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Channel: Les Paul – GITARRE & BASS
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Peter Frampton: Auf zur letzten Runde

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(Bild: Amy Nichole Harris)

Die Zeit macht vor niemandem halt, auch Gitarrenlegenden müssen dem Alter irgendwann Tribut zollen. Peter Frampton ist gerade 70 geworden und leidet an einer chronischen Muskelerkrankung, die ihm in Zukunft das Spielen schwer machen wird. Doch vorher will er sich auch auf deutschen Bühnen von seinen Fans verabschieden.

Leider macht das Coronavirus den ursprünglichen Plänen Framptons einen Strich durch die Rechnung, denn die geplanten Konzerte seiner Abschiedstournee mussten, wie so viele andere auch, verschoben werden. Nichtsdestotrotz ist sein runder Geburtstag ein guter Grund, mit ihm auf sein Leben zurückzublicken – und auf das Album, dass eine Karriere für immer überstrahlen wird.

Peter, ich möchte mit dir auf wesentliche Stationen deiner Laufbahn schauen, von den Anfängen bis zur kommenden letzten Tour. Du spielst seit 1957 Gitarre, damals warst du gerade sieben Jahre alt, und bist schon früh Profi gewesen. Hast du je einen normalen Job gehabt?

Nein, nie. (lacht) Als ich in der Schule war, habe ich mal Zeitungen ausgetragen. Aber ich war nicht sehr gut darin. Ich schaffte es nicht, früh aufzustehen und war meist unpünktlich. Der einzige andere Job, den ich je hatte, war in einem Musikladen. Ich war damals zu jung für eine richtige Stelle und arbeitete dort an Samstagen als Assistent.

Wie für die meisten englischen Gitarristen deines Alters war Hank Marvin der erste große Einfluss. Warum bist du kein Fender-Mann mit einer Strat in Fiesta Red und Ahornhals geworden?

Das ist alles die Schuld meines Vaters. (lacht) Auch er hat die Shadows geliebt. Ich sagte: „Papa, ich möchte eine solche rote Stratocaster haben.“ Er antwortete: „Nein. Das ist keine Gitarre. Das ist nur ein Stück Holz. Du brauchst etwas mit Löchern drin.“ Er war nicht sehr begeistert von Solidbodies und hat das Prinzip damals noch nicht verstanden. Das führte dazu, dass ich den größ­ten Teil meines Lebens Humbucker statt Singlecoils spielte. Erst bei The Herd, wo ich von 1966 bis 1968 aktiv war, hatte ich erst­mals eine Stratocaster. In den späten 1960ern oder frühen 1970ern kaufte ich dann schließlich eine 55er-Strat, die genauso aussah wie die von Hank. Am Ende hatte ich dann also doch eine.

Schon früh in deiner Laufbahn, Mitte der 1960er-Jahre, hast du in Bands wie den Trubeats, den Preachers oder den erwähnten The Herd gespielt und warst dort von Leuten wie dem Stones-Bassist Bill Wyman oder dem späteren Status-Quo-Mitglied Andy Brown umgeben. Welchen Eindruck hat das auf dich gemacht? Warst du damals nah dran an Größen wie Clapton, Hendrix, Jeff Beck oder Peter Green?

Ich war ein Stück jünger als sie, so rund fünf Jahre. Aber ich habe es geschafft, in die Clubs zu kom­men, in denen sie gespielt haben. Ich habe Hendrix früh gesehen, auch Clapton, Peter Green und Mick Taylor – fast alle außer Jimmy Page. Als ich 14 Jahre alt war, hat mich Bill Wyman mit nach London genommen und mich kurz darauf in die dortige Clubszene ein­geführt. Ich hätte da noch nicht rein­gedurft, aber er hat mich reinge­bracht. Ich traf den Rest der Stones, dazu einige andere sehr bekannte Bands. Eines Tages sah ich Jimi Hendrix in einem Club.

Das war, bevor er berühmt wurde. Er saß dort mit der Band. Dann nahm er die Gitarre eines Rechtshänders, drehte sie einfach um, ohne sie anders zu besaiten, und spielte darauf genau so gut wie auf seiner.

Warst du damals auch ein Bluesfan, wie viele der englischen Gitarristen dieser Zeit?

Ich war ein großer Bluesfan. Aber mir wurde damals klar, dass alle auf Erics Pfaden unterwegs waren und ihn kopierten. Sein Stil, und auch der von Peter Green, hatte etwas sehr Verführerisches. Ich dachte mir: Es gibt genug Leute, die das machen. Ich möchte anders sein.

Ich hatte neben meiner eigenen auch die Musik mei­ner Eltern gehört, speziell das Quintette du Hot Club de France mit Django Reinhardt und Stéphane Grappelli. Beim ersten Hören habe ich es gehasst. Aber du kannst Django Reinhardt nicht für längere Zeit hassen. (lacht) Es war einfach anders – und man braucht wohl einen gewissen Horizont, um zu verstehen, dass dieser Typ der vielleicht beste Gitarrist aller Zeiten war, allein schon wegen seiner erfinderischen Kreativität. Ich folgte also mehr der Jazz-Route und habe den Blues eine Zeit lang ausgesperrt.

Abgesehen von den Effekten ist Framptons Live-Rig relativ simpel: Les Paul & Marshall.

Damals bekamst du auch deine erste Les Paul Black Beauty mit P90-Pickups.

Das muss 1966 gewesen sein. Ich glaube, sie ist dann bei Tony Hicks von den Hollies gelandet. Jedenfalls habe ich sie damals mit zu ihm genommen und dann wahrscheinlich dort gelassen. Aber egal. Jedenfalls war das meine erste.

Es war zu jener Zeit nicht deine Art von Gitarre.

Sie hat mir damals nicht sonderlich gefallen. Deswegen bin ich in dieser Phase mit The Herd zur Strat gewechselt. Ich fing dort mit einer Guild Starfire an. Die mochte ich sehr. Danach spielte ich die erwähnte Les Paul. Sie war dunkler im Klang, was mir nicht übermäßig zusagte, also wechselte ich zur Strat.

Nach einem Konzert im Jahr 1970 bekam Peter Frampton…
… die berühmte „Phenix“ mit drei Humbuckern geschenkt.

Die nächste Les Paul, die ich dann spielte, war die vom Cover von ,Frampton Comes Alive!‘.

Die berühmte „Phenix“. Über sie und das Album werden wir gleich noch ausführlich sprechen. Aber bleiben wir zunächst der Chronologie treu. Die erste Les Paul war also nicht das Richtige für dich. Woran lag das? War es nur der Sound oder auch das Handling? Der Hals? Die Pickups?

Ich denke, es war das ganze Paket. Sie war zu schwer, der Hals hat nicht gepasst. Der Sound war ziemlich langweilig im Vergleich zu dem, was ich gewohnt war. Die Entscheidung, sie nicht zu spielen, fiel schnell.

Dann bist du bei Humble Pie zur Gretsch Duo Jet gewechselt.

Das war die erste Gitarre, die ich mir kaufte, bevor sich Humble Pie formierten. Warum? Steve Marriott hatte eine, und ich liebte die Sounds, die er damit machte. Also suchte ich mir auch eine.

Danach kam eine SG, und dann hast du eine ES-335 ausprobiert, die allerdings starke Nebengeräusche von sich gab.

Das stimmt. Ich hätte die SG nie abgeben sollen. Ich habe sie mittlerweile zurückbekommen und bin glücklich, dass ich sie wiedergefunden habe – oder genauer gesagt, dass mich derjenige gefunden hat, der sie bekam. Zur damaligen Zeit hatte man keine zwei Gitarren. Wenn du eine neue Gitarre haben wolltest, musstest du die alte loswerden, um sie dir leisten zu können.

Von der 335 schließlich kamst du zu deiner berühmten Les Paul mit dem Spitznamen Phenix, die deine Hauptgitarre für eine Dekade werden sollte. Das geschah 1970 in San Francisco.

Ich spielte mit Humble Pie im Fillmore West in San Francisco. Ich hatte eben erst meine 1962er-SG gegen eine ES-335 getauscht, denn ich wollte einen volleren, jazzigeren Sound haben. Ich bekam die 335, probierte sie aber nicht mit der Band aus. Wir waren damals drei oder vier Nächte im Fillmore. Bei der ersten Show gab es ständig Feedbacks, sobald ich die Gitarre aufdrehte – wir spielten damals ziemlich laut. In dieser ersten Nacht konnte man außer diesen Horror-Sounds quasi nichts von mir hören. Nach der Show war ich dementsprechend stinksauer.

Glücklicherweise kam ein Mann namens Marc Mariana zu mir in den Backstage-Bereich. Ich kannte ihn von früher, als wir 1969 dort schon einmal gespielt hatten. Er sagte: „Es war nicht zu übersehen, dass du da oben Probleme hattest. Willst du morgen meine Gitarre ausprobieren?“ Ich fragte: „Was ist es für eine?“ Er antwortete: „Eine Les Paul.“ Ich erwiderte: „Hmmm. Ich bin mir bei Les Pauls nicht sicher. Aber wir können uns morgen in meinem Hotel trefen.“ Er brachte also die Gitarre mit, die heute als Phenix bekannt ist.

Wie war dein erster Eindruck?

Ich öffnete den Koffer, schaute sie mir an und war sprachlos, denn sie sah brandneu aus. Aber das war sie natürlich nicht. Sie war gerade von Gibson zurückgekommen, wo sie refinished worden war. Im Prinzip hatte er eine Black Beauty genommen und sie mit drei Humbuckern bestückt. Ich spielte sie in dieser Nacht und schwebte förmlich über die Bühne. Nachdem ich sie auch die restlichen Abende gespielt hatte, gab ich sie Marc zurück und fragte: „Gibt es irgendeine Möglichkeit, dass du mir diese Gitarre verkaufst?“ Er sagte: „Nein. Ich schenke sie dir.“ Seit diesem Tag ist er ein guter Freund.

Origin Effects RevivalDrive und Strymon Flint
Mu-Tron III, III+ und MXR Phase 90
Foxx Tone Machine, Electro-Harmonix POG, Fulltone OCD, Creation Audio Labs Mk.4.23 und Klon Centaur
Korg SDD-3000
MXR MC-404 Wah, DigiTech Whammy WH-1, gig-fx Pro-Chop, gig-fx Mega-Wah

Weiter mit der Musik: Du hast 1971 deine Solokarriere gestartet, fünf Jahre später änderte sich dein Leben dann komplett. ‚Frampton Comes Alive!‘ wurde 1976 zu einem Riesenerfolg, du hattest da gerade 26 Jahre auf dem Buckel. Was macht das mit einem noch recht jungen Musiker?

Natürlich hat das alles in meinem Leben komplett verändert. Ich bin mit dieser Platte über Nacht bekannt geworden. Als sie herauskam, bedeutete es zunächst, dass ich nun ein Headline-Act war und meine eigenen Shows machen konnte. Zuerst in Amerika und dann im Rest der Welt. Wir haben Arenen ausverkauft. Das war eine aufregende Zeit, ich war jetzt ganz oben.

Dann bekam ich einen Anruf von meinem Manager, in dem er sagte: „Sitzt du? Das Album ist gerade auf Nummer 1 gestiegen.“ Ich antwortete: „Du verarschst mich.“ Ich war unfassbar aufgeregt und in absoluter Hochstimmung. Dann, vielleicht zwei oder drei Monate später, bekam ich einen weiteren Anruf. „Sitzt du?“ „Schon wieder?“ „Du hast gerade den Verkaufsrekord von Carole Kings ‚Tapestry‘ gebrochen.“ Das war damals die erfolgreichste Platte überhaupt.

Wie war deine Reaktion?

Von diesem Moment an fühlte ich mich sehr nervös. Was konnte ich diesem Blockbuster folgen lassen? Ich hatte sechs Jahre gebraucht, um das Material für ‚Frampton Comes Alive!‘ zu komponieren. Es gibt darauf auch eine Humble-Pie-Nummer und dazu ein Rolling-Stones-Cover, aber der Rest wurde im Zeitraum von sechs Jahren geschrieben. Die Plattenfirma wollte eine neue Platte haben – und das in sechs Monaten. Auf einmal stand ich im Wettstreit mit mir selbst.

Das war eine sehr schwierige Zeit. Die Leute sagten: „Du warst an der Spitze der Charts.“ Das stimmt zwar, aber wenn du Nummer 1 bist, gibt es nur noch eine Richtung. Denn selbst wenn ich mit dem Nachfolger ‚I’m In You‘ (1977) nur ein Exemplar weniger als ‚Frampton Comes Alive!‘ verkauft hätte, wäre es als nicht so erfolgreich angesehen worden.

Die 1970er-Jahre gelten als die Hochphase der Live-Alben. Ob ‚Frampton Comes Alive!‘, ‚Live And Dangerous‘ von Thin Lizzy oder ‚At Fillmore East‘ von den Allman Brothers – zahlreiche Live-Alben waren damals sehr beliebt, und sind es bis heute. Warum war das so?

Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Ich weiß nicht, warum mein Album so einschlug. Okay, ich wusste, warum die Allman Brothers so erfolgreich waren: Ihr Album ist fantastisch. Humble Pies Live-Mitschnitt aus dem Fillmore war auch eine tolle Platte. Ich denke, es lag an der Zeit und ihrem Hauptmedium, dem Radio.

Du hast die Zeit danach bereits erwähnt. Die Plattenfirma drängte auf einen Nachfolger von ‚Frampton Comes Alive!‘. Was war die größte Herausforderung? Waren es der Erfolg und die Erwartungen, oder kam auch der Wandel in der Musik und der Rezeption des Publikums dazu? Damals traten Punk und New Wave ihren Siegeszug an.

Als ich im Oktober 1976 in Europa tourte, kamen gerade die Sex Pistols raus. Es war eine Phase der Veränderung. Ich liebte es und fand es toll, aber ich stand in Seidenhosen auf der Bühne. Die Musik veränderte sich – und bei mir ging der Erfolg deutlich zurück. Es war verheerend. Ich war ganz oben auf dem Gipfel gewesen und rutschte von da aus fast ins Minus. Es gab jetzt nicht nur Leute, die nicht meine Fans waren, sondern auch welche, die den Sender wechselten, sobald meine Musik gespielt wurde – weil sie es schlichtweg zu oft gehört hatten. Irgendwann war es einfach zu viel des Guten. Selbst ich fing an, den Sender zu wechseln, wenn sie einen Song von mir spielten.

(Bild: Rob Arthur)

In den 1980ern hast du bei deinem alten Schulfreund David Bowie gespielt. Du bist auf seinem 87er-Album ‚Never Let Me Down‘ zu hören und gingst mit ihm auf die folgende ‚Glass Spider‘-Tour. Dafür bist du von Gibson hin zur Pensa-Suhr Superstrat gewechselt.

Ich bekam sie im Januar 1987, kurz vor der Tour mit David Bowie. Leider ging diese Gitarre in der Flut von Nashville 2010 verloren. Für diese Konzerte hat mir auch Bob Bradshaw mein erstes System gebaut – anfangs gab es jedoch noch Probleme. Ich benutze bis heute programmiertes Equipment, Pedale und MIDI.

War es das erste Mal, dass du so eine Superstrat gespielt hast?

Das war das erste Mal. John Suhr hatte mir schon zuvor ein paar Gitarren gebaut, und ich habe sie geliebt. Aber diese war etwas Besonderes. Sie wurde meine Nummer-1-Gitarre, bis ich in den 1990er-Jahren nach Nashville kam. Dort lud mich Gibson in seinen Custom Shop ein. Die Phenix war nach einem Flugzeugabsturz zu diesem Zeitpunkt verschollen. Wir verbrachten ein Jahr damit, uns an sämtliche Details von ihr zu erinnern. Sie bauten diese Gitarre für mich und sie war traumhaft. Ich dachte damals, sie sei sehr nah am Original. Als ich die originale Phenix dann zurückbekam, wurde mir klar, dass dem kein bisschen so war. (lacht) Aber es ist trotzdem eine tolle Gitarre. Seitdem spiele ich auf der Bühne beide – die Reissue und die Phenix.

Das wollte ich gerade fragen. Nimmst du die Phenix noch mit auf Tour?

Ja. Sie hat alles mitgemacht und sogar einen Flugzeugabsturz überstanden. Ich glaube nicht, dass es noch schlimmer kommen kann. Sie ist dafür gemacht, für die Leute beim Konzert gespielt zu werden. Sie bekommt sogar Beifall. (lacht)

Ich habe noch zwei Fragen zur Phenix. Hast du sie ohne Pickguard bekommen? Oder hast du es abgenommen?

Daran kann ich mich nicht erinnern. Wenn ja und es ein schwarzes gewesen wäre, hätte ich es jedenfalls sofort abgemacht. Steve und ich hatten damals dieses Ding mit Gitarren: Wir haben sie aufgemotzt. Der erste Schritt war, das Schlagbrett abzunehmen. Dazu erinnere ich mich, dass meine Les Paul schwarze Pickup-Rahmen hatte, als ich sie bekam, die auf Steves SG Custom waren weiß. Also haben wir sie getauscht. Ich hatte nun weiße Rahmen und er schwarze. So etwas haben wir gerne gemacht. Uns waren die Werte der Gitarren gar nicht richtig bewusst. Niemand hätte damals gedacht, dass eine Les Paul mal für fast eine Million Dollar verkauft werden würde.

Die andere Fragen dreht sich um die Verschaltung. Das obere Volume-Poti regelt die Gesamtlautstärke der beiden äußeren Pickups, das untere kontrolliert nur den mittleren Tonabnehmer. Stimmt das so?

Jawohl.

Funktioniert diese Schaltung für dich gut? Oder hat sie auf der Bühne auch mal für Verwirrung und unerwünschte Sounds gesorgt?

Im Gegenteil – der Wechsel zu einem Master-Volume für die am meisten benutzten Tonabnehmer, Hals und Steg, hat viele Probleme gelöst. Wenn der Pickup-Schalter in der Mittelposition steht, sind beide an und voll aufgedreht. Ich kann die Lautstärke zwischen beiden zwar nicht abstimmen, aber das wollte und will ich auch nicht. Ich mag den Sound in dieser Position. Und dann kann ich den mittleren Tonabnehmer reindrehen, um alles anzufetten. Manchmal drehe ich den oberen Regler zu und nutze nur den Mittel-Pickup. Das ist dann wie ein fetter Strat-Sound. Dieses Setup gefällt mir sehr gut.

Dein Live-Rig scheint relativ ausgefuchst. Aber wenn man es reduziert, spielst du einfach nur eine Les Paul in einen Marshall-Amp, oder?

So ist es. Alles wird von meinem Haupt-Marshall kontrolliert. Die mittlere Box bekommt von ihm ein trockenes Signal, das lediglich mit vorgeschalteten Pedalen wie einem Verzerrer aufgemotzt wird. Der Rest ist nur für die Effekte da.

Was können die Fans von deinen Shows hier erwarten?

Wir werden ein paar Nummern von ‚All Blues‘ spielen (Framptons aktuelles Album aus dem Jahr 2019, Anm. d. Verf.), normalerweise zwei oder drei pro Abend. Dazu kommen Songs von ‚Fingerprints‘ (Grammy-dekoriertes Instrumentalalbum von 2006, Anm. d. Verf.), darunter meine Version von Soundgardens ‚Black Hole Sun‘, und dann natürlich die Fan-Favoriten von ‚Frampton Comes Alive!‘. Das alles ergänze ich je nach Laune mit ein paar weiteren Liedern, etwa von ‚Wind of Change‘ (Solodebüt von 1972) oder auch von anderen Alben. Generell wird es eine Reise durch meine Musik vom Anfang bis heute.

Du gehst auf Abschiedstour, da du an an einer chronischen Muskelerkrankung leidest und dein Körper in Zukunft irgendwann nicht mehr mitspielen wird. Wie steht es aktuell um deine Gesundheit?

Es geht mir gut, danke. Die Krankheit behindert meine linke Hand noch nicht so sehr, dass mein Spiel in Mitleidenschaft gezogen wird. Aber die Dinge verändern sich. Deshalb will ich auch so schnell wie möglich nach Europa kommen.

Wie äußert sich die Krankheit denn im aktuellen Stadium? Welche Symptome hast du?

Meine linke Seite ist stärker betroffen als meine rechte. Dort ist es immer ein bisschen fortgeschrittener. Und ich habe Probleme beim Laufen, Treppen sind mein Feind. (lacht) Aber was mein Spiel angeht, bin ich noch immer in Topform. Ich fühle mich sehr gut, was das angeht.

Macht das Stehen beim Gig Probleme? Oder sitzt du?

Ich werden stehen solange ich kann. Wenn ich mich hinsetzen muss, werde ich das halt machen. Ich gehe aber aktuell davon aus, dass ich stehen kann.

Hast du mal daran gedacht, was du tun wirst, wenn die Krankheit fortschreitet? Konkret gefragt: Kannst du dir vorstellen, dass du nur noch singst und komponierst, also Musik machst, ohne dabei Gitarre zu spielen?

Ich muss abwarten, bis es zu dieser Situation kommt. Aber ich kann es mir aktuell nicht vorstellen. Ich genieße das Singen sehr, aber meine größte Leidenschaft ist die Gitarre. Nur als Sänger auf die Bühne zu kommen, wäre keine Erfüllung für mich.

Möchtest du zum Schluss noch etwas sagen?

Ich freue mich einfach nur, rüberzukommen und für alle meine Fans in Deutschland und dem Rest Europas zu spielen. Es ist zu lange her. Das tut mir leid. Aber wir sehen uns hoffentlich sehr bald.

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2020)


Interview: Tyler Bryant & The Shakedown

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(Bild: Spinefarm Records)

Dass nicht nur ältere Männer den Blues haben, zeigt der 28-jährige Texaner Tyler Bryant auf beeindruckende Weise. Trotz klassischer Einflüsse wie Johnny Winter und Muddy Waters klingt sein neues Album ‚Truth & Lies‘ ziemlich zeitgemäß.

Verfeinert mit Einflüssen aus Hard Rock, Glam Rock und Grunge hebt sich die Musik der neuen Blues-Hoffnung wohltuend vom puristischen Ansatz vieler Kollegen ab.

DIE ANFÄNGE

Wie wurde dein Interesse an Musik geweckt?

Ich war sieben Jahre alt und sah Elvis Presley! Ich war total beses­sen von ihm. Mit elf Jahren habe ich dann in einem Musikladen einen Mann namens Roosevelt Twitty spielen gehört. Daraufhin habe ich mein Dirt Bike veräußert und mir von dem Geld eine Gitarre gekauft. Zunächst habe ich dann mit Akkorden und dem Jimmy Reed-Shuffle angefangen, mir andere Leute angeschaut und versucht Dinge aufzuschnappen. Viel habe ich auch von den Platten gelernt, die ich mochte.

Hattest du jemals Unterricht?

Ich hatte nie echten Unterricht, aber ich habe viel von besagtem Roosevelt Twitty gelernt. Wir wurden Freunde, und ich habe ihn oft besucht. Er hat mir Platten von Lightnin’ Hopkins, Bobby „Blue“ Bland und Freddie King gezeigt und wir haben Musik gemacht. Wenn wir z. B. einen E-Dur-Akkord gespielt haben, hat er  gesagt: „Geh an den 12. Bund und probier so lange herum, bis du etwas gefunden hast, das gut klingt.“ Die ganzen Grundlagen, was Blues angeht, habe ich von ihm gelernt.

Hast du ein Vorbild, was dein Spiel angeht?

Mein Lieblingsgitarrist ist Jeff Beck. Dann gibt es noch diesen Typ aus Texas, Alan Haynes, den ich viel imitiert habe. Ich habe jedes Lick von seinem Album ‚Live At The Big Easy‘ gelernt. Außerdem Jimi Hendrix, SRV und Johnny Winter, der ein wichtiger Einfluss war. Und vieles von dem Open-G-Slide-Kram, den ich spiele, kommt von Muddy Waters.

Spielst du nur in Open G?

Nein, ich benutze auch Open D, Open E und die Standardstim­mung. Manchmal stimme ich die Gitarre auch auf ein verrücktes Tuning und versuche damit zurechtzukommen. Wenn du ein paar Saiten anders stimmst, öffnet das Türen für die Kreativität.

Strat mit Humbucker & Tele-Hals-PU
Gibson Les Paul

TRUTH & LIES

Wo und wie habt ihr das aktuelle Album aufgenommen?

In Brooklyn im Studio G. Wir waren da für zweieinhalb Wochen, und das war’s!

War das eher so eine „Live im Studio”-Produktion oder habt ihr zeitgemäß mit Overdubs gearbeitet?

Wir haben eigentlich alle Basis-Tracks live eingespielt, uns dabei angesehen und so die Energie eingefangen. Darüber haben wir dann noch mehr Gitarrentracks gespielt und an den letzten drei Tagen alle Vocals eingesungen.

Arbeitest du deine Soli und die Arrangements vor­her aus oder passiert da im Studio noch was?

Manchmal haben wir schon ein Demo, das eine Richtung vorgibt und wir versuchen das im Studio noch besser hinzukriegen. Die Soli fangen immer mit Improvisation an oder ich singe etwas, in meinem Kopf oder laut. Das hört sich dann zuerst echt bescheuert an, doch dann versuche ich es auf der Gitarre umzusetzen.

Aber du legst nichts wirklich genau fest?

Nein. Ich kann das noch nicht einmal live wiederho­len. Es geht um Emotionen und den Moment. Ich erinnere mich an das Wesentliche, aber es gibt Kids auf Instagram, die meine Soli bes­ser spielen als ich. (lacht) Ich weiß, wie ich anfange und spiele dann live ein ähnliches Solo, ändere es aber ab, je nachdem, wie ich mich gerade fühle.

Schreibt ihr alle in der Band an den Songs oder nur du allein?

Wir tragen alle zum Songwriting-Prozess bei. Es ist aber bei jedem Song anders. Unsere Show beginnt meistens mit dem Song ‚Drive Me Mad‘, den ich mit Graham (Whitford, Gitarrist der Band, Anm. d. Red.) zusammen geschrieben habe.

Die Gibson SG des Zweitgitarristen
Pedalboard von Gitarrist Graham Whitford

Er kam bei mir im Studio vorbei, hat etwas Schlagzeug gespielt und zehn Minuten später hatten wir einen Song. Es gab auch ein paar andere Kompo­nisten außerhalb der Band, mit denen wir befreundet sind und die zum Jammen vorbeikamen.

Fangt ihr immer mit einem bestimmten Baustein, zum Beispiel einem Gitarrenriff oder dem Text, an?

Manchmal ist es der Text, mal der Drum-Part, mal eine Melodie. Manchmal probieren wir etwas und bevor wir wissen, was pas­siert, denken wir: „Wo kam der Song jetzt her?“ Es gibt bei uns keine festgelegte Methode.

Macht ihr dann ein Demo oder eine Vorproduktion?

Ich verbringe viel Zeit mit dem Aufnehmen von Demos! Wenn ich zuhause bin, lebe ich eigentlich in meinem Studio. Unser erstes Album haben wir in meinem Keller aufge­nommen. Wir machen sehr ausgearbeitete Demos, die man schon als Album verwen­den könnte, wenn man sie nochmal richtig mischen würde. Diesmal wollten wir aber einen Produzenten, der uns richtig antreibt, obwohl wir das eigentlich selbst schon tun.

Du scheinst eine Vorliebe für dreckige Zerr-Sounds zu haben, wie z. B. beim Intro von ‚Ride‘.

Ja, das war ein Dallas-Arbiter-Fuzz-Pedal, das mir ein Freund aus Chicago geschenkt hat. Es hat ein neues Gehäuse und klingt super! Es lief über einen kleinen Radio-Amp namens Square von einem Typen aus Austin, der aus alten Radios kleine Röhrenamps baut. Ich habe auch einen Champ und einen Prince­ton verwendet und einige andere Fuzzes, wie ein ZVEX Mastotron und mein Signature-Pedal von Rodenberg.

Die technische Seite des Aufnehmens und das Suchen nach dem richtigen Ton machen dir also auch Spaß?

Ja, ich habe ein Pro-Tools-Rig, das ich mit auf Tour nehme. Ich würde nicht unbedingt als Assistant Engineer in einem Studio gebucht werden, aber ich weiß, was ich will. Der Ton fängt mit deinen Händen und dem Gefühl an. Du musst spielen können, damit der Amp, die Gitarren und die Platzierung der Mikrofone ihre Wirkung entfalten.

Orange-Bass-Amp mit Fender-Box
Das Pedalboard von Bassist Noah Denney

DER BLUES

Siehst du dich als Blues-Gitarrist, als Rock-Typ oder eher irgendwo dazwischen?

Darüber denke ich nicht nach. Ich mache das, was mir ein gutes Gefühl vermittelt. Ich liebe den Blues und ich liebe Rock. Je nach Stimmung gehe ich in die eine oder andere Richtung. Wenn ich mir morgens eine Resonator-Gitarre schnappe, bin ich ein Blues-Typ. Wenn ich aufwache, zu viel Kaffee trinke und die Wände hochgehe, spiele ich Rock’n’Roll. (lacht)

Hörst du dir auch moderne Musik an?

Ja. Ich stehe sehr auf 90er-Grunge und letztens haben wir die Black Keys gesehen. Ich finde, es ist eine gute Zeit für Rock’n’Roll. Es gibt Bands wie die Rival Sons oder Royal Blood; so viele tolle Rockbands, die einfach das machen, was sie wollen!

Was bedeutet Blues für dich? Ist das nur ein musikalischer Stil oder eine Art zu leben?

Für mich war Blues immer eine Art Flucht. Ich ging in mein Zimmer, machte das Licht aus und hörte mir Albert Kings ‚Live Wire Blues Power‘ oder B.B. Kings ‚Live At The Regal‘ an. Das war immer ein sicherer Ort für mich und ich kann mich auf keine andere Weise so ausdrücken, wie ich es mit dem Blues kann, wenn ich eine Gitarre in die Hand nehme und spiele.

Der Blues liegt mir sehr am Herzen, ohne Blues gäbe es keinen Rock’n’Roll. Ich fühle eine gewisse Verantwortung für meine Generation, die Blues-Flagge hochzuhalten. Ich denke, mit Rock’n’Roll kann ich den Leuten bestimmte Aspekte des Blues näherbringen. Ich meine, wir sind mit AC/DC getourt und jeden Abend habe ich Muddy Waters mit dem Slide zitiert, vor 60.000 Leuten.

Viele Blues-Puristen wollen, dass Blues so klingt wie in den 50ern und 60ern. Was hältst du von dieser Haltung?

Ich weiß nicht, wie das funktionieren soll. Die Leute können die ganzen Songs weiter covern, aber ich verstehe nicht, warum man möchte, dass ein Genre stagniert und nicht mal wieder ein weiterer Künstler wie Freddie King auftaucht. Er hat den Blues vorangebracht und nicht wie Elmore James gespielt. Johnny Guitar Watson hat auch nicht wie Lightnin’ Hopkins gespielt und selbst Lightnin’ Hopkins hat die Grenzen von dem gesprengt, was Robert Johnson gemacht hat. Ich denke, der Blues hat sich von ganz alleine weiterentwickelt.

Ich würde uns auch nie The Shakedown Bluesband nennen. Ich bin in Texas aufgewachsen, und da gibt es sehr viele Blues-Puristen und verschiedene Gruppierungen davon. Die einen spielen wie Jimmie Vaughan, die anderen wie Johnny Guitar Watson. Chicago ist genauso. Ich liebe das, weil es das Genre am Leben erhält. Auf der anderen Seite braucht man aber auch Leute wie Joe Bonamassa, Samantha Fish und Larkin Poe – frisches Blut, um das Ganze am Leben zu erhalten. Ich hoffe, dass der Blues nicht genauso bleibt, wie er war, dass neue Songs geschrieben werden und Leute den Traditionen und Emotionen treu bleiben, aber trotzdem vorwärts gehen.

Es wäre doch großartig, wenn es einen neuen Künstler gäbe, der mit einem so intensiven Gefühl wie Albert King spielt! Ich hasse die Vorstellung, dass ein Künstler durch einen Puristen niedergemacht wird, bevor er überhaupt richtig anfängt. Liebe Puristen, wenn euch nicht gefällt, was passiert, hört euch eure alten Platten an! Ich selbst bin überhaupt nicht an jemandem interessiert, der klingt wie ein anderer Künstler. Der Blues hat noch viel Platz für neue Künstler!

Marshall-50-Watt-Top mit 4x12"-Box
Tylers Pedalboard

GEAR

Was sind deine Hauptgitarren?

Ich habe zwei 60er-Custom-Shop-Strats, die einer Sixties-Strat von mir nachempfunden sind. Pinkie 2 hat einen Humbucker am Steg und Pinkie 1 ist eine traditionelle Strat. Ich habe auch eine 59er-Custom-Shop-Tele mit auf Tour und eine National Duolian von 1931. Die wurde neu lackiert, klingt aber großartig.

Pinkie 2
59er-Custom-Shop-Tele
Die National Duolian

Zuhause habe ich viele alte Gitarren, in meinem Haus befinden sich insgesamt fast 60 Gitarren. Die pinken Strats sind meine Lieblingsgitarren, die benutze ich fast immer für alles!

Wie sieht es mit Amps aus?

Auf dieser Tour benutze ich nur ein Marshall-1987X-50-Watt-Top mit einer 4x12er-Box. In den Staaten habe ich oft noch einen Orange-100-Watt-Rockerverb und ein Custom-Shop-50-Watt-Top dabei. Im Studio benutze ich kleine Amps, einen Princeton Reverb von 1967 mit 12″-Speaker und den Square Amp.

Welche Pedale sind am Start?

Ich benutze gerne Strymon-Delays, das Fulltone Tape Echo, ein EHX POG, einen Big Muff und ein Dunlop Crybaby. Für diese Tour habe ich mir ein kleines Fly-Board zusammengestellt, das nur das Nötigste enthält: Ein MXR-Carbon-Copy-Delay, ein EHX-Holy-Grail-Reverb, ein Daredevil-Fuzz, ein TB Drive und ein ZVEX Mastotron. Das ist alles, ein sehr kleines Board!

Gibt es noch andere Dinge, die für deinen Sound wichtig sind?

Nein. Ich benutze Ernie Ball Saiten, .010 auf .052 und Dunlop Picks, Tortex 1mm, nichts Besonderes also.

Danke für das Gespräch!

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2020)

Gibson Les Paul: Modelle, Gebrauchtkauf & Seriennummern

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LEsPaul_Das Burst Phänomen_012
Les Pauls aus ihren drei Jahrgängen, von links: 1958, 1959 und 1960°

In diesem Artikel widmen wir uns voll und ganz der Gibson Les Paul! Hier erfährst du alles über die Geschichte und Entstehung der Les Paul, über die verschiedenen Modellreihen, den Gebrauchtwert von Gibson-Gitarren sowie alles zum Thema Gibson-Seriennummern.

 


Die Entstehung der Gibson Les Paul: Modell mit Geburtsfehler
Gibson Les Paul Modelle & Testberichte
Gibson Les Paul gebraucht kaufen: Gibson Gitarren & ihr Wert
Gibson Seriennummern: Wie alt ist meine Gibson Les Paul


Die Entstehung der Gibson Les Paul: Modell mit Geburtsfehler

„Sie werden überrascht sein, aber ich bin keine Gitarre.“ So pflegte der Gitarrist Les Paul sein Publikum zu begrüßen, wenn er einmal in der Woche ein Konzert in einem New Yorker Club gab. Da war er schon über 90 Jahre alt. Bis kurz vor seinem Tod 2009 trat er im Iridium regelmäßig auf. Im Sommer 2015 wäre Les Paul 100 Jahre alt geworden – eine Legende war er schon zu Lebzeiten, einerseits wegen seiner Musik, andererseits wegen der Gitarren, die seinen Namen tragen: Der Gibson Les Paul.

Die Les Paul von Gibson

Les Pauls musikalische Karriere hatte ihren Höhepunkt vor über 60 Jahren. Mit dem rasanten Erfolg des Rock & Roll begann sein Stern als Amerikas bekanntester Gitarrist und Entertainer zu sinken. Beinahe zeitgleich begann der Siegeszug eines Gitarrentyps, den Gibson mit dem Schriftzug „Les Paul Model“ auf der Kopfplatte auf den Markt gebracht hatte. Der Gitarrist Les Paul hatte bereits in den 1940er-Jahren Experimente mit seinen Instrumenten gemacht. Er wollte perfektere Gitarren, also baute er massive Mittelsegmente in Jazz-Gitarren oder Korpusse aus massivem Aluminium – immer mit dem Ziel, den Klang und das Sustain zu verbessern und gleichzeitig die Anfälligkeit für Rückkopplungen zu reduzieren.

Gibson Les Paul? Gibson war skeptisch!

Die Manager bei Gibson, mit denen Les Paul über das Konzept mehrfach geredet hatte, waren alles andere als begeistert. Gitarren mit massivem Korpus passten nicht ins Konzept des Marktführers, der – nach eigener Überzeugung – seit Beginn des Jahrhunderts die besten Instrumente der Welt baute. Mandolinen, Banjos, Western- oder Jazz-Gitarren, gern auch mit Tonabnehmer, das war Gibsons Universum. Allerdings nur bis zum Beginn der 50er-Jahre, als ein Elektriker aus Kalifornien radikale Ideen entwickelt hatte: Leo Fenders neuartige Broadcaster/Telecaster war quasi aus dem Stand ein Renner geworden. Musiker aus Country & Western, damals die dominante Stilrichtung, rissen sich um die Planken aus Fullerton.

Nun konnte Gibson das Thema nicht mehr ignorieren. In mehr oder weniger enger Zusammenarbeit mit Les Paul wurde ein Solid-Body-Modell entwickelt, das Fender Paroli bieten sollte. Das Ganze ging offenbar recht schnell, und welche Rolle Les Paul überhaupt in diesem Prozess gespielt hat, wird seit mindestens 50 Jahren kontrovers diskutiert. Angeblich war der spezielle Steg/Saitenhalter des Gibson Les Paul Les Pauls Idee. Wie gesagt, alles musste sehr schnell gehen und deshalb reiste ein Gibson-Chef, McCarty, Les Paul zu einem Auftrittsort hinterher, um ihm den Prototyp zu zeigen und den Vertrag mit ihm auszuhandeln.

Ob jener Prototyp exakt den späteren Serienmodellen der Gibson Les Paul entsprach, darf leise angezweifelt werden. Jedenfalls war Les Paul einverstanden, seinen Namen für die neue Gitarre zur Verfügung zu stellen, gegen Tantiemen von jedem verkauften Exemplar, versteht sich. Richtig mutig war Gibson anfangs immer noch nicht, denn ursprünglich sollte nur „Les Paul Model“ auf der Kopfplatte stehen, aber nicht „Gibson“.

Der Teufel steckt im Detail

Als die Gitarre schließlich Mitte 1952 auf den Markt kam, stand aber doch Gibson auf der Kopfplatte. Das Instrument war im Design schlicht aber elegant, eigentlich sah die Gibson Les Paul aus wie eine geschrumpfte Jazz-Gitarre ohne F-Löcher. Und sie war auf der Decke golden lackiert, damit sie edler aussah und klar von der billig wirkenden Telecaster in badezimmerblond zu unterscheiden war. Nur eine Seriennummer bekamen die frühen Exemplare kurioserweise nicht.

Technisch war bei der Gibson Les Paul nicht viel Neues im Angebot: Die Les Paul bekam zwei Tonabnehmer, Modell P 90, denn etwas anderes gab es damals bei Gibson nicht. Neu war lediglich die cremefarbene Abdeckung ohne die „Befestigungs-Ohren“. Dazu vier Regler, ein Schalter – mehr braucht eine erwachsene Gitarre auch nicht. Tja, aber die trapezförmige Kombination aus Steg und Saitenhalter: Was war da passiert? Die Saiten liefen unter dem Steg durch in Richtung Griffbrett.

Der Erfinder: Les Paul

Der Spieler hat mit der rechten Hand keinen Kontakt zur Saite. Klar, er kann den Handballen auflegen, aber Abdämpfen geht nicht. Obwohl es angeblich Les Pauls Idee war, Steg und Saitenhalter so zu konstruieren, konnte er mit dieser Ausführung nicht einverstanden gewesen sein. Saitendämpfung mit der rechten Hand war ein essentieller Bestandteil seiner Musik, so aber nicht möglich. Gibson-Boss Ted McCarty und Les Paul haben sich hinterher jahrzehntelang gegenseitig die Schuld an dieser Fehlkonstruktion gegeben. Klären ließ sich das nie. Jedenfalls hatte Gibson wahrscheinlich einen schlichten, aber gravierenden Fehler in der Konstruktion gemacht: Der Halswinkel war zu gering, zu flach. So konnten die Saiten gar nicht über den Steg geführt werden.

Les Paul spielte natürlich fortan das nach ihm benannte Modell, allerdings baute er, der alte Bastler, seine Gitarren immer wieder um. Sie bekamen getrennte Stege und Saitenhalter, die Klinkenbuchse wurde auch schon mal auf die Decke verlegt, auch diverse Vibrato-Hebel kamen zum Einsatz.

Nach etwas mehr als einem Jahr wurde der Fehler korrigiert. Die Instrumente bekamen einen steileren Halswinkel und das etwas klobige Trapez wurde durch einen einteiligen Steg/Saitenhalter ersetzt, der mit Bolzen im Korpus verankert war. Jetzt war das Gibson Les Paul Modell nahezu perfekt, ein paar Details wurden in den folgenden Jahren allerdings noch modifiziert.

Autor: Carlo May



Gibson Les Paul Modelle & Testberichte

Über die Jahre hat Gibson unzählige Varianten seines Les-Paul-Klassikers präsentiert, darunter Special Editions, Limited Runs und etliche Sondermodelle aus dem Custom Shop. Bei so viel Auswahl ist es natürlich fast unmöglich den Überblick zu behalten – kennen sollte man allerdings die vier wichtigsten Les-Paul-Serien, die so ziemlich allen Modellen zugrunde liegen:

 

 1. Gibson Les Paul Standard

Gibson Les Paul Standard

Die Gibson Les Paul Standard geht im Wesentlichen auf das ikonische 1958er-Modell zurück. Der Mahagoni-Korpus ist massiv und mit einer dicken Ahorndecke verleimt, auf dem kräftigen Mahagonihals sitzt ein Palisander-Griffbrett (früher Rio-Palisander) und als Tonabnehmer kommen zwei mit Chrome-Kappen versehene Humbucker-Pickups zum Einsatz. Weitere Merkmale sind die einfachen Korpus- und Hals-Bindings sowie die großen Perloid-Griffbretteinlagen im Trapez-Design, die Hardware ist beim Standard-Modell außerdem verchromt.

Mittlerweile ist der Korpus der Standard gechambert, also mit Ausfräsungen im Korpus versehen, die Gewicht einsparen und laut Gibson auch den Ton verbessern sollen. Die handverlötete Elektronik ist in diesem Zuge einer Platine gewichen, auf der Potis und andere Bauteile fest verbaut sind – sicherlich nicht die servicefreundlichste Lösung. Zuletzt hat sich auch das Halsprofil über die Jahre deutlich von dem des 1958er-Modells entfernt.

Testberichte zur Gibson Les Paul Standard findest du hier:

>>> Gibson Les Paul Standard im Test <<<

>>> Gibson Les Paul Standard Custom Shop Gitarren im Test<<<

 

2. Gibson Les Paul Custom

 

Die Gibson Les Paul Custom ist in Sachen Konstruktion eng mit dem Standard-Modell verwand, wirkt jedoch optisch insgesamt etwas aufwendiger und edler. Das Umlaufende Binding ist mehrlagig ausgeführt und umfasst bei diesem Modell auch die Korpusrückseite. Auf der Kopfplatte sitzt mittig das markante Split-Diamond-Inlay, die Griffbretteinlagen sind hier außerdem aus Perlmutt. Zur Grundausstattung der Gibson Les Paul Custom gehört auch vergoldete Hardware, als Griffbrett-Material wird meist Ebenholz verwendet.

Die Custom war früher das unangefochtene Top-Modell im Les-Paul-Line-Up und daher nicht selten auch mit zusätzlichen Ausstattungsdetails wie einem dritten Humbucker, oder einem Bigsby-Vibrato erhältlich. Anders als bei der Standard gibt es außerdem auch Les-Paul-Custom-Modelle mit Ahornhälsen und Voll-Mahagoni-Bodies (ohne Ahorndecke).

 

3. Gibson Les Paul Studio

Les Paul Studio Pro von Gibson
Gibson Les Paul Studio Pro

Die Gibson Les Paul Studio wurde 1983 eingeführt und ist optisch einfacher und schlichter gehalten als das Standard-Modell. Die Hölzer sind hier weniger spektakulär gemasert, auf Hals- und Korpus-Bindings wird verzichtet. Das Gibson-Logo auf der Kopfplatte ist nur aufgedruckt und nicht als Inlay eingelassen. Anstelle der Trapez-Griffbretteinlagen findet man bei einigen Studio-Modellen dezente Perloid-Punkte.

Der Name Studio spielt auf Tonstudio-Situationen an, wo außer dem Produzenten/Toningenieur kein Publikum anwesend ist, das man mit einer eindrucksvollen Optik beeindrucken müsste. Wie bei vielen anderen Gibson-Linien hat die Studio über die Jahre immer wieder Veränderungen erfahren, darunter wechselnde Inlays (Trapez/Punkte), Body-Konstruktionen (gekammert/massiv, mehrteilig/einteilig) und Griffbrett-Materialien (Palisander/Ebenholz/Ahorn).

Einen Testbericht zur Gibson Les Paul Studio findest du hier:

>>> Gibson Les Paul Studio im Test <<<

 

4. Gibson Les Paul Traditional

Gibson Les Paul Traditional

Die Gibson Les Paul Traditional gleicht in den meisten Konstruktions- und Ausstattungs-Details der Standard verfügt jedoch über einen weniger stark gekammerten und 5 mm stärkeren (im Vergleich zur aktuellen Standard/Studio) Korpus. Auch ist die Dichte des verwendeten Korpus-Holzes geringer, was die Gitarre resonanter und leichter macht. In der Gibson Les Paul Traditional kommen außerdem die etwas klassischeren und im Vergleich zum Burstbucker Pro weniger aggressiven 57-Classic-Pickups zum Einsatz.

Einen Testbericht zur Gibson Les Paul Traditional findest du hier:

>>> Gibson Les Paul Traditional im Test <<<

 

5. Gibson Les Paul Studio Tribute

(Bild: Gibson)

Die Gibson Les Paul Studio Tribute ist mit Open-Coil 490 Humbuckern mit Alnico II Magneten ausgestattet und liefert klassisch kraftvollen 50er-Jahre Tone und Sustain. Die Serie soll das Feeling und den tonalen Vibe einer traditionellen Les Paul bieten, weist aber moderne Merkmale wie einen Ahorn-Hals mit schlankem Profil und Gewichtsreduktion auf.

Nichtsdestotrotz kann man sich an Vintage-Features wie Nitrozelluloselack und kryogenisch behandelten Bünden erfreuen.

 

Trotz dieser groben Serien-Übersicht gilt bei allen Les-Paul-Modellen: Ausnahmen bestätigen die Regel! Über die Jahre wurden immer wieder Konstruktionsdetails geändert und spätestens mit der Robo-Mechanik-Ausstattung und den wilden 2015er-Modellen dürfte auch dem Letzten klar geworden sein, dass Gibson eine sehr experimentierfreudige Firma ist, bei der die einzelnen Modelle nicht lange im Katalog bleiben.

Autor: Stefan Braunschmidt

 

Du hast Lust die besten Modelle von Gibson selbst in Augenschein zu nehmen? Beim Guitar Summit ist der Gibson Custom Shop (presented by Guitar Place) vor Ort und präsentiert die Modelle. Mehr Informationen über das große Gitarren- und Bass-Event mit über 400 ausgestellten Marken findest du hier.



Gibson Les Paul gebraucht kaufen: Gibson Gitarren & ihr Wert

Sind Gibson Gitarren und speziell der Gibson-Klassiker Les Paul eigentlich ein „great investment“? So betiteln in den USA zumindest Händler gern die Instrumente in ihren Anzeigen. Und die USA sind immer noch der größte Markt, wenn es um alte, gebrauchte, so genannte Vintage-Instruments geht.

gibson-les-paul-fertig

Die Händler wollen ihren Kunden suggerieren, dass man mit dem Kauf älterer Gitarren Geld anlegen und ähnlich wie mit Wertpapieren gute Renditen machen kann. Was der Kunde genau wie bei Aktien bedenken sollte: Es ist vollkommener Unsinn zu kaufen, wenn die Kurse/Preise auf dem Höchststand sind. Und die Preise sind, anders als bei vielen Aktien, bei einigen Gibson Modellen im Moment auf dem Höchststand.

Für einige ausgesuchte Gibson-Instrumente, wohlgemerkt aus der Serienfertigung, muss man seit Jahren auf dem Vintage-Markt enorme Summen anlegen, und ein Ende der Preisspirale ist kaum in Sicht. Aber so eindimensional ist das Geschäft (leider) nicht. Schwankungen (und da zeigt sich wieder die Analogie zur Börse) sind normal.

Mitte der 90er Jahre bot ein bekannter Händler in Nashville eine Gibson Flying V zum Kauf an. Das besondere an diesem Exemplar: Es war 1957 gebaut worden und somit ein Vorserienmodell, bzw. Prototyp. Entsprechend hoch war der Kaufpreis angesetzt worden. $ 150.000 sollte der interessierte Käufer zahlen. Monatelang hielt sich das Interesse in sehr engen Grenzen und plötzlich stand auf dem Preisschild nur noch $ 100.000.

Aus heutiger Sicht immer noch viel zu viel. Mittlerweile kann man in Michigan einen weiteren Flying-V-Prototyp erwerben und hier ist der Preis im Laufe der Zeit auf $ 50.000 gesunken. Exemplare aus 1958/59 gibt es inzwischen schon für $ 40.000 und weniger. Natürlich ist das ein extremes Beispiel, aber es zeigt, dass sich die Preisspirale nicht endlos drehen lässt. Bei anderen Gibson-Gitarren ist die Tendenz umgekehrt.

Gibson Les Paul Kopfplatte
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Kult: Gibson Les Paul Standards

Seit einigen Jahren sind Les Paul Standards aus den Jahren 1958 bis 1960 der Renner – mit entsprechenden Kursen. Eine originale Standard in Sunburst, möglichst eine 59er, gut erhalten und vielleicht sogar noch mit auffälliger Deckenmaserung kostet heute schon mal je nach Zustand, “Flame”-Charakter, Historie und einigen anderen Faktoren ab $ 150.000 aufwärts – und teilweise deutlich aufwärts.

Ähnliches berichtete auch der Anruf eines befreundeten Gitarren-Händlers, der mir einmal vor Jahren erzählte, dass er (Dank zweimaliger Retour-Inzahlungnahmen) zum dritten Mal die gleiche Gitarre, eine Les Paul Standard von 1958, verkauft habe – jeweils mit einem Preisaufschlag um das Doppelte: DM 15.000, DM 30.000 und dann knapp € 30.000. Und das innerhalb eines Zeitraums von etwa fünf bis sechs Jahren! Und heute – ca. 10 Jahre später – dürfte diese Gitarre gut das Doppelte ihres letzten DM-Wertes in Euro kosten.

Die gute Nachricht: Dank der hohen Preise entschließen sich viele Besitzer nun zum Verkauf und der Markt ist gut bestückt. Die schlechte Nachricht: Die Zahl der Fälschungen nimmt drastisch zu und der beliebte Händler-Slogan „aged by Tom Murphy“ führt manch dubiosen Zeitgenossen in Versuchung, Etikettenschwindel zu probieren. Wer nicht in der Lage ist – und wer ist das schon? –, diese hohen Summen für eine echte 58er, 59er oder 60er Les Paul zu zahlen, kann immer noch mit den ohne Widerspruch sehr guten Reissue-Gitarren vorlieb nehmen, die um ein Vielfaches günstiger sind und einige der wenigen Modelle sind, die im Laufe der Zeit nicht drastisch an Wert verlieren, guter Originalzustand voraus gesetzt. Bei diesen speziellen Les-Paul-Modellen, aber auch bei ES-335-Gitarren aus dem gleichen Zeitraum und einigen richtig alten Jazz-Gitarren übersteigen die Preise für alte Originale die der neuen Replikas aus dem Custom Shop bei weitem.

Doch alte SGs, Firebirds und auch Les Pauls aus den „nichtheiligen“ Jahrgängen sind nicht zwangsläufig teurer als neue Custom-Shop-Reissues. Ein Beispiel: Eine originale 52er oder 53er Les Paul Goldtop kostet in gutem Zustand in den USA derzeit ca. € 5000. Eine neue ist für nahezu den gleichen Preis erhältlich (€ 4.990), und wenn es eine neue in der „Aged“-Version sein soll, müssen € 7990 den Besitzer wechseln. Noch vor zehn Jahren waren akustische FlatTops von Gibson aus den 30er, 40er oder 50er Jahren günstig zu bekommen. Dann erschien ein Buch, das erläuterte, welch überragende Qualität diese Gitarren hatten. Die Autoren hatten Recht, Gibson-Flat-Tops aus jenen Dekaden gehören zum Besten, was je gebaut wurde. Die Nachfrage stieg, plötzlich waren die Instrumente des Mitbewerbers Martin aus Nazareth/Pennsylvania nicht mehr das Maß aller Dinge, und der Markt reagierte wie erwartet – die Preise stiegen stetig und steigen gegenwärtig weiter.

Bei Arch-Tops von Gibson hingegen stagniert die Tendenz. Nach gesunden Steigerungsraten zu Beginn der 90er Jahre haben sich die Preise auf einem hohen Level eingependelt – selbst für Spitzenexemplare.

Was soll man also kaufen, wenn man als Sammler sein Geld gut anlegen will?

Es hilft nichts, es ist abermals wie an der Börse: Eindeutige Tipps gibt es eigentlich nicht. Bei akustischen Gibsons findet man die begehrtesten Modelle aus den Baujahren zwischen 1922 und etwa 1960. Bei elektrischen kategorisieren die Experten die goldene Ära zwischen 1952 und 1965, mit eindeutigem Schwerpunkt auf dem Zeitpunkt zwischen 1958 und 1960. Für Instrumente aus diesen Zeiträumen werden die höchsten Preise verlangt und eigentlich sollte man jetzt vom Kauf abraten, es sei denn, man hat wirklich zu viel Geld.

Elektrische wie auch akustische Gitarren aus den 80er Jahren haben gegenwärtig einen relativ geringen Wert. Natürlich kann man sie kaufen, um ein gutes Instrument zum Spielen zu erwerben. Mit wahrnehmbarer Wertsteigerung sollte man aber lieber nicht rechnen. Und was ist mit den limitierten Editionen und Sondermodellen, die der Gibson Custom-Shop seit einigen Jahren in steigender Anzahl herstellt? Man erwirbt damit ein Instrument, das ohne jeden Zweifel allererste Spitzenqualität bietet. Allerdings sind die Neupreise in der Regel schon sehr hoch.

Ob sich der Anschaffungspreis beim Wieder-Verkauf erzielen lässt, oder ob Custom-Shop-Editionen im Laufe der Zeit sogar im Wert noch steigen, ist gegenwärtig noch nicht wirklich bewiesen. Wobei zu erwarten ist, dass sich bei den Custom-Shop-Modellen genau das wiederholt, was sich in der normalen Serienfertigung dieses Herstellers abgespielt hat: Die Gibson Les Paul Reissues der 59er Standard werden am ehesten ihren Wert halten, bzw. ihn eventuell noch steigern können als die Repliken z. B. einer SG Standard, oder einer Firebird IV.

Die Faustregel

Es gibt eine Faustregel, die besagt, dass „normale“ Gitarren, also keine Vintage- oder Sammler-Objekte, in gebrauchtem, gutem Originalzustand etwa die Hälfte des aktuellen Neupreises wert sind. Und wenn man sich die heutigen Verhältnisse auf dem Neu- und dem Gebrauchtmarkt ansieht, mag diese Tendenz stimmen.

Eine gebrauchte „normale“ Gibson Les Paul Standard wird mit ca. € 2.000 gehandelt – und das entspricht in der Tat etwa der Hälfte des derzeitigen Neupreises. Dies liegt natürlich auch daran, dass der Neupreis aufgrund von Währungsdifferenzen und Gibsons Preispolitik recht hoch ist. Hat also Gitarrist sich vor 20 Jahren eine neue Gibson Les Paul geleistet, und damals ging dies für etwa DM 2.500, hat er nominell tatsächlich keinen Verlust gemacht, wenn er sie heute auf dem Gebrauchtmarkt verkauft.

Allerdings darf bei dieser Rechnung nicht vergessen werden, dass die Kaufkraft von damals der heutigen längst nicht mehr entspricht und oben aufgemachte Rechnung eher die eines Milchmädchens ist. Dennoch: Wer sich heute eine neue Gibson-Gitarre kauft und wem wichtig ist, dass sie ihren Wert über die Jahre erhalten soll, muss sich auf bekannte Modelle wie Les Paul und ES-335 spezialisieren – und gleichzeitig hoffen, dass die Gibson-Neupreise weiter steigen.

Eine gute Nachricht gibt es dennoch: Wer Lust auf und Geld für alte Gibson-Instrumente hat, sollte sich in Deutschland oder den Nachbarländern umsehen. Hier liegen die Preise seit Jahren unter dem amerikanischen Niveau, wenn auch die Auswahl in den USA immer noch wesentlich größer ist.

Was früher kein Problem war, vom USA-Trip eine alte Gibson mitzubringen, funktioniert heute kaum noch. Der Dollarkurs, aber auch die Preise in den Staaten sind zu hoch. Also, wer eine Gibson mit Vintage-Aura sucht, sollte die bekannten deutschen Händler frequentieren, Kleinanzeigen studieren oder auch mal die bekannten Internet-Auktionen in Erwägung ziehen.

 

Autoren: Carlo May & Heinz Rebellius

 



Gibson Seriennummern: Wie alt ist meine Gibson Les Paul

Bei der Altersbestimmung einer Gibson Les Paul und anderen Gibson E-Gitarren geben verschiedene Merkmale und Besonderheiten fast sichere Hinweise auf das Produktionsjahr des Instruments. Doch sollten alle (!) angeführten Besonderheiten, Details der Konstruktion und Hinweise bei einer Altersbestimmung berücksichtigt werden, da, wie hinlänglich bekannt, Bauteile und Komponenten von Gibson-Instrumenten nicht immer in einer konsequenten zeitlichen Reihenfolge verbaut worden sind.

Seriennummer
Der erste Blick gilt natürlich der Seriennummer. Diese sollte allerdings nicht mehr als nur Annäherungswert für eine exakte Altersbestimmung verstanden werden, besonders bei diesem Hersteller. Wie auch andere Großserien-Produzenten hat Gibson immer versucht, die Seriennummern in einer chronologischen Reihenfolge zu ordnen – leider scheint dies jedoch aus was für Gründen auch immer nicht so richtig funktioniert zu haben. Um bei der Feststellung des Baujahres ganz sicher zu gehen, müssen also weitere spezifische Indizien überprüft werden.

Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt auf den E-Gitarren und -Bässen, die ab 1952 hergestellt worden sind. Dennoch sollte auch hier nicht vergessen werden, dass Gibsons Tradition viel weiter in die Vergangenheit zurückreicht. Bereits ab dem Jahr 1902 wurden Seriennummern vergeben. Man startete damals mit der Zahl 100 und einem Nummerierungssystem, das 1947 mit 99999 endete. Allerdings bekam nicht jedes gefertigte Instrument eine eigene Nummer, sondern meistens nur die Top-Instrumente der jeweiligen Serien.

100 bis 8750 1902 bis 1910
8751 bis 62200 1911 bis 1920
62201 bis 90200 1921 bis 1930
90201 bis 96600 1931 bis 1940
96601 bis 99999 1941 bis 1947

Zur Kennzeichnung wurden von 1902 bis 1954 ovale, weiße Aufkleber im Inneren der Gitarre verwendet. Ab 1954 werden diese orange. Bei Instrumenten mit rundem Schallloch (Mandoline, Akustikgitarre) sitzt der Aufkleber genau unter diesem Loch auf dem Boden, bei „F-hole“-Instrumenten unter dem obersten der beiden F-Löcher

Das zweite Nummernsystem wurde von 1947 bis 1961 für akustische und elektrifizierte Arch-Top-Gitarren angewendet. Es war allerdings ein komplett anderes als das, was ab 1952 für die Solidbody-Instrumente (Les Paul etc.) verwendet wurde. Beide Systeme liefen also neun Jahre lang parallel nebeneinander.

A100 bis A6595 1947 bis 1950
A6596 bis A36150 1951 bis 1961

Gibson nutzte über die Jahre also verschiedene Nummernsysteme und BuchstabenCodes. Bekanntermaßen existieren neben den normalen Serien auch spezielle Modellreihen wie die Vintage Reissues, Signature-Modelle und zahlreiche Limited Editions, die aus dem üblichen Schema herausfallen und bei denen eine genaue Datierung zur Wertbestimmung eine eher untergeordnete Rolle spielt.

Wer eine Gibson-Gitarre besitzt, deren Seriennummern in keins der hier vorgestellten Schemas passt, kann sich vertrauensvoll nicht nur an Gitarre & Bass, sondern auch an Gibson USA wenden. Auf der Website www.gibson.com gibt es nicht nur erstklassige Informationen zu diesem Thema, sondern auch die Möglichkeit, konkrete Fragen zu stellen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass hier meist sehr schnell und kompetent geantwortet wird.

Gibson Seriennummern
°

In dieser Periode wurden fünf- oder sechsstellige Nummern vergeben, bei denen die erste Stelle auf das Produktionsjahr hinweist. Beispiele: 3 = 1953, 4 = 1954 etc., bis zur 0 = 1960, 1 = 1961 Wer sich fragt, wo die Seriennummern der Les Pauls von 1952 geblieben sind, dem sei gesagt: Diese Gitarren hatten bis auf einige wenige Ausnahmen noch keine Seriennummern!

Nun wurden drei- bis sechsstellige Nummern vergeben:

100 bis 42,000 1961
42.000 bis 44,000 1962
61,000 bis 64,000 1963
64,000 bis 71,000 1964
71,000 bis 96,000 1962-64
96,000 bis 99,000 1963
000,000 1967
100,000 bis 106,000 1963, 1967
109,000 bis 120,000 1963, 1967
121,000 bis 139,000 1963
140,000 bis 144,000 1963, 1967
144,000 bis 149,000 1963-64
149,000 bis 152,000 1963
152,000 bis 174,000 1964
174,000 bis 176,000 1964-65
176,000 bis 250,000 1964
250,000 bis 305,000 1965
306,000 bis 320,000 1965, 1967
320,000 bis 329,000 1965
329,000 bis 330,000 1965, 1967
330,000 bis 332,000 1965, ’67-68
332,000 bis 348,000 1965
348,000 bis 349,000 1966
349,000 bis 368,000 1965
368,000 bis 369,000 1966
370,000 1967
380,000 bis 385,000 1966
390,000 1967
400,000 bis 406,000 1966
406,000 bis 409,000 1966-68
409,000 bis 410,000 1966
420,000 bis 429,000 1966
500,000 1965-66
500,000 1968-69
501,000 bis 520,000 1965, 1968
520,000 bis 530,000 1968
530,000 1966, ‘68-69
530,000 bis 539,000 1969
540,000 1966, 1969
540,000 bis 545,000 1969
555,000 bis 556,000 1966
558,000 bis 567,000 1969
570,000 1966-67
580,000 1966-67, ‘69
600,000 1966-68
600,000 bis 606,000 1969
700,000 1966-67, ‘69
750,000 1968-69
800,000 1966-69
810,000 bis 812,000 1966, 1969
812,000 bis 819,000 1969
820,000 1966, 1969
820,000 bis 823,000 1966
824,000 1969
828,000 bis 858,000 1966, 1969
859,000 bis 895,000 1967
895,000 bis 896,000 1968
897,000 bis 898,000 1967, 1969
899,000 1968
900,000 bis 901,000 1970
910,000 bis 999,000 1968

Dieses System ist nicht nur sehr schwer zu verstehen, sondern die Tatsache, dass manche Nummernfolgen bis zu viermal (!) vergeben wurden, macht ein exaktes Datieren zu einem schwierigen Unterfangen. Bei Gibson Gitarren aus diesen Jahrgängen müssen unbedingt weitere Details zur Jahrgangs-Bestimmung heran gezogen werden.

Die sechsstelligen Nummern (plus gelegentlich einem Buchstaben vor oder nach der Seriennummer) waren zusätzlich mit dem Hinweis „Made In USA“ auf der Rückseite der Kopfplatte ergänzt. Doch die Nummern wurden beinahe wahllos vergeben, so dass ein durchdachtes System nicht zu erkennen ist. Das ovale, orangefarbene Label in den „hohlen“ Gitarren wurde 1970 durch einen weiß- orangen und rechteckigen Aufkleber in den akustischen und einen schwarz-purpurrotweißen in den elektrischen Hollow-Bodies ersetzt.

000001 1973
100,000 1970-75
200,000 1973-75
300,000 1974-75
400,000 1974-75
500,000 1974-75
600,000 1970-72
600,000 1974-75
700,000 1970-72
800,000 1973-75
900,000 1970-72
6-stellige Nummer + A 1970
A + 6-stellige Nummer 1973-75
B + 6-stellige Nummer 1974-75
C + 6-stellige Nummer 1974-75
D + 6-stellige Nummer 1974-75
E + 6-stellige Nummer 1974-75
F + 6-stellige Nummer 1974-75

In der Übergangszeit zum neuen System (ab 1977) vergab Gibson ab 1975 8-stellige Nummern. „Made in USA“ stand ebenfalls auf der Kopfplatten-Rückseite, bei einigen Modellen auch „limited edition“.

99 + 6-stellige Nummer 1975
00 + 6-stellige Nummer 1976
06 + 6-stellige Nummer 1977

Seit 2002 ist das Datierungssystem endlich eindeutig und klar. Es besteht aus einer achtstelligen Nummer, die nach dem YDDDYPPP-Prinzip aufgebaut ist. YY bezeichnet dabei das Produktionsjahr, DDD den Tag des Jahres und PPP die Fabrik, in der das Instrument gebaut wurde. Die PPP-Nummern 001 bis 499 stehen für Kalamazoo, 500 bis 999 für Nashville. Die Nummern für Kalamazoo wurden ab 1984 nach dem Auszug aus der dortigen Fabrik natürlich nicht mehr vergeben.

Als die Produktion der akustischen Gitarren 1989 in Bozeman began, wurde das Nummernsystem überarbeitet. So bekam Bozeman die PPP-Nummern 001 bis 299, und ab 1990 Nashville 300 bis 999. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass in der Nashville-Produktion die PPP-Zahl 900 für Prototypen reserviert wird.

Hier einige Beispiele:

71239321 1979, am 123. Tag des Jahres, in Kalamazoo
81135619 1985, am 113. Tag des Jahres, in Nashville
83548522 1988, am 354. Tag des Jahres, in Nashville
02341132 2001, am 234. Tag des Jahres, in Bozeman

1994

Achtung, Ausnahme! 1994 vergab man allen Instrumenten eine achtstellige Nummer, die immer mit einer 94 begann. Hier beschreiben also die ersten beiden Stellen das Herstellungsjahr 1994. Dies tat man, um dem Hundertjährigen Jubiläum der Firma Gibson seine Referenz zu erweisen.

Noch ein Beispiel:

94123250 1994, das 123. Instrument, aus Bozeman

Einige Instrumente, vor allem aus den 1970er und 1980er Jahren, haben eine zusätzliche 2 meist unter der normalen Seriennummer eingeprägt. Dies zeigt an, dass das Instrument zweite Wahl ist und Mängel besitzt, die aber so geringfügig sind, dass es trotzdem in den Handel gelangen konnte.

Die Seriennummern des Custom Shops haben sich noch nie am System der anderen Gibson-Produktionsstätten orientiert. Anfangs wurden die Instrumente einfach durchlaufend nummeriert und geben deshalb keinerlei konkreten Hinweis auf Baujahr oder Modell. Doch das wurde ab 1992 für die Vintage Reissue-Modelle geändert.

Die Nummern dieser Instrumente folgen dem „m ynnn“- Prinzip (die Leerstelle nach dem „m” ist beabsichtigt). Die Buchstaben bedeuten Folgendes: „m“ steht für das Modell, „y“ für das Jahr und „n“ für die Produktionszahl Für die einzelnen Modelle wurden folgende „m“-Nummern (Modell) vergeben:

2 1952 Les Paul
4 1954 Les Paul
6 1956 Les Paul
7 1957 Les Paul, Futura
8 1958 Les Paul, Explorer
9 1959 Les Paul, Flying V
0 1960 Les Paul

Und auch hierzu zwei Beispiele:

2 2017 1952 Les Paul Reissue
0 017 1960 Les Paul Reissue

Die Reissue-Modelle der 1961er bis 1969er Solidbody-Modelle haben Seriennummern, die dem „yynnnm“-Prinzip folgen. Hierbei sind folgende Modellnummern festgelegt:

1 SG/Les Paul
3 1963 Firebird I
4 1964 Firebird III
5 1965 Firebird V und VII
8 1968 Les Paul Custom

Zwei Beispiele:

012005 1965 Firebird V (od. VII), 2001 gebaut
993551 1961 SG/Les Paul, 1999 gebaut

Ab 1995 wurden alle ES-Modelle der Historic Series mit System nummeriert. Hier bedient man sich einer „A-mynnn“-Konfiguration. Das „A“ (oder auch mal ein „B“) inkl. Bindestrich ist obligatorisch für die Historic Series, „m“ kennzeichnet wiederum das Modell, „nnn“ die Produktionszahl. Ein Herstellungsjahr lässt sich aus dieser Nummer nicht erlesen. Folgende Modellnummern wurden festgelegt:

2 1952 ES-295
3 1963 ES-335 mit Block-Einlagen
4 1964 ES-330
5 1965 ES-345
9 (+ A-) 1959 ES-335 Dot
9 (+ B-) 1959 ES-355

Auch hierzu wieder zwei Beispiele:

A-2564 ES-295 Reissue
B-9222 1959 ES-355 Reissue

Die anderen Custom-Shop-Instrumente tragen ab 1993 Seriennummern, die auf die Rückseite der Kopfplatte aufgestempelt sind und sich aus einem „y-9nnn“-Muster zusammensetzen. „y“ (mit Bindestrich!) steht für die letzte Stelle des Herstellungsjahres, die „9“ besagt, dass es sich um ein Custom-Shop-Instrument handelt, während „nnn“ die Produktionszahl ist, welche manchmal auch vierstellig („nnnn“) sein kann.

Beispiel:

1-9166 das 166. Custom-Shop-Instrument, Bj. 2001

Dass manche dieser neuen Nummerierungssysteme eine rechte kurze Halbwertzeit besitzen, beweist letztes Beispiel. Spätestens ab 2003 darf dann gegrübelt werden, an was man eine 1993 gebaute Gitarre von einer 2003er unterscheiden soll. Custom-Shop-Instrumente werden gerne gekauft. Die schlechte Nachricht: Solche Tatsachen rufen Kopierer und Fälscher auf den Plan, die ihre eigenen Gitarren mit falschen Federn schmücken und zu Custom-Shop-Kursen anbieten.

Die gute Nachricht: Seit dem Jahr 2000 tragen die echten Custom-Shop-Instrumente einen implantierten Chip an einer von außen unzugänglichen Stelle im Halsfuß, in den alle Informationen zur Gitarre gespeichert sind. Fehlt einer vermeintlichen Custom-Shop-Gitarre dieser Chip, kann man davon ausgehen, eine Fälschung in der Hand zu halten.

Die schlechte Nachricht (für uns): Dies kann nur der Custom Shop in den USA überprüfen, weil sich hier zurzeit das einzige Lesegerät befindet, dass den Chip identifizieren kann. Es ist aber geplant, dass über kurz oder lang sämtliche Gibson-Vertriebe weltweit mit solch einem Gerät ausgestattet werden. Andere sichere Hinweise für Produktionszeiten geben einige Konstruktions- & DesignMerkmale, die die Altersfestlegung einer Gibson erleichtern, da sie immer in einem bestimmten zeitlichen Rahmen das Outfit der Gibson-Instrumente prägten.

Gibson_Seriennummern_Datierung_07
Zeitgenössische Les-Paul-Kopfplatte

Gibson Logo

Seit 1905 schreibt Gibson seinen Namen auch auf die Kopfplatten seiner Instrumente. Damals wurde eine Mandoline die Ehre zuteil, den Namen ihres Herstellers nun weithin sichtbar zu tragen. Natürlich hatten die alten Logos einen völlig anderen Stil als die, die heute verwendet werden (s. u.). Gibson Les Pauls von 1952 haben den i-Punkt ganz eng am G platziert. Von 1953 bis 1968 ist der i-Punkt nicht mehr mit dem G verbunden, die Buchstaben b und o sind oben offen.

Von 1968 bis 1972 ist kein i-Punkt vorhanden, die Verbindung zwischen b und o ist gleichmäßig Von 1972 bis heute ist der i-Punkt wieder da, doch bis 1981 erscheint und verschwindet dieses Merkmal in einem nicht nachvollziehbaren Rhythmus. Von 1981 bis heute liegt die Verbindungslinie zwischen o und n höher als gewöhnlich. Dieser schon mal da gewesene Schriftzug wurde wieder eingeführt und beide Varianten werden bis heute verwendet Bei einigen wenigen Made-In-USA-Instrumenten der 1950er Dekade, zwischen 1970 und 1975 und von 1977 bis heute wurde/wird „made In USA“ auf die Kopfplatten-Rückseite gestempelt oder eingraviert.

Zwischen 1975 und 1977 wurden Made-In-USA-Aufkleber verwendet. Ein Gibson-Logo zierte die auch die Pickup-Kappen der Humbucker-Metallgehäuse oder die P-90 Pickup-Schalen von 1970 bis 1972.

Kommen wir zu weiteren Konstruktions- und Designmerkmalen, die eine Altersbestimmung einer Gibson Gitarre erleichtern.

Gibson_Seriennummern_Datierung_08
Verstärkung der Sollbruchstelle°

Der sogenannte Kragen, eine verstärkte Stelle am rückwärtigen Übergang zwischen Hals und Kopfplatte wurde von 1970 bis 1981 angewendet (s. o.). Noch einige Anmerkungen zu den Potiknöpfen. Der Speed-Knob, ein an der Seite glatter, zylinderförmiger Knopf, wurde zwischen 1951 und 1955 verwendet. Die Zahlen befinden sich seitlich, er ist transparent bernsteinfarben, gelblich oder schwarz gefärbt und besteht vollständig aus Kunststoff.

Der glockenförmige Knopf (s. o.) ist an der Seite glatt und seine Beschriftung steht seitlich. Auch er ist transparent gefärbt und besteht vollständig aus Kunststoff. Gibson verwendete ihn von 1955 bis 1960.

LEsPaul_Das Burst Phänomen_014
Neu für die die 1960er Les Paul: Reflektor-Potiknöpfe°

Der etwas größere, glockenförmige Reflektor-Knopf (s. o.) ist an der Seite glatt, die Zahlen stehen seitlich, er transparent gefärbt und aus Kunststoff mit Metallplättchen gefertigt, die die Schriftzüge “Volume” und “Tone” tragen. Von 1960 bis 1967 wurde er benutzt.

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Der griffigste aller Gibson-Poti-Knöpfe, der Hexenhut-Knopf, wurde 1967 eingeführt und hielt sich bis 1975. Er hat eine konische Form mit geriffelten Seiten. Die Zahlen stehen gut lesbar an der unteren Flanke (dem „Hutrand“). Er besteht aus schwarzem Kunststoff und hat oben kleine Metalleinlagen mit den Schriftzügen Volume und Tone.

Potis

Die Gehäuse der in Amerika gefertigten Potentiometer sind mit einem Zahlencode versehen, welcher auf deren Herstellungsdatum schließen lässt. Dies kann eine weitere Hilfe zur Altersbestimmung sein.

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CTS-Poti von 1986°

Doch Vorsicht: Potis werden des Öfteren mal an Gitarren ausgetauscht, so dass diese letztlich nur einen wagen Hinweis auf das exakte Geburtsdatum einer Gitarre geben können. Die ersten drei Stellen der Poti-Seriennummer weisen auf den Hersteller hin:

134 CentraLab, eingesetzt von Gibson zwischen 1953-67
137 CTS, verwendet von Gibson zwischen 1968-94

Die vierte Ziffer der sechsstelligen Codes weist auf das Produktionsjahr hin, die letzten beiden geben die Produktionswoche an. Bei siebenstelligen Seriennummern bezeichnen die vierten und fünften Ziffern das Produktionsjahr. Seit 1995 verwendet Gibson „Custom-made“-Potis von CGE. Die zweite und die letzte Stelle des Codes verraten hier das Produktionsjahr. [1995]

Autoren: Paul Day und Heinz Rebellius

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Gibson Les Paul oder Fender Stratocaster?

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Die Gibson Les Paul und die Fender Stratocaster sind die erfolgreichsten E-Gitarren, die je gebaut wurden. Doch für welche Gitarre soll man sich entscheiden, wenn man vor der Wahl steht: Leg ich mir eine Les Paul oder eine Strat zu? Gute Frage! 

8 Les Paul Modelle
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Es gibt in dieser Welt Gegensätze, die scheinen unvereinbar. Entweder man entscheidet sich für das Eine oder aber das Andere. Das sind Ideologien, Religionen, Feindschaften oder, positiv gesehen, schlichte Vorlieben.

Entweder ist man für Beatles oder Rolling Stones, Köln oder Düsseldorf, 1860 oder Bayern, Sekt oder Selters, Rouge oder Noire. Dazwischen klafft ein Graben, Grenzübertretungen sind so gut wie unmöglich. Bei Gitarristen manifestiert sich die Weltanschauung nur zu oft in der Frage: Spiele ich Les Paul oder Stratocaster. Eigentlich keine schlechten Alternativen.

Beide Gitarren, Gibsons Les Paul und Fenders Stratocaster sind die erfolgreichsten E-Gitarren, die je gebaut wurden. Niemand kann genau sagen, von welchem Modell mehr gebaut worden sind. Das ist auch unerheblich, beide haben sie die Musik der letzten 60 Jahre geprägt, wie kein anderes Instrument. Die Geburtstage der beiden Klassiker liegen etwa zwei Jahre auseinander.

Die Entstehung der Gibson Les Paul & Fender Stratocaster

Die Les Paul kam 1952 auf den Markt, die Stratocaster 1954. Gibson hatte sich damals beeilen müssen, denn die Fender Broad/Telecaster von 1950 schien ein Erfolg zu werden. Anfangs hatten die Verkaufsstrategen bei Gibson nichts von einer E-Gitarre mit massivem Korpus wissen wollen. Als dann aber der Konkurrent aus dem fernen Kalifornien eine Marktlücke gefunden zu haben schien, entwickelten die Gitarrenbauer aus Michigan in aller Eile ihr eigenes Konzept. Immerhin konnten sie den prominentesten Taufpaten verpflichten, den es damals gab.

Der Gitarrist Les Paul war der größte amerikanische Popstar der späten 40er und frühen 50er Jahre. Seine Platten wurden dutzendweise zu Hits und sein Ruf als innovativer Gitarrist war einzigartig. Les Paul war an der Entwicklung beratend beteiligt gewesen, stellte seinen guten Namen zur Verfügung und bekam Tantiemen von jeder verkauften Gibson, die sein Signet trug. Da Gibson einen traditionsreichen Namen hatte und man dem Elektriker aus dem Westen nicht ganz so viel zutraute, wurde das „Les Paul Model“ etwas aufwändiger produziert als die einfache Planke namens Telecaster. Eine geschnitzte, gewölbte Decke und eine goldene Lackierung sollten den Musikern suggerieren, wer die richtigen Gitarren zu bauen imstande war.

Fender Stratocaster
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Leo Fender, jener Elektriker aus dem Westen, verfolgte das sehr genau. Ihm war klar, dass er reagieren musste. Sein Gegenentwurf zur Les Paul bekam den Namen „Stratocaster“: Es war eine äußerst elegante Gitarre, attraktiv in Sunburst lackiert, mit einem Korpus, der sich perfekt am Körper des Gitarristen anschmiegte, denn es gab, anders als bei Telecaster oder Les Paul, keine Ecken mehr, nur noch abgerundete Kanten. Und die Stratocaster hatte drei Tonabnehmer! Leo Fender hatte zum zweiten Mal demonstriert, dass er in der Lage war, ein perfektes Instrument zu entwickeln, wenn man ihm nur die nötige Ruhe und Zeit ließ.

Die kompletten 50er Jahre hindurch, bis ins Jahr 1959, hielt er es nicht für nötig, maßgebliche Details zu verändern. Dann erst führte er bei allen seinen Instrumenten Palisander-Griffbretter ein. Gibson verfolgte eine andere Strategie. Die Les Paul wurde beinahe jedes Jahr modifiziert. Steg, Saitenhalterung und Tonabnehmer wurden immer wieder geändert.

Gleichzeitig vergrößerte Gibson kontinuierlich die Les-Paul-Familie. Ab 1955 gab es vier Varianten: Junior, Special, Standard und Custom, im Laufe des Jahrzehnts in unterschiedlicher Farbe und wechselnder Ausstattung. Während Gibson es mit Vielfalt probierte, setzte Fender auf Kontinuität. Sehr viel genutzt hat beides nicht. Die Verkaufszahlen der Les Paul waren gegen Ende der 50er rückläufig. Man probierte es noch einmal mit einem radikalen Designwechsel.

Die Gitarren bekamen einen wesentlich dünneren, konturierten Korpus mit zwei Cutaways, aber auch das half nicht. 1962, als der Vertrag mit dem Namensgeber Les Paul hätte erneuert werden müssen, trennte man sich voneinander. Fortan hießen Gibsons E-Gitarren schlicht „SG“, was soviel bedeuten sollte wie „Solid Guitar“. Die Ära der Les Paul war erst einmal beendet, und es dauerte bis 1968, bis wieder Gitarren mit diesem Namen gebaut wurden.

Warum wurde dieses Konzept damals nur ein magerer Erfolg?

Kaum ein bekannter Musiker griff in den 50er Jahren zu dieser Gibson (außer natürlich Les Paul selbst, aber dessen Stern begann in den Zeiten von Rock ’n’ Roll zu sinken, und er bevorzugte zudem meist Les-Paul-Sonderanfertigungen mit flachen Decken, die es in der Form nicht serienmäßig gab).

Ein paar Blueskünstler wie Feddie King oder John Lee Hooker wurden mit einer Les Paul gesehen. Bill Haleys Gitarrist Franny Beecher spielte eine Les Paul Custom, aber eigentlich war die Zeit der „Brettgitarre“ noch nicht gekommen, fast alle – die großen Stars sowieso – spielten elektrische Gitarren mit F-Löchern. Mit der Stratocaster war es ähnlich. Außer Buddy Holly wurde kein Star mit Fenders Flaggschiff in Verbindung gebracht. Immerhin wurde die Stratocaster nicht aus dem Programm genommen. Leo Fender war allerdings überzeugt, dass neue Modelle nötig waren.

Die Jazzmaster und die Jaguar sollten die nötigen Umsätze bringen. Und so fand die Musik der 1960er Jahre weitgehend ohne Stratocaster- und komplett ohne Les-Paul-Modelle statt. Aber, was für Amerika gilt, kann im Rest der Welt ganz anders aussehen.

 



 

Du möchtest die beiden bekannten Gitarrenmodelle selbst vergleichen? Auf dem Guitar Summit kannst du Les Paul und Stratocaster bei den Gibson und Fender Custom Shops (presented by Guitar Place) persönlich in Augenschein nehmen. Alle Aussteller-Marken des großen Gitarren-Event und das Programm findest du hier!

 

In England begann in den 1960er Jahren eine Entwicklung, die maßgeblichen Anteil an den Instrumentenvorlieben späterer Gitarristengenerationen haben sollte. Die populäre Musik des 20. Jahrhunderts bekam ihre wichtigen Impulse stets aus den USA. Vor dem Zweiten Weltkrieg war es der Jazz, danach, in den 1950er Jahren, vor allem der Rock ’n’ Roll, aus dem z. B. Elvis Presley hervorging. In den 1960er Jahren wurde alles anders, die Briten gaben in jener Dekade im wahrsten Wortsinn den Ton an.

Die großen Gitarristen der Rockmusik kommen meistens aus England, und wenn nicht, haben sie zumindest amerikanische Kollegen inspiriert und beeinflusst. Allerdings war die Situation für englische Gitarristen damals trostlos. Natürlich gab es amerikanische Vorbilder aus Blues, Rockabilly oder Country. Aber die kannte man nur aus dem Radio oder von Platten. Um etwas Eigenes zu kreieren brauchte man vor allem eins: Gitarren.

In Europa gab es Fabriken, die neben vielem anderen auch E-Gitarren in Mengen herstellten, die Qualität war hingegen eher mäßig. Englische Musiker träumten damals von deutschen Instrumenten, und Firmen wie Framus oder Höfner (auf dem englischen Markt als „Hofner“ vertrieben) lieferten auch über den Kanal, denn amerikanische Gitarren waren noch unerreichbar.

Jimi Hendrix live

Als Spätfolge des Krieges gab es in Großbritannien bis zum Ende der 50er Jahre ein Importverbot für amerikanische Waren. Die enormen Kriegsschulden verschlangen die Devisen für den Überseehandel, Konsumgüter für den privaten Gebrauch durften deshalb nicht eingeführt werden. Englische Gitarristen kannten zwar Gibson, Fender, Gretsch, Harmony und all die anderen, bekommen konnten sie diese Instrumente nicht. Es sei denn, man ließ sich etwas einfallen. Eine der ersten Megabands der 60er Jahre in Europa waren die Shadows – eigentlich ein Quartett, eine Gitarren-Band.

Allerdings arbeiteten sie dauerhaft mit einem Sänger, dem Teenager-Idol Cliff Richard. Er hatte mit und ohne Shadows Riesenerfolge und mehr Geld, als er ausgeben konnte. Seine Kumpels aus der Band überredeten ihn, aus den USA eine Gitarre zu beschaffen. Als Privatperson konnte er Waren einführen und deshalb auch eine so heißbegehrte Gitarre besorgen. Das große Vorbild der Shadows-Gitarristen war James Burton, der in der Band von Elvis Presley eine Fender Telecaster spielte. Sie besorgten also Cliff einen Fender-Katalog und der sollte sich um die Bestellung kümmern.

 

Cliff Richard war klar, James Burton ist ein Superstar, ein Mann aus der Band von Elvis, und der spielt natürlich das teuerste Modell, das Fender im Programm hat. Also bestellte er das teuerste, was Fender damals zu bieten hatte, mit allen Extras. Als die Gitarre geliefert wurde, machte Shadows-Chef Hank Marvin vorsichtig den Koffer auf – und was sah er: eine leuchtend rote Stratocaster mit vergoldeten Metallteilen – Fenders Spitzenmodell. Das war nicht das, was er wollte – James Burton spielte bekanntlich Telecaster -, aber er hatte nun immerhin eine Fender, und zwar die erste Stratocaster, die nach England importiert wurde. Die Gitarre wurde sein Markenzeichen und auf Jahre hinaus wollte von da an so ziemlich jeder Gitarrist in Europa zu allererst eine rote Stratocaster.

Nachdem Anfang der 60er Jahre das Embargo auf amerikanische Waren aufgehoben worden war, stapelten sich bei Fender in Kalifornien die Bestellungen aus England. Da man irgendwann nicht mehr genug rote Exemplare liefern konnte, schickte Fender Gitarren nach Europa, die lediglich grundiert waren. Selmer, der britische Importeur, sorgte dann für die endgültige Lackierung – natürlich in Rot.

Eric Clapton 1968
1968 Eric Clapton mit seiner ES-335 zu Cream-Zeiten

Was Cliff Richard da in seiner jugendlichen Naivität angerichtet hatte, zog weite Kreise. Ein (heute nicht mehr bekannter) Gitarrist im irischen Cork hatte bei seinem Instrumentenhändler eine Stratocaster geordert, in Rot natürlich. Der Händler bekam die Gitarre geliefert, allerdings in der Standardfarbe Sunburst, mit roten Gitarren gab es wie erwähnt Lieferengpässe. Tja, und diese Gitarre hat der Kunde nicht genommen, die Farbe stimmte schließlich nicht. So stand das Instrument bald danach im Schaufenster des Instrumentenhändlers in Cork.

Ein junger Gitarrist sah die Stratocaster und kaufte sie, denn ihm waren Hank Marvin und die Shadows ziemlich egal, er spielte den Blues. Und diese Stratocaster spielte er dann während seiner ganzen, großen Karriere, gut und gerne 30 Jahre lang. Sie wurde mit der Zeit immer unansehnlicher, denn er spielte viel. Dieser junge Mann war Rory Gallagher. Viel hätte nicht gefehlt und ein anderer berühmter Gitarrist hätte ebenfalls zu Beginn seiner unvergleichlichen Karriere eine rote Stratocaster gekauft. Am 18. Oktober 1960 schrieb George Harrison aus Hamburg seinem alten Schulfreund Arthur Kelly einen Brief nach Liverpool.

„I am playing in Germany and have much Geld“ … „I might manage a red Stratocaster with gold plated parts, but the one I want is the Gretch“(!) (kein Tippfehler, er schrieb wirklich Gretch) George Harrison entschied sich dann für die gebrauchte schwarze Gretsch Duo Jet und bestritt damit die ersten Jahre bei den Beatles. Fender hätte wohl ein Zweigwerk in England eröffnen müssen, um die Nachfrage nach roten Stratocaster bedienen zu können, wäre die Wahl damals anders ausgefallen. Es sind oft Zufälle, die einem Gitarristen sein Trauminstrument bescheren, eine bewusste Wahl war das in der Regel nicht.

Warum aber so häufig dann eine Stratocaster oder aber eine Les Paul?

Erinnern wir uns, beide Modelle waren in den 1960er Jahren völlig aus der Mode gekommen. Dennoch waren E-Gitarren von Fender oder Gibson erste Wahl, denn damals gab es eigentlich keinen anderen Produzenten von Solidbody-Gitarren in vergleichbarer Qualität. Eine Gibson oder Fender sollte es also sein. Warum dann nicht eine günstige gebrauchte? In den folgenden Jahren bekamen logischerweise viele der Instrumente einen neuen Besitzer. Als Mark Knopfler mit den Dire Straits anfing, spielte er eine gebrauchte, alte, rote Stratocaster.

Am besten war die Versorgungslage natürlich in den USA. Dort waren Les Pauls und Stratocaster erschwinglich und im An- und Verkauf oder Musikladen leicht zu bekommen. Als die englische Band The Hollies im April 1965 zum ersten Mal auf Tournee durch die USA war, gingen die Musiker in jeder freien Minute in die Läden, um sich mit Instrumenten einzudecken. Wenn man schon mal im Schlaraffenland ist, nimmt man auch ein paar Süßigkeiten für zu Hause mit. Einmal entdeckte Gitarrist Tony Hicks bei einem Pfandleiher eine Gibson Les Paul Standard. Die geforderten $ 80 waren ihm allerdings zu viel.

Die Hollies wurden von einem Kamera-Team begleitet, das jeden Schritt der Band filmte. Der Regisseur meinte, es passe prima ins Bild, wenn Hicks die Gitarre kaufen würde. Die $ 80 hat daraufhin die Filmgesellschaft bezahlt. Und die hieß zufälligerweise CBS, die kurz vorher – für etwas mehr Geld – die Firma Fender aufgekauft hatte. Und je mehr britische Bands in die USA reisten, desto mehr Instrumente kamen nach Europa. Die Rolling Stones deckten sich ein, die Kinks taten ähnliches. Dann begann Eric Clapton Les Paul zu spielen und von da an war klar: Wer als Gitarrist etwas werden will, braucht entweder eine Fender oder eine Gibson – im Idealfall eine Stratocaster oder eine Les Paul. Manch ein junger Musiker hatte sogar das Glück, dass die Eltern das Talent des Juniors fördern wollten.

Der junge Paul Kossoff, der mit Free später ein Stück britische Rockgeschichte geschrieben hat, konnte schon in jungen Jahren eine Les Paul Standard und eine Les Paul Custom sein Eigen nennen. Sein Vater war ein berühmter englischer Schauspieler, der für den Sohn offenbar nur das Beste kaufte. Aus heutiger Sicht kann man zwei Fraktionen sehen: die Jungs mit der Les Paul und jene mit der Stratocaster. Zur ersten Gruppe zählen Jimmy Page, Peter Green, Robert Fripp, Keith Richards, Mick Taylor, Jeff Beck, Eric Clapton, Slash, Gary Moore, Paul Kossoff, Neil Young, Pete Townshend, Billy Gibbons, Duane Allman, Dickey Betts und viele mehr.

 

Selbstverständlich haben viele Musiker später das andere Instrument für sich entdeckt, deshalb werden Jeff Beck, Pete Townshend oder Eric Clapton genau so mit einer Stratocaster in Verbindung gebracht. Aber es gibt auch Zeitgenossen, die beinahe ausschließlich mit Fender assoziiert werden: Ritchie Blackmore, Ron Wood, Rory Gallagher, Hank Marvin (versteht sich), David Gilmour, Mark Knopfler, Bonnie Raitt, Robert Cray, Lowell George, Stevie Ray und sein Bruder Jimmy Vaughan und natürlich Jimi Hendrix. Allerdings, bei Letzterem war das auch wieder eher Zufall.

Als er 1966 zum ersten Mal nach England kam, weil sein (englischer) Manager ihn dort zum Star machen wollte, hatte er keine eigene Gitarre dabei. Ihm war das egal, Hendrix konnte auf allem spielen, was Saiten hatte, egal ob Links- oder Rechtshänderversion. Also besorgte ihm Manager Chas Chandler für das erste Konzert in London eine Gitarre. Er fragte Eric Clapton, und der lieh Hendrix eine Stratocaster. Und der Rest ist Geschichte … [1984]

Gitarrenlack lädt sich statisch auf?

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Gibson Les Paul

Q: Meine Gibson Les Paul Traditional von 2015 leidet unter statischer Aufladung des Lacks. Recherchen in diversen Foren haben ergeben, dass das häufiger vorkommen soll und nicht nur bei den günstigeren Modellen. Angeblich soll es etwas mit der Art zu tun haben, wie Gibson möglichst effizient lackiert. Bei mir ist es immerhin nicht der Hals und auch nicht die Decke, die sich statisch aufladen, sondern nur die Korpusrückseite und die Zargen, die auf Berührungen empfindlich reagieren. Am empfindlichsten ist die Stelle genau unter dem Hals-Pickup. Bei mehr Gain kommt aus dem Verstärker ein deutlich hörbares Kratzen.

Eine Lösung, die in einem Forum genannt wurde, funktioniert merkwürdigerweise: Abreiben mit einem Trocknertuch (Lenor Aprilfrisch!). Das hält beim Spielen auch eine ganze Weile an, am nächsten Tag muss ich jedoch wieder nachpolieren. Antistatische Putztücher für Fotokamerabedarf oder Schallplatten helfen hingegen gar nicht. Mal abgesehen davon, dass das sicher nicht im Sinne des Erfinders ist, ist die chemische Ausrüstung von Trocknertüchern auf Dauer aber sicherlich auch für den Lack nicht gut. Ist zu diesem Phänomen etwas bekannt, möglicherweise gar eine Lösung?

Martin Ring (G&B-Leser)

A: Elektrostatische Knisterprobleme häufen sich in den Wintermonaten. Die Luft ist trocken, es wird kaum elektrostatische Aufladung über die Luft abgeleitet und von daher sucht sich die Aufladung den nächsten einfachen Weg, um sich irgendwo gegen Masse zu entladen. Bei der Gitarre stellen alle mit Masse verbundenen Metallteile die Entladungspunkte dar. Trifft die Ladung auf Masse, knistert es.

Abhilfe verspricht eine möglichst kurze Wegstrecke, damit sich zur Entladung weniger Spannung aufbauen muss und diese leiser bis möglichst unbemerkt abfließt. Bei Fender-ähnlichen Instrumenten verspricht die komplette Abschirmung des Schlagbretts Linderung bis komplette Beseitigung der Symptome. Bei Gibson-ähnlichen Modellen ist da oft wenig möglich. Etwas Linderung bringt aber auch hier die komplette Abschirmung von E-Fach- und Schalterfachdeckel. Wichtig ist dabei, dass diese abgeschirmten Platten dann auch wirkungsvoll mit Masse verbunden werden, sonst hat die Aktion keinen Sinn.

Die Abschirmung erfolgt in zwei Schritten:

1.) Schlagbrett bzw. Deckel auf der Rückseite komplett mit Graphitlack besprühen (Kontakt Chemie 33 Graphitspray) und trocknen lassen.

2.) Die Fläche mit selbstklebender Kupferfolie (http://noll-electronic.de/shielding) abkleben. Dabei darauf achten, dass eine Lage dicht neben der anderen verlegt und mit einem Hammer fest gehämmert wird. Danach Folienbahn für Folienbahn mit einem winzigen, ganz kurz angesetzten Lötpunkt miteinander verbinden. Diese Lötpunkte können nach erkalten auf ein Minimum abgeschliffen werden. Zwar verspricht der Hersteller eine leitende Verbindung des Kupfers auch durch den Klebefilm, was sich aber in der Praxis immer wieder als Irrtum herausstellt.

Nun zur Ursache, also der Entstehung der elektrostatischen Aufladung. Wer mit einem Plastikkamm durch die Harre fährt kennt das Problem: Die Haare bleiben am Kamm hängen. Nichts anderes passiert an der Gitarre: der lackierte Korpus wird durch Bewegung über die Kleidung aufgeladen. Nun könnte man versuchen, beim Haarekämmen einen Metallkamm zu benutzen – oder beim Gitarre spielen eine Kleidung ohne Kunstfasern und ohne Wolle. Beides ist jedoch besonders bei Winterkleidung häufig vorhanden. Kleidung komplett aus Baumwolle lässt das Problem jedoch kaum entstehen.

Weiterhin hilft es, Schuhe ohne Gummi- oder Plastiksohlen zu tragen. Denn diese leiten kaum elektrische Ladung. Weiterhin sollten man nicht auf Teppichboden stehen … und wenn doch, dann wenigstens auf antistatisch behandelten Teppichböden, die es ja auch gibt. Schon ein simpler Luftbefeuchter könnte ebenfalls das Problem minimieren.

Problem Lack: Ja, das ist Kunststoff … wie ein Kunststoffkamm. Reibt man dran, lädt er sich elektrostatisch auf. Gibson verwendet Einkomponentenlacke, sogenannte Nitrolacke, und die haben keine komplett geschlossene glatte Oberfläche. Diese Oberfläche ist also so beschaffen, dass sich allerlei Schmutzpartikel daran festhalten. Da Einkomponentenlacke nicht säurefest sind, verschmelzen Schmutz und Lack schon gerne mal zu einer Art „Lackoxydschicht“. D. h., die Oberfläche wird matt und relativ rau. Und alles, was besonders rau ist und mit Kunstfaserklamotten „gerieben“ wird, lädt sich elektrostatisch besonders leicht auf.

Jetzt könnte man natürlich der Firma Gibson zurufen: Nehmt keinen Nitrolack! Aber gerade das ist ein besonderes Feature von Gibson – und nicht nur von denen. Auch lässt sich Nitrolack weder besonders effektiv noch besonders schnell verarbeiten, das geht mit modernen Zweikomponentenlacken allemal schneller und billiger. Aber auch Gitarren, die mit Polyurethan oder Polyester lackiert werden, kennen diese Probleme, wenn auch seltener. Nichtlackierte Instrumente, also solche mit geölter Naturholzoberfläche, kennen das Problem indes überhaupt nicht.

Was man tun kann, liegt also, abgesehen von den o. g. Abschirmmaßnahmen, auf der Hand: Polieren! Und zwar mit einer richtigen Lackpolitur, etwa dem Dunlop Restore Polish, oder dem Planet Waves Restore Finish oder mit Nigrin-Lackreiniger für verwitterte Lacke aus dem Baumarkt. Diese leicht abrasiven Polituren entfernen alle auf dem Lack anhaftenden Partikel. Anschließend mit Dunlop Guitar Polish & Cleaner bzw. dem Gibson HiGloss Guitar Polish drüber polieren. Dann sollte für einige Zeit Ruhe sein. Vielleicht haben wir dann auch das Ende der Heizperiode und damit die Zeit der erhöhten Luftfeuchtigkeit erreicht, bei der das Phänomen genau so unmerklich verschwindet, wie es gekommen ist.

André Waldenmaier

Vivian Campbell: Zwischen Last in Line und Def Leppard

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(Bild: Matthias Mineur)

Ursprünglich als Tribute-Band für den im Mai 2010 ver­storbenen Frontmann Ronnie James Dio von den ehemaligen Dio-Mitgliedern Jimmy Bain (b), Vinny Appice (dr) und Vivian Campbell (g) plus Lynch-Mob-Sänger Andrew Freeman gegründet, haben sich Last In Line mittlerweile zu einer eigenständigen Formation mit eigenem Songmaterial entwickelt.

Noch vor Veröffentlichung ihres Debütalbums ‚Heavy Crown‘ verstarb Bassist Jimmy Bain im Januar 2016 während der Def-Leppard ‚Hysteria On The High Seas‘-Cruise. Für ihn kam Phil Soussan (u.a. Ozzy Osbourne, Steve Lukather, Ritchie Kotzen), der mit seinem variantenreichen Stil die Songs des Nach­folgers ‚Last In Line II‘ (2019) maßgeblich beeinflusst hat.

Im vergangenen Dezember war das Allstar-Quartett auf Deutsch­landtournee. Wir haben die Chance genutzt, um bei einem Konzert in der Isernhagener Blues Garage mit Def-Leppard/Last-In-Line-Saitenvirtuose Vivian Campbell über seine neue Epiphone Holy Diver Signature Les Paul zu sprechen, aber auch um seine legendäre Dio-Les-Paul etwas genauer in Augenschein zu nehmen.

Vivian, vor einigen Jahren hast du mir im Rahmen eines Def-Leppard-Interviews von deiner betagten Dio-Les-Paul erzählt, heute hast du sie sogar dabei. Es ist deine allererste wichtige Gitarre, nicht wahr?

Richtig. Mit 15 gründete ich in Belfast die Band Sweet Savage, mit der ich unter anderem vor Thin Lizzy und Motörhead gespielt habe, aber nie den Durchbruch schaffte. Damals träumte ich von einer Gibson Les Paul Standard Gold Top und jobbte jede freie Minute, um mir eine solche Gitarre leisten zu können. Als ich das Geld zusammen hatte, bestellte ich sie in einem kleinen Musikshop. Die Gitarre musste aus Amerika importiert werden, ich fuhr also jede Woche zum Shop, um zu schauen, ob sie schon angekommen war.

Eines Tages meinte der Verkäufer: „Wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute: Deine Les Paul ist da. Die Schlechte: Es ist keine Gold Top Standard, sondern eine weinrote Deluxe.“ Damals spielte auch Scott Gorham bei Thin Lizzy eine Deluxe, also nahm ich sie. Mein größtes Vorbild war damals Rory Gallagher, der aber glänzende Finishes hasste. Des­halb nahm ich Schmirgelpapier und raute die Oberfläche auf. Spä­ter habe ich sie schwarz lackiert, die Pickups und die komplette Hardware ausgetauscht und neue Bünde eingesetzt.

Campbells weiße Gibson Les Paul steht sonst in einem Belfaster Schaukasten.
Das Dunlop-Wah ist Campbells einziges Effektpedal.
Engl Ritchie Blackmore Signature plus 4x12er-Box

Ist sie deine am besten klingende Gitarre?

Nein. Ich muss gestehen, dass meine 58er-Reissues deutlich wär­mer klingen und mehr Ton haben. Aber die 77er-Deluxe ist nach wie vor die Gitarre, nach der ich als erstes greifen würde, wenn bei mir Zuhause ein Feuer ausbräche.

Seit wenigen Monaten gibt es sogar eine Epiphone Holy Diver Signature, die dieser Gitarre nachempfunden ist. War dein Verhältnis zu Gibson und Epiphone nicht viele Jahre ziemlich angespannt?

Ja, das stimmt. Es gab zwar Mitte der 90er einen vagen Kontakt, doch dann wurde die Firma immer unkooperativer und Künstler wurden kaum noch unterstützt. Nach dem Verkauf und mit neuem Management herrscht bei Gibson jetzt allerdings wieder eine völlig andere Firmenkultur. Phillip Wharton vom US-Custom-Shop rief mich vor drei Jahren an und sagte, dass sie mit mir ein Signature-Modell entwickeln möchten, und zwar auf Grundlage der Gitarre, die ich seinerzeit bei Def Leppard spielte. Die Sache nahm schnell konkrete Formen an, im Januar 2018 kam das Modell als Limited Edition auf den Markt. Ein tolles Instrument, auf das ich sehr stolz bin.

Natürlich fühlte ich mich geschmeichelt, außerdem kam auf diese Weise auch der Kontakt zu Epiphone zustande. Dort war man ebenfalls sehr interessiert an einem preiswerten Signature-Modell, allerdings auf Grundlage mei­ner Dio-Les-Paul-Deluxe. Ich schick­te ihnen die gewünschte Gitarre, sie machten sich Notizen zu allen Details und entwickelten anschlie­ßend eine vergleichsweise günstige Replika.

Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden, es basiert auf dem Zustand  meiner Les Paul in den Jahren 1982/1983, als wir ‚Holy Diver‘ aufnahmen. Heute sind zwar Seymour-Duncan-59-Pickups verbaut, aber ich brauchte zu ‚Holy Diver‘-Zeiten einfach einen aggressiveren Tonabnehmer, denn damals spielte ich über einen Marshall JCM800, der nicht allzu viel Verzerrung hatte.

Deshalb entschied ich mich für zwei DiMarzio X2N, die nun auch in meinem Epiphone-Signature-Modell verbaut sind, ebenso wie die Potiknöpfe im Brass-Design und das mattschwarze Finish. Ich habe die Epiphone übrigens während des Engagements von Def Leppard in Las Vegas und als Ersatzgitarre auf der Last-In-Line-Tour durch Nordamerika einige Male gespielt.

Gibt es eigentlich signifikante Unterschiede in der Art, wie du bei Def Leppard und bei Last In Line spielst?

Zunächst einmal spiele ich in beiden Bands mit der gleichen Intensität und Überzeugung. Aber Last In Line sind halt stärker Gitarrendominiert als Def Leppard, bei denen ich mit Phil Collen einen weiteren Gitarristen neben mir habe und die Stücke anders arrangiert sind. Die Soli sind kürzer und dienen als Ergänzung des Gesangs, sie sind deshalb sehr thematisch, es gibt keinerlei Improvisationen, alles ist genau durchstrukturiert und aufwändig gemacht.

Die größte Herausforderung für mich ist, mich in dieses System einzufügen und vor allem auch gesanglich die geforderte Leistung zu bringen. Da wir überwiegend die Hits der Klassikerscheiben aus der Zeit vor meinem Einstieg spielen, übernimmt Phil einen Großteil der Soli. In ‚Armageddon It‘ oder ‚Love Bites‘ spiele ich die sehr melodischen Soli von Steve Clarke, die integraler Bestandteil der Songs sind. Ich spiele sie zwar nicht exakt gleich, orientiere mich aber an seiner Vorlage.

Bei Last In Line ist die Situation eine völlig andere. Hier bin ich der einzige Gitarrist, weigere mich beharrlich zu singen, obwohl Andrew das gerne hätte, und malträtiere meine Les Paul so hart wie nur irgendwie möglich. Die Soli von ‚Rainbow In The Dark‘, ‚We Rock‘, ‚Last In Line‘, oder ‚Don’t Talk To Strangers‘, von Songs also, die 35 Jahre alt sind, werden von mir so exakt wie möglich nachgespielt, weil die Fans sie im Ohr haben und genauso hören wollen.

Obwohl du heute ein technisch besserer Gitarrist bist?

Ich spiele sie halt noch viel exakter als damals. In den 80ern habe ich mich in den Shows nur sehr vage an die Studiovorgaben gehalten und stattdessen einfach das gespielt, was mir gerade in den Sinn kam. Heute bin ich ein deutlich besserer Gitarrist, auch weil ich mit Def Leppard und Last In Line so häufig auf der Bühne stehe.

Verwendest du aktuell die gleichen Effektpedale wie damals?

In meinen Dio-Tagen gab es nicht allzu viele Effekte. Auf der ‚Holy Diver‘-Tour hatte ich nur einen kleinen MXR-Graphic-Equalizer, um die Mitten zu boosten, und ein Boss-Overdrive, um die Verzerrung des Marshalls etwas zu pushen. Genauso simpel ist es heute auch bei Last In Line: Zwischen der Gitarre und meinem ENGL-Amp gibt es nur zwei Kabel und ein Dunlop-Wah-Pedal. Der verzerrte Kanal des ENGL-Blackmore-Amps hat mehr als ausreichend Gain, sodass ich keine zusätzlichen Effektpedale brauche.

Das ist bei Def Leppard komplett anders, oder?

In der Tat! Bei Def Leppard habe ich ein hochkompliziertes Rig, das ich selbst gar nicht bedienen kann. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht einmal, wie man es einschaltet oder wie der Signalweg ist. Aber ich will es auch gar nicht wissen …

Danke für das nette Gespräch, Vivian!


3 FRAGEN AN BASSIST PHIL SOUSSAN

(Bild: Matthias Mineur)

Phil, als du die Nachricht von Jimmy Bains Tod bekamst, stand da für dich sofort fest, dass du seine Nachfolge bei Last In Line antreten möchtest?

Nein, überhaupt nicht. Jimmy und ich waren eng befreundet. Als ich Ende der 80er nach Los Angeles ging, wohnte ich eine Zeitlang bei ihm. Jimmy rief mich an und sagte in seinem typisch schottischen Akzent: „Hey Mann, ich habe hier ein Haus gekauft, du musst mich unbedingt besuchen!“ Das tat ich, wir machten viel zusammen, wir gingen auf Partys, mischten die Stadt auf, hatten viel Spaß miteinander. Er war damals ein toller Kerl! Später merkten dann alle, dass er seinem Körper zu viel zumutete. Aber es war seine Entscheidung, er wollte sein Leben so leben. Als ich hörte, dass er gestorben ist, war ich tieftraurig, aber nicht sonderlich überrascht, um ehrlich zu sein.

Bei Jimmys Beerdigung sprach Vinny mich an: „Wir haben einige Shows zugesagt, die wir spielen müssen. Hättest du Interesse?“ Ein paar Tage später fragte Andrew mich dasselbe. Natürlich fühlte ich mich geehrt und sagte zu. Zunächst ging es nur um einige wenige Shows, zumal das Management und die Plattenfirma eigentlich andere Nachfolger für Jimmy im Kopf hatten. Aber die Band wollte mich und so kam ich zu Last In Line.

Wie eng hältst du dich spielerisch an Jimmys Originale, sowohl bei den Dio-Klassikern als auch bei den Songs von Last In Line?

Natürlich sehr eng. Das ist einfach die Art, wie Jimmy die Songs gehört hat. Zumal er einer meiner Idole war und sein Stil sich zum Teil in meiner Spielweise wiederfindet. Aber es gibt logischerweise auch Unterschiede. Jimmy spielte weniger aggressiv und perkussiv als ich es tue. Ich schlage mit den Fingernägeln an, wodurch dieser Slap-Effekt entsteht. Dennoch geht es mir darum, Jimmy zu ehren und seiner Musik zu huldigen.

Ampeg SVT Classic und SVT-Cabinet

Spielst du in dieser Band ein speziell darauf ausgerichtetes Equipment?

Ja und nein. Mein Bass ist fast immer derselbe, es ist ein Music Man Sterling Custom von 2006 mit einem sehr speziellen Hals und einer Sonderlackierung. Ich setze generell nur wenig Effektpedale ein, bei Last In Line lediglich einen TC Electronic Corona Chorus, ein T. Rex Karma Boost und ein EBS Billy Sheehan Signature Drive, das Billy mir persönlich geschenkt hat.

Auch bei Johnny Hallyday, Steve Lukather, Ritchie Kotzen oder John Waite spiele ich Fünfsaiter. Bei Big Noise bin ich zu Viersaitern zurückgekehrt, aber nur, weil die klassischen britischen Bassisten wie Roger Glover, John Paul Jones, Andy Fraser oder John Entwistle in höheren Lagen gespielt und weniger die ganz tiefen Töne bevorzugt haben. Briten spielen nun einmal in höheren Lagen.

Soussans Pedalboard mit T. Rex Karma, TC Electronic Corona und
EBS Billy Sheehan Signature Drive

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2020)

Gibson Les Paul 1959 & Co

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Ehrlich gesagt konnte ich den euphorischen Berichten über die Erfolge der Historic Makeovers, der Bavarian Tunings, der Aging-Jobs – also all dem, was mit der Glorifizierung des Guten im Alten einer Gibson Les Paul zu tun hatte – nichts abgewinnen. Als ob man mit einer normalen Gibson Les Paul nicht auch gut klingende Musik machen kann …

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Doch da kaufen sich weltweit Menschen, von denen vermutlich die wenigsten einmal eine alte Les Paul in der Hand gehabt haben, eine neue Gibson R8, R9 oder R0 aus der Historic Collection und investieren mitunter den gleichen Betrag noch einmal, um bei einem Gitarrenbauer alle erdenklichen Features dem alten Original anpassen zu lassen. Und warum das Ganze? Nur um dem Traum von einer mittlerweile für einen Normalsterblichen nicht mehr zu bezahlenden richtigen Les Paul aus den goldenen Jahrgängen (1958 bis 1960) einen Schritt näherzukommen. Alles Quatsch, Hype, Selbstdarstellung, so dachte ich.

Was soll denn schon an den alten Les Pauls so besonders sein, außer, dass es sicherlich gut klingende Gitarren sind? Zaubern konnten die bei Gibson auch damals nicht. Doch dann hatte ich selbst die Gelegenheit, gleich drei dieser alten Originale näher kennenzulernen. Es war eine Begegnung der besonderen Art, die meine Meinung zu all dem beschriebenen Tun von Grund auf ändern sollte … Detlef Alder vom Guitar Point in Maintal hatte mich eingeladen, seine drei Bursts, wie diese legendären Les Pauls genannt werden, anzuschauen und anzuspielen. Abgesehen von der Tatsache, dass die Gelegenheit, gleich drei dieser Gitarren nebeneinander spielen zu können, wahrscheinlich so schnell nicht wiederkommen wird, hat mich die Tatsache gereizt, die drei Burst-Jahrgänge direkt miteinander vergleichen zu können.

Und so sah ich mich schon bald vor der wie ein altes Schaufenster aufgemachten Vitrine im Guitar Point stehen und auf je eine 58er, 59er und 60er Gibson Les Paul in Cherry Sunburst schauen. Und ertappte mich bei dem Gefühl, dass die drei mich anschauten. Doch was ist eigentlich das Besondere an den Les-Paul-Gitarren dieser Jahrgänge, und was rechtfertigt die exorbitanten Preise, die mittlerweile dafür gezahlt werden? Ist das alles Hype, oder steckt da wirklich ein Mythos dahinter? Und wenn ja, ist der nachvollziehbar oder von Geschäftemachern gar gelenkt? Um diesem Phänomen auf die Spur zu kommen, müssen wir in die Historie dieser Gitarre eintauchen.

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Detlef Alder, in feines Tweed gehüllt, mit seinen Bursts°

The Fifties

Gibson hatte seit 1952 die Les Paul Goldtop und ab 1954 die schwarze Les Paul Custom gegen die Tele- und Stratocaster des irgendwie lästigen Konkurrenten Fender ins Rennen geschickt. Seit 1957 hatte man zudem die neuen Humbucker, die Seth Lover für Gibson entwickelt hatte, auch den Les Pauls verordnet; die Goldtop bekam statt der beiden P-90s zwei, die Custom gleich drei der nun endlich nicht mehr brummenden Aggregate. Die Verkaufszahlen für Les Pauls hatten 1956 ihren Höhepunkt erreicht, mit 3129 verkauften Einheiten war allerdings das „Student“- Modell Les Paul Junior der Renner gewesen und nicht etwa die Top-of-the-line-Gitarren Goldtop und Custom.

Mitte 1957 bestand die Les-Paul-Flotte aus Les Paul Junior ($ 120), Les Paul Junior 3/4 ($ 120), Les Paul TV ($ 132), Les Paul Special ($ 179,50), Les Paul Model (Goldtop, zwei PAF-Humbucker, $ 247,50) und der Les Paul Custom (schwarz, drei PAFs, $ 375). Als 1958 die Verkäufe von Goldtop und Custom drastisch zurückgingen, entschieden die Verantwortlichen, das gesamte Les-PaulProgramm einem deutlichen Wandel zu unterziehen. So bekamen die Les Paul Junior sowie die Les Paul TV eine neue Korpusform mit zwei Cutaways.

Doch viel bedeutender waren die Änderungen, mit denen sich die Les Paul Goldtop (sie hieß offiziell Les Paul Model) konfrontiert sah: Sie wurde ab sofort in einem auffälligen Cherry Sunburst lackiert und das, wie Gibson in seiner Werbung verkündete, sogar ohne Aufpreis! Alle anderen Features, wie die beiden PAF-Pickups oder die Tune-o-matic-/Stop-Tailpiece-Konstruktion, blieben der neuen Les Paul erhalten, die übrigens erst ab Mitte 1960 den Zusatz Standard erhielt. Doch egal ob Les Paul Model oder Les Paul Standard – in die Gitarrengeschichte wird dieses Modell Jahre später als „Burst“ eingehen, die legere Abkürzung von Sunburst.

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Ca. 15% aller alten Cherry-Sunburst-Les-Pauls wurden mit Bigsby ausgeliefert.°

Der Wechsel von der goldenen zur SunburstLackierung war eine reine Marketing-Entscheidung, geschuldet dem Rückgang der Goldtop-Verkäufe. Man dachte, der Gold-Look wäre schuld daran, und so änderte man die Farbe der Lackierung. Aber auch, weil sich Kunden, die solche Instrumente seit nun fast 6 Jahren besaßen, beschwerten, weil das Gold abblätterte und sich Grünspan (sog. Greening) bildete. Zudem hatte man sicherlich mitbekommen, dass Fenders neues Modell, die Jazzmaster, 1958 mit einer Dreiton-Sunburst-Lackierung auf den Markt gekommen war.

Wie auch immer – auf der Summer-NAMM-Show 1958 zeigte Gibson seine ersten Bursts; doch da ahnte noch niemand, dass die neue Herrlichkeit bereits nach drei Jahren Geschichte sein würde. Dabei waren die Verkäufe, die von ihrem 1953er Peak mit 2245 verkauften Goldtops auf einige wenige hundert in 1958 abgestürzt waren (laut Gibson Shipping-Buch wurden exakt 434 Les Pauls verkauft, ab August die Cherry-Sunburst-Versionen), nach der kosmetischen Änderung tatsächlich erst einmal angestiegen. So verkaufte man z. B. 1959 immerhin 643 Stück, und 1960 derer 635 – zu wenig zum leben, zu viel zum Sterben.

Doch Ende 1960 erklärte Gibson das Cherry-Sunburst-Experiment dann doch für gescheitert und entschied, die komplette Gitarre einer Revision zu unterziehen. Das Ergebnis in Gestalt der SG/Les Paul, der späteren SG, ist bekannt, die Les Paul in ihrer ursprünglichen Form hatte schlichtweg aufgehört zu existierten. Gerade mal ca. 1500 Bursts sind zwischen 1958 und 1960 gebaut worden – und diese Gitarren lassen heute Musiker und Sammler in aller Welt nicht mehr in Ruhe schlafen.

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Dieses Cover inspirierte Eric Clapton zum Kauf seiner ersten Les Paul – wobei es keine Goldtop wurde.

England

Der Dornröschenschlaf der Les Paul war jedoch nicht von allzu langer Dauer; interessant nur, dass die Prinzen, die die Les Paul stürmisch wachküssten, in der alten Welt auf einer fernen Insel im Atlantik namens England lebten. Sie hatten lange Jahre des Darbens hinter sich, denn die britische Regierung hatte 1951 ein Importverbot von Musikinstrumenten, Schallplatten und einigen Luxusgütern aus der „Dollar-Zone“ verordnet, was zur Folge hatte, dass Markennamen wie Hofner, Egmond oder Framus in England bekannter als Gibson oder Fender waren.

Erst Anfang der 60er-Jahre tauchten die ersten amerikanischen Instrumente in den Läden auf – zu Preisen, die die der europäischen Instrumente um das Vielfache übertrafen. Doch die Gitarristen der englischen Metropole wollten die Instrumente spielen, mit denen in den 50er-Jahren Musikgeschichte geschrieben wurde, koste es, was es wolle. Der Blues, der Rock ’n’ Roll und auch die moderne Country-Musik wurde mit amerikanischen Gitarren gespielt, und die hatten die Standards gesetzt. Das war ein Image-Pfund, dem keine der europäischen Marken etwas Gleichwertiges entgegensetzen konnte.

Albert Lee und Jimmy Page waren die ersten bekannteren Gitarristen, die ihre Jobs mit Les Pauls verrichteten; beide hatten sich die Les Paul Custom besorgt, die mit ihren drei Pickups die nötige Vielseitigkeit für ihre Studiojobs bot. Die Auswahl an Les Pauls war in England sehr gering, denn durch die Tatsache, dass Gibson die Gitarre nicht mehr baute, war diese nur auf dem Second-HandMarkt erhältlich. Und ehe eine SecondHand-Les-Paul von den USA nach England kam, mussten schon einige Zufälle mitspielen.

Der erste wirklich bekannte Gitarrist auf der Les-Paul-Landkarte war jedoch Keith Richards! Seine Band The Rolling Stones war seit 1964 groß im Geschäft, sodass es ihm ein Leichtes war, seine Harmony Meteor und die Epiphone Casino auf der ersten US-Tour der Rolling Stones durch eine Gibson Les Paul in Cherry-Sunburst (mit Bigsby) zu ersetzen. Als Richards im gleichen Jahr in der populären Ed-Sullivan-Show eben die Les Paul spielte, schlug dies wie eine Bombe im amerikanischen Gitarristenlager ein, das sich natürlich geschlossen vor den Fernsehern versammelt hatte, um die neue, englische Supergroup zu erleben. Was war das denn für eine Gitarre? Sie war in keinem aktuellen Katalog, in keinem Shop in den USA zu sehen?

Was ein knappes Jahr später in England passierte, gilt für viele als der eigentliche Wendepunkt der Les-Paul-Geschichte. Eric Clapton war seit April 1965 Mitglied von John Mayall’s Blues Breakers. Die ersten Mayall-Gigs spielte er noch mit der Telecaster aus seinen Yardbirds-Zeiten, doch er hatte einen anderen Sound im Kopf. Vielleicht hatte Keith Richards ihm da schon seine neue Gitarre gezeigt? Es kursiert aber auch diese Geschichte: Freddie Kings Platten-cover zu ‚Let’s Hide Away and Dance Away‘ zeigte den Gitarristen mit einer Les Paul Goldtop, der Gitarre, die in amerikanischen Blues-Kreisen gerne gespielt wurde – und vermutlich hatte Clapton dieses Bild im Kopf, als er im Londoner West End shoppen ging und für 130 britische Pfund zwar keine Goldtop, aber immerhin eine Les Paul in Cherry Sunburst, Jahrgang 1960, erstand.

Und nun zusammen mit seinem neuen Verstärker, einem Marshall-JTM-45-Combo, bereit war, Geschichte zu schreiben. Wenig später wurde er sogar Gott gleichgestellt. Was war denn hier passiert? Nicht mehr und nicht weniger, als dass Clapton den Sound und die Rolle der E-Gitarre neu definierte – eine ähnliche Pioniertat wie sie etwa 30 Jahre vorher Charlie Christian gelang. Das Ergebnis der Kombination Clapton + Marshall + Les Paul + Blues war so signifikant, dass es bis heute die Messlatte darstellt, was die Essenz des Les-Paul-Sounds an sich angeht! Dieser neue Sound war dank der Les Paul und dem voll aufgedrehten Marshall-Combo so fett und Sustain-reich, das kannte man bis dato noch nicht. Dazu kam die musikalische Freiheit, die John Mayall seinem talentierten Gitarristen ließ, um seine langen Improvisationen zu spielen, was bisher nur im Jazz üblich war.

Claptons erste Les Paul ist die am meisten verehrte und verherrlichte überhaupt. Und dies nicht nur, weil Clapton mit ihr sein vielleicht wichtigstes Album aufnahm, sondern auch, weil er sie nicht allzu lange besaß. Denn sie wurde ihm 1966 gestohlen, als er mit seiner neuen Band Cream für die ersten Auftritte probte. Clapton, der nur diese eine Gitarre besaß, spielte auf den ersten Gigs mit Cream eine Les Paul mit Bigsby, vermutlich eine Leihgabe von Keith Richards. Kuriose Fußnote: Diese Bigsby-Burst verkaufte Richards 1967 an den damaligen Gitarristen der John-Mayall-Band, Mick Taylor, der die Les Paul wiederum zu den Stones mitbrachte, als er dort 1969 Brian Jones ersetzte.

Clapton wiederum konnte im September 1966 Andy Summers, den späteren Police-Gitarristen, überreden, ihm seine Les Paul Sunburst zu verkaufen. ‚Fresh Cream‘ wurde mit dieser Les Paul aufgenommen, und dieses Album samt der ausgekoppelten Single ‚I Feel Free‘ sind weitere Meilensteine, die den Mythos Les Paul Sunburst mit begründeten.

In den USA tauschte Mike Bloomfield, der Gitarrist der Paul Butterfield Blues Band und seiner eigenen Band Electric Flag, mit dem Gitarrenbauer Dan Erlewine seine Les Paul Goldtop mit P-90s gegen eine Burst plus 100 US-Dollar. Eine Session mit Clapton zwischen zwei Cream-Auftritten in USA hatte hier den Ausschlag gegeben. Bloomfield etablierte nicht nur den Les-Paul-&-Fender-Twin-Sound, sondern war der Auslöser, dass nun auch die Amerikaner in eine Les-PaulHysterie verfielen, die letzten Endes auch Gibson erreichte. Hier bemühte man sich ab 1968, die lauten Forderungen nach neuen Les Pauls zu erfüllen, packte die Sache jedoch total falsch an. Doch das ist eine andere Geschichte. Bloomfields Les Paul erlitt übrigens das gleiche Schicksal wie die Beano-Burst und auch Claptons zweite, die Summers-Burst – sie alle wurden gestohlen und sind nie wieder aufgetaucht.

Im Gefolge von – oder aufgrund ihrer Bewunderung für – Clapton haben viele Gitarristen die Les Paul endgültig für immer in der Geschichte festschrieben: Jeff Beck, Billy Gibbons, Jimmy Page, Peter Green, Paul Kossoff, Duane Allman, Joe Perry, Gary Moore, Don Felder, Joe Walsh, und auch Slash, der mit dem Erfolg von Guns N’ Roses der Les Paul an sich in den Achtzigern noch einmal einen gewaltigen Afterburner verpasste, obwohl er anfangs „nur“ die Kopie einer Burst spielte. Paul McCartney hat eins der wenigen – man sagt, es gäbe überhaupt nur eine Hand voll – Linkshänder-Exemplare, die er heute immer noch spielt. Die Gitarre hatte seine Frau Linda ihm bei Gruhn gekauft. Heute ragt Joe Bonamassa aus der Masse der BluesRock-Gitarristen heraus – und auch er hat längst sein Herz an die Burst verloren. Gerüchten zufolge besitzt er bereits vier dieser Gitarren, und die Tendenz geht wohl zur fünften.

Das „Beano“-Album war nicht nur ein musikalischer Meilenstein, sondern legte gleichzeitig den Grundstein für das nun in England ausbrechende LesPaul-Sunburst-Fieber

Aber warum?

Doch warum aber soll z. B. eine 1958er Les Paul Sunburst besser klingen als eine 1957er Les Paul Goldtop, die bis auf die Farbe des Lacks exakt die gleichen Features wie die Burst aufweist? Und warum sollen die Gitarrenbauer von heute, allen voran Gibson selbst, nicht mehr in der Lage sein, eine so gut klingende Les Paul zu bauen? Fragen, die polarisieren, Fragen, auf die es bisher kaum konkrete Antworten gab. Neulich habe ich gelesen, dass jemand die Gitarrengeschichte mit einem großen X verglichen hat – ganz oben an der Schere befände sich der Gitarrenbau von heute, ganz unten lägen seine Anfänge. Und in der Mitte, also an der Stelle, an der sich die beiden Linien kreuzten, stünde die 1959 Les Paul, die Stradivari aller E-Gitarren, die Kulmination all dessen, was eine E-Gitarre ausmacht, der Holy Grail. War es vielleicht doch so, dass 1958 bis 1960 einige Faktoren zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammengekommen sind?

Konstruktion

Das System Les Paul setzt sich wie fast alle anderen E-Gitarren auch aus drei Komponenten-Gruppen zusammen: Holz, Hardware und Elektronik. Der Korpus einer Burst wurde aus relativ leichtem, einteiligem Mahagoni gefertigt, auf dem zwei mittig zusammengefügte Ahorn-Teile eine gewölbte Decke formen. (Bei den deckend lackierten Goldtops und Customs bestanden die Decken übrigens auch mal aus drei Stücken oder sie waren nicht zwangsläufig mittig verleimt) Auch der Hals hat Mahagoni als Basis-Material, auf ihn ist ein Griffbrett aus brasilianischem Palisander geleimt. Das Mahagoni (Swietenia Humilis) stammte damals aus British Honduras, dem heutigen Belize, einem kleinen, mittelamerikanischen Staat, wo es in einem relativ trockenen Boden aufwuchs und ständig dem Wind ausgesetzt war.

Aus Michigan, einem US-Staat an der kanadischen Grenze, kam in der Regel das Ahorn, das für die Decke verwendet wurde – auf trockenem Boden in einem relativ kalten und trockenen Klima aufgewachsen. Die Verbindung zum Korpus erfolgt über das Einleimen eines längeren Zapfens, der weit bis etwa in die Mitte der Ausfräsung des Hals-Pickups reicht. Der Leim, den Gibson damals benutze, war Haut- oder Knochenleim, also organischen Ursprungs; er soll im Gegensatz zu modernen, synthetischen Leimen tiefer ins Holz einsinken und glashart aushärten. Ein relativ kleiner Prozentsatz (ca. 30%) der ca. 1500 Les Paul Sunbursts weist eine auffällige Flammung der Decke auf.

Man darf davon ausgehen, dass Gibson einfach das Ahorn verwendete, was gerade lieferbar und günstig war; und geflammtes Ahorn war günstiger, weil der Möbelbau es aufgrund seiner größeren Instabilität nicht gebrauchen konnte. Doch die Gitarristen entdeckten irgendwann die besondere optische Wirkung, insbesondere, wenn das Ahorn mit stehenden Jahresringen aufgesägt wurde; hier erzeugte die quer oder schräg zur Maserung verlaufende Flammung dramatische optische Effekte, mit einer Dreidimensionalität, die sich, je nach Blick- und Lichteinfallwinkel, wie ein Hologramm ändert.

Heute bestimmt die Flammung der Decke entscheidend den Preis der Gitarre mit; da wird für eine „Figured Top“ mitunter über $ 100.000 mehr gezahlt, als für eine ansonsten gleiche „plain top“! Zu der reizvollen Optik der Ahorndecke trug die Cherry-Sunburst-Lackierung, die Gibson in dieser Art erstmals für die Les Pauls anwendete, entscheidend bei. Die spezielle Art der Lackierung (ohne Porenfüller, ohne Beize, mit gelb eingefärbtem, transparentem und lichtdurchlässigem roten Nitro-Lack) „feuerte“ die Flammung noch zusätzlich an.

Der rote Lack hatte allerdings einen Fehler: Er war nicht farbecht und blich mit der Zeit bei Tageslicht und Sonne aus – so sehr, dass Gibson kurz nach Vorstellung der ersten Sunburst Les Pauls eine Mitteilung an seine Händler verschickte, die neue Gitarre doch bitte nicht in Schaufenstern auszustellen. Dennoch sind ein Großteil der Bursts heute ausgeblichen, was wiederum dazu führt, dass eben keine der ca. 1500 Exemplare so aussieht wie die andere. Erst Mitte 1960 verwendete Gibson einen stabileren roten Lack, der nicht so leicht ausblich und oft einen Hauch von Orange in sich trug, was diesen Gitarren den Namen Tangerine Burst einbrachte. Die einzelnen

Ausbleichphasen des roten Lacks haben von Sammlern treffende Namen bekommen:

  • Cherry Sunburst – kräftiges, noch nicht verblichenes Rot.
  • Faded Cherry Sunburst – deutliche Ausbleichung des Rot.
  • Teaburst – kaum noch sichtbares Rot, das bereits ins Bräunliche tendiert.
  • Greenburst – eher seltene Färbung, die dann eintreten kann, wenn das Rot sehr schnell und deutlich ausgeblichen ist.
  • Honeyburst – nur noch geringe Rot-Anteile sind sichtbar.
  • Lemon Drop – kein Rot mehr sichtbar.
  • Darkburst – wenn statt des Cherry sehr dunkles Rot verwendet wurde, um optische Fehler des Ahorns zu kaschieren.
  • Tobacco Burst – ausgeblichenes Darkburst.

Zentraler Teil der Hardware war der ABR-1 Tune-o-matic-Steg, von Gibson im Jahr 1954 erstmalig vorgestellt. Dieser Steg bestand aus vernickeltem Zinkguss mit sechs Messing-Saitenreitern, die Saiten wurden in einem vernickelten Stop-Tailpiece aus leichtem Aluminium verankert.

Und dann sind da ja noch die Pickups – ein weiteres, heiß diskutiertes Thema der Vergangenheit und Gegenwart. Die sogenannten PAF-Tonabnehmer (= patent applied for, zum Patent angemeldet) bestanden aus zwei Spulen, die unterschiedlich gewickelt und gepolt waren und so für Brummfreiheit sorgten. Die Spulen selbst waren aus Enamel-Draht in 42er Stärke gewickelt, unter ihnen lagen Alnico-II- oder V-Magnete, je nachdem, was der Lieferant zur Verfügung hatte. Ein Stück Holz diente als Abstandhalter, und dann es gibt noch eine Grundplatte und eine Kappe aus Nickel-Silber, eine Legierung aus Kupfer und Nickel, die laut Seth Lover die Höhen nicht bedämpfte.

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Mit der ersten LP von Cream, ‚Fresh Cream’ und dem Single-Hit ‚I Feel Free’ etablierte Eric Clapton endgültig den neuen Les-Paul-Sound

1959 wurden neben schwarzen, die eine zeitlang nicht lieferbar waren, auch cremefarbene Spulenkörper verwendet, manchmal in Kombination (Zebra), manchmal waren beide creme-farben (sehr gesucht) oder eben auch weiterhin schwarz. Die Spulen wurden mit einfachen Maschinen gewickelt, der Draht von Hand geführt, jeweils ca. 5000 Umdrehungen kamen auf eine Spule. Untersuchungen haben bewiesen, dass kaum ein PAF exakt dem anderen gleicht.

Es ist erwiesen und es ist beruhigend, dass nicht jede der der ca. 1500 Bursts mit diesem himmlischen Sound gesegnet ist, von dem Musiker und Sammler gerne sprechen. Man spricht von der Faustregel, dass nur eine von 15 alten Les Pauls eben diesen Sound hat, der mir auch bei meiner Begegnung mit den drei Gitarren im Guitar Point begegnen sollte.

Heute

Um es kurz zu machen: Nicht alles, was an einer alten Les Paul dran ist, ist heute state of the art. Die ABR-1-Brücke aus Zinkguss ist so ein Beispiel, der Nylon-Sattel ein zweites. Heute ist ein Knochen- oder synthetischer Sattel das Maß aller Dinge, und auch in Sachen Brücke gibt es Hersteller, die stabilere, technisch ausgereiftere und schönere Aggregate anbieten. Dennoch ist der Sound einer alten Les Paul wie immer die Summe aller Einzelkomponenten, und da gehören eben auch diese aus heutiger Sicht vielleicht unvollkommenen Teile unweigerlich dazu. Die Serienfertigung wird zudem immer mehr mit dem Holzmangel konfrontiert.

Swietenia macrophylla, dieses Mahagoni aus Belize, ist teuer geworden, ebenso das südamerikanische Swietenia macrophylla, denn es gehört mittlerweile zu den geschützten Holzarten und darf nur noch mit Cites-Papieren, die seine Herkunft nachweisen, gehandelt werden. Ersatzhölzer sind oftmals Cedro oder andere, schwerere Mahagoni-Arten. Auch die heute gerne verwendeten Nitro-Lacke, in denen Plastizide und Acryl-Beimischungen für Stabiltät sorgen sollen, haben mit den alten Lacken nicht mehr viel gemeinsam.

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Les Pauls aus ihren drei Jahrgängen, von links: 1958, 1959 und 1960°

Die Pickups sind vielleicht noch am ehesten zu reproduzieren, wenn man auf die richtige Wickelmethode, die Art der Verkabelung, die Kondensatoren (Bumble Bees) etc. achtet und wenn man ein gewiefter GitarrenElektroniker ist. Und die soll es ja geben. Ein guter Gitarrenbauer ist jedoch in der Lage, die Einzelkomponenten des Systems Les Paul so zu kombinieren, dass dabei eine Gitarre herauskommt, die an die klanglichen Qualitäten einer guten, alten Les Paul heranreicht. Das beweist z. B. der Gibson Custom Shop mit seinen neuen Collectors-ChoiceModellen. Wobei aufgrund der Tatsache, dass einige der alten Materialien nicht mehr verfügbar sind (z. B. Rio-Palisander für das Griffbrett), die Gitarrenbauer geschickt abwägen müssen, welche Parts sie zu einem System zusammenfügen müssen.

Klingt z. B. ein Knochensattel in Kombination mit einem Griffbrett aus indischem Palisander ähnlich wie der Nylonsattel und das Griffbrett aus dem heute nicht mehr verfügbaren Rio-Palisander? Oder belässt man es (wie der Gibson Custom Shop) beim Nylonsattel und holt die Klarheit und Dynamik, die das brasilianische dem indischen Palisander voraus hat, vielleicht irgendwo anders auf? Für eine moderne, serielle Fertigung in großem Stil sind diese Ansprüche jedoch zu ambitioniert, schon allein aus wirtschaftlichen Gründen; das beweisen nicht zuletzt die Unterschiede in der Klangqualität des normalen Gibson-Custom-Shop-Programms.

Aus diesem Grunde ist es also durchaus nachvollziehbar, dass jemand, den das Thema Les Paul Cherry Sunburst gepackt hat, sich seine neue Gibson Les Paul eben auf alt tunen lässt. Immerhin hat er dann immer noch eine echte Gibson, auch wenn der beauftragte Gitarrenbauer massive Eingriffe in das Serienprodukt vornimmt. Von dem bleibt oft nur noch das reine Holz übrig und wird mit neuem Lack, alter Hardware und Elektronik inklusive originaler PAF-Pickups bestückt. Kollege Udo Pipper hat in mehreren Workshop-Artikeln bewiesen, dass man sich so schrittweise dem Klang einer echten Burst durchaus erfolgreich annähern kann.

 

Doch selbst der beste Gitarrenbauer ist nicht in der Lage, seinem Produkt den Mythos einzupflanzen, den eine echte, alte Les Paul mitbringt. Mythos ist wie Kunst – man kann ihn nicht erschöpfend erklären, man kann ihn nicht begreifen, man kann ihn nur erspüren. Für viele ist Mythos nicht wichtig, für Sammler und Liebhaber jedoch umso mehr. Und genau diesen Mythos haben die alten Les Pauls für immer allen zeitgenössischen Derivaten voraus.

Der Mythos der Les Paul Cherry Sunburst setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen:

  • Die wechselhafte Geschichte, daraus resultierend ihre geringe Verfügbarkeit
  • Die musikalischen Meilensteine, die mit ihr eingespielt wurden
  • Die Optik und die daraus resultierende Individualität (keine Burst ist wie die andere)
  • Der Sound

All diese Faktoren treffen in ihrer Gesamtheit auf keine andere Gitarre zu. Vielleicht sind eine 58er Gibson Explorer oder Flying V noch teurer, weil noch seltener, sicher gibt es 57er Les Paul Goldtops, die genauso gut klingen wie eine 58er Burst, aber selbst diese ohne Zweifel außerordentlichen Instrumente reichen nur in diesen Teilbereichen an den Mythos der alten Les Pauls heran. Als Besitzer einer Les Paul Cherry Sunburst ist man direkt verbunden mit der Musikgeschichte, hat die gleiche Gitarre wie ein gutes Dutzend der bekanntesten Rock-Stars. Außerdem gehört man zu einem geschlossenen Zirkel, dessen Eintrittskarte so viel kostet wie ein Ein- bis Zweifamilienhaus.

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Nachdem 1964 Keith Richards die Les-Paul-Saat in die USA gebracht hatte, brachte wenige Jahre später Mike Bloomfield diese Saat zum Blühen – und Gibson begann wieder, Les Pauls zu bauen.

Solch ein hoher Preis alleine bewirkt schon Mythos. Typische Burst-Sammler können nicht zur Ruhe kommen. Sie werden verfolgt von dem Gedanken, dass es irgendwo da draußen eine Burst geben könnte, die noch besser klingt, deren Flammung noch dreidimensionaler erscheint, die noch besser in der Hand liegt, die einfach noch perfekter ist als die, die man schon hat. Es liegt in der Natur des Sammlers, mit dem Erwerb eines Stückes sein Augenmerk sofort auf mögliche neue Beute auszurichten. Und die Tatsache, dass sich die Eigenschaften der Cherry-Sunburst-Les-Pauls so vielschichtig darstellen, macht sie noch begehrenswerter. So begehrenswert, dass es weitaus mehr von ihnen geben soll, als Gibson damals gebaut hat.

Namen

Mindestens die Hälfte der alten Les Pauls haben inzwischen Namen bekommen, was die enge Beziehung der Besitzer zu ihnen dokumentiert. Die bekannteste ist sicherlich Billy Gibbons’ Pearly Gates, die vielleicht schönste hört auf den Namen Sandy und gehört dem bekannten Les-Paul-Sammler Tom Wittrock, der u. a. auch Gloria, Donna, Curly, Burly und The Other Woman besitzt, während seine Ex namens Goldie neulich an Joe Bonamassa ging. Eine wahre Schönheit soll auch Gladys sein, die dem amerikanischen Burst-Spezi Joe Ganzler gehört, eine der berühmtesten ist die Brockburst des amerikanischen Sammlers Vic Da Pra. Der japanische Sammler und Musiker Kunio Kushida hat unter anderem Bursts mit den wohlklingenden Namen Amanda, Nancy und Jessica, während Jimmy Page seine Bursts schlicht nummeriert hat: No. 1 und No. 2. In einem US-Laden wird zurzeit eine wunderschöne 59er mit dem Namen Rosalie angeboten, während eine Burst, die lange in Deutschland unterwegs war, mittlerweile in Amerika auf den Namen Bearded Lady hört – wegen des Bigsby-Schattens auf der Decke.

 

 

Preise

Ach ja, von Preisen haben wir ja noch gar nicht geredet. Burst-Preise erfährt man in der Regel auch nicht, zumindest nicht als Außenstehender. Es gibt einen kleinen Kreis von Leuten, man spricht von einem guten Dutzend weltweit, die als erste informiert werden, wenn eine Burst angeboten wird. Eher selten taucht mal eine auf der Internetseite eines Ladens oder bei großen Auktionshäusern wie Sotheby’s oder Christie’s auf. Die Faktoren, die den Preis einer Burst bestimmen, sind der (Original-)Zustand, die Intensität des roten Farbanteils, die Intensität der Flammung und der VIP-Faktor, z. B. wenn die Gitarre einem bekannten Musiker gehört hat. Im Vintage Price Guide sind folgende Preise gelistet, die durchaus realistisch sein sollen:

1958 Les Paul Cherry Sunburst

  • mit geflammter Decke: $ 260.000 bis $ 325.000
  • mit wenig geflammter Decke: $ 180.000 bis $ 230.000
  • ohne Flammung: $ 140.000 bis $ 170.000

1959 Les Paul Cherry Sunburst

  • mit geflammter Decke: $ 270.000 bis $ 340.000
  • mit wenig geflammter Decke: $ 200.000 bis $ 250.000
  • ohne Flammung: $ 150.000 bis $ 180.000

1960 Les Paul Cherry Sunburst

  • mit geflammter Decke: $ 210.000 bis $ 260.000
  • mit wenig geflammter Decke: $ 160.000 bis $ 200.000
  • ohne Flammung: $ 125.000 bis $ 160.000

 

Diese Preise gelten für komplett originale Gitarren inkl. Original-Koffer, die Preisspanne markiert auf der einen Seite einen nahezu Neu-, auf der anderen einen guten Gebrauchtzustand. Ist die rote Farbe teilweise oder ganz verblichen, muss mit etwa 10% Abzug gerechnet werden. 10 bis 15% weniger sind Gitarren wert, die ein Bigsby montiert haben. Immerhin 15% aller damals gebauten Les Paul Sunburst hatten ab Werk ein Bigsby

 

Realität

Zurück zur Realität – und hin zu den drei Bursts, die in Detlef Alders Guitar Point stehen. Zumindest zwei dieser drei Gitarren haben viel zu erzählen, Geschichten, die zum Teil so wundersam anmuten wie die Flammung ihrer Ahorndecken.

 

Ser.-Nr.: 8 6787

Die 1958er Les Paul hat die Wandlung einer Cherry Sunburst zu einer eleganten Teaburst hinter sich. Das Rot ist nicht mehr zu sehen, ein dunkler Rand umrahmt dezent den im typischen Amber gealterten Klarlack. Bis auf zwei Neubundierungen ist die Gitarre im Originalzustand. Bevor die Gitarre nach Deutschland gekommen ist, gehörte sie dem in diesem Jahr verstorbenen amerikanischen Gitarristen Ronnie Montrose, der für Van Morrison, Boz Scaggs und Herbie Hancock in die Saiten griff, bevor er in die Edgar Winter Group einstieg und danach seine eigenen Bands Montrose (mit einem gewissen Sammy Hagar als Sänger) und Gamma gründete.

1979 fand die Les Paul den Weg nach Deutschland und wurde in den Händen eines bekannten Studiogitarristen zur am meisten aufgenommenen Gitarre hierzulande. Der Klang dieser alten Dame, deren Hals recht satt in der Hand liegt, ist sehr, sehr beeindruckend. Ein unglaublich frischer und klarer Ton, der den Atem des alten Holzes förmlich transportiert, und die ehrliche Trockenheit des Klangs löst Bewunderung und nahezu Ehrfurcht aus. Bin ich das, der hier spielt, oder spielt diese Gitarre mich? Ihr Klang hat alles, und noch mehr: eine wunderbar auflösende Transparenz in allen Frequenzbereichen und in allen Lagen, und eine ausgesprochen feinfühlige Dynamik.

Auch in den hohen Lagen ist das Sustain ungebrochen stark und souverän, und verzerrt der Verstärker, entwickelt die 58er deutlich nachvollziehbar einen ausdrucksstarken, sehr vokal ausgeprägten Grund-Sound, der sich mit allem, was der Gitarrist zur Verfü- gung hat, formen lässt. Interaktion Deluxe. Beide Pickups liefern qualitativ gleichwertige Sounds, deren Bandbreite unwahrscheinlich groß ist, und das alles lässt sich sehr effektiv mit den vier Reglern in weitere Sound-Welten aufsplitten. Diese 1958 Les Paul ist eine Klasse für sich, und diese Klasse ist überhaupt nicht an Genres und Spielstilistiken gebunden. Mannomann.

 

Ser.-Nr.: 9 0890

Mit einem Bigsby bewehrt und in einem Faded Cherry Sunburst wie aus dem Bilderbuch kommt das 59er Les Paul Model (noch hieß sie nicht Standard). Die unterschiedlichen Positionen, in denen wir die Gitarre fotografierten, ließen jedes Mal eine andere Art der Flammung erkennen – sehr beeindruckend, und längst nicht so aufdringlich wie so manche „highly figured“ Gitarrendecke von heute. Die Gitarre ist bis auf die Bünde im Originalzustand und hat ebenfalls eine interessante Geschichte zu erzählen. Zu Schüler- und Highschool-Zeiten hat der erste Besitzer die Les Paul in einer Bigband gespielt, aber nach dieser Zeit das Interesse an Musik verloren, und die Gitarre wanderte unters Bett. Als seine kleine Nichte Interesse am Gitarrenspiel zeigte und Unterricht bekommen sollte, stellte ihr Onkel ihr seine alte Gitarre zur Verfügung. Und fortan fuhr die kleine Nichte monatelang mit öffentlichen Verkehrsmitteln und einer 1959 Burst im Koffer zum Gitarrenunterricht!

Erst als sie die Les Paul in einen Musikladen brachte, weil ihr eine Saite gerissen war, wurde allen Beteiligten klar, um was für ein Instrument es sich hier handelte. Nach eingehender Familienberatung entschloss man sich, die Les Paul zu veräußern – und so fand sie über eine weitere Zwischenstation den Weg nach Maintal zu Guitar Point. Der 59er Hals fühlt sich überraschend moderat an – völlig anders, als ich das Profil von einer 59er Reissue interpretiert sah. Gar nicht so klobig, sondern eher „genau richtig“, sogar eine kleine Idee griffiger als das Profil der 58er Les Paul. Klanglich war vor allem der Sound des Steg-Pickups der reine Wahnsinn – offen, satt, brillant, mit starkem vokalem Charakter und etwas mehr Lautstärke als die 58er. Die cleanen Sounds belegen, das hier weniger Holzklang übertragen wurde als bei der 58er, und dass der HalsPickup irgendwie nur normal erschien. Auch gut, aber gegen die Sonderklasse des StegPickups halt eben nur normal.

 

Ser.-Nr. 0 7453

Das Wunderbare an der Begegnung mit diesen drei Bursts ist neben den verschiedenen klanglichen Eindrücken auch die Tatsache, dass man sehr genau verfolgen kann, wie sich diese drei Produktionsjahre unterscheiden: z. B. die unterschiedlichen Halsprofile, oder die verschiedenen Rottöne sowie die unterschiedlich lauten Pickups. Das 60s Halsprofil ist denn auch deutlich dünner als das der beiden anderen. Dafür geht es klanglich hier ganz anders zu, denn die 60er Les Paul ist deutlich die aggressivste dieses Trios; sie geht mit einer schnellen Dynamik fast schon bissig zur Sache, sie klingt für meine Ohren ganz stark nach Classic Rock im Allgemeinen und Led Zeppelin im Besonderen. Die leichten Holzanteile im Klang machen sich bei weniger verzerrten Sounds gut bemerkbar und sorgen dort für Transparenz und Glanz. Auch diese Les Paul ist in allen Lagen vollwertig, die Töne stehen auch in den oberen Registern wie eine Eins, und das auch bei wenig Verzerrung.

[3987]

Jason Isbell: Opas Taschenmesser als Belohnung

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(Bild: Alysse Gafkjen)

Spätestens seit ihrem 2017er-Album ‚The Nashville Sound‘ spielen Jason Isbell und seine Begleitband The 400 Unit in der obersten Liga des Americana. Trotz der aktuellen Coronakrise hat der 41-Jährige nun den Nachfolger ‚Reunions‘ veröffent­licht. Uns erzählte er im Interview, was ihn musikalisch geprägt hat, welche Gitarren und Amps ihn aktuell inspirieren – und dass er die Quarantäne am liebsten in seinem eigenen Rockclub verbringt.

Doch wichtig zu erwähnen ist auch, dass sich Isbell selbst mit dem genannten Label „Americana“ nicht so recht anfreun­den kann. Seine Musik ist Melancholie bei voll aufgedrehten Amps oder schlicht – wie er selbst sagt – „Sad Rock“. Und auch die aktuelle Veröffentlichung zeigt, dass der Südstaatler seine Lektio­nen als Rockgitarrist gelernt hat. Vielseitig, versiert und virtuos.

Jason, momentan sind keine Shows möglich. Wie vertreibst du dir die Zeit?

Ich spiele definitiv mehr Gitarre als sonst. Man kann es vielleicht Üben nennen, aber ich mache das vor allem, weil es mir Spaß bereitet. 100 Meter hinter unserem Haus steht eine Scheune, die wir umgebaut haben, als wir eingezogen sind. Sie sieht jetzt aus wie ein Rockclub, mit einer Bühne und Discokugeln an der Decke. Sie ist schalldicht, sodass wir dort sehr laut spielen können. Neben all den Amps und Gitarren steht dort auch ein Fractal Audio Axe-Fx für meine Frau (Amanda Shires, spielt Geige bei The 400 Unit, Anm. d. Verf.) sowie ein Kemper, über den ich mit Kopfhörern spiele, wenn unsere vierjährige Tochter schläft.

Ich möchte mit dir über deine musikalische Sozialisation sprechen. Du bist 1979 geboren – und demnach aufgewachsen mit der Musik der frühen 90er-Jahre, oder?

Nicht ganz. Ich fing schon sehr früh an, Radio zu hören – das muss irgendwann Mitte der 80er gewesen sein. Gitarre spiele ich, seit ich sieben oder acht Jahre alt bin.

Was waren deine frühen Einflüsse?

Mein Großvater war Prediger in einer Kirche in Alaba­ma, er brachte mir alte Gospel- und Countrysongs auf der Gitarre bei. Aus dem Radio lernte ich dazu Lieder von Crowded House, Prince oder den Dire Straits. In meiner Teenagerzeit kam dann Grunge mit Nirvana, Pearl Jam und Soundgarden. Aber die ganze Zeit über hörte ich auch Blues. Mein Großvater ließ mich ein paar Stunden Gospelmusik spielen, dann belohnte er mich, indem er Slidegitarre mit seinem Taschenmes­ser spielte.

Wenn ich ihn lange genug an der Rhyth­musgitarre begleitete, während er Geige, Banjo und Mandoline spielte, zeigte er mir, wie man Slide mit offenen Tunings spielt. Er kaufte mir Robert-Johnson-Aufnahmen, als ich zehn oder elf Jahre alt war. Zu dieser Zeit habe ich mich in den Blues verliebt. Außerdem wuchs ich in der Nähe von Muscle Shoals auf, wo viele populäre Rhythm-&-Blues-Sachen der 1960er- und 70er-Jahre aufgenommen wurden. Schon als Kind kannte ich Musiker, die auf Platten von Otis Redding, Percy Sledge, Wilson Pickett oder Aretha Franklin gespielt hatten und sah ihnen bei Auftritten zu.

Auf der anderen Seite des Spektrums hast du mal Eddie Van Halen als Antrieb erwähnt.

Das war er. Und zwar ein großer. Meine Mutter hat mich ein paar Mal zu seinen Konzerten mitgenommen, als ich noch ein Kind war. Mit 14 oder 15 habe ich mich dann intensiv mit dem Katalog von Van Halen beschäftigt. Vorher hatte ich keinen Schimmer, was Eddie da macht.

Jason mit seiner Band The 400 Unit.

Dazu gibt es eine kleine Anekdote: Bei meinem ersten Auto funktionierte der Lautsprecher auf einer Seite nicht. Das hat mich sehr wütend gemacht, denn auf den frühen Van-Halen-Alben sind die Instrumente sehr nach links und rechts gemischt. Eddies Gitarre ist ganz rechts, und die Seite hat bei mir nicht funktioniert. Ich hörte nur die Hallfahne, die nach links geregelt ist. Ich löste das Problem, indem ich einen Kopfhörer aufsetzte und die Musik über einen Kassettenrecorder abspielte, der auf dem Beifahrersitz lag. Das war wohl ziemlich gefährlich, aber ich musste Eddies Gitarre hören können.

Hast du seine Sachen damals spielen können?

Vieles davon. Ich bin mir sicher, dass ich sie nicht ganz korrekt hinbekommen habe, aber ich habe definitiv viel vom Nachspielen dieser Platten gelernt. Ich konnte das Tapping-Zeug und icherinnere mich, dass ich das meiste von ‚Eruption‘ spielen konnte. Ich war damals ziemlich schnell.

In den frühen 90ern startete neben Grunge auch das, was man heute Americana nennt – mit Uncle Tupelo, aus denen dann Son Volt und Wilco hervorgingen. Hat dich das interessiert?

Von Anfang an – denn es brachte zwei Dinge zusammen, die mein Leben früh geprägt haben. Mein Vater mochte Arena Rock und Country-Musik. Er war 19, als ich geboren wurde, meine Mutter 17. Dad hörte Sachen wie Free, Thin Lizzy und Queen, und daneben Merle Haggard und Hank Williams. Beide mochten John Prine und viele andere dieser Folk- und Country-Songwriter. Deren Musik sprach mich mindestens genauso stark an, wie der Rock’n’Roll mit seinen lauten Gitarren. Irgendwann wurde mir bewusst, dass die Kombination aus hochklassigem Songwriting und rockigen Gitarren mich zu meinem musikalischen Ziel führen würde. Das ist es, was ich seitdem versuche.

Der Umstand, dass ich aus Alabama stamme und in der Mitte vom Nirgendwo auf­wuchs, gab mir diese ländliche Prägung, die mich für Bands wie Son Volt, Wilco und Uncle Tupelo sehr empfänglich machte. Speziell das erste Son-Volt-Album (‚Trace‘, 1995) war eine wichtige Platte für mich. Meine damalige Freundin lebte in St. Louis, wo auch Son Volt herkommen. Eines Tages hörte ich im Radio den Song ‚Drown‘. Ich dachte mir: Was ist das? Das ist fantastisch. Es hat laute Gitarren, dazu ist es ein toll geschriebener Song. Ich denke, das half mir auf den Weg, auf dem ich jetzt bin.

Das vielleicht letzte Detail deiner musikalischen Sozialisation ist das Slidespiel, das du eben schon erwähnt hast.

Da muss ich vor allem Duane Allman nennen – wie gesagt, ich bin im Süden aufgewachsen. Als ich zum Teenager wurde und anfing, mit anderen Musikern rumzuhängen, spielten wir viel von den Allman Brothers. Das waren wohl die ersten komplizierten Rocksachen, in die ich wirklich kopfüber eingetaucht bin. Wir saßen herum, rauchten einen Joint und spielten die ganze Nacht ihre Songs. Duanes Slidespiel hat mich sehr angesprochen.

Danach kamen Ry Cooder und Bonnie Raitt. Sie wurde im Radio gespielt und war auf MTV und VH1 zu sehen. Bonnie ist die erste Person, bei der ich tatsächlich sah, wie sie Slide spielte, anstatt es immer nur zu hören. In jenem Jahr wünschte ich mir einen Slide zu Weihnachten.

Kommen wir damit zur Hardware. Du bezeichnest dich als großen Gear-Nerd. Warst du das schon immer?

Ja, das war ich. Aber bis vor kurzer Zeit konnte ich mir all die Dinge, die ich wollte, nicht leisten. Dennoch war das Thema immer sehr wichtig für mich. Ich bekam meine erste elektrische Gitarre, als ich acht oder neun Jahre alt war. Es war eine Electra-MPC-Les-Paul-Kopie, die meiner Erinnerung nach in Korea gefertigt wurde. Auf der Rückseite waren Hohlräume, wo du Module mit Effekten einschieben konntest, etwa Overdrive oder einen Phaser. Das fand ich damals ziemlich cool. Über die Jahre habe ich jede Menge unterschiedliche Amps, Gitarren und Pedale gekauft. Bis heute bastle ich an meinem Setup und versuche ständig, den Sound zu verbessern.

Du hast zahlreiche klassische E-Gitarren in deinem Live-Set – vor allem Teles und Les Pauls, dazu ES-335- sowie Gretsch-Modelle. Seit kurzer Zeit sieht man dich auch wieder mit einer Strat. Ist das eine Rückkehr?

Das kann man so sagen. Der größte Teil meiner prägenden Lehrzeit der E-Gitarre fand auf einer Strat statt. Mark Knopfler, David Gilmour und Bonnie Raitt waren damals große Einflüsse. Als Jugendlicher hatte ich einige Strats. Die erste bekam ich mit zwölf, eine weitere im Alter von 15. Dieses Modell besitze ich noch immer. Es ist eins aus der Strat-Plus-Serie von Mitte der 90er, mit Lace-Sensor-Pickups und einem Floating-Vibrato. Die Lace Sensors habe ich rausgenommen und durch Lindy-Fralin-Singlecoils ersetzt. Die Bridge habe ich gegen eine traditionelle Variante getauscht.

Aber deine aktuelle Favoritin ist eine andere …

Ja. Die habe ich vor ein paar Jahren hier in Nashville bei Carter Vintage Guitars gefunden. Von dort habe ich auch meine 1959erLes Paul. Die Strat ist ein 1960er-Modell mit „Slapboard“-Griffbrett. Alles daran ist original, sie ist in einer sehr guten Verfassung. Ich habe sie neu bundieren lassen, dann haben wir ungefähr ein Jahr lang daran getüftelt, um die Saitenlage exakt richtig einzustellen.

Alte Strats können wirklich zynisch sein. Wenn du den richtigen Punkt findest, sind sie perfekt – aber es kann sehr viel Arbeit verschlingen, um dahin zu kommen. Du musst den Hals abnehmen, den Halsstab einstellen und dann warten, bis es sich gesetzt hat. Das hat Monate gedauert. Letztendlich kamen wir an den Punkt, an dem alles perfekt war und ich sie in mein Setup aufnehmen konnte. Sie ist auf dem neuen Album häufig zu hören.

Wie und wo genau hast du sie eingesetzt?

Auf dem Album gibt es einen Track namens ‚Overseas‘, bei dem die Gitarre durch einen 1964er-Vibroverb mit einem 15“-Lautsprecher sowie einen 58er-Bassman lief. Ich habe das Signal gesplittet und einen Klon Centaur als Drive verwendet, wenn ich mich richtig erinnere. Es gibt ein paar weitere Nummern, auf denen wir den Vibroverb in Kombination mit einem Roland Jazz Chorus verwendet haben, etwa auf ‚Running With Our Eyes Closed‘. Die Höhenanteile im Jazz Chorus sind fast schon schmerzhaft, in Kombination mit den Zwischenpositionen der Strat liefert er aber sehr interessante Sounds.

(Bild: Erika Goldring)

Die Kombination Vibroverb/Bassman findet sich auch in deinem aktuellen Live-Setup. Was macht sie für dich so besonders?

Es ist der wahrscheinlich beste Amp-Ton, den ich je hatte. Aus irgendeinem Grund sie ein derart breites Spektrum ab – es ist fast, als hätte man einen Subwoofer mit vier Tweetern.

Von der Elektrik zur Akustik. Wenn es einen Beweis dafür gibt, dass man es im Business geschafft hat, dann ist es der Moment, in dem man sein Martin-Signature-Modell bekommt. Das ist dir passiert.

Das war natürlich eine Riesensache für mich. Als ich aufwuchs, hat meine Familie Martin-Gitarren auf eine gewisse Art verehrt. Mein Onkel besaß eine D-28, auf die er sehr stolz war. Mein Großvater und ich konnten uns nie eine leisten. Wir hatten eine Takamine aus der F-Serie, eine ihrer Lawsuit-Gitarren, mit der sie Martin kopiert haben.

Als ich schließlich doch noch in den Genuss kam und eine Zeit lang Martins gespielt hatte, kontaktierten sie mich und fragten, ob ich mit ihnen an einem Design für ein Signature-Modell arbeiten wolle. Ich war sehr aufgeregt und erfreut. Ich finde, sie ist echt gut geworden. Es ist eine D-18. Meine Absicht war die lauteste Akustikgitarre, die sie herstellen können. Dabei sollte sie natürlich sehr gut bespielbar und langlebig sein. Ich denke, das haben wir geschafft. Sie kann neben vielen älteren Akustikgitarren, die ich habe, bestehen.

Gibt es sonst noch eine Akustik, die du favorisierst?

Auf dem neuen Album habe ich auf fast jedem Track eine Gibson J-45 von 1946 verwendet. Die habe ich erst kurz vor den Studio-Sessions gekauft.

Im Info zum Album gibt es ein Zitat von dir: „Ich habe dem Produzenten Dave Cobb gesagt: Wir wollen etwas, das anders klingt als alles, was wir bisher gemacht haben.“ Wenn man das als Neujustierung empfindet, war dann das vorangegangene Live-Album der Abschluss eines Kapitels deiner Karriere?

Ich glaube ja. Ich denke, ‚Southeastern‘ (2013), ‚Something More Than Free‘ (2015) und ‚The Nashville Sound‘ (2017) funktionieren zusammen als vollständiges Statement. Es behandelt Neuerungen und Veränderungen – etwa ohne Alkohol und Drogen zu leben (Isbell hält sich nach eigener Aussage seit 2012 davon fern), eine Beziehung aufzubauen, eine Familie zu gründen, sich in einer neuen Stadt niederzulassen. Dazu kommt die Politik dieser Zeit und mein persönlicher Blick auf die Gesellschaft – all diese Dinge erstrecken sich als großes Statement über diese drei Alben.

Dieses Mal wollte ich vor allem klanglich in eine neue Richtung gehen. Dave hat sich darüber gefreut. Ich denke, er hat die Herausforderung genossen, neue, interessante Sounds zu erzeugen. Er hat dazu jede Menge Equipment eingesetzt, das er noch nie zuvor benutzt hatte, und verbrachte viel mehr Zeit damit, das Album zu mixen, als er das früher getan hat. Ich wollte nicht ein weiteres Album machen, das klingt wie ein Haufen Typen, die zusammen in einem Raum musizieren.

(Bild: Erika Goldring)

Wenn jemand weder ‚The Nashville Sound‘ noch ‚Reunions‘ kennt, wie würdest du ihm den Sound-Unterschied zwischen den beiden Produktionen beschreiben?

Ich denke, das neue Album ist mehr Hi-Fidelity. Es ist produzierter, mit einem stärker erkennbaren Bezug zu verschiedenen Gitarrensounds der Vergangenheit. Teile der Platte klingen wie Mark Knopfler, dann gibt es Stellen, die sich nach David Gilmour anhören, andere gehen in Richtung Duane Allman, wieder andere klingen nach Pearl Thompson, dem langjährigen Gitarrist von The Cure, oder Johnny Marr von The Smiths – und das alles in einem Bett von Songs, die voll und ganz Jason Isbell sind.

Du erwähnst die beiden letzteren Bands auch im Infozettel. Neben den bereits genannten Einflüssen müssen also auch die britischen Wave- und Indie-Pop-Bands der frühen 80er irgendetwas in dir ausgelöst haben. Was war das?

Ich hörte diese Sachen zum ersten Mal, als ich zu den Drive-By Truckers kam (Jason spielte dort von 2001 bis 2007, Anm. d. Verf.). In dem Ort in Alabama, in dem ich aufgewachsen bin, machte ich keine großen Erfahrungen mit Musik, die nicht Mainstream war. Wir hatten keine Independent-Radio-Stationen.

Mit den Drive-By Truckers habe ich viel Zeit in Athens, Georgia, verbracht und beschäftigte mich dort mit Punk- und Indie-Musik. Ich hörte mir die Pixies an, dazu Bands wie The Smiths oder The Cure. Die Songs von Robert Smith sind absolut beeindruckend. Das ist das, was mich an dieser Musik so angezogen hat. Mehr als das Gitarrenspiel war es das bewundernswerte Songwriting. Als ich dann etwas genauer hinhörte, fielen mir all diese wirklich coolen Schichten von Hooks in Pearl Thompsons Spiel auf. Ich habe mich auf eine Art darin verliebt.

Dazu passt, dass ‚The Nashville Sound‘ Nummer 1 in verschiedenen US-Charts, wie Country/Folk, Rock und Indie, war. Deine Musik muss also ein breiteres Publikum ansprechen als die anderer Alternative-Country-Acts. Liegt es an all diesen Einflüssen? Was zieht die verschiedenen Leute an?

Gute Frage. Genau weiß ich das natürlich nicht. Ich denke, es ist meine Ehrlichkeit. Ich bin einfach ehrlich zu den Menschen. Außerdem verbringe ich viel Zeit jedem einzelnen Song. Das ist etwas, das nicht passierte, bevor ich trocken war. Als ich anfing, an ‚Southeastern‘ zu arbeiten, fiel mir auf, dass ich einen viel stärkeren Fokus und mehr Zeit am Tag habe, in der ich an den Songs arbeiten kann, um sie genau richtig hinzubekommen.

Viel Erfolg mit deinem Album und vielen Dank für das interessante Gespräch, Jason!

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2020)


Preiswerte Neuauflage: Epiphone Joe Bonamassa Les Paul Custom “Black Beauty”

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Zwei Jahre lang haben Joe Bonamassa und Epiphones Gitarrenbauer in Nashville getüftelt. Das Ergebnis ist eine erschwingliche, aber dennoch detailgetreue Nachbildung seiner 1958er Gibson Les Paul Custom, besser bekannt als “Black Beauty”…

Die achte Signature-Gitarre für den Vintage-Gitarren-Enthusiasten orientiert sich an einem Modell, das er einst bei Hauer Music in Centerville, Ohio ergattern konnte – eine der seltensten E-Gitarren überhaupt und weltweit heiß begehrt.

Die limitierte Neuauflage kommt kompromisslos mit dem selben 50’s-Halsprofil, dem charakteristischen LP-Custom-Korpus- und Hals-Binding, Nachbauten der Vintage-Mechaniken, Orange-Drop-Kondensatoren, einer Switchcraft-Buchse, CTS-Potis, zwei Epiphone ProBucker 2 Tonabnehmern am Hals und in der Mitte, sowie einem ProBucker 3 an der Brücke.

On top gibt’s ein schwarzes Hardcase mit goldener Hardware und goldgelbem Plüschfutter.

“Ich habe daraus ein super bespielbares Instrument gemacht, kehlig aber clean, und der Lead-Pickup bellt einfach. Ich hab mich darin verliebt, es ist eine tolle Black Beauty und man möchte das Ding einfach in Grund und Boden spielen. Epiphone hat bei der Neuauflage dieser Gitarre einen großartigen Job gemacht und ich freue mich darauf das mit aller Welt zu teilen.” Joe Bonamassa

Preis: Epiphone Joe Bonamassa Les Paul Custom “Black Beauty” € 799

www.epiphone.com

Gewichtsreduktion bei Gibson Les Pauls

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Gibson wendet die Gewichtsreduzierung von Les Pauls schon seit vielen Jahren an, genauer gesagt: Seit den 1980er Jahren. Denn leichtes Mahagoni war schon damals teuer und seltener geworden. Auch von den Gitarristen, die sich in den 1970er Jahren notgedrungen 4,5 kg und mehr um den Hals hängen wollen, hatten nur wenige überlebt. Also machte man die Les Paul durch neun große, runde Löcher im Mahagoni-Korpus, die dann von der Ahorndecke verdeckt wurden, erträglicher.

Diese eher aus der Not geborene Maßnahme wird heute plakativ mit Traditional Weight Relief bezeichnet. Laut Gibson soll sich diese Methode nicht auf den typischen Sound einer Les-Paul-Gitarre auswirken.

Die zweite Maßnahme ist das so genannte Chambering, das der Les Paul aufgrund seiner wirklich großzügigen Ausfräsungen einen schönen Hauch von Semiakustik verleiht – sowohl vom Gewicht her als auch vom Sound.

Das neue Modern Weight Relief wurde für die 2014er Serie erstmals eingeführt – kleinere, ellyptisch geformte Löcher, im Gibson-Duktus „sound chambers“ genannt, sind rundum im Mahagoni-Korpus verteilt. Laut Gibson soll dies Feedback bei hohen Lautstärken verhindern, die mitunter bei den „Chambered“-Modellen auftreten können.

Wenn das Binding einer Gibson Les Paul rote Farbe annimmt…

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Les Paul
Gibson Les Paul Player´s Choice (Foto: session.de)

Q: Ich habe mir neulich eine Gibson Les Paul Player´s Choice gekauft und musste nun feststellen, dass sich das Hals-Binding rot verfärbt hat. Gibt es eine Möglichkeit, die Verfärbung zu entfernen?

Stefan R.

 

A: Die Gibson-Custom-Shop-Les Pauls werden im traditionellen Verfahren hergestellt. Hier werden Farbe und Porenfüller direkt auf das Holz gegeben, eingearbeitet und dann das Sunburst der Decke lackiert. Anschließend wird die Farbe vom Binding abgekratzt und das Instrument mit mehreren Schichten Klarlack lackiert. Da die Custom-Shop-Instrumente einen sehr dünnen Lackaufbau haben, wird auf eine Sperrschicht nach dem Farbauftrag und vor dem Abkratzen der Farbe verzichtet. Dadurch besteht  die Gefahr, dass beim Auftrag des Klarlack sich wenige rote Farbpigmente in diesen einmischen und über das Binding wandern. Auch ist diese Farbe lösungsmittellöslich und wird beim Nitrolack, der einen im Vergleich zum Polyesterlack sehr hohen Lösungsmittelanteil hat, leichter ausgewaschen und in Regionen wie dem Binding verteilt, wo man das Rot eigentlich nicht haben will. Bei Gibson ist man sich dieser Problematik sicherlich bewusst und nimmt diese zu Gunsten des dünnen Lackaufbaus in Kauf.

Ob es eine Möglichkeit gibt, diese Rotfärbung zu entfernen? Nun ja, wo ein Wille, da ein Weg. Das Binding vom Lack komplett befreien, anschließend mit Klarlack neu lackieren. Da die Lackierung am Hals bei den Custom-Shop-Instrumenten wirklich dünn ist, wird man nicht umhin kommen, den Hals komplett zu lackieren. Denn beim Beischleifen wird man sonst unweigerlich auf das Holz durchschleifen. D. h.: Bei dieser Prozedur ist die Gefahr, hier etwas optisch zu Verschlimmbessern, recht hoch!

GSWC2020: Workshop mit Udo Pipper – Vintage Les Paul

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Viele von euch kennen Udo Pipper als Autoren für Gitarre & Bass. In seinem Video-Workshop bei unserem Guitar Summit Web Camp (präsentiert von I’M SOUND) zeigt euch der Vintage-Experte anhand einer 57er Les Paul, was die Gibson-Modelle aus dieser Ära so besonders macht, selbstverständlich mit Klangbeispielen.


 

Guitar Summit Web Camp 2020

Vom 28.11. – 29.11.2020 veranstalten wir das erste interaktive Gitarren-Community-Event für alle, die sich für Gitarren, Bässe, Amps, Effekte und Musik interessieren.

Die Teilnahme am Web Camp ist kostenlos, ihr könnt euch registrieren unter: www.guitarsummit.de

Gibson-Gitarren abseits des Mainstream

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In der Schlacht um die Six-String-Vormacht im Land benötigte Gibson mehr als zwei Jahre, um eine Antwort auf die Anfang der 50er-Jahre dominierende Fender Telecaster zu finden. Die Reaktion kam in Form des Les-Paul-Modells, welches trotz eines zittrigen Starts dann doch noch zu einer der weltweit beliebtesten und gefragtesten E-Gitarren avancierte.

Gibson Logo

Ab den 60er-Jahren präsentierte der amerikanische Hersteller zahlreiche Alternativen, um an den andauernden Erfolg der Les Paul anzuknüpfen. Einige dieser Kreationen haben ihren verdienten Platz in der E-Gitarren-Historie gefunden, andere wiederum fielen ihrem unzeitgemäßen Design oder einem unglücklichem Timing, oft auch beidem, zum Opfer und verschwanden in der Versenkung. Diesen Modellen sind die nun die folgenden Zeilen gewidmet.

Tradition?

Gibson galt immer schon als ein Hersteller, der stark auf etablierte Design-Merkmale und seine eigene Tradition achtete, aber in Wirklichkeit hat diese Firma weit mehr gewagt als der vermeintlich risikofreudigere Mitbewerber Fender. In den letzten 40 Jahren präsentierte Gibson eine deutlich größere und variantenreichere Modellpalette als der kalifornische Konkurrent. Seit Anfang der 50er Jahre galt in beiden Firmen die Parole, dem Mitbewerber ein Stück des wichtigen amerikanischen Marktes abzujagen. Interessanterweise fanden bei beiden Firmen längst nicht alle Neukreationen ein breites Publikum; umso wichtiger erschien es beiden, eine entsprechend hohe Aufmerksamkeit durch die Neuauflagen alter, erfolgreicher Instrumente auf sich zu lenken.

Die Attraktivität sich wiederholender Modelle schien für Gibson wichtiger als für Fender, deren einstmals neue Kreationen oft im Nichts verschwanden und seltener wiederbelebt wurden. Tatsächlich ist der eigentliche Erfolg so mancher Gibson-Gitarre durch die Häufigkeit ihrer Neuauflagen und Variantenvielfalt über Jahre hinweg begründet. Die Modelle, denen die Ehre der Wiedergeburt nicht zuteil wurde, dürfen mit Fug und Recht als die wahren Misserfolge dieser Firma zu werten sein. Es scheint, als ob Gibson mit einer solch großen Modellvielfalt das große Risiko in Kauf genommen habe, bestimmte Umsatzziele nicht zu erreichen.

Es gab aber auch Zeiten in diesem Unternehmen, da wurde in zu viele verschiedene Richtungen entwickelt, mit der Absicht, später einmal von dem Modell-Reichtum zu profitieren. Weniger beachtet wurde über Jahrzehnte hinweg die sicherere und letztendlich preiswertere Möglichkeit, aus den bereits bekannten und beliebten Modellen ausreichend Kapital zu schlagen. Erst die letzte und aktuelle Firmenführung hat die ungeheuren Möglichkeiten dieser Politik erkannt und aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten brillant in die Tat umgesetzt. Fakt ist: Gibson hat in den vergangenen 50 Jahren so viele Modelle entwickelt, dass selbst die Auflistung der weniger erfolgreichen den hier vorgegebenen Rahmen sprengen würde.

Begnügen wir uns damit, die besten der schlechtesten Entwicklungen des Unternehmens zu zeigen. Diese Auswahl sagt nichts über die eigentliche Qualität der Instrumente aus, sondern nur über ihren Erfolg beim Kunden Gitarrist.

Die Fünfziger

In diesem Jahrzehnt konzentrierte sich Gibson hauptsächlich auf die Entwicklung der Les Paul und brachte mit der Goldtop und Custom, aber auch mit den günstigen Junior- und Special-Modellen gut verkaufende Gitarren auf den Markt. Erst Ende der Dekade präsentierte man die Flying V und die Explorer, beide mit einer kantigen, extravaganten Linienführung, die im großen Gegensatz zu den konventionellen Kurvenlinien der ersten Gibson E-Gitarre standen. Vorwürfe, dass Gibson nur konservativ gestrickte Instrumente baue, veranlasste das Unternehmen, mit etwas völlig Neuem auf den Markt zu gehen.

Wie auch immer, diese radikalen, neuen Formen waren ihrer Zeit zu weit voraus und beide Gitarren erlagen einem schnellen wirtschaftlichen Tod. Jahre später wurden diese Modelle mit deutlich besserer Publikumsakzeptanz wiederbelebt, die eine stete Produktion verschiedener Varianten nach sich zog und auch so manchen Kopierer zu eigenen Versionen inspirierte. 1959 sorgte die Melody Maker für gemischte Blickwinkel und Eindrücke. Sie war eine konsequente Schülergitarre, zugeschnitten auf Anfänger mit wenig Raum im leeren Portemonnaie. Dem dünnen Korpus wurde zuerst ein einziger der Les Paul ähnlicher Cutaway verpasst.

Melody Maker 1964
Melody Maker 1964°

Zwei Jahre später änderte sich die Form erstmals – zwei stumpfe Cutaways prägten den Body, bis schließlich vier Jahre später eine SG-ähnliche Linie das endgültige Design festlegte. Ungeachtet dieser Modifikationen wurde die Melody Maker stets mit Singlecoils (einem, zwei und manchmal sogar drei) und einer einfachen Hardware-Ausstattung bestückt, die die Marktposition im Einsteiger-Segment definierte.

Die Sechziger

Unberührt von den negativen Erfahrungen mit der Flying V und Explorer präsentierte Gibson 1963 ein weiteres innovatives Instrument. Es war die Zeit, in der Gibson sich immer mehr auf Fenders Terrain hin bewegte. Ein Autodesigner wurde eigens für dieses Vorhaben engagiert. Das Resultat: Die erste Firebird-Serie, welche bestimmte Fender-Eigenheiten überdeutlich beinhaltete, brachte ein komplett neues, extremes Design mit neuer, „verkehrt“ ausgerichteter Korpusform (reverse) und einseitig an die Kopfplatte montierten Banjo-Mechaniken. Musiker und Händler waren jedoch nicht gerade begeistert, und zwei Jahre später entschloss sich Gibson, dieses schnittige Design vollkommen umzukrempeln.

Firebird III Reverse 1966
Firebird III Reverse 1966°

Nach der Überarbeitung des Body (nun non-reverse) zeigte das Instrument deutlichere Fender-Eigenschaften, aber auch diese Modifikationen steigerten nicht die Verkaufszahlen. 1969 erlahmten die Flügel der Firebird, um später wieder wie ein Phönix aus der Asche aufzusteigen. Die ersten originalen Reverse-Modelle waren plötzlich in den Siebzigern mehr als beliebt, so dass Gibson das Modell neu auflegte. Es gehört seitdem zu den gefragtesten Modellen des Hauses. Im Gegensatz dazu blieben die Non-Reverse-Firebirds von Glück und Nachfrage leider verschont und gelten auch heute noch als ein ausgewachsener Misserfolg.

Firebird III 1964
Firebird III 1964°

In den späten 60er-Jahren nahm Gibson die Les-Paul-Produktion wieder auf und schon bald wurden zwei neue Modell-Varianten vorgestellt, mit denen einige originelle Ideen des Namensgebers umgesetzt wurden. Mit der treffenden Bezeichnung Les Paul Personal offerierte Gibson nun ein Instrument mit leicht vergrößertem Body, einem Paar gewinkelt angeordneter, niederohmiger Pickups und einer stationären Mikrofon(!)- Buchse. Die Ausstattung der Les Paul Professional mit ihrer ungewöhnlichen Schaltung war dem Schwestermodell sehr ähnlich, doch startete diese in einem günstigeren Preissegment. Dank dieser extravaganten Eigenheiten war es nicht verwunderlich, dass sich die Verkaufszahlen in engen Grenzen hielten. Denn die Musik, die Les Paul spielte und für die er solch eine Art Les Paul benötigte, war nicht mehr angesagt.

Les Paul Personal 1969
Les Paul Personal 1969°

Es dominierte der Rock und der Blues, und dafür braucht man keine niederohmigen Pickups! Gleich zu Beginn des nächsten Jahrzehnts sollten beide Modelle durch eine einzige Nachfolgerin ersetzt werden, der es auch nicht besser erging.

Die Siebziger

Das Debüt der Les Paul Recording war 1971. Viele Design-Merkmale der Personal und Professional vereinigte die Neue mit ihrem nun ein wenig kompakteren Chassis. Das überarbeitete elektrische Regelsystem sollte eigentlich vereinfacht und damit verständlicher werden, aber Besonderheiten der Schaltung wie Phasenumkehr- und Hi/Lo-Output-Schalter, eine separate Bass- und Höhenregulierung und einige Schmankerl mehr garantierten, dass bei Otto-Normal-Spieler immer noch Verwirrung herrschte. Gibson hat mit dieser, der komplexesten Les Paul aller Zeiten, schon angedeutet, was da in späteren Jahren noch auf uns zukommen würde.

Die Recording blieb immerhin neun Jahre lang unverändert im Programm. Die L-5S, vorgestellt 1972, kann am besten als die „Les Paul von einem anderen Stern“ bezeichnet werden. Die etwas vergrößerte Form mit dem typischen Einzel-Cutaway wies auf ihre Familienzugehörigkeit hin. Doch sind gleichzeitig viele Anleihen an der L-5 Arch-Top festzustellen: z. B. das Mehrfach-Binding, das fantasievoll gestaltete Ebenholz-Griffbrett und der schnörkelige Saitenhalter. Zunächst brüstete sich die L-5S mit den niederohmigen Pickups der Les Paul Recording und deren Vorgängerinnen, die hier jedoch unter vergoldeten Kappen saßen. Später sind diese Tonabnehmer durch konventionelle Humbucker ersetzt worden, und ein Standard-Stop-Tailpiece nahm den Platz des Saitenhalters ein.

Diese ungewöhnlich auffällige Gitarre fand sich 13 Jahre lang im Gibson-Katalog wieder, eine überraschend lange Produktionszeit für ein verhältnismäßig wenig vom Markt beachtetes Modell. Vielleicht war sie einfach nur ein gutes Demonstrationsobjekt, dass zeigte, welche Möglichkeiten die Firma besaß? Ein Jahr nach der L-5S erweiterte die L-6S Custom diese Instrumenten-Familie. Ein dünner, flacher Ahorn-Body und der 24- bündige Hals waren die auffälligsten Merkmale dieser Gitarre. Die beiden Humbucker mit ihrer unverwechselbaren Form gestaltete übrigens Bill Lawrence alias Billy Lorento alias Wilhelm Stich, der zudem die Schaltung um einen Sechsfach-Drehschalter erweiterte. Das Schwestermodell L-6S Deluxe folgte 1975 mit denselben Pickups, aber einer vereinfachten Schaltung und durch den Body geführten Saiten.

Beide Modelle wurden bis Anfang der Achtziger Jahre gebaut, erzielten aber bei weitem nicht die Gewinnerwartungen des amerikanischen Herstellers, obwohl solch renommierte Musiker wie Carlos Santana und Al DiMeola die L-6S spielten und für sie warben. Schon Ende der Fünfziger Jahre hatte Gibson bei der Entwicklung der dünnen Halbakustik-Gitarren hervorragende Pionierarbeit geleistet, und nun genossen sie schon seit Jahrzehnten den ansehnlichen Erfolg mit Modellen wie ES-335, ES-345 und ES-330. 1973 ging Gibson die Idee an, eine neue ES-Gitarre zu bauen, die ebenfalls den Namen des bekanntesten Gibson-Endorsers tragen sollte. Der Les Paul Signature wurde ein ES- 335-ähnlicher Korpus mit ungleichen Cutaways und die mit der ersten Les-Paul-Gitarre eingeführten Lackierung in Gold verpasst. Um den Les-Paul-Charakter beizubehalten, spendierte Gibson der Gitarre, die sich ja nicht wehren konnte, zwei niederohmige Humbucker.

Les Paul Signature 1976
Les Paul Signature 1976°

Das Layout der Regleranordnung erfuhr ebenfalls einige Veränderungen, und dies alles reichte aus, um das Kind wieder einmal in den Brunnen fallen zu lassen – schade eigentlich für ein Instrument, dass dem Thema Semiakustik-Gitarre einige neue Aspekte hätte bringen können. Die Marauder war ein weiteres Projekt zu einer Zeit, als Gibson nach neuen Marktmöglichkeiten für Solidbody-E-Gitarren Ausschau hielt, die eine vielseitige Performance versprachen. Diese Gitarre ähnelte in Form und Größe zwar noch einer Les Paul, doch eingefleischte Gibson-Fans wurden mit einem verschraubten Hals geschockt.

Dazu gab die Kopfplatte, die der Flying V entliehen war, ein noch fremdartigeres Outfit, und auch die Tonabnehmer wichen stark von der bekannten Gibson-Norm ab. Zwar stammen diese wiederum von Bill Lawrence, doch ein Humbucker am Hals und ein Singlecoil mit längs verlaufender Klinge am Steg, beide in Epoxydharz gegossen, hatte man bis dato noch nicht gesehen. Und wollte sie auch nicht sehen. Die Marauder assoziierte stets das Image der Unvollkommenheit, und die wechselhaften Qualitätskontrollen des Hauses Gibson zu jener Zeit trugen auch nicht gerade zur Verbesserung dieses Modells bei, so dass diese Gitarre von 1975 bis 1982 ein trauriges Dasein als Ladenhüter fristete, um dann endlich aus dem Programm genommen zu werden.

Ein Jahr nach der Marauder tauchte die S-1 auf der Bildfläche auf. Ihre direkte Abstammung von der Marauder kann sie nicht verbergen: Gleicher Body, verschraubter Hals und auch die Kopfplatte ihrer Vorgängerin waren eindeutige Zeichen. Die Elektrik stammte wiederum von Bill Lawrence, und ins Schlagbrett waren drei Singlecoils montiert, die tatsächlich Fender-ähnliche Töne produzierten und von einem Vierfach-Drehschalter angesteuert wurden. Obwohl sich Ron Wood in ganzseitigen Anzeigen zur S-1 bekannte, verkannten unglücklicherweise die meisten Musiker die vielfältigen Möglichkeiten der S-1, so dass diese wenig gekauft und nur bis Anfang der Achtziger Jahre gebaut wurde.

S-1 1976
S-1 1976°

1977 beschloss Gibson alle bislang wichtigen Erfahrungen und Maßnahmen im Bau von Solidbody-Gitarren in der innovativen RD-Serie umzusetzen. Die Gestaltung des Body glich einer gemäßigten Firebird-Form, war jedoch etwas kurviger, und wurde mit einem Hals kombiniert, der endlich wieder von einer klassischen Gibson-Kopfplatte gekrönt wurde – ein merkwürdiges Sammelsurium neuer und alter Elemente. Es war jedoch die Schaltung, die die RD-Serie zu etwas Besonderem machte und auf den Stand der damaligen Zeit hievte. Während die RD Standard mit einer konventionellen Elektrik bestückt war, präsentierten sich die Custom und Artist mit einer aktiven Schaltung, die kein Geringerer als Bob Moog, damals mit seiner Firma ebenfalls wie Gibson unter den Fittichen des Norlin-Konzerns, entwickelt hatte.

Bässe und Höhen konnten separat geregelt werden, und dem Flaggschiff, der RD Artist, wurden zudem noch Kompressor- und Expander-Effekte spendiert. Leider schienen all diese neuen Funktionen die meisten Gitarristen zu überfordern, die zu allem Überdruss bis dato keine Freunde von batteriebetriebenen Instrumenten gewesen waren. Und diese Schaltung war ein regelrechter Batterie-Fresser! All dies ließ das mit großen Plänen gestartete RD-Vorhaben in den frühen Achtzigern scheitern.

RD Artist 1978
RD Artist 1978°

Kurz vor dem Aus der RD-Instrumente versuchte Gibson noch einiges des einst viel versprechenden Projektes zu retten und versah Les Paul-, SG- und ES-Modelle mit aktiven Elektroniken, doch selbst diese bekannten, beliebten und erfolgreichen Designs fanden in ihrer aktiven Form nur wenige Freunde.

Die Achtziger

Mit der Sonex startete Gibson in das folgende Jahrzehnt, das eine Menge an Aufregung brachte. Und Höchstanstrengung der Gibson-Verantwortlichen, mit preiswerten Instrumenten den aus dem fernen Osten einströmenden und preislich sehr attraktiven Gitarren Paroli bieten zu können. Der Sonex-Body mit nur einem Cutaway zeigte deutlich die Les-Paul-Verwandtschaft, aber Konstruktion und Baukomponenten deuteten eine andere Marschrichtung an. Ein mehrteiliger Body, der verschraubte Hals und ein Schlagbrett mit zwei integrierten Humbuckern plus entsprechender Elektrik waren die auffälligsten Merkmale.

Dennoch, Gibsons Bemühungen scheiterten, der erhoffte Erfolg blieb aus. Die Sonex war weder preislich richtig attraktiv noch hochwertig genug, um neue Kunden zu gewinnen bzw. den qualitativ besseren und kostengünstigeren JapanGitarren die Stirn zu bieten. Nach fünf Jahren wurde die Sonex-Produktion eingestellt. Die 335-S erschien ebenfalls 1980 als eine massiv (!) gebaute Schwester der ES-335. Natürlich musste der Korpus wegen des hohen Gewichts der Voll-Mahagoni-Konstruktion ein wenig verkleinert werden, doch mit den beiden Cutaways sollten Stil und Charme des erfolgreichen Originalmodells transportiert werden.

Konstruktion, Hardware und die Ausstattung mit zwei Humbuckern und dem Gibson-typischen Regler-Layout brachten Altbewährtes. Anders als der Standardversion wurde der Deluxe und der Custom ein Schalter zur Umschaltung auf Singlecoil-Betrieb spendiert. Das schlichte, effektive Design der 335-S ist ein bemerkenswertes Beispiel für ein wenig aufregendes, aber zuverlässiges Arbeitsgerät, welches dennoch kaum Interesse unter den Gitarristen fand und nach zwei Jahren wieder in der Versenkung verschwand. Mit einem publikumswirksameren Aussehen und der sehr optimistischen Bezeichnung Victory schob Gibson 1981 ein neues Projekt an, um wieder einmal in den Fender-Gefilden zu wildern.

Victory MVX 1982
Victory MVX 1982°

Der asymmetrische Body erinnerte in seiner Form eindeutig an den California-Style, die einseitig mit Mechaniken bestückte Kopfplatte und ein Schlagbrett, dass alle elektrischen Teile trug, verstärkten diese Tendenz. Die MV-II arbeitete mit zwei Humbuckern, die MV-X erhielt Singlecoils für Fender-ähnliche Sounds. Trotz all dieser neuen Merkmale wechselten (Fender-) Gitarristen nicht zum neuen Gibson-Konzept und nach drei Jahren musste der Hersteller eingestehen, sich ausgerechnet mit der Victory erneut eine Niederlage eingehandelt zu haben. Zwischen 1982 und 1984 wurde die äußert ungewöhnliche Corvus gesichtet, ein Modell, das eher zu einem kleinen, abgefahrenen Hersteller denn zu der großen Weltfirma Gibson gepasst hätte.

Corvus III 1983
Corvus III 1983°

Dass dem nicht so war, lässt sie in einem umso merkwürdigeren Licht erscheinen. Der Form des Korpus erinnerte an einen großen Dosenöffner, und die einseitig bestückte Kopfplatte thronte auf einem angeschraubten Ahornhals. Die Corvus erschien in den Varianten I, II, und III, wobei die Zahlen der Modellbezeichnung die Anzahl der Pickups angaben. Aufsehen erregende Farben sollten zudem den optischen Eindruck verstärken, den diese Gitarre ohne Zweifel zu hinterlassen im Stande war. Zur selben Zeit produzierte Gibson noch die Futura, eine Hochpreis-Variante der Corvus mit durchgehendem Hals und zwei Humbuckern. Dass zwischen all diesen neuen Designs urplötzlich die Wiederbelebung und Aufwertung einer eigenen Legende eingeschoben wurde, hatte nichts mit einer urplötzlichen Vision zu tun, sondern damit, dass ein anderer amerikanischer Hersteller bereits mit einem nahezu gleichen Modell Erfolge und Marktanteile gesammelt hatte.

Die Gibson Spirit, 1983 vorgestellt, erinnert gleichermaßen an die Double-Cutaway-Version der Les Paul Special aus den 50er Jahren, wie auch an die Hamer Sunburst, die in den 70er Jahren auf den Markt gekommen und überraschend erfolgreich war. Die Spirit war also eine Kopie einer Kopie und konnte trotz der offensichtlich vorhandenen Qualität nicht einmal an Hamers Erfolge anknüpfen, denn kaum einer wollte eine Gibson Solidbody mit Double-Cutaway haben. Daran änderten die verschiedenen Versionen der Spirit, die teilweise mit Kahler-Vibrato und spitzer „Rock“-Kopfplatte (Spirit II XPL) ausgeliefert wurden, natürlich überhaupt und erst recht nichts.

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Die Erfolgs-Story der so genannten „Super Strats“ in den 80er Jahren wurde auch von Gibson zur Kenntnis genommen, und schon bald sollte die Antwort aus Nashville auf diesen neuen Trend folgen. Mit Hilfe von Wayne Charvel, der mit seinen eigenen RockMaschinen mitverantwortlich für den neuen Boom gewesen war, entstanden zwei neue Gibson-Modelle. Die SR-71 und die WRC, beide 1987 präsentiert, zeigten deutliche Charvel-Anleihen plus aller notwendigen Super-Strat-Spezifikationen wie einem Floyd-Rose-Vibrato und heiß gemachten Pickups.

Ein Jahr zuvor waren die US-1 und U-2 auf den Markt gebracht worden, die in denselben Gewässern fischen sollten und sehr viel Ähnlichkeiten zu den oben genannten Gitarren besaßen. Mangelnde Qualität war wie bei den meisten hier aufgeführten Gitarren nie das Problem, doch der Imagekonflikt mit der Marke Gibson sorgte für Kopfzerbrechen. Kein Gitarrist erwartete und vermutlich wünschte sich auch nicht z. B. eine spitze, einseitig aufgebaute Kopfplatte mit dem Gibson-Logo. So kam es, dass keine dieser Gitarren das folgende Jahrzehnt erlebte und Gibson endgültig beschloss, den Bau dieser Gitarrentypen Herstellern mit dem „richtigen“ Image zu überlassen.

US-1_1987
US-1_1987°

Die Neunziger

Unter der neuen Führung, die die Geschicke der Firma seit einigen Jahren lenkte, entschied Gibson sich, wieder verstärkt auf alte Werte zu setzen und damit ihr Geld zu verdienen; denn alle Mühen, Neues vorzustellen, verliefen zu oft im Sand. Der Drang zu weiteren Experimenten war aber nicht vollständig verloren gegangen. Ab und zu brach er wieder aus, z. B. mit den 1991 geborenen MIII– und M-IV-Modellen. Diese Gitarren wurden durch ihr äußerst eigenständiges Design bekannt: ein großes, nach links abschweifendes oberes Korpushorn und ein Ahorn-Griffbrett mit pfeilspitzenartigen Inlays und Reversed-Kopfplatte.

M-III Standard 1991
M-III Standard 1991°

Das Arrangement der Tonabnehmer bestand aus zwei Humbuckern mit einem dazwischen gesetzten Singlecoil, umrahmt von einem kleinen Schildpatt-Schlagbrett. Eine neuartige, aufwändige Schaltung und ein Floyd-Rose-Vibrato gab es schon in der einfachen Serien-Ausführung. Merkmale genug, um der Gitarre eine gewisse Qualität und den Konstrukteuren Intelligenz zu bescheinigen, die aber auch die Vorhersage eines schlechten Ausgangs für dieses Modell zuließen. Diese Gitarre bewegte sich einfach zu weit abseits der Gibson-Norm! Und trotz einiger gemäßigt gestalteter Folgexemplare gab es nach 1995 keine M-Serie mehr.

Die Moral von der Geschicht Seitdem hält sich Gibson mit neuen Versuchen stark zurück und verschont Musiker mit wagemutigen Neuheiten. Neuauflagen, Reproduktionen und Instrumente mit geringen Detailverbesserungen prägen heute das Gros der Nachfrage und der Produktion. Die große Anzahl diverser Varianten etablierter Modelle im Katalog des Herstellers zeugen davon, dass die ehemals große Risikofreudigkeit durch einen allzu starren Markt, in dem Image mehr bedeutet als Qualität, therapiert wurde. Heute werden nur noch im Custom Shop ab und an neue und meist interessante Gitarrenkonzepte entwickelt, die, wenn sie sich dort bewährt haben, sprich: eine gewisse Nachfrage erkennbar ist, in die Serienproduktion gehen, entweder im Custom Shop selbst oder aber bei der Schwesterfirma Gibson Electric.

Gute Beispiele für solche neuen Modelle, die aus dem reinen Experimentier-Stadium zur Serienreife gelangten, sind die Halbresonanz-Modelle ES- 135, ES-137, ES-336 und ES- 446. Sicherlich sind diese Gitarren keine aufregenden Eye-Catcher wie so manch schräger Vogel in diesem Artikel, aber ihre Konstruktionen bergen einige interessante Details, die den zeitgenössischen Gitarrenbau ein Stück weitergebracht haben.

Gitarren sammeln: Was lohnt sich, was lohnt sich nicht?

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Nein, ich bin nicht der freundliche Anlageberater der Bank Ihres Vertrauens! Obgleich in unserem speziellen Fall der Aspekt „Wertsteigerung“ eigentlich nicht alleiniger Sinn und Zweck des Gitarrensammelns sein sollte, taucht die Frage „Welche Modelle sind lukrativ, wovon soll ich besser die Finger lassen?“ unter Kollektionsnovizen gar nicht mal so selten auf.

Sammelthema: Die Beatles-Cavern-Club-Periode. Instrumente: Uwe Brügmann

Da es jedoch um Musikinstrumente geht, sollte man vom Sammelnden u. a. gewisse musikalische Interessen und Kenntnisse erwarten dürfen. Auch erweisen sich spielerische Fähigkeiten nicht als hinderlich, wenn man sich über die Klangeigenschaften und -qualitäten einer Gitarre oder eines Basses ein eigenes Urteil bilden möchte.

Thema Farbe: Fender Jaguar, Jazzmaster, Coronado und Telecaster in Lake Placid Blue

Es gibt heute beinahe nichts, was nicht gesammelt wird. Jedoch lockt Opas Bierdeckel-, Briefmarken-, Münz- und Streichholzschachtelkollektion die Enkel ebenso wenig hinterm Ofen hervor, wie Omas Mokkatassen-, Knopf-, Topflappen- und Stickbildersammlung. Gesammelt wird beinahe nur noch, was Wertsteigerung verspricht.

Wir Gitarren-Freaks können mitunter merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag legen. Als angehender (heute Ex-)Vintage-Sammler war ich einmal echt pikiert, als ich 1979 während einer Band-Probe stolz meine damals gerade erstandene originale 1957er Les Paul Standard (mit PAF-Tonabnehmern) auspackte, und ein Roadie dies mit „Haste eigentlich keine Kohle für ’ne neue Gitarre?“ kommentierte. Der Mann war einfach nicht im Bilde…

Wie das Gitarren sammeln anfangen?

Nur selten konzipiert ein angehender Gitarrensammler sein Vorhaben konkret und detailliert. Meist entstehen Sammlungen zunächst eher zufällig und entwickeln über die Jahre hin Bezug zu einem bestimmten Thema, sprich Gitarrentyp oder -modell. Eines unterscheidet jedoch den puren Sammler vom sammelnden aktiven Musiker: Während Ersterer oftmals bestimmte Instrumente eines Herstellers nach Baujahren, Modellreihen oder Lackierungen sucht, zeichnet sich die Kollektion eines Musikers durch Marken- und Typenvielfalt aus.

Auch bevorzugt der Sammler in erster Linie Exemplare in tadellosem, im Fachjargon mit „mint” oder „near mint” bezeichneten Originalzustand, während der Musiker oftmals so genannte „Player“ vorzieht, also Instrumente, die durch Modifikationen wie z. B. neue Mechaniken einfach besser spielbar gestaltet wurden. Dabei handelt es sich meist um intensiv gespielte, oftmals auch modifizierte oder/und überlackierte (oversprayed, refinished) Gitarren in weniger gutem Zustand, die einen Bruchteil der gut erhaltenen kosten. Allerdings klingen selbige erfahrungsgemäß meist besser, da sie unzählige Stunden gespielt wurden.

Fakt ist auch, dass ein absolut „unverbasteltes“ Instrument im Originalzustand ungeachtet seines optischen Eindrucks wertvoller ist, als ein modifiziertes, neu lackiertes oder mit Ersatzteilen rekonstruiertes. Man stelle sich vor, Don Gallagher hätte nach dem Tod seines Bruders Rory dessen geschundene Strat neu lackieren lassen, um sie eventuell besser verkaufen zu können. Höchststrafe! Aber der Mann ist schließlich vom Fach.

Inzwischen dürfte es selbst bis in die hintersten Winkel unserer Republik gedrungen sein, dass sich der Otto-Normal-Sammler etwaige Wünsche nach erschwinglichen Gibson Jazz-Gitarren, Les Paul Standards und ES-335/345/355 sowie Fender Broad-, No-, Tele- und Stratocaster-Modellen der 1950er- und frühen 1960er-Jahre, getrost abschminken kann. Speziell bei diesen gesuchten Gitarren ist der Markt abgegrast, und tauchen dennoch solche Modelle auf, werden sie meist in ein weltweit existierendes Sammler-Informationsnetz eingespeist und sind genauso schnell „gebunkert“ wie aufgetaucht.

Dennoch kann der, der eine Nase für gute Instrumente und Trends besitzt, heute immer noch lohnende Schnäppchen machen. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass die ersten Fender Squier-Modelle der JV- und SQ-Serien, mit denen der US-Hersteller zu Beginn der 1980er versuchte, den erstklassigen japanischen Kopien von Tokai, ESP und anderen Paroli zu bieten, zu begehrten und zurzeit (noch) erschwinglichen Sammlerstücken mit steigendem Wert avancieren würden? Und die vorzüglichen japanischen Fender-Vintage-Reissues der späten 80er und 90er Jahre sind auf dem besten Weg dorthin.

Was sammeln?

Ganz einfach, nämlich zunächst schlichtweg das, was man mag, und was die finanzielle Situation erlaubt. Tunlichst zu vermeiden ist es, für den Kauf einer Vintage-Gitarre einen Bankkredit aufzunehmen, es sei denn, es handelt sich um ein echtes Schnäppchen der Marke „Nummer sicher“. Die Sammelleidenschaft sollte quasi die persönlichen Vorlieben oder Interessen am Gitarrenspiel fortsetzen. Die meisten der bekannten Sammler starteten mit der Suche nach einem ganz bestimmten (Traum-)Instrument, oder wurden durch ein zufällig entdecktes animiert.

Sie begannen, sich für dessen Historie und Konstruktion zu interessieren und erlangten in diesem Zuge umfangreiches Allgemeinwissen über Vintage-Gitarren. Auch in diesem Genre können nämlich Wissenslücken unter Umständen eine Menge Geld kosten. Sammeln ist ein ständiger Entwicklungsprozess. Wer beispielsweise eine ältere Gitarre besitzt, beginnt am besten damit, so viel wie möglich über sie und eventuelle Vorgängermodelle zu erfahren.

Unzählige Veröffentlichungen entsprechender Fachliteratur, Internet-Foren, der Besuch von Fachmessen oder -ausstellungen und Kontakt zu anderen Sammlern erleichtern die Recherche ungemein und erhöhen gleichzeitig den Wissensstand. Grundsätzlich empfiehlt es sich – wenn man nicht gerade auf absonderliche Farben und Formen steht – Gitarren, die bereits in ihrer Erscheinungsperiode Erfolge aufzuweisen hatten, und deren Kopien zu sammeln. Erfahrungsgemäß erfreuen sich solche Instrumente immer einem gewissen Wert-Zuwachs, während Modelle, die schon bei ihrer Vorstellung keinen interessierten, auch später unbeachtet bleiben. Ausnahmen wie Gibsons exzentrische Flying-V- und Explorer-Gitarren bestätigen da nur die Regel. Hier ein paar praktische Sammelvorschläge:

  • Instrumente eines Herstellers in einer bestimmten Farbe
  • Instrumente verschiedener Hersteller, aber eines bestimmten Baujahres, z. B. des eigenen Geburtsjahres – was bei dem ein oder anderen von uns allerdings ein recht teures Vergnügen sein kann
  • Ein bekannter Instrumententyp (z. B. Fender Stratocaster) und dessen Kopien
  • Ein bestimmter Instrumenten-Typ in seinen verschiedenen Versionen (z. B. Les Paul Standard, Custom, Special, Junior etc.)
  • Eine komplette Serie (z. B. Fender Standard Strat, Tele, Jazz Bass, Precision)
  • Die verschiedenen Baujahre eines bestimmten Instrumententyps, z. B. eine Reihe von Telecaster-Modellen von 1970 bis 1979
  • Alle Signature-Modelle eines Künstlers, einer Band, oder einer Musikrichtung (z. B. alle Ibanez Steve-Vai-Modelle, alle Mark-King-Signature-Bässe etc.)

Wo suchen?

Überall! Na ja, ganz so einfach ist es natürlich nicht, schließlich liegen gute Instrumente nicht auf der Straße oder gar im Sperrmüll herum. Obwohl … auch das hat es alles schon gegeben! Glücklich kann sich schätzen, wer eine Vintage-Gitarre aus zweiter Hand erwerben kann, vorzugsweise mit originalen Etiketten und Kaufbeleg. Die meisten Sammler ziehen den Kauf von Privatleuten vor, da die begehrten Objekte beim Händler in der Regel teurer sind.

Pfandhäuser (engl.: pawn shops) und Flohmärkte dürften für denjenigen eher uninteressant sein, der bestimmte Modelle der renommierten Hersteller sucht. Jedoch auch hier gilt: Nichts ist unmöglich, keine Chance ungenutzt lassen! Dagegen kann dort leicht fündig werden wer auf deutsche oder unbekannte (ost-)europäische Fabrikate schwört. Auch Kleinanzeigen in Tagespresse, Stadtzeitungen, Fachzeitschriften und speziellen Anzeigenblättern sind immer für die eine oder andere Überraschung gut.

Interessant sind auch die meist kostenlosen Inserate im Internet, die sowohl auf den Websites großer Musikläden als auch von Privatleuten zu finden sind. Momentan sehr beliebt sind Web-Auktionshäuser wie ebay. Ganz „ausgeschlafene“ Zeitgenossen verteilen sogar Suchanzeigen in Seniorenheimen. Trotz des derzeit günstigen Dollar-Kurses sind Vintage-Instrumente in den USA zurzeit teurer als hier zu Lande, auch wenn sich die dortigen Dealer erfahrungsgemäß recht verhandlungsbereit zeigen.

Mal eben eine Gitarre zur Aufbesserung der Urlaubskasse aus den Staaten mitzubringen ist nicht mehr so lukrativ wie noch in den 70er und 80er Jahren. Besonders kostspielig wird es, wenn man sich das im www erspähte Objekt der Begierde von einem der zahlreichen amerikanischen Vintage-Händler zuschicken lassen möchte. Zuzüglich zum vereinbarten Preis muss man nämlich noch gut ein Drittel Versandkosten, Transportversicherung und Einfuhrumsatzsteuer einkalkulieren. Sollte das gelieferte Instrument nicht gefallen oder nicht den Beschreibungen des Händlers entsprechen, kann man es in der Regel zwar wieder zurückschicken, jedoch ausschließlich auf eigene (erhebliche) Kosten.

Was lohnt sich?

Wer ganz sicher gehen will, sammelt die nach wie vor begehrtesten Gitarren: Gibson Les Pauls der 50er Jahre bis 1960, ES-Modelle der 335-, 345- und 355-Reihe von 1958 bis 1964 (Stoptail-Periode), Fender pre-CBS Modelle (bis 1965), Vollresonanzgitarren bis Anfang der 60er (Gibson, D’Angelico, Gretsch, Guild) und etliche andere. Bei solchen Modellen werden die Preise mit ziemlicher Sicherheit stabil bleiben und teilweise auch weiterhin steigen. Aber wer kann und will bei diesen Kursen überhaupt mithalten?!

Kümmern wir uns also um die erschwinglichen Dinge. Inzwischen hat der hiesige Vintage-Markt die Qualität deutscher Produkte entdeckt. Abgesehen von den eher kultigen 50er- und 60er-Jahre-Kopierversuchen der Firmen Framus, Höfner, Hoyer, Hopf, Klira u. v. a. sind zurzeit erstklassige Repliken und auch eigene Kreationen von Hoyer aus den 70ern und frühen 80er Jahren gefragt. Sie zeichnen sich vor allem in puncto Konstruktion (oftmals durchgehende Hälse), Hardware, Klang- und Verarbeitungsqualität aus.

Einen gewissen Ausnahmestatus besitzen die aus massiven Hölzern handgefertigten Jazz-Gitarren der Firmen Glassl, Lang und Roger (Rossmeissl), die inzwischen schon für vergleichsweise recht hohe Summen über den Tisch gehen, und je nach Zustand und Modell auch mal bis zu € 2000 kosten können. Wertsteigerung ist auch bei hochwertigen Kopien von Gibson- oder Fender-Klassikern zu beobachten, vorzugsweise Ibanez-Modelle der frühen bis mittleren 70er Jahre, aber auch eigene Kreationen wie die Artist-Serie, das Bob-Weir-Modell und die Denny-Lane-Doubleneck, von der nur zwölf (!) Stück gebaut wurden.

Lukrativ dürften auch die ersten Fender/Squier-Serien der frühen 80er, die Japan Reissues der 80er und 90er Jahre und frühe ESP- und Tokai-Kopien werden. Hauptsache es sind Produkte japanischer und nicht koreanischer Herkunft!

Auch aktuelle Instrumente, exklusiv für Fernost produziert, werden in Zukunft den europäischen und amerikanischen Sammlermarkt erobern, da kaum zu bekommen. Hierzu zählt die Marke Orville (by Gibson), die eine nahezu komplette Palette erstklassiger Kopien der Gibson-Klassiker bietet. Seit dem Tod des Briten Tony Zemaitis sind nicht nur die Preise seiner Originale explodiert, sondern auch die Kopien diverser Hersteller dermaßen gefragt, so dass neben dem Zemaitis User Club inzwischen auch ein Zemaitis Copy User Club entstanden ist.

Da Zemaitis-Kopien mangels erteilter Lizenzen nicht offiziell verkauft werden dürfen, ist die Zahl recht rar. Es ist auch nicht genau bekannt, welcher Hersteller solche Kopien produziert oder in kleinen Stückzahlen fertigt bzw. gefertigt hat. Es existieren eine handvoll prächtiger Modelle von Tune/Blade und Greco, und Cort hat einmal auf einer asiatischen Musikmesse drei wunderschöne Prototypen präsentiert, die jedoch (leider) nie in Serie gingen.

Ich bekam einmal eine koreanische Zemaitis Pearl Front Replica mit verschraubtem Hals in meine Hände, die qualitativ nicht mit den japanischen Kopien konkurrieren konnte. Es empfiehlt sich also, vom nächsten Japan-Trip eine Orville oder eine Zemaitis-Kopie mitzubringen. Auch Gibson-Kopien des japanischen Herstellers Tokai mit neuerem Datum sind für die Zukunft nicht uninteressant, da sie in überschaubaren Stückzahlen, qualitativ auf hohem Niveau gefertigt und deshalb recht begehrt sind.

Soll es jedoch unbedingt ein „echter“ Oldie eines der renommierten US-Hersteller zum halbwegs akzeptablen Kurs sein, bieten sich 60er-Jahre-Low-Budget-Instrumente von Gibson, Epiphone und Fender an. Zu erkennen sind sie meist an ihrem einzelnen Singlecoil-Pickup. Als lukrativ erweisen sich Gibsons und Epiphones mit P-90s (Dog Ear-Pickup). Einige Modelle verfügen auch über zwei einfache Singlecoils. Die Gibsons tragen die Bezeichnung Junior, Special und Melody Maker, von Epiphone empfehlen sich die Modelle Coronet, Olympic und Olympic Special sowie die Japan-Modelle Scroll 450 und 550 aus der Mitte der 70er Jahre. Fenders „Einsteiger-Gitarren“ sind Duo Sonic, Musicmaster, Mustang, Bronco und Musiclander.

Man sieht, der Sammlermarkt bietet immer noch eine Menge Interessantes und mitunter noch durchaus Bezahlbares, wenngleich sich die Wertsteigerung in dieser Sparte sicherlich im überschaubaren Rahmen halten wird. Aber wer weiß, ob nicht der nächste Guitar Hero mit einer alten Hagström, Eko, Klira, Herticaster, Necker Man oder was weiß ich für Furore sorgen wird, und deren Preise urplötzlich in die Höhe schießen werden.

Kopf ab? Gitarrenhals gebrochen?

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Als Musiker sind wir ja alle ein wenig sensibel Klängen und Geräuschen gegenüber. Wenn aus dem Geklapper eines leeren Zigarettenautomats ein Groove wird (Joni Mitchell ,Smokin’), das Zufallen der Tür einer Stuttgarter Nobelkarosse besser klingt als jede Bass-Drum oder der erste Schrei des eigenen Kindes in den Ohren wie Musik ist, ist die Welt in Ordnung.

Paula´s Resurrection_01
Abb.1 Kopfplattenwinkel von Les Paul (unten) und Telecaster

Es gibt aber auch Geräusche, die uns Musikern durch Mark – ’tschuldigung: Euro – und Bein gehen. Und ein Geräusch ist da ganz weit vorne: das knirschende Knacken, das entsteht, wenn eine Les Paul aus dem Ständer kippt und sich bei der Landung den Hals bricht. Tja, wenn dieses Ereignis eine Seltenheit wäre, könnte man so was in die Abteilung „Gruselgeschichten am offenen Kamin“ einsortieren. Ist es aber nicht, denn immer erwächst speziell bei Paulas und SGs aus einem kleinen Umfall eine große Katastrophe. Wenn der erste Impuls – die Suche nach einer geladenen .45er oder einer Pumpgun – vorbei ist, sollte man erst einmal mit Ruhe und Besonnenheit vorgehen und den Schaden ohne operative Hektik begutachten. Zumeist ist nämlich gar nicht der Hals als solcher gebrochen, sondern „nur“ die Kopfplatte.

In den meisten Fällen ist der Bruch auch nicht ganz durchgehend und die beiden Teile hängen noch an der auf der Vorderseite der Kopfplatte auflaminierten Ebonol-Platte zusammen. In einem solchen Fall ist es wichtig, so schnell wie möglich den Zug von der Kopfplatte zu entlasten, um weitere Schäden oder gar das gänzliche Durchbrechen zu verhindern: S(a)eitenschneider her und sofort alle Saiten durchknipsen, und dabei aufpassen, dass das herunterfallende StopTailpiece nicht auch noch eine Macke in die Decke schlägt. Als nächstes sollte die Klampfe so sanft wie möglich in den Koffer gelegt und gesichert werden, damit kein schusseliger Trommler davor latscht.

Wenn zu erkennen ist, dass sich größere Stücke unerlaubt von der Truppe entfernt haben, gilt es, so gründlich wie möglich den Boden an der Stelle, an der die Paula aufgeschlagen ist, nach Splittern, Bruchstücken und Lackresten abzusuchen. Hoffentlich ist’s kein Flokati! Die Sucherei lohnt sich, denn je mehr davon gefunden wird, desto unauffälliger lässt sich hinterher der Bruch kaschieren.

Sollbruchstelle

Warum aber tritt dieser Schaden mit Vorliebe bei Gitarren diese Bauart auf? Zum einen haben diese Modelle eben diese konstruktionsbedingte Schwachstelle. Vergleichen wir die Köpfe z. B. der Telecaster in Abb. 1 mit der Les Paul darunter, fällt auf, dass die Kopfplatte der Gibson-Gitarre in einem Winkel von ca. 13° aus der Mittelachse des Halses geneigt ist. Wenn wir uns jetzt vorstellen, dass der Hals natürlich dergestalt aus einem Holzstück gefräst wird, dass die Holzfasern in Längsrichtung des Halses verlaufen, wird deutlich, dass im Bereich des Knicks bei der Paula Schichten mit kurzen Fasern übereinander liegen, die eine deutlich geringere Stabilität haben als die Fender-Konstruktion, bei der die Holzfasern zum größten Teil bis zur Spitze des Kopfes durchgehen.

Einen weiteren Beitrag zur „Sollbruchstelle Kopfplatte“ leistet die Ausfräsung für die Verstellung des Halsstabes. Wie auf den Photos zu erkennen ist, fräst Gibson eine rund 15 × 43 mm große und ca. 15 mm tiefe Höhlung in die Kopfplatte, in der die Mutter für den Stahlstab erreichbar ist. Dadurch wird natürlich der holzhaltige Querschnitt um einen nennenswerten Prozentsatz reduziert. Bei einer Gitarre mit geleimtem Hals ist das fast auch nicht anders zu machen. Fender hat die Aufgabe anders gelöst – bei den meisten Modellen ist die Verstellung des Stabes von der Korpusseite aus zu erledigen, was den Nachteil hat, dass – zumindest bei den alten Modellen – dazu der Hals abgeschraubt werden muss.

Es gibt allerdings auch Versionen von Strats und Teles, bei denen die Verstellung vom Kopf aus gemacht wird. Allerdings wird da ein kleines Loch im Kopf freigelassen, durch das mit einem Inbus-Schlüssel gearbeitet wird – eine Methode, die den Querschnitt nicht sonderlich beeinflusst. Nicht ganz unschuldig an der Empfindlichkeit der Les Paul und ähnlich gebauten Gitarren ist auch das Material. Die Paula-Hälse sind in der Regel aus Mahagoni, die Hälse der Stratocaster und Telecaster aus Ahorn.

Die nachstehende Tabelle stellt die wichtigsten Daten von Mahagoni und Ahorn gegen- über. Mahagoni ist also leichter als Ahorn, ähnlich druckfest, aber nicht so biegefest. Interessant ist übrigens auch das unterschiedliche Schrumpfverhalten der beiden Holzsorten. Mahagoni schrumpft mehr in der Länge als Ahorn, dafür schrumpft Ahorn wesentlich mehr im Durchmesser.

Paula´s Resurrection_03

Research

Nun wissen wir also, warum der Hals so leicht bricht, aber das bringt uns nicht wirklich weiter. Jetzt ist erst einmal die Gelegenheit für eine gediegene Tasse Kaffee und ein gerüttelt Maß an Kontemplation. Für mich, der ich oben geschilderte Erfahrung am eigenen Leib bzw. an der eigenen Les Paul erlebt habe, stellte sich nun die primäre Überlegung: „Machen oder machen lassen“ (Abb. 2 und 3). Also verschiedene Musikläden und Gitarrenbauer antelefonieren und Informationen – und natürlich Preise – einholen. Bei Mitteilungen von Preisen sind die Gitarrenbauer natürlich ausgesprochen zurückhaltend. Es gibt viele unterschiedliche Arten von Brüchen, und, ohne den Schaden gesehen zu haben, einen Preis zu nennen – und dann eventuell darauf festgenagelt zu werden – könnte auch nach hinten losgehen.

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Abb.2 Ein typischer Kopfplattenbruch

Die Preisangaben reichten von € 100 ohne kosmetische Nacharbeiten bis zu € 350 mit „Make Up“ – und alle Angaben ohne Gewähr. Bei der Frage nach der richtigen Vorgehensweise und dem passenden Klebstoff wurden die Antworten noch vorsichtiger. Im Nachhinein ist mir auch klar, warum, denn die Wahl des Klebers ist das A und O der Reparatur. Zum einen gibt kein Spezialist sein Wissen gerne preis, und zum anderen ist auch hier die genaue Kenntnis des Schadens unabdingbar. Aber da dem Inschinör nix zu schwör ist, fasste ich den Plan, das Thema doch auch auf eigene Faust zu lösen.

Leim oder Leim?

Wie bereits gesagt, ist die Entscheidung für den richtigen Klebstoff äußerst wichtig. Die erste muss zwischen Leim und Zweikomponenten-Kleber getroffen werden. Restaurateure schwören z. B. in solchen Fällen auf Uhu Endfest 3000, ein ZweikomponentenKleber auf Epoxidharz-Basis, dessen Endfestigkeit bis zu 3000 N/cm2 erreicht. Allerdings zieht der Kleber nicht in das Holz ein, sondern bildet auf Dauer eine mit Kleber verfüllte Fuge. Es gibt Anwendungen, bei denen dies sinnvoll sein kann, hier ist es das allerdings nicht. Also Leim! Aber welcher? Es gibt eine riesige Menge verschiedenster Leimsorten.

Diese können in zwei große Kategorien unterteilt werden: Heißleime wie Knochen- oder Hautleim und Kalt- oder Weißleime wie z. B. Ponal Express. Der Heißleim wird, wie der Name schon sagt, heiß verarbeitet (ca. 60 °C) und findet im Instrumentenbau an vielen Stellen Verwendung. Die besondere Eigenschaft von Heißleim ist die, dass er mit Hitze und Feuchtigkeit wieder zu lösen ist. Hälse von Gitarren zum Beispiel werden oft mit Heißleim verleimt, um sie im Falle eines Falles wieder ausbauen zu können. Ich hätte allerdings kein wirkliches Interesse daran, dass sich meine Kopfplatte in ihre Bestandteile auflöst, vorzugsweise im Hochsommer auf einer gut ausgeleuchteten Bühne. Für eine unlösbare Verbindung ist Kalt- oder Weißleim also die richtige und bessere Wahl. Weißleim besteht zur Hälfte aus Wasser. Der Klebstoff selbst ist ein Feststoff (Polyvinylacetat), der von Tensiden in einem Knäuel („Micelle“) im Wasser in der Schwebe gehalten.

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Abb.3 Glocke und Furnier halten die Kopfplatte noch zusammen

Wenn der Leim aufgetragen wird, zieht das Wasser ins Holz ein. Dadurch brechen die Tensid-Käfige auf und die fadenförmigen, „aufgeknäulten“ (ziemlich langen) Klebstoffmoleküle „strecken“ sich aus. Durch das verdunstende Wasser schrumpft die Klebstoff-Fuge insgesamt um die Hälfte, die Klebstoffketten legen sich dadurch eng aneinander. Die Adhäsion an Holz klappt besonders gut, weil der Kleber so genannte „polare” Stellen aufweist. Die lagern sich wiederum bevorzugt an den polaren Gruppen der Cellulose an, aus der Holz zu einem großen Teil besteht. Die daraus resultierende Verbindung ist von der Fugengröße her minimal, und durch die ins Holz eingedrungenen Klebstoff-Moleküle ist das Holz im Bereich der Klebung haltbarer als normal. Für diesen speziellen Fall habe ich mir eine besondere Variante des Weißleims ausgesucht – den Propeller-Leim.

Bei jeder normalen Leimverbindung kann man das Ergebnis optimieren, in dem man die Verbindung unter hohem Druck herstellt. Dadurch wird die Fuge so klein wie möglich. Propellerleim hingegen hat eine weit stärker kontrahierende Wirkung. So brauchen wir keinen oder viel weniger Druck auf die Kopfplatte auszuüben. Apropos Druck: Wer jetzt schon im Keller nach seinen alten Schraubzwingen sucht, möge die bitte gleich dort lassen – für eine filigrane Reparatur wie diese sind die Dinger denkbar ungeeignet, denn die Dosierung ist Glückssache, und die Kraft wird auch viel zu punktuell aufgetragen.

Viel besser sind so genannte Leimzwingen, wie sie auch auf den Fotos zu sehen sind. Sie bestehen aus einer verzinkten Stahlschiene mit Spannarmen aus Weißbuche, wobei die Druckflächen mit Korkauflage versehen sind, um ein Abrutschen zu verhindern und die Druckstelle zu schonen. Diese Klemmen kosten je nach Länge im freundlichen Baumarkt nebenan zwischen € 10 und 15 und sind eine lohnende Anschaffung für jeden Haushalt. Wo wir schon mal im Baumarkt sind, kaufen wir auch gleich den Propellerleim ein, denn der ist trotz seines Namens nicht in Modellbaugeschäften, sondern in gut sortierten Baumärkten zu kriegen. Ich habe meinen von Hellweg.

Kleben

Da wir nun alle Sachen beisammen haben – halt, ein kleiner Pinsel mit langen, aber harten, Borsten fehlt noch –, können wir den Arbeitsplatz vorbereiten. Ich lege am liebsten Papier aus, das kann ich dann nach getaner Arbeit wegwerfen und brauche nicht den Werktisch zu säubern; ein altes Bettlaken tut’s auch. Außerdem sollte man ein paar Stücke Schaumstoff oder Styropor bereitlegen. Dann bereiten wir den Patienten vor: Zunächst werden vorsichtig alle Mechaniken abgeschraubt, die stören nur beim Zwingen.

Das „truss rod cover“ (Glocke) wird abgeschraubt, wenn er nicht schon abgebrochen ist, die Spannmutter des Halsstabes komplett entfernt und der Halsstab mit Klebeoder Isolierband abgedeckt. Sollte sich näm lich Leim zwischen Mutter und Gewindestange setzen oder das Gewinde mit Leim verkleben, ist mit Halsverstellen zukünftig Essig. Nun wird der Arbeitstisch so vorbereitet, dass die Gitarre hingelegt werden kann, indem das Griffbrett nach unten zeigt und flach auf dem Tisch liegt. Die ganze Sache wird dann mit Schaumstoff oder Styropor-Klötzchen unterstützt, so dass Platz für die Zwingen bleibt und die Kopfplatte in ihrem ursprünglichen Winkel steht. Nun wird die Bruchstelle ein wenig auseinander gebogen und vorsichtig ausgepustet, damit bloß keine Krümel in der Fuge bleiben.

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Abb.4 Zwingen, Pinsel und Propellerleim

Als nächstes wird der Leim aufgetragen. Dazu benutze ich den Pinsel mit den langen Borsten und versuche den Leim so tief wie möglich in die Bruchstelle zu befördern. Sparsamkeit mit Leim ist hier nicht angesagt, denn was an Leim zu viel ist, wird beim anschließenden Zusammendrücken mit den Leimzwingen aus der Bruchstelle herausgepresst. Wie gesagt braucht Propellerleim nicht viel Druck, aber andererseits hilft der Druck, den Leim wirklich bis in den letzten Winkel zu verteilen. Also werden vorsichtig die Leimzwingen angesetzt und festgeklemmt (Abb. 4).

Dabei nur langsam den Druck mit den Knebeln erhöhen, um dem Leim Zeit zu geben, sich zu verteilen. Es empfiehlt sich, den herausquellenden Leim schnell mit einem Lappen abzuwischen, bevor er antrocknen kann. Nach dem Abwischen kann man nun kontrollieren, ob die Nahtstelle auch gut zusammengedrückt ist. Jetzt ist der beste Moment, eventuell abgesplitterte Holzteilchen wieder an ihre Stelle zu setzen, wenn nötig mit einem Tröpfchen Leim versehen. Sieht alles so aus, wie es sein sollte, kann man sich nur noch in Geduld üben und das Werk 24 Stunden stehen lassen.

Dabei sollte die Raumtemperatur nicht unter 18 °C sein, besser sind 20 oder 22 °C bei niedriger Luftfeuchte, ein schimmeliger Bastelkeller mit 14 °C und 90 % Luftfeuchte ist definitiv nicht der richtige Platz. Nach dieser Geduldsprobe können wir die Klemmen entfernen und einen ersten Blick riskieren. Wenn alles so aussieht wie in Abb. 5 – herzlichen Glückwunsch! Rein funktional ist die Gitarre wieder fit. Leute mit guten Nerven können mal mit der Hand einen ersten Bruchtest machen: einfach versuchen, die Kopfplatte sanft nach vorne zu biegen! Wenn die Leimung ordentlich gemacht wurde, passiert wirklich nichts mehr.

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Abb.5 Die Nahtstelle muss nur noch optisch bearbeitet werden.

Was jetzt noch stört, ist natürlich die Optik – der Riss im Lack ist selbstverständlich deutlich zu erkennen und auch zu erfühlen. Doch auch das lässt sich klären, jedoch auf verschiedene Arten und Weisen, die stark von der Art des verwendeten Lacks abhängen. Originale Gibson-Gitarren sind mit – mehr oder weniger reinem – Nitrozellulose-Lack lackiert. Der hat den Vorteil gegenüber DD- oder Mehrkomponenten-Lack, dass er sich mit seinem Lösungsmittel Nitro nachträglich wieder anlösen lässt. Dadurch kann sich eine neue Schicht Nitrolack fest und ohne Übergänge mit dem alten Lack verbinden. Anschließend kann durch Nass-Schleifen und Polieren wieder eine einheitliche und glatte Oberfläche hergestellt werden. DD-Lack, der einmal angetrocknet ist, lässt sich allerdings nicht mehr chemisch lösen; dadurch sind Reparaturen im Lack weit schwieriger.

Appetit kommt beim Essen, und durch diesen ersten Erfolg bin ich auf weitere Ideen für Verbesserungen an meiner Gitarre gekommen. Also habe ich mich für eine viel radikalere Lösung entschieden – der Lack soll komplett runter und die Gitarre neu lackiert werden. Aber das ist eine ganz andere Geschichte …

Auch wir in der Redaktion hatten einen bedauernswerten Transportschaden einer Ibanez-Destroyer zu beklagen. Ein geschickter Kölner Handwerker konnte das Ding jedoch wieder spielbar machen – und das tadellos!

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Vintage Guitar Stories: 1957 Gibson Les Paul TV Junior

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(Bild: Franz Holtmann)

Zwei Jahre nach Einführung der Les Paul Goldtop kam Gibson 1954 mit dem abgespeckten Modell Les Paul Junior heraus. Die schlichte Brettgitarre sollte sich schnell zur bestverkauften Electric der Firma in den 50er-Jahren entwickeln. 1955 bekam das Modell noch die heute gesuchte, da seltenere TV-Variante an die Seite gestellt.

Bereits 1954 ergänzte Gibson sein Solidbody-Programm um das Junior Single Cutaway „Economy“ Model mit nur einem P-90 Dog Ear in der Stegposition. Der auf das Wesentliche reduzierten Gitarre verschaffte man einen kräftigen Korpus aus Mahagoni mit immerhin gut verrundeten Kanten, dem aber die Deckenkonturen der „Deluxe“-Versionen Les Paul Standard und der etwa zeitgleich eingeführten Les Paul Custom fehlten. In den planen Korpus wurde ein aus Mahagoni gefertigter, einteiliger Hals mit ungebundenem Griffbrett aus Rio-Palisander eingeleimt. Wie die Goldtop aus diesem Jahrgang bekam auch die Junior ein einteiliges Wraparound-Tailpiece.

Ansonsten sind an profanen Ausstattungsdetails nur noch die einfachen Kluson 3+3 Strip Tuners und das einfache schwarze Pickguard zu erwähnen. Das Junior-Modell wurde in Dark Mahogany, die Decke in traditionellem Sunburst lackiert und entwickelte sich wegen seines guten Preis-/Leistungsverhältnisses schnell zu einem Renner. In der Gibson-Preisliste vom September 1954 ist die LP Junior mit $ 99,50 gelistet, die Standard kostete im Vergleich dazu schon $ 225, die Custom (damals noch Deluxe) gar $ 325.

Ende 1955 gesellte sich dann noch die Les Paul TV in einer speziellen beige-gelben Farbgebung zum bereits erfolgreich eingeführten Student Model. Parallel dazu kam auch noch die Les Paul Special auf den Markt, ebenfalls mit dem „Limed Mahogany Finish“ versiegelt, eine Farbe, mit der man wohl Kapital aus den damals populären Les Paul & Mary Ford TV Shows ziehen wollte. Die Special brachte es auch noch auf achtbare Produktionszahlen, aber das TV-Junior-Modell gehört heute nicht ohne Grund zu den eher selten zu findenden Gibson-Gitarren.

Mitte 1958 führte Gibson bei der Les Paul Junior dann schon das neue Double-Cutaway-Design ein, welches dank seines Hals-Korpusübergangs am 22. Bund einen verbesserten Zugang zu den hohen Lagen versprach. Vom Cutaway abgesehen blieben die Korpusdimensionen gleich, aber die Farbe wechselte von Sunburst zu Cherry Red und das schwarze Plastik-Pickguard wurde durch eines aus Tortoise ersetzt. Anfang 1961 wurde die kurzlebige Double-Cutaway-Variante durch das flache SG-Korpus-Design abgelöst und gegen Ende 1963 verschwand dann auch der Name Les Paul auf den SGs.

LP-TV-Junior-Protagonist Keith Richards hat in jungen Jahren bereits Junior-Modelle gespielt, und natürlich sind verschiedene Versionen in seiner umfangreichen Sammlung zu finden. Live sieht man ihn seit Anfang der 70er-Jahre und in den letzten Jahren sogar verstärkt immer wieder und wohl nicht ohne Grund mit TVSingle-Cut- und TV-Double-Cut-Juniors. Bei Songs wie ‚Midnight Rambler‘, ‚Out of Control‘ oder ‚Sympathy For The Devil‘ gehören sie zu seinem Standard-Repertoire an Bühnengitarren.

(Bild: Franz Holtmann)

„BLONDES HAVE MORE FUN“

Das an dieser Stelle abgebildete Gibson-Les-Paul-TV-Modell wurde 1957 gebaut, dem mit 552 Ausga – ben erfolgreichsten Produktionsjahr der TV Junior. Die Gitarre befindet sich im absoluten Originalzu – stand mit einem angenehm rundlich profilierten Hals und gerade noch spielbaren Spaghetti-Bünden im fetten, braunen Griffbrett aus Rio-Palisander.

Die Knöpfe der noch gut laufenden Mechaniken sind allerdings stark geschrumpft, Repros von All – parts wurden montiert, die Originale im zugehörigen Chipboard-„alligator skin“-Case deponiert. Das sehr gut erhaltene Limed Mahogany Finish der TV Junior weist ein attraktives Weather Checking mit feinem Crackling auf und abgesehen von ein paar Spielspuren und Kratzern ist das Instrument in Bestform.

Erstaunlich, mit welch starker elektrischer Performance diese nette kleine Gitarre dann auftritt. Der Dog-Ear-Singlecoil-Pickup hat 7,8 kOhm Widerstand – angeblich wurden in Junior-Modellen gezielt Tonabnehmer mit hohem Output verbaut – was allein seinen umwerfenden Tontransport aber nicht erklären kann. Die Junior-Konstruktion ohne Pickup-Fräsung hinter dem tief eingesetzten Halsfuß (der Korpus bleibt dort massiv), sorgt für fetten Ton und üppiges Sustain. Beste Bedingungen für jenen kraftvollen Rock-Sound also, dessen Relevanz sich erst lange Zeit nach dem Bau der Gitarre erschließen sollte.

Aus dem einstigen Schülerinstrument wurde im Laufe der Zeit eine ikonische Rock-Gitarre, da das abgespeckte Konzept im Prinzip auf bewährte Konstruktionsweisen und auch auf genau die Materialien zurückgriff, welche selbst bei den teuren Gibson-Modellen Verwendung fanden, vor allem also Honduras-Mahagoni und Rio-Palisander. Auf legalem Wege kommen mit Rio-Palisander ausgestattete Instrumente nicht mehr ins Land und bereits hier befindliche müssen ein entsprechendes, mit Herkunftsgutachten unterlegtes und von der zuständigen Umweltbehörde ausgestelltes CITES-Dokument vorweisen, will man sich damit in der Öffentlichkeit zeigen oder reisen.

STATISTIK

Von der Single-Cutaway-TV-Variante wurden in Kalamazoo insgesamt nur etwa 1600 Exemplare gebaut, im Gegensatz zu 11.300 Versionen der Single-Cutaway-Junior in Sunburst. Die Preise am Vintage-Markt liegen demgemäß entsprechend hoch für das selten anzutreffende Instrument. In rundum originalem und unversehrtem Zustand wird jedenfalls kaum mehr eines unter € 12.000 angeboten.

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2020)

Gibson Les Paul: Modelle, Gebrauchtkauf & Seriennummern

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Les Pauls aus ihren drei Jahrgängen, von links: 1958, 1959 und 1960°

In diesem Artikel widmen wir uns voll und ganz der Gibson Les Paul! Hier erfährst du alles über die Geschichte und Entstehung der Les Paul, über die verschiedenen Modellreihen, den Gebrauchtwert von Gibson-Gitarren sowie alles zum Thema Gibson-Seriennummern.

 


Die Entstehung der Gibson Les Paul: Modell mit Geburtsfehler
Gibson Les Paul Modelle & Testberichte
Gibson Les Paul gebraucht kaufen: Gibson Gitarren & ihr Wert
Gibson Seriennummern: Wie alt ist meine Gibson Les Paul


Die Entstehung der Gibson Les Paul: Modell mit Geburtsfehler

„Sie werden überrascht sein, aber ich bin keine Gitarre.“ So pflegte der Gitarrist Les Paul sein Publikum zu begrüßen, wenn er einmal in der Woche ein Konzert in einem New Yorker Club gab. Da war er schon über 90 Jahre alt. Bis kurz vor seinem Tod 2009 trat er im Iridium regelmäßig auf. Im Sommer 2015 wäre Les Paul 100 Jahre alt geworden – eine Legende war er schon zu Lebzeiten, einerseits wegen seiner Musik, andererseits wegen der Gitarren, die seinen Namen tragen: Der Gibson Les Paul.

Die Les Paul von Gibson

Les Pauls musikalische Karriere hatte ihren Höhepunkt vor über 60 Jahren. Mit dem rasanten Erfolg des Rock & Roll begann sein Stern als Amerikas bekanntester Gitarrist und Entertainer zu sinken. Beinahe zeitgleich begann der Siegeszug eines Gitarrentyps, den Gibson mit dem Schriftzug „Les Paul Model“ auf der Kopfplatte auf den Markt gebracht hatte. Der Gitarrist Les Paul hatte bereits in den 1940er-Jahren Experimente mit seinen Instrumenten gemacht. Er wollte perfektere Gitarren, also baute er massive Mittelsegmente in Jazz-Gitarren oder Korpusse aus massivem Aluminium – immer mit dem Ziel, den Klang und das Sustain zu verbessern und gleichzeitig die Anfälligkeit für Rückkopplungen zu reduzieren.

Gibson Les Paul? Gibson war skeptisch!

Die Manager bei Gibson, mit denen Les Paul über das Konzept mehrfach geredet hatte, waren alles andere als begeistert. Gitarren mit massivem Korpus passten nicht ins Konzept des Marktführers, der – nach eigener Überzeugung – seit Beginn des Jahrhunderts die besten Instrumente der Welt baute. Mandolinen, Banjos, Western- oder Jazz-Gitarren, gern auch mit Tonabnehmer, das war Gibsons Universum. Allerdings nur bis zum Beginn der 50er-Jahre, als ein Elektriker aus Kalifornien radikale Ideen entwickelt hatte: Leo Fenders neuartige Broadcaster/Telecaster war quasi aus dem Stand ein Renner geworden. Musiker aus Country & Western, damals die dominante Stilrichtung, rissen sich um die Planken aus Fullerton.

Nun konnte Gibson das Thema nicht mehr ignorieren. In mehr oder weniger enger Zusammenarbeit mit Les Paul wurde ein Solid-Body-Modell entwickelt, das Fender Paroli bieten sollte. Das Ganze ging offenbar recht schnell, und welche Rolle Les Paul überhaupt in diesem Prozess gespielt hat, wird seit mindestens 50 Jahren kontrovers diskutiert. Angeblich war der spezielle Steg/Saitenhalter des Gibson Les Paul Les Pauls Idee. Wie gesagt, alles musste sehr schnell gehen und deshalb reiste ein Gibson-Chef, McCarty, Les Paul zu einem Auftrittsort hinterher, um ihm den Prototyp zu zeigen und den Vertrag mit ihm auszuhandeln.

Ob jener Prototyp exakt den späteren Serienmodellen der Gibson Les Paul entsprach, darf leise angezweifelt werden. Jedenfalls war Les Paul einverstanden, seinen Namen für die neue Gitarre zur Verfügung zu stellen, gegen Tantiemen von jedem verkauften Exemplar, versteht sich. Richtig mutig war Gibson anfangs immer noch nicht, denn ursprünglich sollte nur „Les Paul Model“ auf der Kopfplatte stehen, aber nicht „Gibson“.

Der Teufel steckt im Detail

Als die Gitarre schließlich Mitte 1952 auf den Markt kam, stand aber doch Gibson auf der Kopfplatte. Das Instrument war im Design schlicht aber elegant, eigentlich sah die Gibson Les Paul aus wie eine geschrumpfte Jazz-Gitarre ohne F-Löcher. Und sie war auf der Decke golden lackiert, damit sie edler aussah und klar von der billig wirkenden Telecaster in badezimmerblond zu unterscheiden war. Nur eine Seriennummer bekamen die frühen Exemplare kurioserweise nicht.

Technisch war bei der Gibson Les Paul nicht viel Neues im Angebot: Die Les Paul bekam zwei Tonabnehmer, Modell P 90, denn etwas anderes gab es damals bei Gibson nicht. Neu war lediglich die cremefarbene Abdeckung ohne die „Befestigungs-Ohren“. Dazu vier Regler, ein Schalter – mehr braucht eine erwachsene Gitarre auch nicht. Tja, aber die trapezförmige Kombination aus Steg und Saitenhalter: Was war da passiert? Die Saiten liefen unter dem Steg durch in Richtung Griffbrett.

Der Erfinder: Les Paul

Der Spieler hat mit der rechten Hand keinen Kontakt zur Saite. Klar, er kann den Handballen auflegen, aber Abdämpfen geht nicht. Obwohl es angeblich Les Pauls Idee war, Steg und Saitenhalter so zu konstruieren, konnte er mit dieser Ausführung nicht einverstanden gewesen sein. Saitendämpfung mit der rechten Hand war ein essentieller Bestandteil seiner Musik, so aber nicht möglich. Gibson-Boss Ted McCarty und Les Paul haben sich hinterher jahrzehntelang gegenseitig die Schuld an dieser Fehlkonstruktion gegeben. Klären ließ sich das nie. Jedenfalls hatte Gibson wahrscheinlich einen schlichten, aber gravierenden Fehler in der Konstruktion gemacht: Der Halswinkel war zu gering, zu flach. So konnten die Saiten gar nicht über den Steg geführt werden.

Les Paul spielte natürlich fortan das nach ihm benannte Modell, allerdings baute er, der alte Bastler, seine Gitarren immer wieder um. Sie bekamen getrennte Stege und Saitenhalter, die Klinkenbuchse wurde auch schon mal auf die Decke verlegt, auch diverse Vibrato-Hebel kamen zum Einsatz.

Nach etwas mehr als einem Jahr wurde der Fehler korrigiert. Die Instrumente bekamen einen steileren Halswinkel und das etwas klobige Trapez wurde durch einen einteiligen Steg/Saitenhalter ersetzt, der mit Bolzen im Korpus verankert war. Jetzt war das Gibson Les Paul Modell nahezu perfekt, ein paar Details wurden in den folgenden Jahren allerdings noch modifiziert.

Autor: Carlo May



Gibson Les Paul Modelle & Testberichte

Über die Jahre hat Gibson unzählige Varianten seines Les-Paul-Klassikers präsentiert, darunter Special Editions, Limited Runs und etliche Sondermodelle aus dem Custom Shop. Bei so viel Auswahl ist es natürlich fast unmöglich den Überblick zu behalten – kennen sollte man allerdings die vier wichtigsten Les-Paul-Serien, die so ziemlich allen Modellen zugrunde liegen:

 

 1. Gibson Les Paul Standard

Gibson Les Paul Standard

Die Gibson Les Paul Standard geht im Wesentlichen auf das ikonische 1958er-Modell zurück. Der Mahagoni-Korpus ist massiv und mit einer dicken Ahorndecke verleimt, auf dem kräftigen Mahagonihals sitzt ein Palisander-Griffbrett (früher Rio-Palisander) und als Tonabnehmer kommen zwei mit Chrome-Kappen versehene Humbucker-Pickups zum Einsatz. Weitere Merkmale sind die einfachen Korpus- und Hals-Bindings sowie die großen Perloid-Griffbretteinlagen im Trapez-Design, die Hardware ist beim Standard-Modell außerdem verchromt.

Mittlerweile ist der Korpus der Standard gechambert, also mit Ausfräsungen im Korpus versehen, die Gewicht einsparen und laut Gibson auch den Ton verbessern sollen. Die handverlötete Elektronik ist in diesem Zuge einer Platine gewichen, auf der Potis und andere Bauteile fest verbaut sind – sicherlich nicht die servicefreundlichste Lösung. Zuletzt hat sich auch das Halsprofil über die Jahre deutlich von dem des 1958er-Modells entfernt.

Testberichte zur Gibson Les Paul Standard findest du hier:

>>> Gibson Les Paul Standard im Test <<<

>>> Gibson Les Paul Standard Custom Shop Gitarren im Test<<<

 

2. Gibson Les Paul Custom

 

Die Gibson Les Paul Custom ist in Sachen Konstruktion eng mit dem Standard-Modell verwand, wirkt jedoch optisch insgesamt etwas aufwendiger und edler. Das Umlaufende Binding ist mehrlagig ausgeführt und umfasst bei diesem Modell auch die Korpusrückseite. Auf der Kopfplatte sitzt mittig das markante Split-Diamond-Inlay, die Griffbretteinlagen sind hier außerdem aus Perlmutt. Zur Grundausstattung der Gibson Les Paul Custom gehört auch vergoldete Hardware, als Griffbrett-Material wird meist Ebenholz verwendet.

Die Custom war früher das unangefochtene Top-Modell im Les-Paul-Line-Up und daher nicht selten auch mit zusätzlichen Ausstattungsdetails wie einem dritten Humbucker, oder einem Bigsby-Vibrato erhältlich. Anders als bei der Standard gibt es außerdem auch Les-Paul-Custom-Modelle mit Ahornhälsen und Voll-Mahagoni-Bodies (ohne Ahorndecke).

 

3. Gibson Les Paul Studio

Les Paul Studio Pro von Gibson
Gibson Les Paul Studio Pro

Die Gibson Les Paul Studio wurde 1983 eingeführt und ist optisch einfacher und schlichter gehalten als das Standard-Modell. Die Hölzer sind hier weniger spektakulär gemasert, auf Hals- und Korpus-Bindings wird verzichtet. Das Gibson-Logo auf der Kopfplatte ist nur aufgedruckt und nicht als Inlay eingelassen. Anstelle der Trapez-Griffbretteinlagen findet man bei einigen Studio-Modellen dezente Perloid-Punkte.

Der Name Studio spielt auf Tonstudio-Situationen an, wo außer dem Produzenten/Toningenieur kein Publikum anwesend ist, das man mit einer eindrucksvollen Optik beeindrucken müsste. Wie bei vielen anderen Gibson-Linien hat die Studio über die Jahre immer wieder Veränderungen erfahren, darunter wechselnde Inlays (Trapez/Punkte), Body-Konstruktionen (gekammert/massiv, mehrteilig/einteilig) und Griffbrett-Materialien (Palisander/Ebenholz/Ahorn).

Einen Testbericht zur Gibson Les Paul Studio findest du hier:

>>> Gibson Les Paul Studio im Test <<<

 

4. Gibson Les Paul Traditional

Gibson Les Paul Traditional

Die Gibson Les Paul Traditional gleicht in den meisten Konstruktions- und Ausstattungs-Details der Standard verfügt jedoch über einen weniger stark gekammerten und 5 mm stärkeren (im Vergleich zur aktuellen Standard/Studio) Korpus. Auch ist die Dichte des verwendeten Korpus-Holzes geringer, was die Gitarre resonanter und leichter macht. In der Gibson Les Paul Traditional kommen außerdem die etwas klassischeren und im Vergleich zum Burstbucker Pro weniger aggressiven 57-Classic-Pickups zum Einsatz.

Einen Testbericht zur Gibson Les Paul Traditional findest du hier:

>>> Gibson Les Paul Traditional im Test <<<

 

5. Gibson Les Paul Studio Tribute

(Bild: Gibson)

Die Gibson Les Paul Studio Tribute ist mit Open-Coil 490 Humbuckern mit Alnico II Magneten ausgestattet und liefert klassisch kraftvollen 50er-Jahre Tone und Sustain. Die Serie soll das Feeling und den tonalen Vibe einer traditionellen Les Paul bieten, weist aber moderne Merkmale wie einen Ahorn-Hals mit schlankem Profil und Gewichtsreduktion auf.

Nichtsdestotrotz kann man sich an Vintage-Features wie Nitrozelluloselack und kryogenisch behandelten Bünden erfreuen.

 

Trotz dieser groben Serien-Übersicht gilt bei allen Les-Paul-Modellen: Ausnahmen bestätigen die Regel! Über die Jahre wurden immer wieder Konstruktionsdetails geändert und spätestens mit der Robo-Mechanik-Ausstattung und den wilden 2015er-Modellen dürfte auch dem Letzten klar geworden sein, dass Gibson eine sehr experimentierfreudige Firma ist, bei der die einzelnen Modelle nicht lange im Katalog bleiben.

Autor: Stefan Braunschmidt

 

Du hast Lust die besten Modelle von Gibson selbst in Augenschein zu nehmen? Beim Guitar Summit ist der Gibson Custom Shop (presented by Guitar Place) vor Ort und präsentiert die Modelle. Mehr Informationen über das große Gitarren- und Bass-Event mit über 400 ausgestellten Marken findest du hier.



Gibson Les Paul gebraucht kaufen: Gibson Gitarren & ihr Wert

Sind Gibson Gitarren und speziell der Gibson-Klassiker Les Paul eigentlich ein „great investment“? So betiteln in den USA zumindest Händler gern die Instrumente in ihren Anzeigen. Und die USA sind immer noch der größte Markt, wenn es um alte, gebrauchte, so genannte Vintage-Instruments geht.

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Die Händler wollen ihren Kunden suggerieren, dass man mit dem Kauf älterer Gitarren Geld anlegen und ähnlich wie mit Wertpapieren gute Renditen machen kann. Was der Kunde genau wie bei Aktien bedenken sollte: Es ist vollkommener Unsinn zu kaufen, wenn die Kurse/Preise auf dem Höchststand sind. Und die Preise sind, anders als bei vielen Aktien, bei einigen Gibson Modellen im Moment auf dem Höchststand.

Für einige ausgesuchte Gibson-Instrumente, wohlgemerkt aus der Serienfertigung, muss man seit Jahren auf dem Vintage-Markt enorme Summen anlegen, und ein Ende der Preisspirale ist kaum in Sicht. Aber so eindimensional ist das Geschäft (leider) nicht. Schwankungen (und da zeigt sich wieder die Analogie zur Börse) sind normal.

Mitte der 90er Jahre bot ein bekannter Händler in Nashville eine Gibson Flying V zum Kauf an. Das besondere an diesem Exemplar: Es war 1957 gebaut worden und somit ein Vorserienmodell, bzw. Prototyp. Entsprechend hoch war der Kaufpreis angesetzt worden. $ 150.000 sollte der interessierte Käufer zahlen. Monatelang hielt sich das Interesse in sehr engen Grenzen und plötzlich stand auf dem Preisschild nur noch $ 100.000.

Aus heutiger Sicht immer noch viel zu viel. Mittlerweile kann man in Michigan einen weiteren Flying-V-Prototyp erwerben und hier ist der Preis im Laufe der Zeit auf $ 50.000 gesunken. Exemplare aus 1958/59 gibt es inzwischen schon für $ 40.000 und weniger. Natürlich ist das ein extremes Beispiel, aber es zeigt, dass sich die Preisspirale nicht endlos drehen lässt. Bei anderen Gibson-Gitarren ist die Tendenz umgekehrt.

Gibson Les Paul Kopfplatte
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Kult: Gibson Les Paul Standards

Seit einigen Jahren sind Les Paul Standards aus den Jahren 1958 bis 1960 der Renner – mit entsprechenden Kursen. Eine originale Standard in Sunburst, möglichst eine 59er, gut erhalten und vielleicht sogar noch mit auffälliger Deckenmaserung kostet heute schon mal je nach Zustand, “Flame”-Charakter, Historie und einigen anderen Faktoren ab $ 150.000 aufwärts – und teilweise deutlich aufwärts.

Ähnliches berichtete auch der Anruf eines befreundeten Gitarren-Händlers, der mir einmal vor Jahren erzählte, dass er (Dank zweimaliger Retour-Inzahlungnahmen) zum dritten Mal die gleiche Gitarre, eine Les Paul Standard von 1958, verkauft habe – jeweils mit einem Preisaufschlag um das Doppelte: DM 15.000, DM 30.000 und dann knapp € 30.000. Und das innerhalb eines Zeitraums von etwa fünf bis sechs Jahren! Und heute – ca. 10 Jahre später – dürfte diese Gitarre gut das Doppelte ihres letzten DM-Wertes in Euro kosten.

Die gute Nachricht: Dank der hohen Preise entschließen sich viele Besitzer nun zum Verkauf und der Markt ist gut bestückt. Die schlechte Nachricht: Die Zahl der Fälschungen nimmt drastisch zu und der beliebte Händler-Slogan „aged by Tom Murphy“ führt manch dubiosen Zeitgenossen in Versuchung, Etikettenschwindel zu probieren. Wer nicht in der Lage ist – und wer ist das schon? –, diese hohen Summen für eine echte 58er, 59er oder 60er Les Paul zu zahlen, kann immer noch mit den ohne Widerspruch sehr guten Reissue-Gitarren vorlieb nehmen, die um ein Vielfaches günstiger sind und einige der wenigen Modelle sind, die im Laufe der Zeit nicht drastisch an Wert verlieren, guter Originalzustand voraus gesetzt. Bei diesen speziellen Les-Paul-Modellen, aber auch bei ES-335-Gitarren aus dem gleichen Zeitraum und einigen richtig alten Jazz-Gitarren übersteigen die Preise für alte Originale die der neuen Replikas aus dem Custom Shop bei weitem.

Doch alte SGs, Firebirds und auch Les Pauls aus den „nichtheiligen“ Jahrgängen sind nicht zwangsläufig teurer als neue Custom-Shop-Reissues. Ein Beispiel: Eine originale 52er oder 53er Les Paul Goldtop kostet in gutem Zustand in den USA derzeit ca. € 5000. Eine neue ist für nahezu den gleichen Preis erhältlich (€ 4.990), und wenn es eine neue in der „Aged“-Version sein soll, müssen € 7990 den Besitzer wechseln. Noch vor zehn Jahren waren akustische FlatTops von Gibson aus den 30er, 40er oder 50er Jahren günstig zu bekommen. Dann erschien ein Buch, das erläuterte, welch überragende Qualität diese Gitarren hatten. Die Autoren hatten Recht, Gibson-Flat-Tops aus jenen Dekaden gehören zum Besten, was je gebaut wurde. Die Nachfrage stieg, plötzlich waren die Instrumente des Mitbewerbers Martin aus Nazareth/Pennsylvania nicht mehr das Maß aller Dinge, und der Markt reagierte wie erwartet – die Preise stiegen stetig und steigen gegenwärtig weiter.

Bei Arch-Tops von Gibson hingegen stagniert die Tendenz. Nach gesunden Steigerungsraten zu Beginn der 90er Jahre haben sich die Preise auf einem hohen Level eingependelt – selbst für Spitzenexemplare.

Was soll man also kaufen, wenn man als Sammler sein Geld gut anlegen will?

Es hilft nichts, es ist abermals wie an der Börse: Eindeutige Tipps gibt es eigentlich nicht. Bei akustischen Gibsons findet man die begehrtesten Modelle aus den Baujahren zwischen 1922 und etwa 1960. Bei elektrischen kategorisieren die Experten die goldene Ära zwischen 1952 und 1965, mit eindeutigem Schwerpunkt auf dem Zeitpunkt zwischen 1958 und 1960. Für Instrumente aus diesen Zeiträumen werden die höchsten Preise verlangt und eigentlich sollte man jetzt vom Kauf abraten, es sei denn, man hat wirklich zu viel Geld.

Elektrische wie auch akustische Gitarren aus den 80er Jahren haben gegenwärtig einen relativ geringen Wert. Natürlich kann man sie kaufen, um ein gutes Instrument zum Spielen zu erwerben. Mit wahrnehmbarer Wertsteigerung sollte man aber lieber nicht rechnen. Und was ist mit den limitierten Editionen und Sondermodellen, die der Gibson Custom-Shop seit einigen Jahren in steigender Anzahl herstellt? Man erwirbt damit ein Instrument, das ohne jeden Zweifel allererste Spitzenqualität bietet. Allerdings sind die Neupreise in der Regel schon sehr hoch.

Ob sich der Anschaffungspreis beim Wieder-Verkauf erzielen lässt, oder ob Custom-Shop-Editionen im Laufe der Zeit sogar im Wert noch steigen, ist gegenwärtig noch nicht wirklich bewiesen. Wobei zu erwarten ist, dass sich bei den Custom-Shop-Modellen genau das wiederholt, was sich in der normalen Serienfertigung dieses Herstellers abgespielt hat: Die Gibson Les Paul Reissues der 59er Standard werden am ehesten ihren Wert halten, bzw. ihn eventuell noch steigern können als die Repliken z. B. einer SG Standard, oder einer Firebird IV.

Die Faustregel

Es gibt eine Faustregel, die besagt, dass „normale“ Gitarren, also keine Vintage- oder Sammler-Objekte, in gebrauchtem, gutem Originalzustand etwa die Hälfte des aktuellen Neupreises wert sind. Und wenn man sich die heutigen Verhältnisse auf dem Neu- und dem Gebrauchtmarkt ansieht, mag diese Tendenz stimmen.

Eine gebrauchte „normale“ Gibson Les Paul Standard wird mit ca. € 2.000 gehandelt – und das entspricht in der Tat etwa der Hälfte des derzeitigen Neupreises. Dies liegt natürlich auch daran, dass der Neupreis aufgrund von Währungsdifferenzen und Gibsons Preispolitik recht hoch ist. Hat also Gitarrist sich vor 20 Jahren eine neue Gibson Les Paul geleistet, und damals ging dies für etwa DM 2.500, hat er nominell tatsächlich keinen Verlust gemacht, wenn er sie heute auf dem Gebrauchtmarkt verkauft.

Allerdings darf bei dieser Rechnung nicht vergessen werden, dass die Kaufkraft von damals der heutigen längst nicht mehr entspricht und oben aufgemachte Rechnung eher die eines Milchmädchens ist. Dennoch: Wer sich heute eine neue Gibson-Gitarre kauft und wem wichtig ist, dass sie ihren Wert über die Jahre erhalten soll, muss sich auf bekannte Modelle wie Les Paul und ES-335 spezialisieren – und gleichzeitig hoffen, dass die Gibson-Neupreise weiter steigen.

Eine gute Nachricht gibt es dennoch: Wer Lust auf und Geld für alte Gibson-Instrumente hat, sollte sich in Deutschland oder den Nachbarländern umsehen. Hier liegen die Preise seit Jahren unter dem amerikanischen Niveau, wenn auch die Auswahl in den USA immer noch wesentlich größer ist.

Was früher kein Problem war, vom USA-Trip eine alte Gibson mitzubringen, funktioniert heute kaum noch. Der Dollarkurs, aber auch die Preise in den Staaten sind zu hoch. Also, wer eine Gibson mit Vintage-Aura sucht, sollte die bekannten deutschen Händler frequentieren, Kleinanzeigen studieren oder auch mal die bekannten Internet-Auktionen in Erwägung ziehen.

 

Autoren: Carlo May & Heinz Rebellius

 



Gibson Seriennummern: Wie alt ist meine Gibson Les Paul

Bei der Altersbestimmung einer Gibson Les Paul und anderen Gibson E-Gitarren geben verschiedene Merkmale und Besonderheiten fast sichere Hinweise auf das Produktionsjahr des Instruments. Doch sollten alle (!) angeführten Besonderheiten, Details der Konstruktion und Hinweise bei einer Altersbestimmung berücksichtigt werden, da, wie hinlänglich bekannt, Bauteile und Komponenten von Gibson-Instrumenten nicht immer in einer konsequenten zeitlichen Reihenfolge verbaut worden sind.

Seriennummer
Der erste Blick gilt natürlich der Seriennummer. Diese sollte allerdings nicht mehr als nur Annäherungswert für eine exakte Altersbestimmung verstanden werden, besonders bei diesem Hersteller. Wie auch andere Großserien-Produzenten hat Gibson immer versucht, die Seriennummern in einer chronologischen Reihenfolge zu ordnen – leider scheint dies jedoch aus was für Gründen auch immer nicht so richtig funktioniert zu haben. Um bei der Feststellung des Baujahres ganz sicher zu gehen, müssen also weitere spezifische Indizien überprüft werden.

Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt auf den E-Gitarren und -Bässen, die ab 1952 hergestellt worden sind. Dennoch sollte auch hier nicht vergessen werden, dass Gibsons Tradition viel weiter in die Vergangenheit zurückreicht. Bereits ab dem Jahr 1902 wurden Seriennummern vergeben. Man startete damals mit der Zahl 100 und einem Nummerierungssystem, das 1947 mit 99999 endete. Allerdings bekam nicht jedes gefertigte Instrument eine eigene Nummer, sondern meistens nur die Top-Instrumente der jeweiligen Serien.

100 bis 8750 1902 bis 1910
8751 bis 62200 1911 bis 1920
62201 bis 90200 1921 bis 1930
90201 bis 96600 1931 bis 1940
96601 bis 99999 1941 bis 1947

Zur Kennzeichnung wurden von 1902 bis 1954 ovale, weiße Aufkleber im Inneren der Gitarre verwendet. Ab 1954 werden diese orange. Bei Instrumenten mit rundem Schallloch (Mandoline, Akustikgitarre) sitzt der Aufkleber genau unter diesem Loch auf dem Boden, bei „F-hole“-Instrumenten unter dem obersten der beiden F-Löcher

Das zweite Nummernsystem wurde von 1947 bis 1961 für akustische und elektrifizierte Arch-Top-Gitarren angewendet. Es war allerdings ein komplett anderes als das, was ab 1952 für die Solidbody-Instrumente (Les Paul etc.) verwendet wurde. Beide Systeme liefen also neun Jahre lang parallel nebeneinander.

A100 bis A6595 1947 bis 1950
A6596 bis A36150 1951 bis 1961

Gibson nutzte über die Jahre also verschiedene Nummernsysteme und BuchstabenCodes. Bekanntermaßen existieren neben den normalen Serien auch spezielle Modellreihen wie die Vintage Reissues, Signature-Modelle und zahlreiche Limited Editions, die aus dem üblichen Schema herausfallen und bei denen eine genaue Datierung zur Wertbestimmung eine eher untergeordnete Rolle spielt.

Wer eine Gibson-Gitarre besitzt, deren Seriennummern in keins der hier vorgestellten Schemas passt, kann sich vertrauensvoll nicht nur an Gitarre & Bass, sondern auch an Gibson USA wenden. Auf der Website www.gibson.com gibt es nicht nur erstklassige Informationen zu diesem Thema, sondern auch die Möglichkeit, konkrete Fragen zu stellen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass hier meist sehr schnell und kompetent geantwortet wird.

Gibson Seriennummern
°

In dieser Periode wurden fünf- oder sechsstellige Nummern vergeben, bei denen die erste Stelle auf das Produktionsjahr hinweist. Beispiele: 3 = 1953, 4 = 1954 etc., bis zur 0 = 1960, 1 = 1961 Wer sich fragt, wo die Seriennummern der Les Pauls von 1952 geblieben sind, dem sei gesagt: Diese Gitarren hatten bis auf einige wenige Ausnahmen noch keine Seriennummern!

Nun wurden drei- bis sechsstellige Nummern vergeben:

100 bis 42,000 1961
42.000 bis 44,000 1962
61,000 bis 64,000 1963
64,000 bis 71,000 1964
71,000 bis 96,000 1962-64
96,000 bis 99,000 1963
000,000 1967
100,000 bis 106,000 1963, 1967
109,000 bis 120,000 1963, 1967
121,000 bis 139,000 1963
140,000 bis 144,000 1963, 1967
144,000 bis 149,000 1963-64
149,000 bis 152,000 1963
152,000 bis 174,000 1964
174,000 bis 176,000 1964-65
176,000 bis 250,000 1964
250,000 bis 305,000 1965
306,000 bis 320,000 1965, 1967
320,000 bis 329,000 1965
329,000 bis 330,000 1965, 1967
330,000 bis 332,000 1965, ’67-68
332,000 bis 348,000 1965
348,000 bis 349,000 1966
349,000 bis 368,000 1965
368,000 bis 369,000 1966
370,000 1967
380,000 bis 385,000 1966
390,000 1967
400,000 bis 406,000 1966
406,000 bis 409,000 1966-68
409,000 bis 410,000 1966
420,000 bis 429,000 1966
500,000 1965-66
500,000 1968-69
501,000 bis 520,000 1965, 1968
520,000 bis 530,000 1968
530,000 1966, ‘68-69
530,000 bis 539,000 1969
540,000 1966, 1969
540,000 bis 545,000 1969
555,000 bis 556,000 1966
558,000 bis 567,000 1969
570,000 1966-67
580,000 1966-67, ‘69
600,000 1966-68
600,000 bis 606,000 1969
700,000 1966-67, ‘69
750,000 1968-69
800,000 1966-69
810,000 bis 812,000 1966, 1969
812,000 bis 819,000 1969
820,000 1966, 1969
820,000 bis 823,000 1966
824,000 1969
828,000 bis 858,000 1966, 1969
859,000 bis 895,000 1967
895,000 bis 896,000 1968
897,000 bis 898,000 1967, 1969
899,000 1968
900,000 bis 901,000 1970
910,000 bis 999,000 1968

Dieses System ist nicht nur sehr schwer zu verstehen, sondern die Tatsache, dass manche Nummernfolgen bis zu viermal (!) vergeben wurden, macht ein exaktes Datieren zu einem schwierigen Unterfangen. Bei Gibson Gitarren aus diesen Jahrgängen müssen unbedingt weitere Details zur Jahrgangs-Bestimmung heran gezogen werden.

Die sechsstelligen Nummern (plus gelegentlich einem Buchstaben vor oder nach der Seriennummer) waren zusätzlich mit dem Hinweis „Made In USA“ auf der Rückseite der Kopfplatte ergänzt. Doch die Nummern wurden beinahe wahllos vergeben, so dass ein durchdachtes System nicht zu erkennen ist. Das ovale, orangefarbene Label in den „hohlen“ Gitarren wurde 1970 durch einen weiß- orangen und rechteckigen Aufkleber in den akustischen und einen schwarz-purpurrotweißen in den elektrischen Hollow-Bodies ersetzt.

000001 1973
100,000 1970-75
200,000 1973-75
300,000 1974-75
400,000 1974-75
500,000 1974-75
600,000 1970-72
600,000 1974-75
700,000 1970-72
800,000 1973-75
900,000 1970-72
6-stellige Nummer + A 1970
A + 6-stellige Nummer 1973-75
B + 6-stellige Nummer 1974-75
C + 6-stellige Nummer 1974-75
D + 6-stellige Nummer 1974-75
E + 6-stellige Nummer 1974-75
F + 6-stellige Nummer 1974-75

In der Übergangszeit zum neuen System (ab 1977) vergab Gibson ab 1975 8-stellige Nummern. „Made in USA“ stand ebenfalls auf der Kopfplatten-Rückseite, bei einigen Modellen auch „limited edition“.

99 + 6-stellige Nummer 1975
00 + 6-stellige Nummer 1976
06 + 6-stellige Nummer 1977

Seit 2002 ist das Datierungssystem endlich eindeutig und klar. Es besteht aus einer achtstelligen Nummer, die nach dem YDDDYPPP-Prinzip aufgebaut ist. YY bezeichnet dabei das Produktionsjahr, DDD den Tag des Jahres und PPP die Fabrik, in der das Instrument gebaut wurde. Die PPP-Nummern 001 bis 499 stehen für Kalamazoo, 500 bis 999 für Nashville. Die Nummern für Kalamazoo wurden ab 1984 nach dem Auszug aus der dortigen Fabrik natürlich nicht mehr vergeben.

Als die Produktion der akustischen Gitarren 1989 in Bozeman began, wurde das Nummernsystem überarbeitet. So bekam Bozeman die PPP-Nummern 001 bis 299, und ab 1990 Nashville 300 bis 999. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass in der Nashville-Produktion die PPP-Zahl 900 für Prototypen reserviert wird.

Hier einige Beispiele:

71239321 1979, am 123. Tag des Jahres, in Kalamazoo
81135619 1985, am 113. Tag des Jahres, in Nashville
83548522 1988, am 354. Tag des Jahres, in Nashville
02341132 2001, am 234. Tag des Jahres, in Bozeman

1994

Achtung, Ausnahme! 1994 vergab man allen Instrumenten eine achtstellige Nummer, die immer mit einer 94 begann. Hier beschreiben also die ersten beiden Stellen das Herstellungsjahr 1994. Dies tat man, um dem Hundertjährigen Jubiläum der Firma Gibson seine Referenz zu erweisen.

Noch ein Beispiel:

94123250 1994, das 123. Instrument, aus Bozeman

Einige Instrumente, vor allem aus den 1970er und 1980er Jahren, haben eine zusätzliche 2 meist unter der normalen Seriennummer eingeprägt. Dies zeigt an, dass das Instrument zweite Wahl ist und Mängel besitzt, die aber so geringfügig sind, dass es trotzdem in den Handel gelangen konnte.

Die Seriennummern des Custom Shops haben sich noch nie am System der anderen Gibson-Produktionsstätten orientiert. Anfangs wurden die Instrumente einfach durchlaufend nummeriert und geben deshalb keinerlei konkreten Hinweis auf Baujahr oder Modell. Doch das wurde ab 1992 für die Vintage Reissue-Modelle geändert.

Die Nummern dieser Instrumente folgen dem „m ynnn“- Prinzip (die Leerstelle nach dem „m” ist beabsichtigt). Die Buchstaben bedeuten Folgendes: „m“ steht für das Modell, „y“ für das Jahr und „n“ für die Produktionszahl Für die einzelnen Modelle wurden folgende „m“-Nummern (Modell) vergeben:

2 1952 Les Paul
4 1954 Les Paul
6 1956 Les Paul
7 1957 Les Paul, Futura
8 1958 Les Paul, Explorer
9 1959 Les Paul, Flying V
0 1960 Les Paul

Und auch hierzu zwei Beispiele:

2 2017 1952 Les Paul Reissue
0 017 1960 Les Paul Reissue

Die Reissue-Modelle der 1961er bis 1969er Solidbody-Modelle haben Seriennummern, die dem „yynnnm“-Prinzip folgen. Hierbei sind folgende Modellnummern festgelegt:

1 SG/Les Paul
3 1963 Firebird I
4 1964 Firebird III
5 1965 Firebird V und VII
8 1968 Les Paul Custom

Zwei Beispiele:

012005 1965 Firebird V (od. VII), 2001 gebaut
993551 1961 SG/Les Paul, 1999 gebaut

Ab 1995 wurden alle ES-Modelle der Historic Series mit System nummeriert. Hier bedient man sich einer „A-mynnn“-Konfiguration. Das „A“ (oder auch mal ein „B“) inkl. Bindestrich ist obligatorisch für die Historic Series, „m“ kennzeichnet wiederum das Modell, „nnn“ die Produktionszahl. Ein Herstellungsjahr lässt sich aus dieser Nummer nicht erlesen. Folgende Modellnummern wurden festgelegt:

2 1952 ES-295
3 1963 ES-335 mit Block-Einlagen
4 1964 ES-330
5 1965 ES-345
9 (+ A-) 1959 ES-335 Dot
9 (+ B-) 1959 ES-355

Auch hierzu wieder zwei Beispiele:

A-2564 ES-295 Reissue
B-9222 1959 ES-355 Reissue

Die anderen Custom-Shop-Instrumente tragen ab 1993 Seriennummern, die auf die Rückseite der Kopfplatte aufgestempelt sind und sich aus einem „y-9nnn“-Muster zusammensetzen. „y“ (mit Bindestrich!) steht für die letzte Stelle des Herstellungsjahres, die „9“ besagt, dass es sich um ein Custom-Shop-Instrument handelt, während „nnn“ die Produktionszahl ist, welche manchmal auch vierstellig („nnnn“) sein kann.

Beispiel:

1-9166 das 166. Custom-Shop-Instrument, Bj. 2001

Dass manche dieser neuen Nummerierungssysteme eine rechte kurze Halbwertzeit besitzen, beweist letztes Beispiel. Spätestens ab 2003 darf dann gegrübelt werden, an was man eine 1993 gebaute Gitarre von einer 2003er unterscheiden soll. Custom-Shop-Instrumente werden gerne gekauft. Die schlechte Nachricht: Solche Tatsachen rufen Kopierer und Fälscher auf den Plan, die ihre eigenen Gitarren mit falschen Federn schmücken und zu Custom-Shop-Kursen anbieten.

Die gute Nachricht: Seit dem Jahr 2000 tragen die echten Custom-Shop-Instrumente einen implantierten Chip an einer von außen unzugänglichen Stelle im Halsfuß, in den alle Informationen zur Gitarre gespeichert sind. Fehlt einer vermeintlichen Custom-Shop-Gitarre dieser Chip, kann man davon ausgehen, eine Fälschung in der Hand zu halten.

Die schlechte Nachricht (für uns): Dies kann nur der Custom Shop in den USA überprüfen, weil sich hier zurzeit das einzige Lesegerät befindet, dass den Chip identifizieren kann. Es ist aber geplant, dass über kurz oder lang sämtliche Gibson-Vertriebe weltweit mit solch einem Gerät ausgestattet werden. Andere sichere Hinweise für Produktionszeiten geben einige Konstruktions- & DesignMerkmale, die die Altersfestlegung einer Gibson erleichtern, da sie immer in einem bestimmten zeitlichen Rahmen das Outfit der Gibson-Instrumente prägten.

Gibson_Seriennummern_Datierung_07
Zeitgenössische Les-Paul-Kopfplatte

Gibson Logo

Seit 1905 schreibt Gibson seinen Namen auch auf die Kopfplatten seiner Instrumente. Damals wurde eine Mandoline die Ehre zuteil, den Namen ihres Herstellers nun weithin sichtbar zu tragen. Natürlich hatten die alten Logos einen völlig anderen Stil als die, die heute verwendet werden (s. u.). Gibson Les Pauls von 1952 haben den i-Punkt ganz eng am G platziert. Von 1953 bis 1968 ist der i-Punkt nicht mehr mit dem G verbunden, die Buchstaben b und o sind oben offen.

Von 1968 bis 1972 ist kein i-Punkt vorhanden, die Verbindung zwischen b und o ist gleichmäßig Von 1972 bis heute ist der i-Punkt wieder da, doch bis 1981 erscheint und verschwindet dieses Merkmal in einem nicht nachvollziehbaren Rhythmus. Von 1981 bis heute liegt die Verbindungslinie zwischen o und n höher als gewöhnlich. Dieser schon mal da gewesene Schriftzug wurde wieder eingeführt und beide Varianten werden bis heute verwendet Bei einigen wenigen Made-In-USA-Instrumenten der 1950er Dekade, zwischen 1970 und 1975 und von 1977 bis heute wurde/wird „made In USA“ auf die Kopfplatten-Rückseite gestempelt oder eingraviert.

Zwischen 1975 und 1977 wurden Made-In-USA-Aufkleber verwendet. Ein Gibson-Logo zierte die auch die Pickup-Kappen der Humbucker-Metallgehäuse oder die P-90 Pickup-Schalen von 1970 bis 1972.

Kommen wir zu weiteren Konstruktions- und Designmerkmalen, die eine Altersbestimmung einer Gibson Gitarre erleichtern.

Gibson_Seriennummern_Datierung_08
Verstärkung der Sollbruchstelle°

Der sogenannte Kragen, eine verstärkte Stelle am rückwärtigen Übergang zwischen Hals und Kopfplatte wurde von 1970 bis 1981 angewendet (s. o.). Noch einige Anmerkungen zu den Potiknöpfen. Der Speed-Knob, ein an der Seite glatter, zylinderförmiger Knopf, wurde zwischen 1951 und 1955 verwendet. Die Zahlen befinden sich seitlich, er ist transparent bernsteinfarben, gelblich oder schwarz gefärbt und besteht vollständig aus Kunststoff.

Der glockenförmige Knopf (s. o.) ist an der Seite glatt und seine Beschriftung steht seitlich. Auch er ist transparent gefärbt und besteht vollständig aus Kunststoff. Gibson verwendete ihn von 1955 bis 1960.

LEsPaul_Das Burst Phänomen_014
Neu für die die 1960er Les Paul: Reflektor-Potiknöpfe°

Der etwas größere, glockenförmige Reflektor-Knopf (s. o.) ist an der Seite glatt, die Zahlen stehen seitlich, er transparent gefärbt und aus Kunststoff mit Metallplättchen gefertigt, die die Schriftzüge “Volume” und “Tone” tragen. Von 1960 bis 1967 wurde er benutzt.

Gibson_Seriennummern_Datierung_012

Der griffigste aller Gibson-Poti-Knöpfe, der Hexenhut-Knopf, wurde 1967 eingeführt und hielt sich bis 1975. Er hat eine konische Form mit geriffelten Seiten. Die Zahlen stehen gut lesbar an der unteren Flanke (dem „Hutrand“). Er besteht aus schwarzem Kunststoff und hat oben kleine Metalleinlagen mit den Schriftzügen Volume und Tone.

Potis

Die Gehäuse der in Amerika gefertigten Potentiometer sind mit einem Zahlencode versehen, welcher auf deren Herstellungsdatum schließen lässt. Dies kann eine weitere Hilfe zur Altersbestimmung sein.

Gibson_Seriennummern_Datierung_013
CTS-Poti von 1986°

Doch Vorsicht: Potis werden des Öfteren mal an Gitarren ausgetauscht, so dass diese letztlich nur einen wagen Hinweis auf das exakte Geburtsdatum einer Gitarre geben können. Die ersten drei Stellen der Poti-Seriennummer weisen auf den Hersteller hin:

134 CentraLab, eingesetzt von Gibson zwischen 1953-67
137 CTS, verwendet von Gibson zwischen 1968-94

Die vierte Ziffer der sechsstelligen Codes weist auf das Produktionsjahr hin, die letzten beiden geben die Produktionswoche an. Bei siebenstelligen Seriennummern bezeichnen die vierten und fünften Ziffern das Produktionsjahr. Seit 1995 verwendet Gibson „Custom-made“-Potis von CGE. Die zweite und die letzte Stelle des Codes verraten hier das Produktionsjahr. [1995]

Autoren: Paul Day und Heinz Rebellius

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Gibson Les Paul oder Fender Stratocaster?

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Die Gibson Les Paul und die Fender Stratocaster sind die erfolgreichsten E-Gitarren, die je gebaut wurden. Doch für welche Gitarre soll man sich entscheiden, wenn man vor der Wahl steht: Leg ich mir eine Les Paul oder eine Strat zu? Gute Frage! 

8 Les Paul Modelle
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Es gibt in dieser Welt Gegensätze, die scheinen unvereinbar. Entweder man entscheidet sich für das Eine oder aber das Andere. Das sind Ideologien, Religionen, Feindschaften oder, positiv gesehen, schlichte Vorlieben.

Entweder ist man für Beatles oder Rolling Stones, Köln oder Düsseldorf, 1860 oder Bayern, Sekt oder Selters, Rouge oder Noire. Dazwischen klafft ein Graben, Grenzübertretungen sind so gut wie unmöglich. Bei Gitarristen manifestiert sich die Weltanschauung nur zu oft in der Frage: Spiele ich Les Paul oder Stratocaster. Eigentlich keine schlechten Alternativen.

Beide Gitarren, Gibsons Les Paul und Fenders Stratocaster sind die erfolgreichsten E-Gitarren, die je gebaut wurden. Niemand kann genau sagen, von welchem Modell mehr gebaut worden sind. Das ist auch unerheblich, beide haben sie die Musik der letzten 60 Jahre geprägt, wie kein anderes Instrument. Die Geburtstage der beiden Klassiker liegen etwa zwei Jahre auseinander.

Die Entstehung der Gibson Les Paul & Fender Stratocaster

Die Les Paul kam 1952 auf den Markt, die Stratocaster 1954. Gibson hatte sich damals beeilen müssen, denn die Fender Broad/Telecaster von 1950 schien ein Erfolg zu werden. Anfangs hatten die Verkaufsstrategen bei Gibson nichts von einer E-Gitarre mit massivem Korpus wissen wollen. Als dann aber der Konkurrent aus dem fernen Kalifornien eine Marktlücke gefunden zu haben schien, entwickelten die Gitarrenbauer aus Michigan in aller Eile ihr eigenes Konzept. Immerhin konnten sie den prominentesten Taufpaten verpflichten, den es damals gab.

Der Gitarrist Les Paul war der größte amerikanische Popstar der späten 40er und frühen 50er Jahre. Seine Platten wurden dutzendweise zu Hits und sein Ruf als innovativer Gitarrist war einzigartig. Les Paul war an der Entwicklung beratend beteiligt gewesen, stellte seinen guten Namen zur Verfügung und bekam Tantiemen von jeder verkauften Gibson, die sein Signet trug. Da Gibson einen traditionsreichen Namen hatte und man dem Elektriker aus dem Westen nicht ganz so viel zutraute, wurde das „Les Paul Model“ etwas aufwändiger produziert als die einfache Planke namens Telecaster. Eine geschnitzte, gewölbte Decke und eine goldene Lackierung sollten den Musikern suggerieren, wer die richtigen Gitarren zu bauen imstande war.

Fender Stratocaster
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Leo Fender, jener Elektriker aus dem Westen, verfolgte das sehr genau. Ihm war klar, dass er reagieren musste. Sein Gegenentwurf zur Les Paul bekam den Namen „Stratocaster“: Es war eine äußerst elegante Gitarre, attraktiv in Sunburst lackiert, mit einem Korpus, der sich perfekt am Körper des Gitarristen anschmiegte, denn es gab, anders als bei Telecaster oder Les Paul, keine Ecken mehr, nur noch abgerundete Kanten. Und die Stratocaster hatte drei Tonabnehmer! Leo Fender hatte zum zweiten Mal demonstriert, dass er in der Lage war, ein perfektes Instrument zu entwickeln, wenn man ihm nur die nötige Ruhe und Zeit ließ.

Die kompletten 50er Jahre hindurch, bis ins Jahr 1959, hielt er es nicht für nötig, maßgebliche Details zu verändern. Dann erst führte er bei allen seinen Instrumenten Palisander-Griffbretter ein. Gibson verfolgte eine andere Strategie. Die Les Paul wurde beinahe jedes Jahr modifiziert. Steg, Saitenhalterung und Tonabnehmer wurden immer wieder geändert.

Gleichzeitig vergrößerte Gibson kontinuierlich die Les-Paul-Familie. Ab 1955 gab es vier Varianten: Junior, Special, Standard und Custom, im Laufe des Jahrzehnts in unterschiedlicher Farbe und wechselnder Ausstattung. Während Gibson es mit Vielfalt probierte, setzte Fender auf Kontinuität. Sehr viel genutzt hat beides nicht. Die Verkaufszahlen der Les Paul waren gegen Ende der 50er rückläufig. Man probierte es noch einmal mit einem radikalen Designwechsel.

Die Gitarren bekamen einen wesentlich dünneren, konturierten Korpus mit zwei Cutaways, aber auch das half nicht. 1962, als der Vertrag mit dem Namensgeber Les Paul hätte erneuert werden müssen, trennte man sich voneinander. Fortan hießen Gibsons E-Gitarren schlicht „SG“, was soviel bedeuten sollte wie „Solid Guitar“. Die Ära der Les Paul war erst einmal beendet, und es dauerte bis 1968, bis wieder Gitarren mit diesem Namen gebaut wurden.

Warum wurde dieses Konzept damals nur ein magerer Erfolg?

Kaum ein bekannter Musiker griff in den 50er Jahren zu dieser Gibson (außer natürlich Les Paul selbst, aber dessen Stern begann in den Zeiten von Rock ’n’ Roll zu sinken, und er bevorzugte zudem meist Les-Paul-Sonderanfertigungen mit flachen Decken, die es in der Form nicht serienmäßig gab).

Ein paar Blueskünstler wie Feddie King oder John Lee Hooker wurden mit einer Les Paul gesehen. Bill Haleys Gitarrist Franny Beecher spielte eine Les Paul Custom, aber eigentlich war die Zeit der „Brettgitarre“ noch nicht gekommen, fast alle – die großen Stars sowieso – spielten elektrische Gitarren mit F-Löchern. Mit der Stratocaster war es ähnlich. Außer Buddy Holly wurde kein Star mit Fenders Flaggschiff in Verbindung gebracht. Immerhin wurde die Stratocaster nicht aus dem Programm genommen. Leo Fender war allerdings überzeugt, dass neue Modelle nötig waren.

Die Jazzmaster und die Jaguar sollten die nötigen Umsätze bringen. Und so fand die Musik der 1960er Jahre weitgehend ohne Stratocaster- und komplett ohne Les-Paul-Modelle statt. Aber, was für Amerika gilt, kann im Rest der Welt ganz anders aussehen.


In England begann in den 1960er Jahren eine Entwicklung, die maßgeblichen Anteil an den Instrumentenvorlieben späterer Gitarristengenerationen haben sollte. Die populäre Musik des 20. Jahrhunderts bekam ihre wichtigen Impulse stets aus den USA. Vor dem Zweiten Weltkrieg war es der Jazz, danach, in den 1950er Jahren, vor allem der Rock ’n’ Roll, aus dem z. B. Elvis Presley hervorging. In den 1960er Jahren wurde alles anders, die Briten gaben in jener Dekade im wahrsten Wortsinn den Ton an.

Die großen Gitarristen der Rockmusik kommen meistens aus England, und wenn nicht, haben sie zumindest amerikanische Kollegen inspiriert und beeinflusst. Allerdings war die Situation für englische Gitarristen damals trostlos. Natürlich gab es amerikanische Vorbilder aus Blues, Rockabilly oder Country. Aber die kannte man nur aus dem Radio oder von Platten. Um etwas Eigenes zu kreieren brauchte man vor allem eins: Gitarren.

In Europa gab es Fabriken, die neben vielem anderen auch E-Gitarren in Mengen herstellten, die Qualität war hingegen eher mäßig. Englische Musiker träumten damals von deutschen Instrumenten, und Firmen wie Framus oder Höfner (auf dem englischen Markt als „Hofner“ vertrieben) lieferten auch über den Kanal, denn amerikanische Gitarren waren noch unerreichbar.

Jimi Hendrix live

Als Spätfolge des Krieges gab es in Großbritannien bis zum Ende der 50er Jahre ein Importverbot für amerikanische Waren. Die enormen Kriegsschulden verschlangen die Devisen für den Überseehandel, Konsumgüter für den privaten Gebrauch durften deshalb nicht eingeführt werden. Englische Gitarristen kannten zwar Gibson, Fender, Gretsch, Harmony und all die anderen, bekommen konnten sie diese Instrumente nicht. Es sei denn, man ließ sich etwas einfallen. Eine der ersten Megabands der 60er Jahre in Europa waren die Shadows – eigentlich ein Quartett, eine Gitarren-Band.

Allerdings arbeiteten sie dauerhaft mit einem Sänger, dem Teenager-Idol Cliff Richard. Er hatte mit und ohne Shadows Riesenerfolge und mehr Geld, als er ausgeben konnte. Seine Kumpels aus der Band überredeten ihn, aus den USA eine Gitarre zu beschaffen. Als Privatperson konnte er Waren einführen und deshalb auch eine so heißbegehrte Gitarre besorgen. Das große Vorbild der Shadows-Gitarristen war James Burton, der in der Band von Elvis Presley eine Fender Telecaster spielte. Sie besorgten also Cliff einen Fender-Katalog und der sollte sich um die Bestellung kümmern.

 

Cliff Richard war klar, James Burton ist ein Superstar, ein Mann aus der Band von Elvis, und der spielt natürlich das teuerste Modell, das Fender im Programm hat. Also bestellte er das teuerste, was Fender damals zu bieten hatte, mit allen Extras. Als die Gitarre geliefert wurde, machte Shadows-Chef Hank Marvin vorsichtig den Koffer auf – und was sah er: eine leuchtend rote Stratocaster mit vergoldeten Metallteilen – Fenders Spitzenmodell. Das war nicht das, was er wollte – James Burton spielte bekanntlich Telecaster – aber er hatte nun immerhin eine Fender, und zwar die erste Stratocaster, die nach England importiert wurde. Die Gitarre wurde sein Markenzeichen und auf Jahre hinaus wollte von da an so ziemlich jeder Gitarrist in Europa zu allererst eine rote Stratocaster.

Nachdem Anfang der 60er Jahre das Embargo auf amerikanische Waren aufgehoben worden war, stapelten sich bei Fender in Kalifornien die Bestellungen aus England. Da man irgendwann nicht mehr genug rote Exemplare liefern konnte, schickte Fender Gitarren nach Europa, die lediglich grundiert waren. Selmer, der britische Importeur, sorgte dann für die endgültige Lackierung – natürlich in Rot.

Eric Clapton 1968
1968 Eric Clapton mit seiner ES-335 zu Cream-Zeiten

Was Cliff Richard da in seiner jugendlichen Naivität angerichtet hatte, zog weite Kreise. Ein (heute nicht mehr bekannter) Gitarrist im irischen Cork hatte bei seinem Instrumentenhändler eine Stratocaster geordert, in Rot natürlich. Der Händler bekam die Gitarre geliefert, allerdings in der Standardfarbe Sunburst, mit roten Gitarren gab es wie erwähnt Lieferengpässe. Tja, und diese Gitarre hat der Kunde nicht genommen, die Farbe stimmte schließlich nicht. So stand das Instrument bald danach im Schaufenster des Instrumentenhändlers in Cork.

Ein junger Gitarrist sah die Stratocaster und kaufte sie, denn ihm waren Hank Marvin und die Shadows ziemlich egal, er spielte den Blues. Und diese Stratocaster spielte er dann während seiner ganzen, großen Karriere, gut und gerne 30 Jahre lang. Sie wurde mit der Zeit immer unansehnlicher, denn er spielte viel. Dieser junge Mann war Rory Gallagher. Viel hätte nicht gefehlt und ein anderer berühmter Gitarrist hätte ebenfalls zu Beginn seiner unvergleichlichen Karriere eine rote Stratocaster gekauft. Am 18. Oktober 1960 schrieb George Harrison aus Hamburg seinem alten Schulfreund Arthur Kelly einen Brief nach Liverpool.

„I am playing in Germany and have much Geld“ … „I might manage a red Stratocaster with gold plated parts, but the one I want is the Gretch“(!) (kein Tippfehler, er schrieb wirklich Gretch) George Harrison entschied sich dann für die gebrauchte schwarze Gretsch Duo Jet und bestritt damit die ersten Jahre bei den Beatles. Fender hätte wohl ein Zweigwerk in England eröffnen müssen, um die Nachfrage nach roten Stratocaster bedienen zu können, wäre die Wahl damals anders ausgefallen. Es sind oft Zufälle, die einem Gitarristen sein Trauminstrument bescheren, eine bewusste Wahl war das in der Regel nicht.

Warum aber so häufig dann eine Stratocaster oder aber eine Les Paul?

Erinnern wir uns, beide Modelle waren in den 1960er Jahren völlig aus der Mode gekommen. Dennoch waren E-Gitarren von Fender oder Gibson erste Wahl, denn damals gab es eigentlich keinen anderen Produzenten von Solidbody-Gitarren in vergleichbarer Qualität. Eine Gibson oder Fender sollte es also sein. Warum dann nicht eine günstige gebrauchte? In den folgenden Jahren bekamen logischerweise viele der Instrumente einen neuen Besitzer. Als Mark Knopfler mit den Dire Straits anfing, spielte er eine gebrauchte, alte, rote Stratocaster.

Am besten war die Versorgungslage natürlich in den USA. Dort waren Les Pauls und Stratocaster erschwinglich und im An- und Verkauf oder Musikladen leicht zu bekommen. Als die englische Band The Hollies im April 1965 zum ersten Mal auf Tournee durch die USA war, gingen die Musiker in jeder freien Minute in die Läden, um sich mit Instrumenten einzudecken. Wenn man schon mal im Schlaraffenland ist, nimmt man auch ein paar Süßigkeiten für zu Hause mit. Einmal entdeckte Gitarrist Tony Hicks bei einem Pfandleiher eine Gibson Les Paul Standard. Die geforderten $ 80 waren ihm allerdings zu viel.

Die Hollies wurden von einem Kamera-Team begleitet, das jeden Schritt der Band filmte. Der Regisseur meinte, es passe prima ins Bild, wenn Hicks die Gitarre kaufen würde. Die $ 80 hat daraufhin die Filmgesellschaft bezahlt. Und die hieß zufälligerweise CBS, die kurz vorher – für etwas mehr Geld – die Firma Fender aufgekauft hatte. Und je mehr britische Bands in die USA reisten, desto mehr Instrumente kamen nach Europa. Die Rolling Stones deckten sich ein, die Kinks taten ähnliches. Dann begann Eric Clapton Les Paul zu spielen und von da an war klar: Wer als Gitarrist etwas werden will, braucht entweder eine Fender oder eine Gibson – im Idealfall eine Stratocaster oder eine Les Paul. Manch ein junger Musiker hatte sogar das Glück, dass die Eltern das Talent des Juniors fördern wollten.

Der junge Paul Kossoff, der mit Free später ein Stück britische Rockgeschichte geschrieben hat, konnte schon in jungen Jahren eine Les Paul Standard und eine Les Paul Custom sein Eigen nennen. Sein Vater war ein berühmter englischer Schauspieler, der für den Sohn offenbar nur das Beste kaufte. Aus heutiger Sicht kann man zwei Fraktionen sehen: die Jungs mit der Les Paul und jene mit der Stratocaster. Zur ersten Gruppe zählen Jimmy Page, Peter Green, Robert Fripp, Keith Richards, Mick Taylor, Jeff Beck, Eric Clapton, Slash, Gary Moore, Paul Kossoff, Neil Young, Pete Townshend, Billy Gibbons, Duane Allman, Dickey Betts und viele mehr.

 

Selbstverständlich haben viele Musiker später das andere Instrument für sich entdeckt, deshalb werden Jeff Beck, Pete Townshend oder Eric Clapton genau so mit einer Stratocaster in Verbindung gebracht. Aber es gibt auch Zeitgenossen, die beinahe ausschließlich mit Fender assoziiert werden: Ritchie Blackmore, Ron Wood, Rory Gallagher, Hank Marvin (versteht sich), David Gilmour, Mark Knopfler, Bonnie Raitt, Robert Cray, Lowell George, Stevie Ray und sein Bruder Jimmy Vaughan und natürlich Jimi Hendrix. Allerdings, bei Letzterem war das auch wieder eher Zufall.

Als er 1966 zum ersten Mal nach England kam, weil sein (englischer) Manager ihn dort zum Star machen wollte, hatte er keine eigene Gitarre dabei. Ihm war das egal, Hendrix konnte auf allem spielen, was Saiten hatte, egal ob Links- oder Rechtshänderversion. Also besorgte ihm Manager Chas Chandler für das erste Konzert in London eine Gitarre. Er fragte Eric Clapton, und der lieh Hendrix eine Stratocaster. Und der Rest ist Geschichte … [1984]

Gibson Les Paul 1959 & Co

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Ehrlich gesagt konnte ich den euphorischen Berichten über die Erfolge der Historic Makeovers, der Bavarian Tunings, der Aging-Jobs – also all dem, was mit der Glorifizierung des Guten im Alten einer Gibson Les Paul zu tun hatte – nichts abgewinnen. Als ob man mit einer normalen Gibson Les Paul nicht auch gut klingende Musik machen kann …

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Doch da kaufen sich weltweit Menschen, von denen vermutlich die wenigsten einmal eine alte Les Paul in der Hand gehabt haben, eine neue Gibson R8, R9 oder R0 aus der Historic Collection und investieren mitunter den gleichen Betrag noch einmal, um bei einem Gitarrenbauer alle erdenklichen Features dem alten Original anpassen zu lassen. Und warum das Ganze? Nur um dem Traum von einer mittlerweile für einen Normalsterblichen nicht mehr zu bezahlenden richtigen Les Paul aus den goldenen Jahrgängen (1958 bis 1960) einen Schritt näherzukommen. Alles Quatsch, Hype, Selbstdarstellung, so dachte ich.

Was soll denn schon an den alten Les Pauls so besonders sein, außer, dass es sicherlich gut klingende Gitarren sind? Zaubern konnten die bei Gibson auch damals nicht. Doch dann hatte ich selbst die Gelegenheit, gleich drei dieser alten Originale näher kennenzulernen. Es war eine Begegnung der besonderen Art, die meine Meinung zu all dem beschriebenen Tun von Grund auf ändern sollte … Detlef Alder vom Guitar Point in Maintal hatte mich eingeladen, seine drei Bursts, wie diese legendären Les Pauls genannt werden, anzuschauen und anzuspielen. Abgesehen von der Tatsache, dass die Gelegenheit, gleich drei dieser Gitarren nebeneinander spielen zu können, wahrscheinlich so schnell nicht wiederkommen wird, hat mich die Tatsache gereizt, die drei Burst-Jahrgänge direkt miteinander vergleichen zu können.

Und so sah ich mich schon bald vor der wie ein altes Schaufenster aufgemachten Vitrine im Guitar Point stehen und auf je eine 58er, 59er und 60er Gibson Les Paul in Cherry Sunburst schauen. Und ertappte mich bei dem Gefühl, dass die drei mich anschauten. Doch was ist eigentlich das Besondere an den Les-Paul-Gitarren dieser Jahrgänge, und was rechtfertigt die exorbitanten Preise, die mittlerweile dafür gezahlt werden? Ist das alles Hype, oder steckt da wirklich ein Mythos dahinter? Und wenn ja, ist der nachvollziehbar oder von Geschäftemachern gar gelenkt? Um diesem Phänomen auf die Spur zu kommen, müssen wir in die Historie dieser Gitarre eintauchen.

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Detlef Alder, in feines Tweed gehüllt, mit seinen Bursts°

The Fifties

Gibson hatte seit 1952 die Les Paul Goldtop und ab 1954 die schwarze Les Paul Custom gegen die Tele- und Stratocaster des irgendwie lästigen Konkurrenten Fender ins Rennen geschickt. Seit 1957 hatte man zudem die neuen Humbucker, die Seth Lover für Gibson entwickelt hatte, auch den Les Pauls verordnet; die Goldtop bekam statt der beiden P-90s zwei, die Custom gleich drei der nun endlich nicht mehr brummenden Aggregate. Die Verkaufszahlen für Les Pauls hatten 1956 ihren Höhepunkt erreicht, mit 3129 verkauften Einheiten war allerdings das „Student“- Modell Les Paul Junior der Renner gewesen und nicht etwa die Top-of-the-line-Gitarren Goldtop und Custom.

Mitte 1957 bestand die Les-Paul-Flotte aus Les Paul Junior ($ 120), Les Paul Junior 3/4 ($ 120), Les Paul TV ($ 132), Les Paul Special ($ 179,50), Les Paul Model (Goldtop, zwei PAF-Humbucker, $ 247,50) und der Les Paul Custom (schwarz, drei PAFs, $ 375). Als 1958 die Verkäufe von Goldtop und Custom drastisch zurückgingen, entschieden die Verantwortlichen, das gesamte Les-PaulProgramm einem deutlichen Wandel zu unterziehen. So bekamen die Les Paul Junior sowie die Les Paul TV eine neue Korpusform mit zwei Cutaways.

Doch viel bedeutender waren die Änderungen, mit denen sich die Les Paul Goldtop (sie hieß offiziell Les Paul Model) konfrontiert sah: Sie wurde ab sofort in einem auffälligen Cherry Sunburst lackiert und das, wie Gibson in seiner Werbung verkündete, sogar ohne Aufpreis! Alle anderen Features, wie die beiden PAF-Pickups oder die Tune-o-matic-/Stop-Tailpiece-Konstruktion, blieben der neuen Les Paul erhalten, die übrigens erst ab Mitte 1960 den Zusatz Standard erhielt. Doch egal ob Les Paul Model oder Les Paul Standard – in die Gitarrengeschichte wird dieses Modell Jahre später als „Burst“ eingehen, die legere Abkürzung von Sunburst.

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Ca. 15% aller alten Cherry-Sunburst-Les-Pauls wurden mit Bigsby ausgeliefert.°

Der Wechsel von der goldenen zur SunburstLackierung war eine reine Marketing-Entscheidung, geschuldet dem Rückgang der Goldtop-Verkäufe. Man dachte, der Gold-Look wäre schuld daran, und so änderte man die Farbe der Lackierung. Aber auch, weil sich Kunden, die solche Instrumente seit nun fast 6 Jahren besaßen, beschwerten, weil das Gold abblätterte und sich Grünspan (sog. Greening) bildete. Zudem hatte man sicherlich mitbekommen, dass Fenders neues Modell, die Jazzmaster, 1958 mit einer Dreiton-Sunburst-Lackierung auf den Markt gekommen war.

Wie auch immer – auf der Summer-NAMM-Show 1958 zeigte Gibson seine ersten Bursts; doch da ahnte noch niemand, dass die neue Herrlichkeit bereits nach drei Jahren Geschichte sein würde. Dabei waren die Verkäufe, die von ihrem 1953er Peak mit 2245 verkauften Goldtops auf einige wenige hundert in 1958 abgestürzt waren (laut Gibson Shipping-Buch wurden exakt 434 Les Pauls verkauft, ab August die Cherry-Sunburst-Versionen), nach der kosmetischen Änderung tatsächlich erst einmal angestiegen. So verkaufte man z. B. 1959 immerhin 643 Stück, und 1960 derer 635 – zu wenig zum leben, zu viel zum Sterben.

Doch Ende 1960 erklärte Gibson das Cherry-Sunburst-Experiment dann doch für gescheitert und entschied, die komplette Gitarre einer Revision zu unterziehen. Das Ergebnis in Gestalt der SG/Les Paul, der späteren SG, ist bekannt, die Les Paul in ihrer ursprünglichen Form hatte schlichtweg aufgehört zu existierten. Gerade mal ca. 1500 Bursts sind zwischen 1958 und 1960 gebaut worden – und diese Gitarren lassen heute Musiker und Sammler in aller Welt nicht mehr in Ruhe schlafen.

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Dieses Cover inspirierte Eric Clapton zum Kauf seiner ersten Les Paul – wobei es keine Goldtop wurde.

England

Der Dornröschenschlaf der Les Paul war jedoch nicht von allzu langer Dauer; interessant nur, dass die Prinzen, die die Les Paul stürmisch wachküssten, in der alten Welt auf einer fernen Insel im Atlantik namens England lebten. Sie hatten lange Jahre des Darbens hinter sich, denn die britische Regierung hatte 1951 ein Importverbot von Musikinstrumenten, Schallplatten und einigen Luxusgütern aus der „Dollar-Zone“ verordnet, was zur Folge hatte, dass Markennamen wie Hofner, Egmond oder Framus in England bekannter als Gibson oder Fender waren.

Erst Anfang der 60er-Jahre tauchten die ersten amerikanischen Instrumente in den Läden auf – zu Preisen, die die der europäischen Instrumente um das Vielfache übertrafen. Doch die Gitarristen der englischen Metropole wollten die Instrumente spielen, mit denen in den 50er-Jahren Musikgeschichte geschrieben wurde, koste es, was es wolle. Der Blues, der Rock ’n’ Roll und auch die moderne Country-Musik wurde mit amerikanischen Gitarren gespielt, und die hatten die Standards gesetzt. Das war ein Image-Pfund, dem keine der europäischen Marken etwas Gleichwertiges entgegensetzen konnte.

Albert Lee und Jimmy Page waren die ersten bekannteren Gitarristen, die ihre Jobs mit Les Pauls verrichteten; beide hatten sich die Les Paul Custom besorgt, die mit ihren drei Pickups die nötige Vielseitigkeit für ihre Studiojobs bot. Die Auswahl an Les Pauls war in England sehr gering, denn durch die Tatsache, dass Gibson die Gitarre nicht mehr baute, war diese nur auf dem Second-HandMarkt erhältlich. Und ehe eine SecondHand-Les-Paul von den USA nach England kam, mussten schon einige Zufälle mitspielen.

Der erste wirklich bekannte Gitarrist auf der Les-Paul-Landkarte war jedoch Keith Richards! Seine Band The Rolling Stones war seit 1964 groß im Geschäft, sodass es ihm ein Leichtes war, seine Harmony Meteor und die Epiphone Casino auf der ersten US-Tour der Rolling Stones durch eine Gibson Les Paul in Cherry-Sunburst (mit Bigsby) zu ersetzen. Als Richards im gleichen Jahr in der populären Ed-Sullivan-Show eben die Les Paul spielte, schlug dies wie eine Bombe im amerikanischen Gitarristenlager ein, das sich natürlich geschlossen vor den Fernsehern versammelt hatte, um die neue, englische Supergroup zu erleben. Was war das denn für eine Gitarre? Sie war in keinem aktuellen Katalog, in keinem Shop in den USA zu sehen?

Was ein knappes Jahr später in England passierte, gilt für viele als der eigentliche Wendepunkt der Les-Paul-Geschichte. Eric Clapton war seit April 1965 Mitglied von John Mayall’s Blues Breakers. Die ersten Mayall-Gigs spielte er noch mit der Telecaster aus seinen Yardbirds-Zeiten, doch er hatte einen anderen Sound im Kopf. Vielleicht hatte Keith Richards ihm da schon seine neue Gitarre gezeigt? Es kursiert aber auch diese Geschichte: Freddie Kings Platten-cover zu ‚Let’s Hide Away and Dance Away‘ zeigte den Gitarristen mit einer Les Paul Goldtop, der Gitarre, die in amerikanischen Blues-Kreisen gerne gespielt wurde – und vermutlich hatte Clapton dieses Bild im Kopf, als er im Londoner West End shoppen ging und für 130 britische Pfund zwar keine Goldtop, aber immerhin eine Les Paul in Cherry Sunburst, Jahrgang 1960, erstand.

Und nun zusammen mit seinem neuen Verstärker, einem Marshall-JTM-45-Combo, bereit war, Geschichte zu schreiben. Wenig später wurde er sogar Gott gleichgestellt. Was war denn hier passiert? Nicht mehr und nicht weniger, als dass Clapton den Sound und die Rolle der E-Gitarre neu definierte – eine ähnliche Pioniertat wie sie etwa 30 Jahre vorher Charlie Christian gelang. Das Ergebnis der Kombination Clapton + Marshall + Les Paul + Blues war so signifikant, dass es bis heute die Messlatte darstellt, was die Essenz des Les-Paul-Sounds an sich angeht! Dieser neue Sound war dank der Les Paul und dem voll aufgedrehten Marshall-Combo so fett und Sustain-reich, das kannte man bis dato noch nicht. Dazu kam die musikalische Freiheit, die John Mayall seinem talentierten Gitarristen ließ, um seine langen Improvisationen zu spielen, was bisher nur im Jazz üblich war.

Claptons erste Les Paul ist die am meisten verehrte und verherrlichte überhaupt. Und dies nicht nur, weil Clapton mit ihr sein vielleicht wichtigstes Album aufnahm, sondern auch, weil er sie nicht allzu lange besaß. Denn sie wurde ihm 1966 gestohlen, als er mit seiner neuen Band Cream für die ersten Auftritte probte. Clapton, der nur diese eine Gitarre besaß, spielte auf den ersten Gigs mit Cream eine Les Paul mit Bigsby, vermutlich eine Leihgabe von Keith Richards. Kuriose Fußnote: Diese Bigsby-Burst verkaufte Richards 1967 an den damaligen Gitarristen der John-Mayall-Band, Mick Taylor, der die Les Paul wiederum zu den Stones mitbrachte, als er dort 1969 Brian Jones ersetzte.

Clapton wiederum konnte im September 1966 Andy Summers, den späteren Police-Gitarristen, überreden, ihm seine Les Paul Sunburst zu verkaufen. ‚Fresh Cream‘ wurde mit dieser Les Paul aufgenommen, und dieses Album samt der ausgekoppelten Single ‚I Feel Free‘ sind weitere Meilensteine, die den Mythos Les Paul Sunburst mit begründeten.

In den USA tauschte Mike Bloomfield, der Gitarrist der Paul Butterfield Blues Band und seiner eigenen Band Electric Flag, mit dem Gitarrenbauer Dan Erlewine seine Les Paul Goldtop mit P-90s gegen eine Burst plus 100 US-Dollar. Eine Session mit Clapton zwischen zwei Cream-Auftritten in USA hatte hier den Ausschlag gegeben. Bloomfield etablierte nicht nur den Les-Paul-&-Fender-Twin-Sound, sondern war der Auslöser, dass nun auch die Amerikaner in eine Les-PaulHysterie verfielen, die letzten Endes auch Gibson erreichte. Hier bemühte man sich ab 1968, die lauten Forderungen nach neuen Les Pauls zu erfüllen, packte die Sache jedoch total falsch an. Doch das ist eine andere Geschichte. Bloomfields Les Paul erlitt übrigens das gleiche Schicksal wie die Beano-Burst und auch Claptons zweite, die Summers-Burst – sie alle wurden gestohlen und sind nie wieder aufgetaucht.

Im Gefolge von – oder aufgrund ihrer Bewunderung für – Clapton haben viele Gitarristen die Les Paul endgültig für immer in der Geschichte festschrieben: Jeff Beck, Billy Gibbons, Jimmy Page, Peter Green, Paul Kossoff, Duane Allman, Joe Perry, Gary Moore, Don Felder, Joe Walsh, und auch Slash, der mit dem Erfolg von Guns N’ Roses der Les Paul an sich in den Achtzigern noch einmal einen gewaltigen Afterburner verpasste, obwohl er anfangs „nur“ die Kopie einer Burst spielte. Paul McCartney hat eins der wenigen – man sagt, es gäbe überhaupt nur eine Hand voll – Linkshänder-Exemplare, die er heute immer noch spielt. Die Gitarre hatte seine Frau Linda ihm bei Gruhn gekauft. Heute ragt Joe Bonamassa aus der Masse der BluesRock-Gitarristen heraus – und auch er hat längst sein Herz an die Burst verloren. Gerüchten zufolge besitzt er bereits vier dieser Gitarren, und die Tendenz geht wohl zur fünften.

Das „Beano“-Album war nicht nur ein musikalischer Meilenstein, sondern legte gleichzeitig den Grundstein für das nun in England ausbrechende LesPaul-Sunburst-Fieber

Aber warum?

Doch warum aber soll z. B. eine 1958er Les Paul Sunburst besser klingen als eine 1957er Les Paul Goldtop, die bis auf die Farbe des Lacks exakt die gleichen Features wie die Burst aufweist? Und warum sollen die Gitarrenbauer von heute, allen voran Gibson selbst, nicht mehr in der Lage sein, eine so gut klingende Les Paul zu bauen? Fragen, die polarisieren, Fragen, auf die es bisher kaum konkrete Antworten gab. Neulich habe ich gelesen, dass jemand die Gitarrengeschichte mit einem großen X verglichen hat – ganz oben an der Schere befände sich der Gitarrenbau von heute, ganz unten lägen seine Anfänge. Und in der Mitte, also an der Stelle, an der sich die beiden Linien kreuzten, stünde die 1959 Les Paul, die Stradivari aller E-Gitarren, die Kulmination all dessen, was eine E-Gitarre ausmacht, der Holy Grail. War es vielleicht doch so, dass 1958 bis 1960 einige Faktoren zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammengekommen sind?

Konstruktion

Das System Les Paul setzt sich wie fast alle anderen E-Gitarren auch aus drei Komponenten-Gruppen zusammen: Holz, Hardware und Elektronik. Der Korpus einer Burst wurde aus relativ leichtem, einteiligem Mahagoni gefertigt, auf dem zwei mittig zusammengefügte Ahorn-Teile eine gewölbte Decke formen. (Bei den deckend lackierten Goldtops und Customs bestanden die Decken übrigens auch mal aus drei Stücken oder sie waren nicht zwangsläufig mittig verleimt) Auch der Hals hat Mahagoni als Basis-Material, auf ihn ist ein Griffbrett aus brasilianischem Palisander geleimt. Das Mahagoni (Swietenia Humilis) stammte damals aus British Honduras, dem heutigen Belize, einem kleinen, mittelamerikanischen Staat, wo es in einem relativ trockenen Boden aufwuchs und ständig dem Wind ausgesetzt war.

Aus Michigan, einem US-Staat an der kanadischen Grenze, kam in der Regel das Ahorn, das für die Decke verwendet wurde – auf trockenem Boden in einem relativ kalten und trockenen Klima aufgewachsen. Die Verbindung zum Korpus erfolgt über das Einleimen eines längeren Zapfens, der weit bis etwa in die Mitte der Ausfräsung des Hals-Pickups reicht. Der Leim, den Gibson damals benutze, war Haut- oder Knochenleim, also organischen Ursprungs; er soll im Gegensatz zu modernen, synthetischen Leimen tiefer ins Holz einsinken und glashart aushärten. Ein relativ kleiner Prozentsatz (ca. 30%) der ca. 1500 Les Paul Sunbursts weist eine auffällige Flammung der Decke auf.

Man darf davon ausgehen, dass Gibson einfach das Ahorn verwendete, was gerade lieferbar und günstig war; und geflammtes Ahorn war günstiger, weil der Möbelbau es aufgrund seiner größeren Instabilität nicht gebrauchen konnte. Doch die Gitarristen entdeckten irgendwann die besondere optische Wirkung, insbesondere, wenn das Ahorn mit stehenden Jahresringen aufgesägt wurde; hier erzeugte die quer oder schräg zur Maserung verlaufende Flammung dramatische optische Effekte, mit einer Dreidimensionalität, die sich, je nach Blick- und Lichteinfallwinkel, wie ein Hologramm ändert.

Heute bestimmt die Flammung der Decke entscheidend den Preis der Gitarre mit; da wird für eine „Figured Top“ mitunter über $ 100.000 mehr gezahlt, als für eine ansonsten gleiche „plain top“! Zu der reizvollen Optik der Ahorndecke trug die Cherry-Sunburst-Lackierung, die Gibson in dieser Art erstmals für die Les Pauls anwendete, entscheidend bei. Die spezielle Art der Lackierung (ohne Porenfüller, ohne Beize, mit gelb eingefärbtem, transparentem und lichtdurchlässigem roten Nitro-Lack) „feuerte“ die Flammung noch zusätzlich an.

Der rote Lack hatte allerdings einen Fehler: Er war nicht farbecht und blich mit der Zeit bei Tageslicht und Sonne aus – so sehr, dass Gibson kurz nach Vorstellung der ersten Sunburst Les Pauls eine Mitteilung an seine Händler verschickte, die neue Gitarre doch bitte nicht in Schaufenstern auszustellen. Dennoch sind ein Großteil der Bursts heute ausgeblichen, was wiederum dazu führt, dass eben keine der ca. 1500 Exemplare so aussieht wie die andere. Erst Mitte 1960 verwendete Gibson einen stabileren roten Lack, der nicht so leicht ausblich und oft einen Hauch von Orange in sich trug, was diesen Gitarren den Namen Tangerine Burst einbrachte. Die einzelnen

Ausbleichphasen des roten Lacks haben von Sammlern treffende Namen bekommen:

  • Cherry Sunburst – kräftiges, noch nicht verblichenes Rot.
  • Faded Cherry Sunburst – deutliche Ausbleichung des Rot.
  • Teaburst – kaum noch sichtbares Rot, das bereits ins Bräunliche tendiert.
  • Greenburst – eher seltene Färbung, die dann eintreten kann, wenn das Rot sehr schnell und deutlich ausgeblichen ist.
  • Honeyburst – nur noch geringe Rot-Anteile sind sichtbar.
  • Lemon Drop – kein Rot mehr sichtbar.
  • Darkburst – wenn statt des Cherry sehr dunkles Rot verwendet wurde, um optische Fehler des Ahorns zu kaschieren.
  • Tobacco Burst – ausgeblichenes Darkburst.

Zentraler Teil der Hardware war der ABR-1 Tune-o-matic-Steg, von Gibson im Jahr 1954 erstmalig vorgestellt. Dieser Steg bestand aus vernickeltem Zinkguss mit sechs Messing-Saitenreitern, die Saiten wurden in einem vernickelten Stop-Tailpiece aus leichtem Aluminium verankert.

Und dann sind da ja noch die Pickups – ein weiteres, heiß diskutiertes Thema der Vergangenheit und Gegenwart. Die sogenannten PAF-Tonabnehmer (= patent applied for, zum Patent angemeldet) bestanden aus zwei Spulen, die unterschiedlich gewickelt und gepolt waren und so für Brummfreiheit sorgten. Die Spulen selbst waren aus Enamel-Draht in 42er Stärke gewickelt, unter ihnen lagen Alnico-II- oder V-Magnete, je nachdem, was der Lieferant zur Verfügung hatte. Ein Stück Holz diente als Abstandhalter, und dann es gibt noch eine Grundplatte und eine Kappe aus Nickel-Silber, eine Legierung aus Kupfer und Nickel, die laut Seth Lover die Höhen nicht bedämpfte.

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Mit der ersten LP von Cream, ‚Fresh Cream’ und dem Single-Hit ‚I Feel Free’ etablierte Eric Clapton endgültig den neuen Les-Paul-Sound

1959 wurden neben schwarzen, die eine zeitlang nicht lieferbar waren, auch cremefarbene Spulenkörper verwendet, manchmal in Kombination (Zebra), manchmal waren beide creme-farben (sehr gesucht) oder eben auch weiterhin schwarz. Die Spulen wurden mit einfachen Maschinen gewickelt, der Draht von Hand geführt, jeweils ca. 5000 Umdrehungen kamen auf eine Spule. Untersuchungen haben bewiesen, dass kaum ein PAF exakt dem anderen gleicht.

Es ist erwiesen und es ist beruhigend, dass nicht jede der der ca. 1500 Bursts mit diesem himmlischen Sound gesegnet ist, von dem Musiker und Sammler gerne sprechen. Man spricht von der Faustregel, dass nur eine von 15 alten Les Pauls eben diesen Sound hat, der mir auch bei meiner Begegnung mit den drei Gitarren im Guitar Point begegnen sollte.

Heute

Um es kurz zu machen: Nicht alles, was an einer alten Les Paul dran ist, ist heute state of the art. Die ABR-1-Brücke aus Zinkguss ist so ein Beispiel, der Nylon-Sattel ein zweites. Heute ist ein Knochen- oder synthetischer Sattel das Maß aller Dinge, und auch in Sachen Brücke gibt es Hersteller, die stabilere, technisch ausgereiftere und schönere Aggregate anbieten. Dennoch ist der Sound einer alten Les Paul wie immer die Summe aller Einzelkomponenten, und da gehören eben auch diese aus heutiger Sicht vielleicht unvollkommenen Teile unweigerlich dazu. Die Serienfertigung wird zudem immer mehr mit dem Holzmangel konfrontiert.

Swietenia macrophylla, dieses Mahagoni aus Belize, ist teuer geworden, ebenso das südamerikanische Swietenia macrophylla, denn es gehört mittlerweile zu den geschützten Holzarten und darf nur noch mit Cites-Papieren, die seine Herkunft nachweisen, gehandelt werden. Ersatzhölzer sind oftmals Cedro oder andere, schwerere Mahagoni-Arten. Auch die heute gerne verwendeten Nitro-Lacke, in denen Plastizide und Acryl-Beimischungen für Stabiltät sorgen sollen, haben mit den alten Lacken nicht mehr viel gemeinsam.

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Les Pauls aus ihren drei Jahrgängen, von links: 1958, 1959 und 1960°

Die Pickups sind vielleicht noch am ehesten zu reproduzieren, wenn man auf die richtige Wickelmethode, die Art der Verkabelung, die Kondensatoren (Bumble Bees) etc. achtet und wenn man ein gewiefter GitarrenElektroniker ist. Und die soll es ja geben. Ein guter Gitarrenbauer ist jedoch in der Lage, die Einzelkomponenten des Systems Les Paul so zu kombinieren, dass dabei eine Gitarre herauskommt, die an die klanglichen Qualitäten einer guten, alten Les Paul heranreicht. Das beweist z. B. der Gibson Custom Shop mit seinen neuen Collectors-ChoiceModellen. Wobei aufgrund der Tatsache, dass einige der alten Materialien nicht mehr verfügbar sind (z. B. Rio-Palisander für das Griffbrett), die Gitarrenbauer geschickt abwägen müssen, welche Parts sie zu einem System zusammenfügen müssen.

Klingt z. B. ein Knochensattel in Kombination mit einem Griffbrett aus indischem Palisander ähnlich wie der Nylonsattel und das Griffbrett aus dem heute nicht mehr verfügbaren Rio-Palisander? Oder belässt man es (wie der Gibson Custom Shop) beim Nylonsattel und holt die Klarheit und Dynamik, die das brasilianische dem indischen Palisander voraus hat, vielleicht irgendwo anders auf? Für eine moderne, serielle Fertigung in großem Stil sind diese Ansprüche jedoch zu ambitioniert, schon allein aus wirtschaftlichen Gründen; das beweisen nicht zuletzt die Unterschiede in der Klangqualität des normalen Gibson-Custom-Shop-Programms.

Aus diesem Grunde ist es also durchaus nachvollziehbar, dass jemand, den das Thema Les Paul Cherry Sunburst gepackt hat, sich seine neue Gibson Les Paul eben auf alt tunen lässt. Immerhin hat er dann immer noch eine echte Gibson, auch wenn der beauftragte Gitarrenbauer massive Eingriffe in das Serienprodukt vornimmt. Von dem bleibt oft nur noch das reine Holz übrig und wird mit neuem Lack, alter Hardware und Elektronik inklusive originaler PAF-Pickups bestückt. Kollege Udo Pipper hat in mehreren Workshop-Artikeln bewiesen, dass man sich so schrittweise dem Klang einer echten Burst durchaus erfolgreich annähern kann.

 

Doch selbst der beste Gitarrenbauer ist nicht in der Lage, seinem Produkt den Mythos einzupflanzen, den eine echte, alte Les Paul mitbringt. Mythos ist wie Kunst – man kann ihn nicht erschöpfend erklären, man kann ihn nicht begreifen, man kann ihn nur erspüren. Für viele ist Mythos nicht wichtig, für Sammler und Liebhaber jedoch umso mehr. Und genau diesen Mythos haben die alten Les Pauls für immer allen zeitgenössischen Derivaten voraus.

Der Mythos der Les Paul Cherry Sunburst setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen:

  • Die wechselhafte Geschichte, daraus resultierend ihre geringe Verfügbarkeit
  • Die musikalischen Meilensteine, die mit ihr eingespielt wurden
  • Die Optik und die daraus resultierende Individualität (keine Burst ist wie die andere)
  • Der Sound

All diese Faktoren treffen in ihrer Gesamtheit auf keine andere Gitarre zu. Vielleicht sind eine 58er Gibson Explorer oder Flying V noch teurer, weil noch seltener, sicher gibt es 57er Les Paul Goldtops, die genauso gut klingen wie eine 58er Burst, aber selbst diese ohne Zweifel außerordentlichen Instrumente reichen nur in diesen Teilbereichen an den Mythos der alten Les Pauls heran. Als Besitzer einer Les Paul Cherry Sunburst ist man direkt verbunden mit der Musikgeschichte, hat die gleiche Gitarre wie ein gutes Dutzend der bekanntesten Rock-Stars. Außerdem gehört man zu einem geschlossenen Zirkel, dessen Eintrittskarte so viel kostet wie ein Ein- bis Zweifamilienhaus.

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Nachdem 1964 Keith Richards die Les-Paul-Saat in die USA gebracht hatte, brachte wenige Jahre später Mike Bloomfield diese Saat zum Blühen – und Gibson begann wieder, Les Pauls zu bauen.

Solch ein hoher Preis alleine bewirkt schon Mythos. Typische Burst-Sammler können nicht zur Ruhe kommen. Sie werden verfolgt von dem Gedanken, dass es irgendwo da draußen eine Burst geben könnte, die noch besser klingt, deren Flammung noch dreidimensionaler erscheint, die noch besser in der Hand liegt, die einfach noch perfekter ist als die, die man schon hat. Es liegt in der Natur des Sammlers, mit dem Erwerb eines Stückes sein Augenmerk sofort auf mögliche neue Beute auszurichten. Und die Tatsache, dass sich die Eigenschaften der Cherry-Sunburst-Les-Pauls so vielschichtig darstellen, macht sie noch begehrenswerter. So begehrenswert, dass es weitaus mehr von ihnen geben soll, als Gibson damals gebaut hat.

Namen

Mindestens die Hälfte der alten Les Pauls haben inzwischen Namen bekommen, was die enge Beziehung der Besitzer zu ihnen dokumentiert. Die bekannteste ist sicherlich Billy Gibbons’ Pearly Gates, die vielleicht schönste hört auf den Namen Sandy und gehört dem bekannten Les-Paul-Sammler Tom Wittrock, der u. a. auch Gloria, Donna, Curly, Burly und The Other Woman besitzt, während seine Ex namens Goldie neulich an Joe Bonamassa ging. Eine wahre Schönheit soll auch Gladys sein, die dem amerikanischen Burst-Spezi Joe Ganzler gehört, eine der berühmtesten ist die Brockburst des amerikanischen Sammlers Vic Da Pra. Der japanische Sammler und Musiker Kunio Kushida hat unter anderem Bursts mit den wohlklingenden Namen Amanda, Nancy und Jessica, während Jimmy Page seine Bursts schlicht nummeriert hat: No. 1 und No. 2. In einem US-Laden wird zurzeit eine wunderschöne 59er mit dem Namen Rosalie angeboten, während eine Burst, die lange in Deutschland unterwegs war, mittlerweile in Amerika auf den Namen Bearded Lady hört – wegen des Bigsby-Schattens auf der Decke.

 

 

Preise

Ach ja, von Preisen haben wir ja noch gar nicht geredet. Burst-Preise erfährt man in der Regel auch nicht, zumindest nicht als Außenstehender. Es gibt einen kleinen Kreis von Leuten, man spricht von einem guten Dutzend weltweit, die als erste informiert werden, wenn eine Burst angeboten wird. Eher selten taucht mal eine auf der Internetseite eines Ladens oder bei großen Auktionshäusern wie Sotheby’s oder Christie’s auf. Die Faktoren, die den Preis einer Burst bestimmen, sind der (Original-)Zustand, die Intensität des roten Farbanteils, die Intensität der Flammung und der VIP-Faktor, z. B. wenn die Gitarre einem bekannten Musiker gehört hat. Im Vintage Price Guide sind folgende Preise gelistet, die durchaus realistisch sein sollen:

1958 Les Paul Cherry Sunburst

  • mit geflammter Decke: $ 260.000 bis $ 325.000
  • mit wenig geflammter Decke: $ 180.000 bis $ 230.000
  • ohne Flammung: $ 140.000 bis $ 170.000

1959 Les Paul Cherry Sunburst

  • mit geflammter Decke: $ 270.000 bis $ 340.000
  • mit wenig geflammter Decke: $ 200.000 bis $ 250.000
  • ohne Flammung: $ 150.000 bis $ 180.000

1960 Les Paul Cherry Sunburst

  • mit geflammter Decke: $ 210.000 bis $ 260.000
  • mit wenig geflammter Decke: $ 160.000 bis $ 200.000
  • ohne Flammung: $ 125.000 bis $ 160.000

 

Diese Preise gelten für komplett originale Gitarren inkl. Original-Koffer, die Preisspanne markiert auf der einen Seite einen nahezu Neu-, auf der anderen einen guten Gebrauchtzustand. Ist die rote Farbe teilweise oder ganz verblichen, muss mit etwa 10% Abzug gerechnet werden. 10 bis 15% weniger sind Gitarren wert, die ein Bigsby montiert haben. Immerhin 15% aller damals gebauten Les Paul Sunburst hatten ab Werk ein Bigsby

 

Realität

Zurück zur Realität – und hin zu den drei Bursts, die in Detlef Alders Guitar Point stehen. Zumindest zwei dieser drei Gitarren haben viel zu erzählen, Geschichten, die zum Teil so wundersam anmuten wie die Flammung ihrer Ahorndecken.

 

Ser.-Nr.: 8 6787

Die 1958er Les Paul hat die Wandlung einer Cherry Sunburst zu einer eleganten Teaburst hinter sich. Das Rot ist nicht mehr zu sehen, ein dunkler Rand umrahmt dezent den im typischen Amber gealterten Klarlack. Bis auf zwei Neubundierungen ist die Gitarre im Originalzustand. Bevor die Gitarre nach Deutschland gekommen ist, gehörte sie dem in diesem Jahr verstorbenen amerikanischen Gitarristen Ronnie Montrose, der für Van Morrison, Boz Scaggs und Herbie Hancock in die Saiten griff, bevor er in die Edgar Winter Group einstieg und danach seine eigenen Bands Montrose (mit einem gewissen Sammy Hagar als Sänger) und Gamma gründete.

1979 fand die Les Paul den Weg nach Deutschland und wurde in den Händen eines bekannten Studiogitarristen zur am meisten aufgenommenen Gitarre hierzulande. Der Klang dieser alten Dame, deren Hals recht satt in der Hand liegt, ist sehr, sehr beeindruckend. Ein unglaublich frischer und klarer Ton, der den Atem des alten Holzes förmlich transportiert, und die ehrliche Trockenheit des Klangs löst Bewunderung und nahezu Ehrfurcht aus. Bin ich das, der hier spielt, oder spielt diese Gitarre mich? Ihr Klang hat alles, und noch mehr: eine wunderbar auflösende Transparenz in allen Frequenzbereichen und in allen Lagen, und eine ausgesprochen feinfühlige Dynamik.

Auch in den hohen Lagen ist das Sustain ungebrochen stark und souverän, und verzerrt der Verstärker, entwickelt die 58er deutlich nachvollziehbar einen ausdrucksstarken, sehr vokal ausgeprägten Grund-Sound, der sich mit allem, was der Gitarrist zur Verfü- gung hat, formen lässt. Interaktion Deluxe. Beide Pickups liefern qualitativ gleichwertige Sounds, deren Bandbreite unwahrscheinlich groß ist, und das alles lässt sich sehr effektiv mit den vier Reglern in weitere Sound-Welten aufsplitten. Diese 1958 Les Paul ist eine Klasse für sich, und diese Klasse ist überhaupt nicht an Genres und Spielstilistiken gebunden. Mannomann.

 

Ser.-Nr.: 9 0890

Mit einem Bigsby bewehrt und in einem Faded Cherry Sunburst wie aus dem Bilderbuch kommt das 59er Les Paul Model (noch hieß sie nicht Standard). Die unterschiedlichen Positionen, in denen wir die Gitarre fotografierten, ließen jedes Mal eine andere Art der Flammung erkennen – sehr beeindruckend, und längst nicht so aufdringlich wie so manche „highly figured“ Gitarrendecke von heute. Die Gitarre ist bis auf die Bünde im Originalzustand und hat ebenfalls eine interessante Geschichte zu erzählen. Zu Schüler- und Highschool-Zeiten hat der erste Besitzer die Les Paul in einer Bigband gespielt, aber nach dieser Zeit das Interesse an Musik verloren, und die Gitarre wanderte unters Bett. Als seine kleine Nichte Interesse am Gitarrenspiel zeigte und Unterricht bekommen sollte, stellte ihr Onkel ihr seine alte Gitarre zur Verfügung. Und fortan fuhr die kleine Nichte monatelang mit öffentlichen Verkehrsmitteln und einer 1959 Burst im Koffer zum Gitarrenunterricht!

Erst als sie die Les Paul in einen Musikladen brachte, weil ihr eine Saite gerissen war, wurde allen Beteiligten klar, um was für ein Instrument es sich hier handelte. Nach eingehender Familienberatung entschloss man sich, die Les Paul zu veräußern – und so fand sie über eine weitere Zwischenstation den Weg nach Maintal zu Guitar Point. Der 59er Hals fühlt sich überraschend moderat an – völlig anders, als ich das Profil von einer 59er Reissue interpretiert sah. Gar nicht so klobig, sondern eher „genau richtig“, sogar eine kleine Idee griffiger als das Profil der 58er Les Paul. Klanglich war vor allem der Sound des Steg-Pickups der reine Wahnsinn – offen, satt, brillant, mit starkem vokalem Charakter und etwas mehr Lautstärke als die 58er. Die cleanen Sounds belegen, das hier weniger Holzklang übertragen wurde als bei der 58er, und dass der HalsPickup irgendwie nur normal erschien. Auch gut, aber gegen die Sonderklasse des StegPickups halt eben nur normal.

 

Ser.-Nr. 0 7453

Das Wunderbare an der Begegnung mit diesen drei Bursts ist neben den verschiedenen klanglichen Eindrücken auch die Tatsache, dass man sehr genau verfolgen kann, wie sich diese drei Produktionsjahre unterscheiden: z. B. die unterschiedlichen Halsprofile, oder die verschiedenen Rottöne sowie die unterschiedlich lauten Pickups. Das 60s Halsprofil ist denn auch deutlich dünner als das der beiden anderen. Dafür geht es klanglich hier ganz anders zu, denn die 60er Les Paul ist deutlich die aggressivste dieses Trios; sie geht mit einer schnellen Dynamik fast schon bissig zur Sache, sie klingt für meine Ohren ganz stark nach Classic Rock im Allgemeinen und Led Zeppelin im Besonderen. Die leichten Holzanteile im Klang machen sich bei weniger verzerrten Sounds gut bemerkbar und sorgen dort für Transparenz und Glanz. Auch diese Les Paul ist in allen Lagen vollwertig, die Töne stehen auch in den oberen Registern wie eine Eins, und das auch bei wenig Verzerrung.

[3987]

Magic Of A Legend: 1957 Gibson Les Paul Goldtop

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(Bild: Udo Pipper)

Am Wochenende vom 28. bis 29.11.2020 fand zum vierten Mal der Guitar Summit statt. Diesmal nicht im Mannheimer Rosengarten, sondern virtuell als Web Camp. Geschuldet war dieser immense Aufwand der Corona-Krise. Alle Aussteller und Workshop-Anbieter mussten sich digital mit Videos an der Messe beteiligen. Das galt natürlich auch für meinen Workshop, den ihr unter www.gitarrebass.de/57goldtop findet.

Das war eine gute Gelegenheit, die Möglichkeiten eines Videodrehs gegenüber der Live-Perfomance in vollen Zügen auszuschöpfen. Zugegeben, mein Thema klang zunächst nicht besonders geistreich: „Sound of a Legend – 1957 Gibson Les Paul“. Das gab’s doch schon tausend Mal! Stimmt! Aber das geschah in den meisten Fällen in Schriftform und nicht mit ordentlichen Klangbeispielen.

Vintage-Instrumente sind immer noch in aller Munde, erst recht die legendären Vintage-Les-Pauls aus den Baujahren 1957 bis 1960, die vermutlich wirklich das Zeug haben, zu den „Stradivaris“ der E-Gitarren-Kultur zu werden. Die Sammlerpreise sprechen da eine ganz eindeutige Sprache. Die meisten dieser Instrumente liegen gut verpackt in Tresoren oder stehen wie bei Guitar Point in Maintal hinter einer dicken Panzerglasscheibe. Das muss auch so sein. Nicht auszudenken, wenn den Schmuckstücken etwas zustößt. Jede Ungereimtheit führt zu Wertverlusten in meist schon fünfstelliger Höhe.

Das war jedoch nicht immer so. Als die Gitarrenhelden von damals der Les Paul Standard zu ihrem Siegeszug verhalfen, kosteten die Instrumente nur ein paar hundert Dollar. Viele Protagonisten wie Jeff Beck, Joe Walsh oder Eric Clapton haben da auch schon mal eine weniger geliebte Les Paul an einen Kumpel verschenkt. Man sah sie stets im Tourgepäck dieser Musiker. Sie wurden jeden Abend in Schweiß getränkt, verloren Lack, bekamen bessere Mechaniken oder Tonabnehmer, und zerbrochene Kopfplatten wurden wieder angeleimt. Fertig! Nicht selten wurden sie nach einem Gig irgendwo einfach vergessen oder geklaut. Backstage-Pässe und Securities gab es damals noch nicht.

Heute sind sie meist hoch versichert und werden trotz ihrer angeblich verzückenden Klangeigenschaften kaum noch gespielt. Und dennoch treibt es viele Gitarristen, sich mit dem Sound dieser Instrumente auseinanderzusetzen. Gibson bietet heute ziemlich gut gemachte Repliken dieser Instrumente an, und egal ob Profi oder Hobbyist, spielen die meisten Les-Paul-Liebhaber diese Instrumente. Findet man hier ein gutes Exemplar, ist man schon ziemlich lässig im „ballpark“ dieser Soundvorstellungen.

Jeff Beck, Joe Bonamassa, Eric Clapton, Billy Gibbons und viele andere Profis besitzen solche Instrumente, und mit Ausnahme von Joe Bonamassa werden sie auch von gut betuchten und bewachten Stars nicht mehr mit auf Tour genommen. Und genauso wie wir Hobbyisten spielen sie auf teils vom Gitarrenbauer oder Techniker präparierten, neuen Gitarren. Die alten Schätze werden zwar immer noch verehrt und geliebt, aber sie dienen heute nur noch als Klangreferenz. Und genau das war mein Motiv, ein solches Video zu drehen.

Aufgrund der astronomisch hohen Preise stellt sich für die meisten von uns gar nicht die Frage, ob man lieber „neu“ oder „vintage“ spielt. Wir spielen neue Gitarren, sehnen uns dabei aber danach, den Klangreferenzen ein bisschen näher zu kommen. Wozu braucht man also eine 1957er-Goldtop? Auch, wenn ich zugeben muss, dass es auch mich irgendwie inspiriert, auf einem so alten Instrument zu spielen, habe ich in den meisten Fällen – wie auch in diesem Video – ganz andere Sorgen. Was soll ich überhaupt damit spielen, um die typischen Klangeigenschaften wirklich nachvollziehbar herauszukitzeln?

Damit habe ich experimentiert und bin immer wieder bei recht puristisch angelegten Blues/Rock-Beispielen gelandet. Logisch, denn wie ich im Video erwähne, benötigt man für Shredder-Metal oder Effekt-beladene World-Music-Verträumtheiten keine alte Les Paul. Und selbst, wenn ich in den knapp bemessenen Genres verbleibe, gelangen diese Aufnahmen nur dann gut, wenn ich gut gespielt habe.

1957 Goldtop Body-Kontur

SOUND DER PLAYER

Ein Beispiel: Als ich mal bei Jeff Beck zu Besuch war, führte er mich in sein Musikzimmer, wo einige seiner Instrumente an Wandhaken hingen. Ich bestaunte sofort eine alte, weiße Pre-CBS-Stratocaster mit deutlichem Bühnen-Mojo und reichlich Staub auf dem Griffbrett. Auf meine Frage, wie diese Gitarre klingen würde, beugte sich Beck mit dem Ohr an die Gitarre, lächelte und sagte: „Keine Ahnung! Ich höre nichts!“

Und das führt uns schon mal zu der entscheidenden Erkenntnis. DER SOUND mag vielleicht als Potential in diesen Gitarren ruhen, herauskitzeln muss ihn jedoch der Musiker selbst. Oder anders gesagt: Eine Vintage-Les-Paul auf dem Schoß macht noch keinen Eric Clapton-Bluesbreaker-Beano-Ton. Man braucht dazu eben auch noch einen Eric Clapton!

Und tatsächlich kenne ich nur wenige Musiker in Deutschland, die mit solchen Instrumenten wirklich kunstvoll umgehen können. In den frühen Achtzigern hörte ich Ali Neander von den Rodgau Monotones in der Frankfurter Batschkapp. Damals noch mit vorwiegend ZZ-Top-Covern oder auch ‚Crossroads‘ in der Live-Version von Cream. Er spielte eine alte mit PAF-Pickups bestückte Les Paul Goldtop in einen Reußenzehn Marshall. Da war dieser Ton, den man nicht mehr vergisst. Bluesrock vom Feinsten.

Dann sah ich mal vor langer Zeit Peter Weihe live mit seiner 58er- „Burst“-Les-Paul. Das war auch wahnsinnig inspirierend, denn auch er hatte all die klassichen Sounds dieser Instrumente parat und spielte hervorragend. Dann Henrik Freischlader, der eine getunte Reissue verwendet, aber mit jedem seiner Töne die alten Instrumente vergessen lässt. Oder Michael Wagner, ein Müncher Gitarrist, der die Demo-Videos für den Gitarren-Shop Ten-Guitars einspielt. Auch der kann mit diesen Sounds hervorragend umgehen.

Und zum Schluss kennen viele von uns das Blues-Spiel von Gregor Hilden, der stets von Peter Green inspiriert das Genre dieser Klänge pflegt. Das sind nur ein paar Namen. Und mir fiel es recht schwer, mich in diese Eindrücke einzureihen. Ich hoffe, das ist mir ein wenig gelungen. Somit sprechen die Klangbeispiele im Video für sich. Und natürlich bin auch ich seit jeher vom Sound dieser Instrumente beinahe fieberhaft infiziert.

Aber ehrlich: Ich spiele auf einer alten Gitarre in Wahrheit keinen Deut besser als auf einer brauchbaren neuen Gitarre. Wenn also das Genre gar nicht mal so umfangreich für diese Klänge zu sein scheint, dann müssen sich die Klangbeispiele auch in diese Richtung bewegen. Peter Green, Mike Bloomfield, Eric Clapton, Jeff Beck, Billy Gibbons, Jimmy Page, Paul Kossoff, Clem Clempson, Dickey Betts, Duane Allman und Gary Moore lauten vielleicht die wichtigsten Vertreter dieser Gattung. Und alle spielten in ihren goldenen Jahren diese Gitarren einfach in weit aufgdrehte Röhren-Amps.

Heute sind auch die „vintage“. Mit ein paar Fußtretern im Signalweg – und das war auch beim Dreh meine Erfahrung – verschwindet der Glanz dieser Sounds fast gänzlich. Es scheint also absurd, ein Vintage-Instrument für einen sechsstelligen Sammlerpreis erstmal in einen 100-Euro-Verzerrer zu stöpseln und damit all die geliebten Eigenschaften wieder zu verbiegen. Auch das „System“ ist ein Teil der Botschaft. Duane Allman und Dickey Betts haben das auch nicht getan. Und Kossoff schon gar nicht.

Eine alte Les Paul klingt also nur richtig authentisch, wenn man sie pur über einen alten Amp spielt. Und am besten sollten sich die Zuhörer im selben Raum befinden, denn diesen tatsächlich mitreißenden Sound hinterher auch aufzunehmen, war eine weitere Hürde, die erstmal genommen werden musste. Aber dazu mehr in der nächsten Ausgabe.

Das „Gold“ wurde im Laufe der Jahre zu „Grün“.

SPEZIFIKATIONEN

Die Les Paul Goldtop im Video stammt laut Seriennummer aus dem Spätherbst 1957. Der Gibson-Schriftzug auf der Kopfplatte ist hier auch schon höher angelegt als bei den späteren Modellen von 1958, 59 oder 60. Die Pickups haben aber noch keinen PAF-Aufkleber. Der kam wohl erst ab dem Jahreswechsel zu 1958. Der Halswinkel ist in diesem Baujahr vermutlich noch ein wenig flacher als ab 1958.

57er PAF-Front-Pickup

Leider hatte ich keine Vergleichsgitarren parat. Es war schon schwer genug, eine Goldtop aufzutreiben. Die Ausstattung war komplett original. Hier stimmte einfach alles. Zudem war die Gitarre in einem exzellenten Zustand. Nur ein paar Haarrisse im Lack und ein wenig Flugrost auf der Hardware gaben Auskunft über das tatsächliche Alter. Interessant war, dass die Tone-Potis dieser Les Paul nicht im so genannten 50s-Wiring verlötet waren, sondern so wie modernere Modelle, bei denen die Kondensatoren am Eingang des Volume-Potis angeschlossen sind. Die unangetasteten Lötstellen waren der Beweis, dass Gibson auch diese Schaltungsvariante viel früher verwendet haben muss. Einige alte Les Paul Customs habe ich ebenfalls mit diesem Wiring gesehen.

Mit 3,9 kg liegt sie vermutlich im guten Durchschnitt dieser Baujahre. Kein Leichtgewicht zwar, aber auch nicht wirklich schwer. Beinahe mystisch ist der Umstand, dass alle Besucher in meinem Shop der Meinung waren, dass diese Les Paul wesentlich leichter sei als alle Historic-Collection-Modelle, die hier an der Wand hängen. In Wahrheit wiegen diese Gitarren zufällig auch ziemlich exakt 3,9 kg. Offenbar fühlen sich alte Gitarren ganz subjektiv „leichter“ an.

Die PAF-Pickups messen 7,5 kOhm an der Front und 8 kOhm an der Bridge. Auch das ist einfach Durchschnitt und unterscheidet sich kaum von aktuellen Modellen oder den meisten Reissue-Pickups. Im direkten Vergleich mit Crazyparts-, Kloppmann- oder Amber-Pickups mit etwa gleichen Widerständen waren die alten PAFs jedoch etwas leiser als neuere Tonabnehmer. Vermutlich sind die Magneten nicht ganz so stark. Das konnte ich nicht messen, denn die alten PAFs durfte ich ja nicht öffnen.

Alle übrigen Spezifikationen sind weitgehend bekannt: Centralab 500k-Potis, die allesamt etwas „nach oben“ gedriftet waren (ca. 650k im Durchschnitt), Sprague-Bumblebee-„Paper in Oil“-Ton-Kondensatoren, Alu-Tailpiece, lange Stud-Schrauben, dünne Thumbwheels und original „non-wire“ ABR-1 mit Messingreitern.

Zum Schluss wäre noch das wunderbar schwarze und „ölige“ Rio-Palisander-Griffbrett zu erwähnen, das laut einigen mir gut bekannten Gitarrenbauern auch zu dem sprichwörtlichen „Snap“ in der Ansprache dieser Gitarren beitragen soll. Für mich ist es in erster Linie ein Genuss, auf diesen Hälsen zu spielen, da ein gut eingespieltes Rio-Board so glatt und widerstandslos zu bedienen ist. Zu schade, dass man das heute nicht mehr findet.

Vintage Rio-Palisander Griffbrett

Zum Schluss gilt es noch, die Halsform zu beschreiben. Die ist hier wesentlich flacher als man vermuten würde und leicht V-förmig. Keine Spur also vom angeblich klobigen Goldtop-Profil. Alle Historics hier bei mir zuhause haben deutlich dickere Hälse. Ich habe keine Ahnung, warum Gibson diese tollen Hälse nicht mehr hinbekommt. Angeblich messen sie die alten Vorbilder doch mit einem 3D-Scanner, wie kann der sich nur derart irren?

Während der Dreh-Phase hatte ich Besuch von einem stolzen Besitzer einer „Charles Daughtry“ Colletors Choice Goldtop, die er zum Vergleich mitgebracht hatte. Der Hals dieser Gitarre war ein echter „Balken“, dem auch viel zu üppige Schultern beschert worden waren. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das dem Vorbild entspricht.

In der nächsten Ausgabe widmen wir uns den Amp-Sounds sowie dem Aufnahme-Prozess. Vintage Rio-Palisander Griffbrett Bis dahin …

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2021)

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