Nein, ich bin nicht der freundliche Anlageberater der Bank Ihres Vertrauens! Obgleich in unserem speziellen Fall der Aspekt „Wertsteigerung“ eigentlich nicht alleiniger Sinn und Zweck des Gitarrensammelns sein sollte, taucht die Frage „Welche Modelle sind lukrativ, wovon soll ich besser die Finger lassen?“ unter Kollektionsnovizen gar nicht mal so selten auf.

Da es jedoch um Musikinstrumente geht, sollte man vom Sammelnden u. a. gewisse musikalische Interessen und Kenntnisse erwarten dürfen. Auch erweisen sich spielerische Fähigkeiten nicht als hinderlich, wenn man sich über die Klangeigenschaften und -qualitäten einer Gitarre oder eines Basses ein eigenes Urteil bilden möchte.

Es gibt heute beinahe nichts, was nicht gesammelt wird. Jedoch lockt Opas Bierdeckel-, Briefmarken-, Münz- und Streichholzschachtelkollektion die Enkel ebenso wenig hinterm Ofen hervor, wie Omas Mokkatassen-, Knopf-, Topflappen- und Stickbildersammlung. Gesammelt wird beinahe nur noch, was Wertsteigerung verspricht.
Wir Gitarren-Freaks können mitunter merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag legen. Als angehender (heute Ex-)Vintage-Sammler war ich einmal echt pikiert, als ich 1979 während einer Band-Probe stolz meine damals gerade erstandene originale 1957er Les Paul Standard (mit PAF-Tonabnehmern) auspackte, und ein Roadie dies mit „Haste eigentlich keine Kohle für ’ne neue Gitarre?“ kommentierte. Der Mann war einfach nicht im Bilde…
Wie das Gitarren sammeln anfangen?
Nur selten konzipiert ein angehender Gitarrensammler sein Vorhaben konkret und detailliert. Meist entstehen Sammlungen zunächst eher zufällig und entwickeln über die Jahre hin Bezug zu einem bestimmten Thema, sprich Gitarrentyp oder -modell. Eines unterscheidet jedoch den puren Sammler vom sammelnden aktiven Musiker: Während Ersterer oftmals bestimmte Instrumente eines Herstellers nach Baujahren, Modellreihen oder Lackierungen sucht, zeichnet sich die Kollektion eines Musikers durch Marken- und Typenvielfalt aus.
Auch bevorzugt der Sammler in erster Linie Exemplare in tadellosem, im Fachjargon mit „mint” oder „near mint” bezeichneten Originalzustand, während der Musiker oftmals so genannte „Player“ vorzieht, also Instrumente, die durch Modifikationen wie z. B. neue Mechaniken einfach besser spielbar gestaltet wurden. Dabei handelt es sich meist um intensiv gespielte, oftmals auch modifizierte oder/und überlackierte (oversprayed, refinished) Gitarren in weniger gutem Zustand, die einen Bruchteil der gut erhaltenen kosten. Allerdings klingen selbige erfahrungsgemäß meist besser, da sie unzählige Stunden gespielt wurden.
Fakt ist auch, dass ein absolut „unverbasteltes“ Instrument im Originalzustand ungeachtet seines optischen Eindrucks wertvoller ist, als ein modifiziertes, neu lackiertes oder mit Ersatzteilen rekonstruiertes. Man stelle sich vor, Don Gallagher hätte nach dem Tod seines Bruders Rory dessen geschundene Strat neu lackieren lassen, um sie eventuell besser verkaufen zu können. Höchststrafe! Aber der Mann ist schließlich vom Fach.
Inzwischen dürfte es selbst bis in die hintersten Winkel unserer Republik gedrungen sein, dass sich der Otto-Normal-Sammler etwaige Wünsche nach erschwinglichen Gibson Jazz-Gitarren, Les Paul Standards und ES-335/345/355 sowie Fender Broad-, No-, Tele- und Stratocaster-Modellen der 1950er- und frühen 1960er-Jahre, getrost abschminken kann. Speziell bei diesen gesuchten Gitarren ist der Markt abgegrast, und tauchen dennoch solche Modelle auf, werden sie meist in ein weltweit existierendes Sammler-Informationsnetz eingespeist und sind genauso schnell „gebunkert“ wie aufgetaucht.
Dennoch kann der, der eine Nase für gute Instrumente und Trends besitzt, heute immer noch lohnende Schnäppchen machen. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass die ersten Fender Squier-Modelle der JV- und SQ-Serien, mit denen der US-Hersteller zu Beginn der 1980er versuchte, den erstklassigen japanischen Kopien von Tokai, ESP und anderen Paroli zu bieten, zu begehrten und zurzeit (noch) erschwinglichen Sammlerstücken mit steigendem Wert avancieren würden? Und die vorzüglichen japanischen Fender-Vintage-Reissues der späten 80er und 90er Jahre sind auf dem besten Weg dorthin.
Was sammeln?
Ganz einfach, nämlich zunächst schlichtweg das, was man mag, und was die finanzielle Situation erlaubt. Tunlichst zu vermeiden ist es, für den Kauf einer Vintage-Gitarre einen Bankkredit aufzunehmen, es sei denn, es handelt sich um ein echtes Schnäppchen der Marke „Nummer sicher“. Die Sammelleidenschaft sollte quasi die persönlichen Vorlieben oder Interessen am Gitarrenspiel fortsetzen. Die meisten der bekannten Sammler starteten mit der Suche nach einem ganz bestimmten (Traum-)Instrument, oder wurden durch ein zufällig entdecktes animiert.
Sie begannen, sich für dessen Historie und Konstruktion zu interessieren und erlangten in diesem Zuge umfangreiches Allgemeinwissen über Vintage-Gitarren. Auch in diesem Genre können nämlich Wissenslücken unter Umständen eine Menge Geld kosten. Sammeln ist ein ständiger Entwicklungsprozess. Wer beispielsweise eine ältere Gitarre besitzt, beginnt am besten damit, so viel wie möglich über sie und eventuelle Vorgängermodelle zu erfahren.
Unzählige Veröffentlichungen entsprechender Fachliteratur, Internet-Foren, der Besuch von Fachmessen oder -ausstellungen und Kontakt zu anderen Sammlern erleichtern die Recherche ungemein und erhöhen gleichzeitig den Wissensstand. Grundsätzlich empfiehlt es sich – wenn man nicht gerade auf absonderliche Farben und Formen steht – Gitarren, die bereits in ihrer Erscheinungsperiode Erfolge aufzuweisen hatten, und deren Kopien zu sammeln. Erfahrungsgemäß erfreuen sich solche Instrumente immer einem gewissen Wert-Zuwachs, während Modelle, die schon bei ihrer Vorstellung keinen interessierten, auch später unbeachtet bleiben. Ausnahmen wie Gibsons exzentrische Flying-V- und Explorer-Gitarren bestätigen da nur die Regel. Hier ein paar praktische Sammelvorschläge:
- Instrumente eines Herstellers in einer bestimmten Farbe
- Instrumente verschiedener Hersteller, aber eines bestimmten Baujahres, z. B. des eigenen Geburtsjahres – was bei dem ein oder anderen von uns allerdings ein recht teures Vergnügen sein kann
- Ein bekannter Instrumententyp (z. B. Fender Stratocaster) und dessen Kopien
- Ein bestimmter Instrumenten-Typ in seinen verschiedenen Versionen (z. B. Les Paul Standard, Custom, Special, Junior etc.)
- Eine komplette Serie (z. B. Fender Standard Strat, Tele, Jazz Bass, Precision)
- Die verschiedenen Baujahre eines bestimmten Instrumententyps, z. B. eine Reihe von Telecaster-Modellen von 1970 bis 1979
- Alle Signature-Modelle eines Künstlers, einer Band, oder einer Musikrichtung (z. B. alle Ibanez Steve-Vai-Modelle, alle Mark-King-Signature-Bässe etc.)
Wo suchen?
Überall! Na ja, ganz so einfach ist es natürlich nicht, schließlich liegen gute Instrumente nicht auf der Straße oder gar im Sperrmüll herum. Obwohl … auch das hat es alles schon gegeben! Glücklich kann sich schätzen, wer eine Vintage-Gitarre aus zweiter Hand erwerben kann, vorzugsweise mit originalen Etiketten und Kaufbeleg. Die meisten Sammler ziehen den Kauf von Privatleuten vor, da die begehrten Objekte beim Händler in der Regel teurer sind.
Pfandhäuser (engl.: pawn shops) und Flohmärkte dürften für denjenigen eher uninteressant sein, der bestimmte Modelle der renommierten Hersteller sucht. Jedoch auch hier gilt: Nichts ist unmöglich, keine Chance ungenutzt lassen! Dagegen kann dort leicht fündig werden wer auf deutsche oder unbekannte (ost-)europäische Fabrikate schwört. Auch Kleinanzeigen in Tagespresse, Stadtzeitungen, Fachzeitschriften und speziellen Anzeigenblättern sind immer für die eine oder andere Überraschung gut.
Interessant sind auch die meist kostenlosen Inserate im Internet, die sowohl auf den Websites großer Musikläden als auch von Privatleuten zu finden sind. Momentan sehr beliebt sind Web-Auktionshäuser wie ebay. Ganz „ausgeschlafene“ Zeitgenossen verteilen sogar Suchanzeigen in Seniorenheimen. Trotz des derzeit günstigen Dollar-Kurses sind Vintage-Instrumente in den USA zurzeit teurer als hier zu Lande, auch wenn sich die dortigen Dealer erfahrungsgemäß recht verhandlungsbereit zeigen.
Mal eben eine Gitarre zur Aufbesserung der Urlaubskasse aus den Staaten mitzubringen ist nicht mehr so lukrativ wie noch in den 70er und 80er Jahren. Besonders kostspielig wird es, wenn man sich das im www erspähte Objekt der Begierde von einem der zahlreichen amerikanischen Vintage-Händler zuschicken lassen möchte. Zuzüglich zum vereinbarten Preis muss man nämlich noch gut ein Drittel Versandkosten, Transportversicherung und Einfuhrumsatzsteuer einkalkulieren. Sollte das gelieferte Instrument nicht gefallen oder nicht den Beschreibungen des Händlers entsprechen, kann man es in der Regel zwar wieder zurückschicken, jedoch ausschließlich auf eigene (erhebliche) Kosten.
Was lohnt sich?
Wer ganz sicher gehen will, sammelt die nach wie vor begehrtesten Gitarren: Gibson Les Pauls der 50er Jahre bis 1960, ES-Modelle der 335-, 345- und 355-Reihe von 1958 bis 1964 (Stoptail-Periode), Fender pre-CBS Modelle (bis 1965), Vollresonanzgitarren bis Anfang der 60er (Gibson, D’Angelico, Gretsch, Guild) und etliche andere. Bei solchen Modellen werden die Preise mit ziemlicher Sicherheit stabil bleiben und teilweise auch weiterhin steigen. Aber wer kann und will bei diesen Kursen überhaupt mithalten?!
Kümmern wir uns also um die erschwinglichen Dinge. Inzwischen hat der hiesige Vintage-Markt die Qualität deutscher Produkte entdeckt. Abgesehen von den eher kultigen 50er- und 60er-Jahre-Kopierversuchen der Firmen Framus, Höfner, Hoyer, Hopf, Klira u. v. a. sind zurzeit erstklassige Repliken und auch eigene Kreationen von Hoyer aus den 70ern und frühen 80er Jahren gefragt. Sie zeichnen sich vor allem in puncto Konstruktion (oftmals durchgehende Hälse), Hardware, Klang- und Verarbeitungsqualität aus.
Einen gewissen Ausnahmestatus besitzen die aus massiven Hölzern handgefertigten Jazz-Gitarren der Firmen Glassl, Lang und Roger (Rossmeissl), die inzwischen schon für vergleichsweise recht hohe Summen über den Tisch gehen, und je nach Zustand und Modell auch mal bis zu € 2000 kosten können. Wertsteigerung ist auch bei hochwertigen Kopien von Gibson- oder Fender-Klassikern zu beobachten, vorzugsweise Ibanez-Modelle der frühen bis mittleren 70er Jahre, aber auch eigene Kreationen wie die Artist-Serie, das Bob-Weir-Modell und die Denny-Lane-Doubleneck, von der nur zwölf (!) Stück gebaut wurden.
Lukrativ dürften auch die ersten Fender/Squier-Serien der frühen 80er, die Japan Reissues der 80er und 90er Jahre und frühe ESP- und Tokai-Kopien werden. Hauptsache es sind Produkte japanischer und nicht koreanischer Herkunft!
Auch aktuelle Instrumente, exklusiv für Fernost produziert, werden in Zukunft den europäischen und amerikanischen Sammlermarkt erobern, da kaum zu bekommen. Hierzu zählt die Marke Orville (by Gibson), die eine nahezu komplette Palette erstklassiger Kopien der Gibson-Klassiker bietet. Seit dem Tod des Briten Tony Zemaitis sind nicht nur die Preise seiner Originale explodiert, sondern auch die Kopien diverser Hersteller dermaßen gefragt, so dass neben dem Zemaitis User Club inzwischen auch ein Zemaitis Copy User Club entstanden ist.
Da Zemaitis-Kopien mangels erteilter Lizenzen nicht offiziell verkauft werden dürfen, ist die Zahl recht rar. Es ist auch nicht genau bekannt, welcher Hersteller solche Kopien produziert oder in kleinen Stückzahlen fertigt bzw. gefertigt hat. Es existieren eine handvoll prächtiger Modelle von Tune/Blade und Greco, und Cort hat einmal auf einer asiatischen Musikmesse drei wunderschöne Prototypen präsentiert, die jedoch (leider) nie in Serie gingen.
Ich bekam einmal eine koreanische Zemaitis Pearl Front Replica mit verschraubtem Hals in meine Hände, die qualitativ nicht mit den japanischen Kopien konkurrieren konnte. Es empfiehlt sich also, vom nächsten Japan-Trip eine Orville oder eine Zemaitis-Kopie mitzubringen. Auch Gibson-Kopien des japanischen Herstellers Tokai mit neuerem Datum sind für die Zukunft nicht uninteressant, da sie in überschaubaren Stückzahlen, qualitativ auf hohem Niveau gefertigt und deshalb recht begehrt sind.
Soll es jedoch unbedingt ein „echter“ Oldie eines der renommierten US-Hersteller zum halbwegs akzeptablen Kurs sein, bieten sich 60er-Jahre-Low-Budget-Instrumente von Gibson, Epiphone und Fender an. Zu erkennen sind sie meist an ihrem einzelnen Singlecoil-Pickup. Als lukrativ erweisen sich Gibsons und Epiphones mit P-90s (Dog Ear-Pickup). Einige Modelle verfügen auch über zwei einfache Singlecoils. Die Gibsons tragen die Bezeichnung Junior, Special und Melody Maker, von Epiphone empfehlen sich die Modelle Coronet, Olympic und Olympic Special sowie die Japan-Modelle Scroll 450 und 550 aus der Mitte der 70er Jahre. Fenders „Einsteiger-Gitarren“ sind Duo Sonic, Musicmaster, Mustang, Bronco und Musiclander.
Man sieht, der Sammlermarkt bietet immer noch eine Menge Interessantes und mitunter noch durchaus Bezahlbares, wenngleich sich die Wertsteigerung in dieser Sparte sicherlich im überschaubaren Rahmen halten wird. Aber wer weiß, ob nicht der nächste Guitar Hero mit einer alten Hagström, Eko, Klira, Herticaster, Necker Man oder was weiß ich für Furore sorgen wird, und deren Preise urplötzlich in die Höhe schießen werden.