Und zwar ein großer. Meine Mutter hat mich ein paar Mal zu seinen Konzerten mitgenommen, als ich noch ein Kind war. Mit 14 oder 15 habe ich mich dann intensiv mit dem Katalog von Van Halen beschäftigt. Vorher hatte ich keinen Schimmer, was Eddie da macht.

Jason mit seiner Band The 400 Unit.

Dazu gibt es eine kleine Anekdote: Bei meinem ersten Auto funktionierte der Lautsprecher auf einer Seite nicht. Das hat mich sehr wütend gemacht, denn auf den frühen Van-Halen-Alben sind die Instrumente sehr nach links und rechts gemischt. Eddies Gitarre ist ganz rechts, und die Seite hat bei mir nicht funktioniert. Ich hörte nur die Hallfahne, die nach links geregelt ist. Ich löste das Problem, indem ich einen Kopfhörer aufsetzte und die Musik über einen Kassettenrecorder abspielte, der auf dem Beifahrersitz lag. Das war wohl ziemlich gefährlich, aber ich musste Eddies Gitarre hören können.

Hast du seine Sachen damals spielen können?

Vieles davon. Ich bin mir sicher, dass ich sie nicht ganz korrekt hinbekommen habe, aber ich habe definitiv viel vom Nachspielen dieser Platten gelernt. Ich konnte das Tapping-Zeug und icherinnere mich, dass ich das meiste von ‚Eruption‘ spielen konnte. Ich war damals ziemlich schnell.

In den frühen 90ern startete neben Grunge auch das, was man heute Americana nennt – mit Uncle Tupelo, aus denen dann Son Volt und Wilco hervorgingen. Hat dich das interessiert?

Von Anfang an – denn es brachte zwei Dinge zusammen, die mein Leben früh geprägt haben. Mein Vater mochte Arena Rock und Country-Musik. Er war 19, als ich geboren wurde, meine Mutter 17. Dad hörte Sachen wie Free, Thin Lizzy und Queen, und daneben Merle Haggard und Hank Williams. Beide mochten John Prine und viele andere dieser Folk- und Country-Songwriter. Deren Musik sprach mich mindestens genauso stark an, wie der Rock’n’Roll mit seinen lauten Gitarren. Irgendwann wurde mir bewusst, dass die Kombination aus hochklassigem Songwriting und rockigen Gitarren mich zu meinem musikalischen Ziel führen würde. Das ist es, was ich seitdem versuche.

Der Umstand, dass ich aus Alabama stamme und in der Mitte vom Nirgendwo auf­wuchs, gab mir diese ländliche Prägung, die mich für Bands wie Son Volt, Wilco und Uncle Tupelo sehr empfänglich machte. Speziell das erste Son-Volt-Album (‚Trace‘, 1995) war eine wichtige Platte für mich. Meine damalige Freundin lebte in St. Louis, wo auch Son Volt herkommen. Eines Tages hörte ich im Radio den Song ‚Drown‘. Ich dachte mir: Was ist das? Das ist fantastisch. Es hat laute Gitarren, dazu ist es ein toll geschriebener Song. Ich denke, das half mir auf den Weg, auf dem ich jetzt bin.

Das vielleicht letzte Detail deiner musikalischen Sozialisation ist das Slidespiel, das du eben schon erwähnt hast.

Da muss ich vor allem Duane Allman nennen – wie gesagt, ich bin im Süden aufgewachsen. Als ich zum Teenager wurde und anfing, mit anderen Musikern rumzuhängen, spielten wir viel von den Allman Brothers. Das waren wohl die ersten komplizierten Rock-sachen, in die ich wirklich kopfüber eingetaucht bin. Wir saßen herum, rauchten einen Joint und…

Gibson-Gitarren abseits des Mainstream

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In der Schlacht um die Six-String-Vormacht im Land benötigte Gibson mehr als zwei Jahre, um eine Antwort auf die Anfang der 50er-Jahre dominierende Fender Telecaster zu finden. Die Reaktion kam in Form des Les-Paul-Modells, welches trotz eines zittrigen Starts dann doch noch zu einer der weltweit beliebtesten und gefragtesten E-Gitarren avancierte.

Gibson Logo

Ab den 60er-Jahren präsentierte der amerikanische Hersteller zahlreiche Alternativen, um an den andauernden Erfolg der Les Paul anzuknüpfen. Einige dieser Kreationen haben ihren verdienten Platz in der E-Gitarren-Historie gefunden, andere wiederum fielen ihrem unzeitgemäßen Design oder einem unglücklichem Timing, oft auch beidem, zum Opfer und verschwanden in der Versenkung. Diesen Modellen sind die nun die folgenden Zeilen gewidmet.

Tradition?

Gibson galt immer schon als ein Hersteller, der stark auf etablierte Design-Merkmale und seine eigene Tradition achtete, aber in Wirklichkeit hat diese Firma weit mehr gewagt als der vermeintlich risikofreudigere Mitbewerber Fender. In den letzten 40 Jahren präsentierte Gibson eine deutlich größere und variantenreichere Modellpalette als der kalifornische Konkurrent. Seit Anfang der 50er Jahre galt in beiden Firmen die Parole, dem Mitbewerber ein Stück des wichtigen amerikanischen Marktes abzujagen. Interessanterweise fanden bei beiden Firmen längst nicht alle Neukreationen ein breites Publikum; umso wichtiger erschien es beiden, eine entsprechend hohe Aufmerksamkeit durch die Neuauflagen alter, erfolgreicher Instrumente auf sich zu lenken.

Die Attraktivität sich wiederholender Modelle schien für Gibson wichtiger als für Fender, deren einstmals neue Kreationen oft im Nichts verschwanden und seltener wiederbelebt wurden. Tatsächlich ist der eigentliche Erfolg so mancher Gibson-Gitarre durch die Häufigkeit ihrer Neuauflagen und Variantenvielfalt über Jahre hinweg begründet. Die Modelle, denen die Ehre der Wiedergeburt nicht zuteil wurde, dürfen mit Fug und Recht als die wahren Misserfolge dieser Firma zu werten sein. Es scheint, als ob Gibson mit einer solch großen Modellvielfalt das große Risiko in Kauf genommen habe, bestimmte Umsatzziele nicht zu erreichen.

Es gab aber auch Zeiten in diesem Unternehmen, da wurde in zu viele verschiedene Richtungen entwickelt, mit der Absicht, später einmal von dem Modell-Reichtum zu profitieren. Weniger beachtet wurde über Jahrzehnte hinweg die sicherere und letztendlich preiswertere Möglichkeit, aus den bereits bekannten und beliebten Modellen ausreichend Kapital zu schlagen. Erst die letzte und aktuelle Firmenführung hat die ungeheuren Möglichkeiten dieser Politik erkannt und aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten brillant in die Tat umgesetzt. Fakt ist: Gibson hat in den vergangenen 50 Jahren so viele Modelle entwickelt, dass selbst die Auflistung der weniger erfolgreichen den hier vorgegebenen Rahmen sprengen würde.

Begnügen wir uns damit, die besten der schlechtesten Entwicklungen des Unternehmens zu zeigen. Diese Auswahl sagt nichts über die eigentliche Qualität der Instrumente aus, sondern nur über ihren Erfolg beim Kunden Gitarrist.

Die Fünfziger

In diesem Jahrzehnt konzentrierte sich Gibson hauptsächlich auf die Entwicklung der Les Paul und brachte mit der Goldtop und Custom, aber auch mit den günstigen Junior- und Special-Modellen gut verkaufende Gitarren auf den Markt. Erst Ende der Dekade präsentierte man die Flying V und die Explorer, beide mit einer kantigen, extravaganten Linienführung, die im großen Gegensatz zu den konventionellen Kurvenlinien der ersten Gibson E-Gitarre standen. Vorwürfe, dass Gibson nur konservativ gestrickte Instrumente baue, veranlasste das Unternehmen, mit etwas völlig Neuem auf den Markt zu gehen.

Wie auch immer, diese radikalen, neuen Formen waren ihrer Zeit zu weit voraus und beide Gitarren erlagen einem schnellen wirtschaftlichen Tod. Jahre später wurden diese Modelle mit deutlich besserer Publikumsakzeptanz wiederbelebt, die eine stete Produktion verschiedener Varianten nach sich zog und auch so manchen Kopierer zu eigenen Versionen inspirierte. 1959 sorgte die Melody Maker für gemischte Blickwinkel und Eindrücke. Sie war eine konsequente Schülergitarre, zugeschnitten auf Anfänger mit wenig Raum im leeren Portemonnaie. Dem dünnen Korpus wurde zuerst ein einziger der Les Paul ähnlicher Cutaway verpasst.

Melody Maker 1964
Melody Maker 1964°

Zwei Jahre später änderte sich die Form erstmals – zwei stumpfe Cutaways prägten den Body, bis schließlich vier Jahre später eine SG-ähnliche Linie das endgültige Design festlegte. Ungeachtet dieser Modifikationen wurde die Melody Maker stets mit Singlecoils (einem, zwei und manchmal sogar drei) und einer einfachen Hardware-Ausstattung bestückt, die die Marktposition im Einsteiger-Segment definierte.

Die Sechziger

Unberührt von den negativen Erfahrungen mit der Flying V und Explorer präsentierte Gibson 1963 ein weiteres innovatives Instrument. Es war die Zeit, in der Gibson sich immer mehr auf Fenders Terrain hin bewegte. Ein Autodesigner wurde eigens für dieses Vorhaben engagiert. Das Resultat: Die erste Firebird-Serie, welche bestimmte Fender-Eigenheiten überdeutlich beinhaltete, brachte ein komplett neues, extremes Design mit neuer, „verkehrt“ ausgerichteter Korpusform (reverse) und einseitig an die Kopfplatte montierten Banjo-Mechaniken. Musiker und Händler waren jedoch nicht gerade begeistert, und zwei Jahre später entschloss sich Gibson, dieses schnittige Design vollkommen umzukrempeln.

Firebird III Reverse 1966
Firebird III Reverse 1966°

Nach der Überarbeitung des Body (nun non-reverse) zeigte das Instrument deutlichere Fender-Eigenschaften, aber auch diese Modifikationen steigerten nicht die Verkaufszahlen. 1969 erlahmten die Flügel der Firebird, um später wieder wie ein Phönix aus der Asche aufzusteigen. Die ersten originalen Reverse-Modelle waren plötzlich in den Siebzigern mehr als beliebt, so dass Gibson das Modell neu auflegte. Es gehört seitdem zu den gefragtesten Modellen des Hauses. Im Gegensatz dazu blieben die Non-Reverse-Firebirds von Glück und Nachfrage leider verschont und gelten auch heute noch als ein ausgewachsener Misserfolg.

Firebird III 1964
Firebird III 1964°

In den späten 60er-Jahren nahm Gibson die Les-Paul-Produktion wieder auf und schon bald wurden zwei neue Modell-Varianten vorgestellt, mit denen einige originelle Ideen des Namensgebers umgesetzt wurden. Mit der treffenden Bezeichnung Les Paul Personal offerierte Gibson nun ein Instrument mit leicht vergrößertem Body, einem Paar gewinkelt angeordneter, niederohmiger Pickups und einer stationären Mikrofon(!)- Buchse. Die Ausstattung der Les Paul Professional mit ihrer ungewöhnlichen Schaltung war dem Schwestermodell sehr ähnlich, doch startete diese in einem günstigeren Preissegment. Dank dieser extravaganten Eigenheiten war es nicht verwunderlich, dass sich die Verkaufszahlen in engen Grenzen hielten. Denn die Musik, die Les Paul spielte und für die er solch eine Art Les Paul benötigte, war nicht mehr angesagt.

Les Paul Personal 1969
Les Paul Personal 1969°

Es dominierte der Rock und der Blues, und dafür braucht man keine niederohmigen Pickups! Gleich zu Beginn des nächsten Jahrzehnts sollten beide Modelle durch eine einzige Nachfolgerin ersetzt werden, der es auch nicht besser erging.

Die Siebziger

Das Debüt der Les Paul Recording war 1971. Viele Design-Merkmale der Personal und Professional vereinigte die Neue mit ihrem nun ein wenig kompakteren Chassis. Das überarbeitete elektrische Regelsystem sollte eigentlich vereinfacht und damit verständlicher werden, aber Besonderheiten der Schaltung wie Phasenumkehr- und Hi/Lo-Output-Schalter, eine separate Bass- und Höhenregulierung und einige Schmankerl mehr garantierten, dass bei Otto-Normal-Spieler immer noch Verwirrung herrschte. Gibson hat mit dieser, der komplexesten Les Paul aller Zeiten, schon angedeutet, was da in späteren Jahren noch auf uns zukommen würde.

Die Recording blieb immerhin neun Jahre lang unverändert im Programm. Die L-5S, vorgestellt 1972, kann am besten als die „Les Paul von einem anderen Stern“ bezeichnet werden. Die etwas vergrößerte Form mit dem typischen Einzel-Cutaway wies auf ihre Familienzugehörigkeit hin. Doch sind gleichzeitig viele Anleihen an der L-5 Arch-Top festzustellen: z. B. das Mehrfach-Binding, das fantasievoll gestaltete Ebenholz-Griffbrett und der schnörkelige Saitenhalter. Zunächst brüstete sich die L-5S mit den niederohmigen Pickups der Les Paul Recording und deren Vorgängerinnen, die hier jedoch unter vergoldeten Kappen saßen. Später sind diese Tonabnehmer durch konventionelle Humbucker ersetzt worden, und ein Standard-Stop-Tailpiece nahm den Platz des Saitenhalters ein.

Diese ungewöhnlich auffällige Gitarre fand sich 13 Jahre lang im Gibson-Katalog wieder, eine überraschend lange Produktionszeit für ein verhältnismäßig wenig vom Markt beachtetes Modell. Vielleicht war sie einfach nur ein gutes Demonstrationsobjekt, dass zeigte, welche Möglichkeiten die Firma besaß? Ein Jahr nach der L-5S erweiterte die L-6S Custom diese Instrumenten-Familie. Ein dünner, flacher Ahorn-Body und der 24- bündige Hals waren die auffälligsten Merkmale dieser Gitarre. Die beiden Humbucker mit ihrer unverwechselbaren Form gestaltete übrigens Bill Lawrence alias Billy Lorento alias Wilhelm Stich, der zudem die Schaltung um einen Sechsfach-Drehschalter erweiterte. Das Schwestermodell L-6S Deluxe folgte 1975 mit denselben Pickups, aber einer vereinfachten Schaltung und durch den Body geführten Saiten.

Beide Modelle wurden bis Anfang der Achtziger Jahre gebaut, erzielten aber bei weitem nicht die Gewinnerwartungen des amerikanischen Herstellers, obwohl solch renommierte Musiker wie Carlos Santana und Al DiMeola die L-6S spielten und für sie warben. Schon Ende der Fünfziger Jahre hatte Gibson bei der Entwicklung der dünnen Halbakustik-Gitarren hervorragende Pionierarbeit geleistet, und nun genossen sie schon seit Jahrzehnten den ansehnlichen Erfolg mit Modellen wie ES-335, ES-345 und ES-330. 1973 ging Gibson die Idee an, eine neue ES-Gitarre zu bauen, die ebenfalls den Namen des bekanntesten Gibson-Endorsers tragen sollte. Der Les Paul Signature wurde ein ES- 335-ähnlicher Korpus mit ungleichen Cutaways und die mit der ersten Les-Paul-Gitarre eingeführten Lackierung in Gold verpasst. Um den Les-Paul-Charakter beizubehalten, spendierte Gibson der Gitarre, die sich ja nicht wehren konnte, zwei niederohmige Humbucker.

Les Paul Signature 1976
Les Paul Signature 1976°

Das Layout der Regleranordnung erfuhr ebenfalls einige Veränderungen, und dies alles reichte aus, um das Kind wieder einmal in den Brunnen fallen zu lassen – schade eigentlich für ein Instrument, dass dem Thema Semiakustik-Gitarre einige neue Aspekte hätte bringen können. Die Marauder war ein weiteres Projekt zu einer Zeit, als Gibson nach neuen Marktmöglichkeiten für Solidbody-E-Gitarren Ausschau hielt, die eine vielseitige Performance versprachen. Diese Gitarre ähnelte in Form und Größe zwar noch einer Les Paul, doch eingefleischte Gibson-Fans wurden mit einem verschraubten Hals geschockt.

Dazu gab die Kopfplatte, die der Flying V entliehen war, ein noch fremdartigeres Outfit, und auch die Tonabnehmer wichen stark von der bekannten Gibson-Norm ab. Zwar stammen diese wiederum von Bill Lawrence, doch ein Humbucker am Hals und ein Singlecoil mit längs verlaufender Klinge am Steg, beide in Epoxydharz gegossen, hatte man bis dato noch nicht gesehen. Und wollte sie auch nicht sehen. Die Marauder assoziierte stets das Image der Unvollkommenheit, und die wechselhaften Qualitätskontrollen des Hauses Gibson zu jener Zeit trugen auch nicht gerade zur Verbesserung dieses Modells bei, so dass diese Gitarre von 1975 bis 1982 ein trauriges Dasein als Ladenhüter fristete, um dann endlich aus dem Programm genommen zu werden.

Ein Jahr nach der Marauder tauchte die S-1 auf der Bildfläche auf. Ihre direkte Abstammung von der Marauder kann sie nicht verbergen: Gleicher Body, verschraubter Hals und auch die Kopfplatte ihrer Vorgängerin waren eindeutige Zeichen. Die Elektrik stammte wiederum von Bill Lawrence, und ins Schlagbrett waren drei Singlecoils montiert, die tatsächlich Fender-ähnliche Töne produzierten und von einem Vierfach-Drehschalter angesteuert wurden. Obwohl sich Ron Wood in ganzseitigen Anzeigen zur S-1 bekannte, verkannten unglücklicherweise die meisten Musiker die vielfältigen Möglichkeiten der S-1, so dass diese wenig gekauft und nur bis Anfang der Achtziger Jahre gebaut wurde.

S-1 1976
S-1 1976°

1977 beschloss Gibson alle bislang wichtigen Erfahrungen und Maßnahmen im Bau von Solidbody-Gitarren in der innovativen RD-Serie umzusetzen. Die Gestaltung des Body glich einer gemäßigten Firebird-Form, war jedoch etwas kurviger, und wurde mit einem Hals kombiniert, der endlich wieder von einer klassischen Gibson-Kopfplatte gekrönt wurde – ein merkwürdiges Sammelsurium neuer und alter Elemente. Es war jedoch die Schaltung, die die RD-Serie zu etwas Besonderem machte und auf den Stand der damaligen Zeit hievte. Während die RD Standard mit einer konventionellen Elektrik bestückt war, präsentierten sich die Custom und Artist mit einer aktiven Schaltung, die kein Geringerer als Bob Moog, damals mit seiner Firma ebenfalls wie Gibson unter den Fittichen des Norlin-Konzerns, entwickelt hatte.

Bässe und Höhen konnten separat geregelt werden, und dem Flaggschiff, der RD Artist, wurden zudem noch Kompressor- und Expander-Effekte spendiert. Leider schienen all diese neuen Funktionen die meisten Gitarristen zu überfordern, die zu allem Überdruss bis dato keine Freunde von batteriebetriebenen Instrumenten gewesen waren. Und diese Schaltung war ein regelrechter Batterie-Fresser! All dies ließ das mit großen Plänen gestartete RD-Vorhaben in den frühen Achtzigern scheitern.

RD Artist 1978
RD Artist 1978°

Kurz vor dem Aus der RD-Instrumente versuchte Gibson noch einiges des einst viel versprechenden Projektes zu retten und versah Les Paul-, SG- und ES-Modelle mit aktiven Elektroniken, doch selbst diese bekannten, beliebten und erfolgreichen Designs fanden in ihrer aktiven Form nur wenige Freunde.

Die Achtziger

Mit der Sonex startete Gibson in das folgende Jahrzehnt, das eine Menge an Aufregung brachte. Und Höchstanstrengung der Gibson-Verantwortlichen, mit preiswerten Instrumenten den aus dem fernen Osten einströmenden und preislich sehr attraktiven Gitarren Paroli bieten zu können. Der Sonex-Body mit nur einem Cutaway zeigte deutlich die Les-Paul-Verwandtschaft, aber Konstruktion und Baukomponenten deuteten eine andere Marschrichtung an. Ein mehrteiliger Body, der verschraubte Hals und ein Schlagbrett mit zwei integrierten Humbuckern plus entsprechender Elektrik waren die auffälligsten Merkmale.

Dennoch, Gibsons Bemühungen scheiterten, der erhoffte Erfolg blieb aus. Die Sonex war weder preislich richtig attraktiv noch hochwertig genug, um neue Kunden zu gewinnen bzw. den qualitativ besseren und kostengünstigeren JapanGitarren die Stirn zu bieten. Nach fünf Jahren wurde die Sonex-Produktion eingestellt. Die 335-S erschien ebenfalls 1980 als eine massiv (!) gebaute Schwester der ES-335. Natürlich musste der Korpus wegen des hohen Gewichts der Voll-Mahagoni-Konstruktion ein wenig verkleinert werden, doch mit den beiden Cutaways sollten Stil und Charme des erfolgreichen Originalmodells transportiert werden.

Konstruktion, Hardware und die Ausstattung mit zwei Humbuckern und dem Gibson-typischen Regler-Layout brachten Altbewährtes. Anders als der Standardversion wurde der Deluxe und der Custom ein Schalter zur Umschaltung auf Singlecoil-Betrieb spendiert. Das schlichte, effektive Design der 335-S ist ein bemerkenswertes Beispiel für ein wenig aufregendes, aber zuverlässiges Arbeitsgerät, welches dennoch kaum Interesse unter den Gitarristen fand und nach zwei Jahren wieder in der Versenkung verschwand. Mit einem publikumswirksameren Aussehen und der sehr optimistischen Bezeichnung Victory schob Gibson 1981 ein neues Projekt an, um wieder einmal in den Fender-Gefilden zu wildern.

Victory MVX 1982
Victory MVX 1982°

Der asymmetrische Body erinnerte in seiner Form eindeutig an den California-Style, die einseitig mit Mechaniken bestückte Kopfplatte und ein Schlagbrett, dass alle elektrischen Teile trug, verstärkten diese Tendenz. Die MV-II arbeitete mit zwei Humbuckern, die MV-X erhielt Singlecoils für Fender-ähnliche Sounds. Trotz all dieser neuen Merkmale wechselten (Fender-) Gitarristen nicht zum neuen Gibson-Konzept und nach drei Jahren musste der Hersteller eingestehen, sich ausgerechnet mit der Victory erneut eine Niederlage eingehandelt zu haben. Zwischen 1982 und 1984 wurde die äußert ungewöhnliche Corvus gesichtet, ein Modell, das eher zu einem kleinen, abgefahrenen Hersteller denn zu der großen Weltfirma Gibson gepasst hätte.

Corvus III 1983
Corvus III 1983°

Dass dem nicht so war, lässt sie in einem umso merkwürdigeren Licht erscheinen. Der Form des Korpus erinnerte an einen großen Dosenöffner, und die einseitig bestückte Kopfplatte thronte auf einem angeschraubten Ahornhals. Die Corvus erschien in den Varianten I, II, und III, wobei die Zahlen der Modellbezeichnung die Anzahl der Pickups angaben. Aufsehen erregende Farben sollten zudem den optischen Eindruck verstärken, den diese Gitarre ohne Zweifel zu hinterlassen im Stande war. Zur selben Zeit produzierte Gibson noch die Futura, eine Hochpreis-Variante der Corvus mit durchgehendem Hals und zwei Humbuckern. Dass zwischen all diesen neuen Designs urplötzlich die Wiederbelebung und Aufwertung einer eigenen Legende eingeschoben wurde, hatte nichts mit einer urplötzlichen Vision zu tun, sondern damit, dass ein anderer amerikanischer Hersteller bereits mit einem nahezu gleichen Modell Erfolge und Marktanteile gesammelt hatte.

Die Gibson Spirit, 1983 vorgestellt, erinnert gleichermaßen an die Double-Cutaway-Version der Les Paul Special aus den 50er Jahren, wie auch an die Hamer Sunburst, die in den 70er Jahren auf den Markt gekommen und überraschend erfolgreich war. Die Spirit war also eine Kopie einer Kopie und konnte trotz der offensichtlich vorhandenen Qualität nicht einmal an Hamers Erfolge anknüpfen, denn kaum einer wollte eine Gibson Solidbody mit Double-Cutaway haben. Daran änderten die verschiedenen Versionen der Spirit, die teilweise mit Kahler-Vibrato und spitzer „Rock“-Kopfplatte (Spirit II XPL) ausgeliefert wurden, natürlich überhaupt und erst recht nichts.

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Die Erfolgs-Story der so genannten „Super Strats“ in den 80er Jahren wurde auch von Gibson zur Kenntnis genommen, und schon bald sollte die Antwort aus Nashville auf diesen neuen Trend folgen. Mit Hilfe von Wayne Charvel, der mit seinen eigenen RockMaschinen mitverantwortlich für den neuen Boom gewesen war, entstanden zwei neue Gibson-Modelle. Die SR-71 und die WRC, beide 1987 präsentiert, zeigten deutliche Charvel-Anleihen plus aller notwendigen Super-Strat-Spezifikationen wie einem Floyd-Rose-Vibrato und heiß gemachten Pickups.

Ein Jahr zuvor waren die US-1 und U-2 auf den Markt gebracht worden, die in denselben Gewässern fischen sollten und sehr viel Ähnlichkeiten zu den oben genannten Gitarren besaßen. Mangelnde Qualität war wie bei den meisten hier aufgeführten Gitarren nie das Problem, doch der Imagekonflikt mit der Marke Gibson sorgte für Kopfzerbrechen. Kein Gitarrist erwartete und vermutlich wünschte sich auch nicht z. B. eine spitze, einseitig aufgebaute Kopfplatte mit dem Gibson-Logo. So kam es, dass keine dieser Gitarren das folgende Jahrzehnt erlebte und Gibson endgültig beschloss, den Bau dieser Gitarrentypen Herstellern mit dem „richtigen“ Image zu überlassen.

US-1_1987
US-1_1987°

Die Neunziger

Unter der neuen Führung, die die Geschicke der Firma seit einigen Jahren lenkte, entschied Gibson sich, wieder verstärkt auf alte Werte zu setzen und damit ihr Geld zu verdienen; denn alle Mühen, Neues vorzustellen, verliefen zu oft im Sand. Der Drang zu weiteren Experimenten war aber nicht vollständig verloren gegangen. Ab und zu brach er wieder aus, z. B. mit den 1991 geborenen MIII– und M-IV-Modellen. Diese Gitarren wurden durch ihr äußerst eigenständiges Design bekannt: ein großes, nach links abschweifendes oberes Korpushorn und ein Ahorn-Griffbrett mit pfeilspitzenartigen Inlays und Reversed-Kopfplatte.

M-III Standard 1991
M-III Standard 1991°

Das Arrangement der Tonabnehmer bestand aus zwei Humbuckern mit einem dazwischen gesetzten Singlecoil, umrahmt von einem kleinen Schildpatt-Schlagbrett. Eine neuartige, aufwändige Schaltung und ein Floyd-Rose-Vibrato gab es schon in der einfachen Serien-Ausführung. Merkmale genug, um der Gitarre eine gewisse Qualität und den Konstrukteuren Intelligenz zu bescheinigen, die aber auch die Vorhersage eines schlechten Ausgangs für dieses Modell zuließen. Diese Gitarre bewegte sich einfach zu weit abseits der Gibson-Norm! Und trotz einiger gemäßigt gestalteter Folgexemplare gab es nach 1995 keine M-Serie mehr.

Die Moral von der Geschicht Seitdem hält sich Gibson mit neuen Versuchen stark zurück und verschont Musiker mit wagemutigen Neuheiten. Neuauflagen, Reproduktionen und Instrumente mit geringen Detailverbesserungen prägen heute das Gros der Nachfrage und der Produktion. Die große Anzahl diverser Varianten etablierter Modelle im Katalog des Herstellers zeugen davon, dass die ehemals große Risikofreudigkeit durch einen allzu starren Markt, in dem Image mehr bedeutet als Qualität, therapiert wurde. Heute werden nur noch im Custom Shop ab und an neue und meist interessante Gitarrenkonzepte entwickelt, die, wenn sie sich dort bewährt haben, sprich: eine gewisse Nachfrage erkennbar ist, in die Serienproduktion gehen, entweder im Custom Shop selbst oder aber bei der Schwesterfirma Gibson Electric.

Gute Beispiele für solche neuen Modelle, die aus dem reinen Experimentier-Stadium zur Serienreife gelangten, sind die Halbresonanz-Modelle ES- 135, ES-137, ES-336 und ES- 446. Sicherlich sind diese Gitarren keine aufregenden Eye-Catcher wie so manch schräger Vogel in diesem Artikel, aber ihre Konstruktionen bergen einige interessante Details, die den zeitgenössischen Gitarrenbau ein Stück weitergebracht haben.

Gitarren sammeln: Was lohnt sich, was lohnt sich nicht?

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Nein, ich bin nicht der freundliche Anlageberater der Bank Ihres Vertrauens! Obgleich in unserem speziellen Fall der Aspekt „Wertsteigerung“ eigentlich nicht alleiniger Sinn und Zweck des Gitarrensammelns sein sollte, taucht die Frage „Welche Modelle sind lukrativ, wovon soll ich besser die Finger lassen?“ unter Kollektionsnovizen gar nicht mal so selten auf.

Sammelthema: Die Beatles-Cavern-Club-Periode. Instrumente: Uwe Brügmann

Da es jedoch um Musikinstrumente geht, sollte man vom Sammelnden u. a. gewisse musikalische Interessen und Kenntnisse erwarten dürfen. Auch erweisen sich spielerische Fähigkeiten nicht als hinderlich, wenn man sich über die Klangeigenschaften und -qualitäten einer Gitarre oder eines Basses ein eigenes Urteil bilden möchte.

Thema Farbe: Fender Jaguar, Jazzmaster, Coronado und Telecaster in Lake Placid Blue

Es gibt heute beinahe nichts, was nicht gesammelt wird. Jedoch lockt Opas Bierdeckel-, Briefmarken-, Münz- und Streichholzschachtelkollektion die Enkel ebenso wenig hinterm Ofen hervor, wie Omas Mokkatassen-, Knopf-, Topflappen- und Stickbildersammlung. Gesammelt wird beinahe nur noch, was Wertsteigerung verspricht.

Wir Gitarren-Freaks können mitunter merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag legen. Als angehender (heute Ex-)Vintage-Sammler war ich einmal echt pikiert, als ich 1979 während einer Band-Probe stolz meine damals gerade erstandene originale 1957er Les Paul Standard (mit PAF-Tonabnehmern) auspackte, und ein Roadie dies mit „Haste eigentlich keine Kohle für ’ne neue Gitarre?“ kommentierte. Der Mann war einfach nicht im Bilde…

Wie das Gitarren sammeln anfangen?

Nur selten konzipiert ein angehender Gitarrensammler sein Vorhaben konkret und detailliert. Meist entstehen Sammlungen zunächst eher zufällig und entwickeln über die Jahre hin Bezug zu einem bestimmten Thema, sprich Gitarrentyp oder -modell. Eines unterscheidet jedoch den puren Sammler vom sammelnden aktiven Musiker: Während Ersterer oftmals bestimmte Instrumente eines Herstellers nach Baujahren, Modellreihen oder Lackierungen sucht, zeichnet sich die Kollektion eines Musikers durch Marken- und Typenvielfalt aus.

Auch bevorzugt der Sammler in erster Linie Exemplare in tadellosem, im Fachjargon mit „mint” oder „near mint” bezeichneten Originalzustand, während der Musiker oftmals so genannte „Player“ vorzieht, also Instrumente, die durch Modifikationen wie z. B. neue Mechaniken einfach besser spielbar gestaltet wurden. Dabei handelt es sich meist um intensiv gespielte, oftmals auch modifizierte oder/und überlackierte (oversprayed, refinished) Gitarren in weniger gutem Zustand, die einen Bruchteil der gut erhaltenen kosten. Allerdings klingen selbige erfahrungsgemäß meist besser, da sie unzählige Stunden gespielt wurden.

Fakt ist auch, dass ein absolut „unverbasteltes“ Instrument im Originalzustand ungeachtet seines optischen Eindrucks wertvoller ist, als ein modifiziertes, neu lackiertes oder mit Ersatzteilen rekonstruiertes. Man stelle sich vor, Don Gallagher hätte nach dem Tod seines Bruders Rory dessen geschundene Strat neu lackieren lassen, um sie eventuell besser verkaufen zu können. Höchststrafe! Aber der Mann ist schließlich vom Fach.

Inzwischen dürfte es selbst bis in die hintersten Winkel unserer Republik gedrungen sein, dass sich der Otto-Normal-Sammler etwaige Wünsche nach erschwinglichen Gibson Jazz-Gitarren, Les Paul Standards und ES-335/345/355 sowie Fender Broad-, No-, Tele- und Stratocaster-Modellen der 1950er- und frühen 1960er-Jahre, getrost abschminken kann. Speziell bei diesen gesuchten Gitarren ist der Markt abgegrast, und tauchen dennoch solche Modelle auf, werden sie meist in ein weltweit existierendes Sammler-Informationsnetz eingespeist und sind genauso schnell „gebunkert“ wie aufgetaucht.

Dennoch kann der, der eine Nase für gute Instrumente und Trends besitzt, heute immer noch lohnende Schnäppchen machen. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass die ersten Fender Squier-Modelle der JV- und SQ-Serien, mit denen der US-Hersteller zu Beginn der 1980er versuchte, den erstklassigen japanischen Kopien von Tokai, ESP und anderen Paroli zu bieten, zu begehrten und zurzeit (noch) erschwinglichen Sammlerstücken mit steigendem Wert avancieren würden? Und die vorzüglichen japanischen Fender-Vintage-Reissues der späten 80er und 90er Jahre sind auf dem besten Weg dorthin.

Was sammeln?

Ganz einfach, nämlich zunächst schlichtweg das, was man mag, und was die finanzielle Situation erlaubt. Tunlichst zu vermeiden ist es, für den Kauf einer Vintage-Gitarre einen Bankkredit aufzunehmen, es sei denn, es handelt sich um ein echtes Schnäppchen der Marke „Nummer sicher“. Die Sammelleidenschaft sollte quasi die persönlichen Vorlieben oder Interessen am Gitarrenspiel fortsetzen. Die meisten der bekannten Sammler starteten mit der Suche nach einem ganz bestimmten (Traum-)Instrument, oder wurden durch ein zufällig entdecktes animiert.

Sie begannen, sich für dessen Historie und Konstruktion zu interessieren und erlangten in diesem Zuge umfangreiches Allgemeinwissen über Vintage-Gitarren. Auch in diesem Genre können nämlich Wissenslücken unter Umständen eine Menge Geld kosten. Sammeln ist ein ständiger Entwicklungsprozess. Wer beispielsweise eine ältere Gitarre besitzt, beginnt am besten damit, so viel wie möglich über sie und eventuelle Vorgängermodelle zu erfahren.

Unzählige Veröffentlichungen entsprechender Fachliteratur, Internet-Foren, der Besuch von Fachmessen oder -ausstellungen und Kontakt zu anderen Sammlern erleichtern die Recherche ungemein und erhöhen gleichzeitig den Wissensstand. Grundsätzlich empfiehlt es sich – wenn man nicht gerade auf absonderliche Farben und Formen steht – Gitarren, die bereits in ihrer Erscheinungsperiode Erfolge aufzuweisen hatten, und deren Kopien zu sammeln. Erfahrungsgemäß erfreuen sich solche Instrumente immer einem gewissen Wert-Zuwachs, während Modelle, die schon bei ihrer Vorstellung keinen interessierten, auch später unbeachtet bleiben. Ausnahmen wie Gibsons exzentrische Flying-V- und Explorer-Gitarren bestätigen da nur die Regel. Hier ein paar praktische Sammelvorschläge:

  • Instrumente eines Herstellers in einer bestimmten Farbe
  • Instrumente verschiedener Hersteller, aber eines bestimmten Baujahres, z. B. des eigenen Geburtsjahres – was bei dem ein oder anderen von uns allerdings ein recht teures Vergnügen sein kann
  • Ein bekannter Instrumententyp (z. B. Fender Stratocaster) und dessen Kopien
  • Ein bestimmter Instrumenten-Typ in seinen verschiedenen Versionen (z. B. Les Paul Standard, Custom, Special, Junior etc.)
  • Eine komplette Serie (z. B. Fender Standard Strat, Tele, Jazz Bass, Precision)
  • Die verschiedenen Baujahre eines bestimmten Instrumententyps, z. B. eine Reihe von Telecaster-Modellen von 1970 bis 1979
  • Alle Signature-Modelle eines Künstlers, einer Band, oder einer Musikrichtung (z. B. alle Ibanez Steve-Vai-Modelle, alle Mark-King-Signature-Bässe etc.)

Wo suchen?

Überall! Na ja, ganz so einfach ist es natürlich nicht, schließlich liegen gute Instrumente nicht auf der Straße oder gar im Sperrmüll herum. Obwohl … auch das hat es alles schon gegeben! Glücklich kann sich schätzen, wer eine Vintage-Gitarre aus zweiter Hand erwerben kann, vorzugsweise mit originalen Etiketten und Kaufbeleg. Die meisten Sammler ziehen den Kauf von Privatleuten vor, da die begehrten Objekte beim Händler in der Regel teurer sind.

Pfandhäuser (engl.: pawn shops) und Flohmärkte dürften für denjenigen eher uninteressant sein, der bestimmte Modelle der renommierten Hersteller sucht. Jedoch auch hier gilt: Nichts ist unmöglich, keine Chance ungenutzt lassen! Dagegen kann dort leicht fündig werden wer auf deutsche oder unbekannte (ost-)europäische Fabrikate schwört. Auch Kleinanzeigen in Tagespresse, Stadtzeitungen, Fachzeitschriften und speziellen Anzeigenblättern sind immer für die eine oder andere Überraschung gut.

Interessant sind auch die meist kostenlosen Inserate im Internet, die sowohl auf den Websites großer Musikläden als auch von Privatleuten zu finden sind. Momentan sehr beliebt sind Web-Auktionshäuser wie ebay. Ganz „ausgeschlafene“ Zeitgenossen verteilen sogar Suchanzeigen in Seniorenheimen. Trotz des derzeit günstigen Dollar-Kurses sind Vintage-Instrumente in den USA zurzeit teurer als hier zu Lande, auch wenn sich die dortigen Dealer erfahrungsgemäß recht verhandlungsbereit zeigen.

Mal eben eine Gitarre zur Aufbesserung der Urlaubskasse aus den Staaten mitzubringen ist nicht mehr so lukrativ wie noch in den 70er und 80er Jahren. Besonders kostspielig wird es, wenn man sich das im www erspähte Objekt der Begierde von einem der zahlreichen amerikanischen Vintage-Händler zuschicken lassen möchte. Zuzüglich zum vereinbarten Preis muss man nämlich noch gut ein Drittel Versandkosten, Transportversicherung und Einfuhrumsatzsteuer einkalkulieren. Sollte das gelieferte Instrument nicht gefallen oder nicht den Beschreibungen des Händlers entsprechen, kann man es in der Regel zwar wieder zurückschicken, jedoch ausschließlich auf eigene (erhebliche) Kosten.

Was lohnt sich?

Wer ganz sicher gehen will, sammelt die nach wie vor begehrtesten Gitarren: Gibson Les Pauls der 50er Jahre bis 1960, ES-Modelle der 335-, 345- und 355-Reihe von 1958 bis 1964 (Stoptail-Periode), Fender pre-CBS Modelle (bis 1965), Vollresonanzgitarren bis Anfang der 60er (Gibson, D’Angelico, Gretsch, Guild) und etliche andere. Bei solchen Modellen werden die Preise mit ziemlicher Sicherheit stabil bleiben und teilweise auch weiterhin steigen. Aber wer kann und will bei diesen Kursen überhaupt mithalten?!

Kümmern wir uns also um die erschwinglichen Dinge. Inzwischen hat der hiesige Vintage-Markt die Qualität deutscher Produkte entdeckt. Abgesehen von den eher kultigen 50er- und 60er-Jahre-Kopierversuchen der Firmen Framus, Höfner, Hoyer, Hopf, Klira u. v. a. sind zurzeit erstklassige Repliken und auch eigene Kreationen von Hoyer aus den 70ern und frühen 80er Jahren gefragt. Sie zeichnen sich vor allem in puncto Konstruktion (oftmals durchgehende Hälse), Hardware, Klang- und Verarbeitungsqualität aus.

Einen gewissen Ausnahmestatus besitzen die aus massiven Hölzern handgefertigten Jazz-Gitarren der Firmen Glassl, Lang und Roger (Rossmeissl), die inzwischen schon für vergleichsweise recht hohe Summen über den Tisch gehen, und je nach Zustand und Modell auch mal bis zu € 2000 kosten können. Wertsteigerung ist auch bei hochwertigen Kopien von Gibson- oder Fender-Klassikern zu beobachten, vorzugsweise Ibanez-Modelle der frühen bis mittleren 70er Jahre, aber auch eigene Kreationen wie die Artist-Serie, das Bob-Weir-Modell und die Denny-Lane-Doubleneck, von der nur zwölf (!) Stück gebaut wurden.

Lukrativ dürften auch die ersten Fender/Squier-Serien der frühen 80er, die Japan Reissues der 80er und 90er Jahre und frühe ESP- und Tokai-Kopien werden. Hauptsache es sind Produkte japanischer und nicht koreanischer Herkunft!

Auch aktuelle Instrumente, exklusiv für Fernost produziert, werden in Zukunft den europäischen und amerikanischen Sammlermarkt erobern, da kaum zu bekommen. Hierzu zählt die Marke Orville (by Gibson), die eine nahezu komplette Palette erstklassiger Kopien der Gibson-Klassiker bietet. Seit dem Tod des Briten Tony Zemaitis sind nicht nur die Preise seiner Originale explodiert, sondern auch die Kopien diverser Hersteller dermaßen gefragt, so dass neben dem Zemaitis User Club inzwischen auch ein Zemaitis Copy User Club entstanden ist.

Da Zemaitis-Kopien mangels erteilter Lizenzen nicht offiziell verkauft werden dürfen, ist die Zahl recht rar. Es ist auch nicht genau bekannt, welcher Hersteller solche Kopien produziert oder in kleinen Stückzahlen fertigt bzw. gefertigt hat. Es existieren eine handvoll prächtiger Modelle von Tune/Blade und Greco, und Cort hat einmal auf einer asiatischen Musikmesse drei wunderschöne Prototypen präsentiert, die jedoch (leider) nie in Serie gingen.

Ich bekam einmal eine koreanische Zemaitis Pearl Front Replica mit verschraubtem Hals in meine Hände, die qualitativ nicht mit den japanischen Kopien konkurrieren konnte. Es empfiehlt sich also, vom nächsten Japan-Trip eine Orville oder eine Zemaitis-Kopie mitzubringen. Auch Gibson-Kopien des japanischen Herstellers Tokai mit neuerem Datum sind für die Zukunft nicht uninteressant, da sie in überschaubaren Stückzahlen, qualitativ auf hohem Niveau gefertigt und deshalb recht begehrt sind.

Soll es jedoch unbedingt ein „echter“ Oldie eines der renommierten US-Hersteller zum halbwegs akzeptablen Kurs sein, bieten sich 60er-Jahre-Low-Budget-Instrumente von Gibson, Epiphone und Fender an. Zu erkennen sind sie meist an ihrem einzelnen Singlecoil-Pickup. Als lukrativ erweisen sich Gibsons und Epiphones mit P-90s (Dog Ear-Pickup). Einige Modelle verfügen auch über zwei einfache Singlecoils. Die Gibsons tragen die Bezeichnung Junior, Special und Melody Maker, von Epiphone empfehlen sich die Modelle Coronet, Olympic und Olympic Special sowie die Japan-Modelle Scroll 450 und 550 aus der Mitte der 70er Jahre. Fenders „Einsteiger-Gitarren“ sind Duo Sonic, Musicmaster, Mustang, Bronco und Musiclander.

Man sieht, der Sammlermarkt bietet immer noch eine Menge Interessantes und mitunter noch durchaus Bezahlbares, wenngleich sich die Wertsteigerung in dieser Sparte sicherlich im überschaubaren Rahmen halten wird. Aber wer weiß, ob nicht der nächste Guitar Hero mit einer alten Hagström, Eko, Klira, Herticaster, Necker Man oder was weiß ich für Furore sorgen wird, und deren Preise urplötzlich in die Höhe schießen werden.

Repair Talk: Neue Hardware für die Paula – Teil 4

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Nach drei Beiträgen mit vorbereitenden Arbeitsschritten rund um das Thema Tune-o-matic-Bridge, geht es nun mit der Montage eines frischen Stegs weiter.

Ein Stammkunde hat sich eine schöne gebrauchte Gold Top gegönnt und sie direkt ordentlich gerockt. Die überenthusiastische Anschlagshand hat dann recht schnell die E-Saite weggeknipst, was zu einem spontanen Saitenwechsel geführt hat. Nach diesem trivialen Eingriff war aber die Freude über das neue Instrument stark getrübt, da nun die E-Saite Sitar-ähnlich schepperte.

ADDITION DER FEHLERQUELLEN

Bei einem Neuzugang mit solchen Symptomen verfällt man dann recht schnell in Panik und sucht nach allen möglichen und unmöglichen Fehlerquellen. In der Selbstdiagnose wurden zu tiefe Kerben im Reiter als Fehlerursache ausgemacht. Die angedachte Reparatur (neuer Steg) scheiterte aber für meinen Kunden an den ungekerbten Einzelreitern der Neuware, weshalb an dieser Stelle meine Werkstatt ins Spiel kam.

Abb. 1 Problem vorprogrammiert: Die Saite berührt die Intonationsschraube.

Bei der Begutachtung des Stegs fiel sofort auf, dass die Saite auf der Intonationsschraube auflag (Abb. 1) was unweigerlich zum Sitar-Effekt führte. Neben der tiefen Nut fiel aber auch auf, dass die Intonationsschraube schräg nach oben stand – der Reiter also nicht sauber und gerade auf den Führungen des Stegs saß.

Abb 2. Ausgereizt und verklemmt: der Problemreiter

Zudem konnte man von oben erkennen (Abb. 2), dass der Reiter maximal nach hinten gesetzt wurde. In Verbindung mit der recht tiefen Nut des Reiters (Abb. 3/unten) kommt es schnell zu einer Addition von Fehlerquellen, die dann das beschriebene Szenario herbeiführen. Bei dem verwendeten ABR-Steg sitzt der Reiter mit seiner Intonationsschraube in keiner klar definierten Führung (Abb. 3/oben). Unter Umständen kann er sich daher schräg setzen und die Intonationsschraube steht hoch.

Abb. 3 Weitere Problemzonen: Nut und Führung

Die ausgereizte Längeneinstellung lässt in diesem Fall aber keine einfache Korrektur zu. Normalerweise kann der Reiter mit leichtem Druck von oben auf die Intonationsschraube dazu überredet werden, sich wieder gerade in die Nut zu setzen, was vielleicht dazu geführt hätte, dass Schraube und Saite genügend Abstand voneinander haben. Das „Klemmen“ durch die maximale Längeneinstellung verhindert diese „Erste Hilfe“-Maßnahme jedoch.

Hier hätte ein Lösen der Intonationsschraube etwas mehr Spiel gebracht und durch etwas Drücken und Probieren wäre auch mit der alten Hardware höchstwahrscheinlich ein befriedigendes Ergebnis erzielbar gewesen. Vor dem Saitenwechsel war ja auch alles mehr oder weniger im grünen Bereich.

BEFRIEDIGEND IST OFT NICHT AUSREICHEND

Da man sich als stolzer Neubesitzer eines Instrumentes jedoch ungerne mit einer befriedigenden Teillösung zufrieden gibt, stand für die Gold Top fest: Ein neuer Steg soll zukünftig das Sitar-Szenario verhindern. In einem Vorgespräch hatte ich den Kunden auf die sehr gute Hardware der Firma ABM aus Berlin hingewiesen.

Aufgrund langer Lieferzeiten fiel die Entscheidung dann doch zunächst auf einen frischen Gibson-ABR-Steg (Abb. 4/oben). Kurioserweise konnte dann doch noch ein ABM-Steg besorgt werden – aus England (Abb. 4/unten). In der komfortablen Position, wählen zu können, fiel die Entscheidung letztendlich auf den ABM-Steg, da dieser durch die kraftschlüssige Führung sowie die auch in anderen Details sehr saubere Verarbeitung und die verwendeten Materialien punkten konnte.

Abb. 4 Frisches Material wartet auf den Einsatz

Nach der Auswahl geht es schnurgerade zur Montage. Wenn es Material und Zustand zulassen, verwende ich in der Regel die originalen Studs (Abb. 5). Wenn diese gut sitzen und den neuen Steg sauber aufnehmen, besteht kaum ein Grund, in diesem Punkt schlafende Hunde zu wecken. Schnell platzt mal etwas Lack ab oder das Gewinde im Holz greift nicht mehr so sauber – also: Wenn an den Studs alles OK ist, ruhig verwenden und keine neue Baustelle aufmachen.

Im Anschluss setze ich zunächst den ungekerbten Steg auf die Studs, stimme die Gitarre und stelle sie grob ein. Ein ungenauer und fragwürdiger Zwischenschritt, der aber durchaus seine Berechtigung hat.

Abb. 5 Voll intakt und weiter im Gebrauch: Gewindestange als Stud

STOLPERFALLE UND LEHRGELD

Wie in einem vorangegangenen Repair Talk angesprochen, kann durch die Orientierung der Einzelreiter noch das letzte Quäntchen Intonationsweg herausgearbeitet werden. Dazu muss man die Reiter ggf. drehen.

Die Abb. 7 zeigt eine Stolperfalle, in die ich vor noch nicht allzu langer Zeit hineingetreten bin. Der Auftrag: Bei einer alten ES liefen die Saiten nicht konform zur Griffbrettkante. Die Ursache waren falsch führende Kerben in den Reitern des Steges. Um den Originalsteg zu erhalten, sollten nur die Kunststoffreiter getauscht werden.

Abb. 7 Am Anschlag und ausgetrickst: Ungewöhnliche Stegstellung

Also Standardprozedur: Reiter getauscht und in einer typischen 2/4er-Ausrichtung angeordnet (siehe Abb. 6). Anschließend die Reiter gekerbt (gemäß Repair Talk 03/2020), Instrument besaitet und versucht, im Zuge des Setups die Intonation einzustellen. Es blieb beim Versuch, da bei diesem Vintage-Instrument die Studs zu weit vorne saßen, sodass die Intonation am Steg sehr weit nach hinten eingestellt werden musste.

Abb. 6 „Dry Run“ zum Überprüfen der Vorgaben

Die gewählte 2/4er-Orientierung ließ aber keine exakte Einstellung zu und war ausgereizt. Ein Drehen der Reiter war nicht möglich, da in den seltensten Fällen die Kerbe mittig im Reiter verläuft. Ein Drehen verändert dann den angestrebten Saitenverlauf und man erkennt schnell in welche seltene und daher umso heimtückischere Falle man getappt ist.

Während der Hobbytuner ggf. bereit ist, diesen Flop unter dem Überbegriff „Lehrgeld zahlen“ zu schlucken, ist dieser Fehltritt für eine kommerziell arbeitende Handwerker-One-Man-Show wirtschaftlich das, was man am wenigsten braucht, weshalb ich den Vorabtest aus Abb. 6 durchführe. Durch die alten Saiten liefert er zwar keine exakten Resultate, hilft aber, die Lage auf dem Instrument besser einzuschätzen und somit Fehlerquellen zu umschiffen.

Beim ABM-Steg lief der Vortest zufriedenstellend und die Nuten in den Reitern können angezeichnet und gefeilt werden. Dieser Vorgang wurde im vorangegangenen Repair Talk ausführlich beschrieben. Die Abb. 8 zeigt einen feinen Grat am Grund der Nut für die Saite, der beim Feilen entsteht und zu unsauberen Tönen führen kann. Nach dem Feilen also ggf. die Kanten überprüfen und entgraten – dann klappt es auch mit dem sauberen Ton.

Abb. 8 Muss weg: Grat am unteren Rand der Nut

ERST SETZEN DANN FINETUNEN

Ist der Steg soweit montiert und vorbereitet, kann es ans Fine-Tuning gehen. Damit meine ich das Anpassen der Saitenlage und das Einstellen der Intonation. Dazu verwende ich frische Saiten, da sich gebrauchte und eventuell geknickte Saiten nicht eignen, um die Intonation sauber einzustellen.

Abb. 9 Leichtes Nachdrücken hilft beim „Setzen“ der Saite

Nach dem Saitenwechsel drücke ich zunächst die Saiten etwas nach (Abb. 9) damit sie sich besser setzen. Es ist nur ein leichtes Drücken, um der frischen Saite beim sich Setzen zu helfen. Das macht sie natürlich auch von selber (also ohne Drücken) jedoch häufig erst nach einiger Zeit, sodass dann das vorher eingestellte Finetuning ggf. nicht mehr stimmig ist.

Abb. 10 Einstellen und Überprüfen der Saitenlage

Nach dem „Setzen“ stelle ich zunächst an den Rändelschrauben die Saitenlage ein (Abb. 10) bevor ich dann die Intonation einstelle (Abb. 11). Diese Vorgänge sind Teil eines kompletten Setups und setzen voraus, dass die anderen relevanten Parameter des Instrumentes (Sattelnut/Halskrümmung) auf das angestrebte Ergebnis abgestimmt sind.

Abb. 11 Justieren der Intonation

Ist das Setup stimmig, der Saitenverlauf aber noch nicht konform mit dem Griffbrettradius (Saitenlage der einzelnen Saiten folgt nicht dem Radius) kann durch Anpassen (Feilen) der Nut im Reiter dies noch optimiert werden. Durch vorsichtiges Nachfeilen wird die Saite auf die anvisierte Saitenlage gebracht. Da reichen in der Regel wenige Feilenstriche, um das Optimum aus dem neuen Bauteil herauszukitzeln.

Beim ABM-Steg sind die Arbeiten abgeschlossen und die Paula macht wieder Spaß – die Saiten ecken nirgends an (Abb. 12). Damit sind die Brückenbauarbeiten abgeschlossen, dieser Repair Talk neigt sich dem Ende zu und zur Auflockerung gibt es in der nächsten Folge ein paar Quick-Tipps für zwischendurch.

Abb. 12 Neuer Steg installiert und eingestellt: es läuft

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2020)

Kopf ab? Gitarrenhals gebrochen?

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Als Musiker sind wir ja alle ein wenig sensibel Klängen und Geräuschen gegenüber. Wenn aus dem Geklapper eines leeren Zigarettenautomats ein Groove wird (Joni Mitchell ,Smokin’), das Zufallen der Tür einer Stuttgarter Nobelkarosse besser klingt als jede Bass-Drum oder der erste Schrei des eigenen Kindes in den Ohren wie Musik ist, ist die Welt in Ordnung.

Paula´s Resurrection_01
Abb.1 Kopfplattenwinkel von Les Paul (unten) und Telecaster

Es gibt aber auch Geräusche, die uns Musikern durch Mark – ’tschuldigung: Euro – und Bein gehen. Und ein Geräusch ist da ganz weit vorne: das knirschende Knacken, das entsteht, wenn eine Les Paul aus dem Ständer kippt und sich bei der Landung den Hals bricht. Tja, wenn dieses Ereignis eine Seltenheit wäre, könnte man so was in die Abteilung „Gruselgeschichten am offenen Kamin“ einsortieren. Ist es aber nicht, denn immer erwächst speziell bei Paulas und SGs aus einem kleinen Umfall eine große Katastrophe. Wenn der erste Impuls – die Suche nach einer geladenen .45er oder einer Pumpgun – vorbei ist, sollte man erst einmal mit Ruhe und Besonnenheit vorgehen und den Schaden ohne operative Hektik begutachten. Zumeist ist nämlich gar nicht der Hals als solcher gebrochen, sondern „nur“ die Kopfplatte.

In den meisten Fällen ist der Bruch auch nicht ganz durchgehend und die beiden Teile hängen noch an der auf der Vorderseite der Kopfplatte auflaminierten Ebonol-Platte zusammen. In einem solchen Fall ist es wichtig, so schnell wie möglich den Zug von der Kopfplatte zu entlasten, um weitere Schäden oder gar das gänzliche Durchbrechen zu verhindern: S(a)eitenschneider her und sofort alle Saiten durchknipsen, und dabei aufpassen, dass das herunterfallende StopTailpiece nicht auch noch eine Macke in die Decke schlägt. Als nächstes sollte die Klampfe so sanft wie möglich in den Koffer gelegt und gesichert werden, damit kein schusseliger Trommler davor latscht.

Wenn zu erkennen ist, dass sich größere Stücke unerlaubt von der Truppe entfernt haben, gilt es, so gründlich wie möglich den Boden an der Stelle, an der die Paula aufgeschlagen ist, nach Splittern, Bruchstücken und Lackresten abzusuchen. Hoffentlich ist’s kein Flokati! Die Sucherei lohnt sich, denn je mehr davon gefunden wird, desto unauffälliger lässt sich hinterher der Bruch kaschieren.

Sollbruchstelle

Warum aber tritt dieser Schaden mit Vorliebe bei Gitarren diese Bauart auf? Zum einen haben diese Modelle eben diese konstruktionsbedingte Schwachstelle. Vergleichen wir die Köpfe z. B. der Telecaster in Abb. 1 mit der Les Paul darunter, fällt auf, dass die Kopfplatte der Gibson-Gitarre in einem Winkel von ca. 13° aus der Mittelachse des Halses geneigt ist. Wenn wir uns jetzt vorstellen, dass der Hals natürlich dergestalt aus einem Holzstück gefräst wird, dass die Holzfasern in Längsrichtung des Halses verlaufen, wird deutlich, dass im Bereich des Knicks bei der Paula Schichten mit kurzen Fasern übereinander liegen, die eine deutlich geringere Stabilität haben als die Fender-Konstruktion, bei der die Holzfasern zum größten Teil bis zur Spitze des Kopfes durchgehen.

Einen weiteren Beitrag zur „Sollbruchstelle Kopfplatte“ leistet die Ausfräsung für die Verstellung des Halsstabes. Wie auf den Photos zu erkennen ist, fräst Gibson eine rund 15 × 43 mm große und ca. 15 mm tiefe Höhlung in die Kopfplatte, in der die Mutter für den Stahlstab erreichbar ist. Dadurch wird natürlich der holzhaltige Querschnitt um einen nennenswerten Prozentsatz reduziert. Bei einer Gitarre mit geleimtem Hals ist das fast auch nicht anders zu machen. Fender hat die Aufgabe anders gelöst – bei den meisten Modellen ist die Verstellung des Stabes von der Korpusseite aus zu erledigen, was den Nachteil hat, dass – zumindest bei den alten Modellen – dazu der Hals abgeschraubt werden muss.

Es gibt allerdings auch Versionen von Strats und Teles, bei denen die Verstellung vom Kopf aus gemacht wird. Allerdings wird da ein kleines Loch im Kopf freigelassen, durch das mit einem Inbus-Schlüssel gearbeitet wird – eine Methode, die den Querschnitt nicht sonderlich beeinflusst. Nicht ganz unschuldig an der Empfindlichkeit der Les Paul und ähnlich gebauten Gitarren ist auch das Material. Die Paula-Hälse sind in der Regel aus Mahagoni, die Hälse der Stratocaster und Telecaster aus Ahorn.

Die nachstehende Tabelle stellt die wichtigsten Daten von Mahagoni und Ahorn gegen- über. Mahagoni ist also leichter als Ahorn, ähnlich druckfest, aber nicht so biegefest. Interessant ist übrigens auch das unterschiedliche Schrumpfverhalten der beiden Holzsorten. Mahagoni schrumpft mehr in der Länge als Ahorn, dafür schrumpft Ahorn wesentlich mehr im Durchmesser.

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Research

Nun wissen wir also, warum der Hals so leicht bricht, aber das bringt uns nicht wirklich weiter. Jetzt ist erst einmal die Gelegenheit für eine gediegene Tasse Kaffee und ein gerüttelt Maß an Kontemplation. Für mich, der ich oben geschilderte Erfahrung am eigenen Leib bzw. an der eigenen Les Paul erlebt habe, stellte sich nun die primäre Überlegung: „Machen oder machen lassen“ (Abb. 2 und 3). Also verschiedene Musikläden und Gitarrenbauer antelefonieren und Informationen – und natürlich Preise – einholen. Bei Mitteilungen von Preisen sind die Gitarrenbauer natürlich ausgesprochen zurückhaltend. Es gibt viele unterschiedliche Arten von Brüchen, und, ohne den Schaden gesehen zu haben, einen Preis zu nennen – und dann eventuell darauf festgenagelt zu werden – könnte auch nach hinten losgehen.

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Abb.2 Ein typischer Kopfplattenbruch

Die Preisangaben reichten von € 100 ohne kosmetische Nacharbeiten bis zu € 350 mit „Make Up“ – und alle Angaben ohne Gewähr. Bei der Frage nach der richtigen Vorgehensweise und dem passenden Klebstoff wurden die Antworten noch vorsichtiger. Im Nachhinein ist mir auch klar, warum, denn die Wahl des Klebers ist das A und O der Reparatur. Zum einen gibt kein Spezialist sein Wissen gerne preis, und zum anderen ist auch hier die genaue Kenntnis des Schadens unabdingbar. Aber da dem Inschinör nix zu schwör ist, fasste ich den Plan, das Thema doch auch auf eigene Faust zu lösen.

Leim oder Leim?

Wie bereits gesagt, ist die Entscheidung für den richtigen Klebstoff äußerst wichtig. Die erste muss zwischen Leim und Zweikomponenten-Kleber getroffen werden. Restaurateure schwören z. B. in solchen Fällen auf Uhu Endfest 3000, ein ZweikomponentenKleber auf Epoxidharz-Basis, dessen Endfestigkeit bis zu 3000 N/cm2 erreicht. Allerdings zieht der Kleber nicht in das Holz ein, sondern bildet auf Dauer eine mit Kleber verfüllte Fuge. Es gibt Anwendungen, bei denen dies sinnvoll sein kann, hier ist es das allerdings nicht. Also Leim! Aber welcher? Es gibt eine riesige Menge verschiedenster Leimsorten.

Diese können in zwei große Kategorien unterteilt werden: Heißleime wie Knochen- oder Hautleim und Kalt- oder Weißleime wie z. B. Ponal Express. Der Heißleim wird, wie der Name schon sagt, heiß verarbeitet (ca. 60 °C) und findet im Instrumentenbau an vielen Stellen Verwendung. Die besondere Eigenschaft von Heißleim ist die, dass er mit Hitze und Feuchtigkeit wieder zu lösen ist. Hälse von Gitarren zum Beispiel werden oft mit Heißleim verleimt, um sie im Falle eines Falles wieder ausbauen zu können. Ich hätte allerdings kein wirkliches Interesse daran, dass sich meine Kopfplatte in ihre Bestandteile auflöst, vorzugsweise im Hochsommer auf einer gut ausgeleuchteten Bühne. Für eine unlösbare Verbindung ist Kalt- oder Weißleim also die richtige und bessere Wahl. Weißleim besteht zur Hälfte aus Wasser. Der Klebstoff selbst ist ein Feststoff (Polyvinylacetat), der von Tensiden in einem Knäuel („Micelle“) im Wasser in der Schwebe gehalten.

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Abb.3 Glocke und Furnier halten die Kopfplatte noch zusammen

Wenn der Leim aufgetragen wird, zieht das Wasser ins Holz ein. Dadurch brechen die Tensid-Käfige auf und die fadenförmigen, „aufgeknäulten“ (ziemlich langen) Klebstoffmoleküle „strecken“ sich aus. Durch das verdunstende Wasser schrumpft die Klebstoff-Fuge insgesamt um die Hälfte, die Klebstoffketten legen sich dadurch eng aneinander. Die Adhäsion an Holz klappt besonders gut, weil der Kleber so genannte „polare” Stellen aufweist. Die lagern sich wiederum bevorzugt an den polaren Gruppen der Cellulose an, aus der Holz zu einem großen Teil besteht. Die daraus resultierende Verbindung ist von der Fugengröße her minimal, und durch die ins Holz eingedrungenen Klebstoff-Moleküle ist das Holz im Bereich der Klebung haltbarer als normal. Für diesen speziellen Fall habe ich mir eine besondere Variante des Weißleims ausgesucht – den Propeller-Leim.

Bei jeder normalen Leimverbindung kann man das Ergebnis optimieren, in dem man die Verbindung unter hohem Druck herstellt. Dadurch wird die Fuge so klein wie möglich. Propellerleim hingegen hat eine weit stärker kontrahierende Wirkung. So brauchen wir keinen oder viel weniger Druck auf die Kopfplatte auszuüben. Apropos Druck: Wer jetzt schon im Keller nach seinen alten Schraubzwingen sucht, möge die bitte gleich dort lassen – für eine filigrane Reparatur wie diese sind die Dinger denkbar ungeeignet, denn die Dosierung ist Glückssache, und die Kraft wird auch viel zu punktuell aufgetragen.

Viel besser sind so genannte Leimzwingen, wie sie auch auf den Fotos zu sehen sind. Sie bestehen aus einer verzinkten Stahlschiene mit Spannarmen aus Weißbuche, wobei die Druckflächen mit Korkauflage versehen sind, um ein Abrutschen zu verhindern und die Druckstelle zu schonen. Diese Klemmen kosten je nach Länge im freundlichen Baumarkt nebenan zwischen € 10 und 15 und sind eine lohnende Anschaffung für jeden Haushalt. Wo wir schon mal im Baumarkt sind, kaufen wir auch gleich den Propellerleim ein, denn der ist trotz seines Namens nicht in Modellbaugeschäften, sondern in gut sortierten Baumärkten zu kriegen. Ich habe meinen von Hellweg.

Kleben

Da wir nun alle Sachen beisammen haben – halt, ein kleiner Pinsel mit langen, aber harten, Borsten fehlt noch –, können wir den Arbeitsplatz vorbereiten. Ich lege am liebsten Papier aus, das kann ich dann nach getaner Arbeit wegwerfen und brauche nicht den Werktisch zu säubern; ein altes Bettlaken tut’s auch. Außerdem sollte man ein paar Stücke Schaumstoff oder Styropor bereitlegen. Dann bereiten wir den Patienten vor: Zunächst werden vorsichtig alle Mechaniken abgeschraubt, die stören nur beim Zwingen.

Das „truss rod cover“ (Glocke) wird abgeschraubt, wenn er nicht schon abgebrochen ist, die Spannmutter des Halsstabes komplett entfernt und der Halsstab mit Klebeoder Isolierband abgedeckt. Sollte sich näm lich Leim zwischen Mutter und Gewindestange setzen oder das Gewinde mit Leim verkleben, ist mit Halsverstellen zukünftig Essig. Nun wird der Arbeitstisch so vorbereitet, dass die Gitarre hingelegt werden kann, indem das Griffbrett nach unten zeigt und flach auf dem Tisch liegt. Die ganze Sache wird dann mit Schaumstoff oder Styropor-Klötzchen unterstützt, so dass Platz für die Zwingen bleibt und die Kopfplatte in ihrem ursprünglichen Winkel steht. Nun wird die Bruchstelle ein wenig auseinander gebogen und vorsichtig ausgepustet, damit bloß keine Krümel in der Fuge bleiben.

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Abb.4 Zwingen, Pinsel und Propellerleim

Als nächstes wird der Leim aufgetragen. Dazu benutze ich den Pinsel mit den langen Borsten und versuche den Leim so tief wie möglich in die Bruchstelle zu befördern. Sparsamkeit mit Leim ist hier nicht angesagt, denn was an Leim zu viel ist, wird beim anschließenden Zusammendrücken mit den Leimzwingen aus der Bruchstelle herausgepresst. Wie gesagt braucht Propellerleim nicht viel Druck, aber andererseits hilft der Druck, den Leim wirklich bis in den letzten Winkel zu verteilen. Also werden vorsichtig die Leimzwingen angesetzt und festgeklemmt (Abb. 4).

Dabei nur langsam den Druck mit den Knebeln erhöhen, um dem Leim Zeit zu geben, sich zu verteilen. Es empfiehlt sich, den herausquellenden Leim schnell mit einem Lappen abzuwischen, bevor er antrocknen kann. Nach dem Abwischen kann man nun kontrollieren, ob die Nahtstelle auch gut zusammengedrückt ist. Jetzt ist der beste Moment, eventuell abgesplitterte Holzteilchen wieder an ihre Stelle zu setzen, wenn nötig mit einem Tröpfchen Leim versehen. Sieht alles so aus, wie es sein sollte, kann man sich nur noch in Geduld üben und das Werk 24 Stunden stehen lassen.

Dabei sollte die Raumtemperatur nicht unter 18 °C sein, besser sind 20 oder 22 °C bei niedriger Luftfeuchte, ein schimmeliger Bastelkeller mit 14 °C und 90 % Luftfeuchte ist definitiv nicht der richtige Platz. Nach dieser Geduldsprobe können wir die Klemmen entfernen und einen ersten Blick riskieren. Wenn alles so aussieht wie in Abb. 5 – herzlichen Glückwunsch! Rein funktional ist die Gitarre wieder fit. Leute mit guten Nerven können mal mit der Hand einen ersten Bruchtest machen: einfach versuchen, die Kopfplatte sanft nach vorne zu biegen! Wenn die Leimung ordentlich gemacht wurde, passiert wirklich nichts mehr.

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Abb.5 Die Nahtstelle muss nur noch optisch bearbeitet werden.

Was jetzt noch stört, ist natürlich die Optik – der Riss im Lack ist selbstverständlich deutlich zu erkennen und auch zu erfühlen. Doch auch das lässt sich klären, jedoch auf verschiedene Arten und Weisen, die stark von der Art des verwendeten Lacks abhängen. Originale Gibson-Gitarren sind mit – mehr oder weniger reinem – Nitrozellulose-Lack lackiert. Der hat den Vorteil gegenüber DD- oder Mehrkomponenten-Lack, dass er sich mit seinem Lösungsmittel Nitro nachträglich wieder anlösen lässt. Dadurch kann sich eine neue Schicht Nitrolack fest und ohne Übergänge mit dem alten Lack verbinden. Anschließend kann durch Nass-Schleifen und Polieren wieder eine einheitliche und glatte Oberfläche hergestellt werden. DD-Lack, der einmal angetrocknet ist, lässt sich allerdings nicht mehr chemisch lösen; dadurch sind Reparaturen im Lack weit schwieriger.

Appetit kommt beim Essen, und durch diesen ersten Erfolg bin ich auf weitere Ideen für Verbesserungen an meiner Gitarre gekommen. Also habe ich mich für eine viel radikalere Lösung entschieden – der Lack soll komplett runter und die Gitarre neu lackiert werden. Aber das ist eine ganz andere Geschichte …

Auch wir in der Redaktion hatten einen bedauernswerten Transportschaden einer Ibanez-Destroyer zu beklagen. Ein geschickter Kölner Handwerker konnte das Ding jedoch wieder spielbar machen – und das tadellos!

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