Es lag schon lange in der Luft und in den letzten Monaten wurde viel spekuliert. Jetzt ist es amtlich. Am 1.5.2018 hat der US-amerikanische Konzern Gibson Insolvenz angemeldet. Exakt wurde nach amerikanischem Recht Bankruptcy Protection nach Chapter 11 beantragt. Dieser beinhaltet Gläubigerschutz und die Firma will versuchen, sich innerhalb eines Jahres zu retten. Im Editorial der Ausgabe April 2018 habe ich die Gründe aufgeführt, warum es Gibson schlecht geht: Die Firma ist von ihrem Kerngeschäft zu weit abgewichen.
Wandel von Gitarre zu Consumer Electronics
Harvard Absolvent Henry Juszkiewicz hat vor 32 Jahren Gibson für 5 Millionen Dollar gekauft und damals vor dem Untergang gerettet. Er hat anfangs vieles richtig gemacht, den Custom Shop aufgebaut, auf alte Werte gesetzt, Gibson Akustik-Gitarren in Montana bauen lassen und wieder die Qualität auf altes Niveau gehoben. Als Slash mit Ende der 80er der neue Gitarren-Hero wurde, hat Gibson unglaublich profitiert und die Les Paul wurde zu ungeahnten Höhenflügen getrieben, es wurden Stückzahlen verkauft wie nie zuvor. Vintage-Modelle von Gibson und Fender begannen ihren Siegeszug und deren Preise stiegen ins unermessliche. Gibson reagierte mit möglichst originalgetreuen Replicas aus dem Custom-Shop, und die Preise wurden noch weiter in die Höhe getrieben.
Henry Juszkiewicz kaufte Gibson im Jahr 1986 °
Aber Juszkiewicz und sein Partner Dave Berryman haben in den vergangenen Jahrzehnten die Firma mit den Stammmarken Gibson und Epiphone künstlich aufgeblasen: Marken wie Steinberger, Valley Arts Guitar, Kramer, Tobias, Dobro, Maestro, Slingerland, Wurlitzer, KRK und Baldwin wurden hinzugekauft. Und dann in den letzten Jahren einen Wandel von der Guitar Coorporation zu einer Electronic Company vollzogen. Was haben Marken wie Onkyo, Teac, Tascam und die Unterhaltungssparte von Philips mit Kopfhörern, Lautsprechern und DJ-Equipment mit einer Gitarrenfirma zu tun? Natürlich hat Henry J. auch im Gitarrenbereich krasse Fehler begangen – als er mit aller Macht die Auto-Tuner durchsetzen wollte, als er Modelle schuf, die keiner wollte. Als er Unsummen in eine Digitale-Gitarren steckte, die keiner wollte.
Völlig an der Zielgruppe vorbei: Gibson Firebird X °
Vertrieb
Auch hat er vor Jahren mit seinen gut funktionierenden Vertriebsfirmen gebrochen und einen Direktvertrieb aufgebaut. Er reduzierte die Anzahl der Händler drastisch, machte Knebelverträge mit Abnahmeverpflichtungen, war einer der ersten, der seine Instrumente (mit mäßigem Erfolg) über Amazon verkauft. Seine Standardmodelle wurden immer günstiger (weit unter € 1000), und waren damit direkte Konkurrenten der eigenen Marke Epiphone. Und die Qualität dieser Gibson-Instrumente war nicht so, wie man es von einer solchen Brand erwartet. So entstanden immer wieder Gerüchte, diese Instrumente würden nicht in den USA gefertigt. Zusätzlich wurden dann noch die ungeliebten 2015er Instrumente mit den Autotunern zu Spottpreisen auf den Markt geworfen. Alles nicht zum Vorteil des Images.
Erzeugte verhaltene Resonanz: Das G Force Autotuning System, erfunden von der deutschen Firma Tronical, war im Jahr 2015 standardmäßig auf allen USA-Standard-Gitarren verbaut. Ob man wollte, oder nicht. Dazu wurden die Hälse, wohlgemerkt bei gleichbleibendem String-Spacing, auf nahezu Acoustic-Gitarren-Maße verbreitert. °
Schulden
Aber noch schlimmer war, dass Henry J. im Stile Griechenlands seinen Schuldenberg immer weiter vergrößerte, weil er weitere Firmen hinzukaufte, um mit den dafür genehmigte Krediten andere Schulden zu begleichen. Nur zum Vergleich: Mit Gibson Gitarren wurde zur guten Zeit ein Umsatz von ca. 300 Millionen Dollar erreicht, sein Gesamtunternehmen macht einen Umsatz von ca. 1,3 Milliarden Dollar. Aber keinen Gewinn. Die Schuldensumme, die er bis Mitte 2018 hätte umschulden müssen, beträgt ca. eine halbe Milliarde Dollar. Zu allem Überfluss hatten alle Rating-Agenturen Gibson komplett runtergestuft.
Die Rettungsversuche, die Gibson bis dahin unternommen hat, wirken daher eher lächerlich: Das Gibson-Fabrikgebäude im Stadtzentrum von Memphis wurde für 18 Millionen Dollar verkauft, ein Baldwin Piano Lagerhaus im Nashville für 8 Millionen, das Valley Arts Gebäude in der gleichen Stadt steht ebenfalls zum Verkauf (nochmals 10 Millionen). Die Softwarefirma Cakewalk wurde abgegeben. Alle Fabriken sind von Kürzungen betroffen. Im Nashville Custom Shop lief bereits die zweite Entlassungswelle, und nochmals 15 verdiente Mitarbeiter mussten gehen, nachdem vor einigen Monaten schon Arbeiter und Führungskräfte entlassen wurden. Das Finanzproblem machten sich auch in die Produktqualität, Qualitätskontrolle, Service und Vertrieb bemerkbar.
https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Gibson_Guitar_Corporation?uselang=de#/media/File:Gibson_Guitar_Factory,_Memphis.jpg / https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/ °
Insolvenz
Jetzt haben die Banken, die den größten Batzen der Schulden tragen, den Stecker gezogen. Endlich.
Es gab keinen anderen Ausweg mehr als den Insolvenz-Antrag zu stellen. Die aktuellen Pläne sehen vor, dass Gibson sich wieder auf sein Kern-Geschäft, die Musik-Instrumente, konzentriert und sich von allem anderen Geschäftsteilen trennt, wie z. B. der Sparte Gibson Innovations, in der Philips, TEAC und anderes integriert waren.
Die beiden CEOs Henry Juszkiewicz – dem immer noch 35% der Firma gehören – und Dave Berryman sollen für die Übergangszeit als Consultants zur Verfügung stehen, werden aber danach auf Drängen der Banken die Firma verlassen (Makaber: mit einer satten Abfindung). Für den Umbau werden nochmals 135 Millionen Dollar benötigt, die von den Banken zur Verfügung gestellt werden sollen. Viele der alten Kreditgeber werden leer ausgehen, viele Gläubiger – also Holzlieferanten, Hersteller in Asien, die z. B. die Epiphone-Gitarren gebaut haben, Lieferanten von Saiten, Pickups und viele mehr, werden erst mal auf ihren Rechnungen sitzen bleiben und – wenn überhaupt – erst nach der Konsolidierung entschädigt. Aber vermutlich werden auch sie auf ihren Forderungen sitzen bleiben.
Einige werden sich die Frage stellen, warum die Firma oder der Gibson-Anteil Konzern nicht einfach verkauft wurde? Interessenten gäbe es genug. Die Antwort: Weil es keinen Sinn macht. Juszkiewicz hat schon Recht früh, als er in Geldnöte kam, die Markenrechten, die Patente und sogar die Fabriken in Nashville an Banken verkauft, und dann zurückgeleast. Das bedeutet, ein Käufer würde nur einen kleinen Teil erwerben, aber die Schulden übernehmen müssen.
Aktuell entscheidet ein Richter in Delaware darüber, ob der Insolvenz-Antrag angenommen wird.
Auf Messen war Gibson schon seit Jahren nicht mehr vertreten, auf der letztjährigen Musikmesse war die Gibson-Präsenz dem Musik Store Köln zu verdanken.
Die Gitarre ist tot – die Gitarre lebt
Die ständigen Negativmeldungen aus Nashville haben dazu geführt, dass in der weltweiten Presse schon vom Untergang der E-Gitarre gesprochen wurde. Aber das ist nicht richtig. Die Branche lebt, die Gitarre lebt, und die großen Player wie Fender und die US-Ladenkette Guitar-Center müssen sich konsolidieren. Klar: Die alten Gitarrenhelden wie Eric Clapton, Jimmy Page, Jeff Beck, Jimi Hendrix, Angus Young und Eddie van Halen sind nicht mehr die Vorbilder der neuen Generation. Aber so war es auch in den 60ern, als die Helden der 50er Jahre – Jimmy Smith, Chuck Berry, Elvis, Joe Pass, Kenny Burell ‒ in den Hintergrund gedrängt wurden. Heute sind Joe Bonamassa, John Mayer, Ed Sheeran oder Taylor Swift die Vorbilder. Die Gitarre ist nicht tot, es werden immer noch unfassbar viele hergestellt und verkauft, und das ist gut so.
Drücken wir die Daumen, dass es den Insolvenzverwaltern und den Banken gelingt, die Marke Gibson zu retten. Auch im Sinne der anderen Marken. Denn nur ein gesunder Markt mit konkurrenzfähigen Marken ist ein guter.
Gibson-Konzern
Die Firma Gibson besteht aus folgenden Unterfirmen, allesamt sind von der Insolvenz betroffen:
Gibson Brands, Inc.
Baldwin Piano, Inc.
Cakewalk, Inc.
Consolidated Musical Instruments LLC
Gibson Café & Gallery
Gibson International Sales
Gibson Pro Audio Corp.
Neat Audio Acquisition Corp.
Wurlitzer Cor.
Gibson Innovations USA Corp
Gibson Holdings Inc.
Gibson Europe B.V.
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